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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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»Das Volk wird leider immer vorsichtiger. Wir haben seit längerer Zeit auf dieser Strecke keinen guten Griff mehr gethan, und es wundert mich selbst, daß wir alle mit einander noch nicht verlernt haben, die wirklich nicht ganz ungefährlichen Fußwege über das Moor zu betreten.«

Bald hatten sie das Ziel ihrer Wanderung erreicht.

Claus und der alte Boldewin nahmen Stellung zu beiden Seiten der an dieser Stelle zwischen zwei unmittelbar vom Wege aus aufsteigenden, dichtbewaldeten Anhöhen dahinführenden Straße, während Heyso mit seinen Mannen etwa hundert Schritte nördlich und Thomas und Junker Boldewin in geringer Entfernung von Claus südlich an der Straße sich aufstellten.

Nach harten Kämpfen war es Claus erst gelungen, diesem seinem Plan Annahme zu verschaffen.

»Hrrr! Hm!« meinte er ernst und scharf, »hat der Burggraf wirklich nicht nöthig erachtet, außer dem Uchtenhagen und dem Strantz noch weiteren Schutz für sein Geld zu suchen, dann werden wir uns immerhin nicht eher des Sieges erfreuen dürfen, bis nicht Herr Hans von Uchtenhagen und Herr Heinrich von Strantz entweder todt oder in unserer Gewalt sind. Wir müssen darauf gefaßt sein, daß sie sich vertheidigen werden bis auf das Aeußerste. Haben aber die Gewährsmänner Peters selbst nicht genaueren Bescheid über die Stärke der Begleitmannschaften gehabt und sind wir demzufolge ungenau unterrichtet worden, dann ist es nothwendig, daß wir rechts wie links im ersten Augenblick Deckung haben und erst mit Uchtenhagen und Strantz fertig werden können, ehe wir mit den Neuhinzukommenden anbinden. Die genannten beiden Herren und ihre Leute wollen Freund Boldewin und ich allein beseitigen!«

Mit Widerstreben wurde diese Ansicht, welche eine gewisse bei dem furchtlosen Claus befremdende Besorgniß durchblicken ließ, schließlich gebilligt, und schweigend harrten die beutegierigen Ritter und deren kampflustige Mannen des Zeichens, durch das die ausgestellten Posten ihnen das Herannahen des Transportes verkündigen sollten.

Die Nacht brach an. Der Himmel hatte sich dicht mit Wolken bedeckt und es fing an zu regnen, erst nur schwach, allmälig aber immer stärker und der Himmel schien alle seine Schleusen geöffnet zu haben, um die am Fuße der Anhöhe hinter den Bäumen versteckt lagernden Knechte durch das herabströmende Wasser aus ihrer immer ungemüthlicher werdenden Position zu vertreiben.

Wohl wurde manches leise Fluchwort hörbar, doch schien der Kampfesmuth hierdurch nicht geschwächt zu werden; im Gegentheil ließen finstere Drohworte der dem Regen am meisten ausgesetzten Knechte darauf schließen, daß sie gewillt seien, die Unbilden der Witterung den Uchtenhagen’schen und Strantz’schen entgelten zu lassen.

Mitternacht mochte nahe sein. Der Regen ließ nach und hörte bald ganz auf. Ein leichter Wind erhob sich, zerriß hier und da den dichten Wolkenschleier und es wurde bei dem fahlen Lichte der Sterne möglich, einige Schritte weit Gegenstände deutlicher zu erkennen, wie vordem.

Die unbeweglich in ihrer Stellung verharrenden Ritter und Knechte athmeten auf und sehnlichst wurde nun die Ankunft der Gegner herbeigewünscht, um durch Bewegung das unangenehme Gefühl zu verdrängen, das durch das Tragen vollständig durchnäßter Kleider in einer kalten Märznacht hervorgerufen werden muß.

Da wurde endlich der Schrei eines Vogels hörbar.

In demselben Augenblicke waren die Ritter und ihre Leute in Bewegung. Die Säbel wurden gezogen und angestrengt gelauscht.

Ein Geräusch wurde jetzt vernehmbar, erst unklar, bald aber immer deutlicher, und die Lauschenden waren nach wenigen Augenblicken nicht mehr im Zweifel darüber, daß der Transport und dessen Begleitmannschaften daher kämen.

Jetzt vermochten sie die Reihen der Letzteren bereits zu unterscheiden und das Knirschen der Räder beim Rollen über Kies oder Steine genau zu hören; zwei Wagen kamen mitten im Zuge der Bedeckung langsam dahergefahren. Die Letztere hatte augenscheinlich keine Ahnung von der drohenden Gefahr, denn sie beobachtete nur flüchtig den Saum des Waldes und plauderte recht lustig.

Voran ritt ein Reiter, ohne Zweifel Hans von Uchtenhagen, und unmittelbar vor dem Wagen ein zweiter einzelner Mann. Claus vermochte ihn zwar ebensowenig wie den Ersteren genau zu erkennen, doch konnte es ja kein Anderer sein als Herr Heinrich von Strantz. Die Wagen waren inzwischen soweit herangekommen, daß sie dem hinter einem der ersten Bäume am Wege harrenden Claus gerade gegenüber sich befanden.

Nun war es Zeit zum Angriff. Rasch ritt er vor und mit ihm zugleich stürzten seine Leute, von der anderen Seite aber verabredetermaßen der ältere Boldewin mit seinen Mannen auf die anscheinend keinen Ueberfall gewärtigende Schaar der Begleiter.

Einen Moment nur stutzten diese, dann befanden sie sich mit den Angreifenden schon im erbittertsten Handgemenge. Die Ritter Claus und Boldewin der Aeltere aber ritten, der Erstere auf Hans von Uchtenhagen, der Letztere auf Heinrich von Strantz los.

»Oho!« rief der Uchtenhagener, als er die Absicht Claus von Quitzow’s, mit ihm anzubinden, merkte, »mit welchem Wegelagerer und Strauchdieb habe ich es denn hier zu thun?«

Das Schwert in der Faust, ritt er dem die Hiebe der Knechte nur leicht abwehrenden und sich durch das Gewirre drängenden Ritter entgegen.

»Sollst es bald sehen!« erwiderte Letzterer, zu einem furchtbaren Hiebe ausholend, der Uchtenhagener parirte jedoch diesen Schlag so geschickt, daß Ritter Claus mit einem zweiten Hiebe dem Gegner nicht mehr zuvorzukommen vermochte und von diesem bald in die Enge getrieben wurde.

Noch einmal raffte er sich empor, als der Uchtenhagener von mehreren Knechten des Gegners bedroht wurde. Während er diese durch wohlgezielte, kräftige Schläge theils zu Boden, theils in die Flucht schlug, war Claus, wüthend über die ihm zu Theil gewordene unerhörte Abfertigung, mit einem Sprunge seines Pferdes dem Uchtenhagener wieder nahe gekommen und drang mit dem Gnadegott auf ihn ein.

Zu seinem Unglück trat aber in dem Momente, als er den Gegner ergreifen wollte, sein Schimmel fehl, der Stoß verfehlte sein Ziel und der Uchtenhagener schlug

nun mit einem gewaltigen Hiebe Claus vom Schimmel herab.

Ritter Claus von Quitzow war kampfunfähig und der Uchtenhagener, welcher in der kleinen, runden Gestalt auf dem dicken Schimmel längst bereits die Person seines Gegners erkannt hatte, rief höhnisch:

»Herr Claus von Quitzow ist also unter den Wegelagerern zu finden? Ein wenig Geduld nur, edler Ritter, mit Euren Leuten wird bald aufgeräumt sein, dann wollen wir erst noch ein Wörtchen sprechen!«

Seine Vorhersagung schien indeß nicht in Erfüllung zu gehen, denn in diesem Augenblicke kamen Thomas und Junker Boldewin mit ihren Leuten herbei.

Der Letztere hatte den Uchtenhagener kaum erblickt, als er schon an diesen heranritt.

»Jetzt, Hans von Uchtenhagen,« brüllte er, während er sein Schwert zum Schlage erhob, »verlange ich Rechenschaft für den Schimpf, den Ihr mir einst zugefügt habt. Der Strauchritter wird Euch jetzt zeigen, daß er einen Unverschämten zu züchtigen versteht!«

Statt der Antwort begegnete der Uchtenhagener dem Junker, welchem die Wuth die, einem so gewandten Gegner gegenüber unbedingt erforderliche Ruhe und Besonnenheit geraubt hatte, und der deshalb blind darauf losschlug, mit einer Anzahl so kräftiger und geschickt geführter Hiebe, daß das Schicksal des prahlerischen Junkers wohl vorauszusehen war, wenn ihm nicht von irgend einer Seite Hilfe geworden wäre.

Während dieses Kampfes mit einem durch die Wuth verblendeten, vielleicht auch durch allzugroße Siegesgewißheit in Sicherheit gewiegten Gegner hatte der Uchtenhagener schon wahrgenommen, daß der Ritter, welcher mit ihm den Transport bis hierher geleitet, durch zwei Andere arg in’s Gedränge gebracht wurde. Nicht minder waren die feindlichen Mannen, welche an Zahl nahezu doppelt so stark sein mochten, als die Begleitmannschaften, nahe daran, das Feld zu behaupten.

Sein mehr und mehr erlahmender Gegner ließ ihm Zeit, einen Blick auf das Kampffeld zu richten. Er erkannte sofort den nicht mehr zweifelhaften Ausgang des Gefechts, ging nun mit erneuter Heftigkeit auf den Junker Boldewin los, welcher, seine letzte Hilfe in der Anwendung des Gnadegotts erblickend, mit dieser furchtbaren Waffe auf seinen Gegner losstürmte.

Dieser kam indeß auch hier der Verwirklichung der Absicht des Junkers zuvor. Im Augenblick des Stoßes führte der Uchtenhagener eine leichte Wendung aus, der Stoß verlor gerade in Folge der Heftigkeit, mit der er geführt war, an Sicherheit, der Stahl glitt an der Rüstung des Uchtenhageners ab und dieser stieß nun sein Eisen dem in seiner Aufregung sich Blößen gebenden Junker derart in den Körper, daß, als er seinen Gnadegott zurückgezogen, der Junker lautlos vom Pferde sank.

Ohne sich weiter um den gewiß tödtlich Verwundeten zu kümmern, wandte er sich nun zu dem noch immer neben seinem Schimmel liegenden Claus von Quitzow. Es war ihm unerklärlich, weshalb dieser sich nicht wieder emporraffte, oder doch wenigstens einen Versuch anstellte, sich aufzurichten. Die eigentliche Ursache dieser ihm auffallenden Wahrnehmung zu ergründen, vermochte er indeß nicht, denn der laute Jubel der Knechte der Gegner zeigte ihm ja zu deutlich, daß die Uebermacht den Sieg davontragen werde.

Diese Ueberzeugung schien ihn jedoch weniger zu bekümmern, als erwartet werden durfte. Er wandte sein Pferd dem zwischen ihm und dem Ritter, welcher ihn begleitet hatte, sich hin und her drängenden Knäuel von Knechten zu und war bald neben seinem mit Aufbietung der letzten Kräfte gegen Thomas und Heyso sich vertheidigenden Kampfgenossen, welchem er einige den Gegnern unverständlich gebliebene Worte zurief.

Mit all’ der ihm zu Gebote stehenden Gewandtheit und mit einem Feuer, als wäre er an dem Kampfe bis jetzt noch nicht betheiligt gewesen, griff er, während Heinrich von Strantz durch Heyso von Steinfurth beschäftigt wurde, den alten Boldewin an und drängte ihn immer weiter zurück. Letzterer mochte wohl einsehen, daß er unterliegen müsse, wenn der Gegner seine unverkennbare Absicht, ihn von den Knechten zu entfernen, durchzuführen vermöge, und versuchte zum Angriff überzugehen. Die wuchtigen Schläge jedoch, welche der gewaltige Gegner hageldicht auf ihn niedersausen ließ, nöthigten ihn, von diesem Vorhaben abzustehen, und er würde aller Voraussicht nach das Schicksal Claus von Quitzow’s getheilt haben, wenn der Gegner nicht durch einen raschen Seitenblick von der Unfruchtbarkeit des weiteren Kampfes überzeugt worden wäre.

 

Heinrich von Strantz wurde von seinem stärkern Gegner eben überwältigt und nur die schleunigste Hülfe vermochte ihn vor Schlimmerem zu bewahren.

An der Bethätigung des Wunsches, dem Freunde diese Hülfe zu bringen, hinderte ihn indeß der alte Boldewin. Auch diesem war es nicht entgangen, daß seine Leute weitaus im Vortheil seien. Sein Muth wuchs und es gelang ihm, die getheilte Aufmerksamkeit des Gegners benützend, diesen durch einen mächtigen Hieb stark zu verwunden.

In demselben Augenblicke ertönte ein gellender Pfiff; die beiden Ritter von Uchtenhagen und Strantz stürmten unbekümmert um ihre durch den unerklärlichen Pfiff einen Moment anhaltenden Gegner vorwärts, ihre noch unverwundeten Knechte und die Führer der Wagen, welche ihre Pferde während des Kampfes abgesträngt hatten, folgten, und bald sahen die Sieger sich auf dem theuer erkauften Siegesplatze mit ihren Leuten und den beiderseitigen Todten und Verwundeten, wie den Wagen allein. Der Hufschlag der davoneilenden Ritter und Mannen war längst verschollen und tiefe Stille herrschte ringsum, als Heyso von Steinfurth endlich von seinem Staunen sich erholt hatte und den noch immer bald auf die Wagen, bald in der von den Flüchtigen eingeschlagenen Richtung blickenden Boldewin von dem Kruge verwundert fragte:

»Was bedeutete das? Und wo ist Claus und der Junker?«

Jetzt endlich fuhr der alte Boldewin aus seiner Erstarrung auf.

»Fort, fort mit dem Wagen, so schnell als möglich. Der Uchtenhagen holt Hülfe! Ja so, wo sind die andern Beiden?«

Wenige Schritte entfernt fanden sie bald die Gesuchten, und der alte Boldewin vermochte einen lauten Wehruf nicht zu unterdrücken, als er die Ueberzeugung gewann, daß der Junker, wie auch sein alter Freund und langjähriger Bundesgenosse bei allen Fehden und Streifzügen, Ritter Claus von Quitzow, anscheinend leblos neben seinem dicken Schimmel lag.

Balthasar kniete neben ihm und suchte, selbst arg verwundet, seinem Herrn vergebens aufzuhelfen.

»Ja, also, Herr Ritter,« rief er jammernd, als der alte Boldewin herzutrat, »mein edler Herr scheint vom Falle betäubt zu sein. Die Schufte hatten mich umringt und ließen mich nicht aus – o, ich Unglücklicher, also!«

Claus und der Junker wurden von mehreren Knechten zu dem nächsten der Wagen getragen, in welchem, wie der alte Boldewin sich jetzt erst überzeugte, einige kleine Fäßchen standen, die unverhältnißmäßig schwer waren.

»Im andern Wagen stehen auch ein Dutzend solcher Fäßchen!« rief Heyso, als er dies hörte.

»Wir dürfen keinen Augenblick länger als nöthig verweilen!« entschied Boldewin, Heyso wie auch Thomas stimmten dem eifrig bei, und Letzterer flüsterte den beiden Rittern im Tone der Ueberzeugung zu:

»Die Fäßchen enthalten das Geld, welches – deshalb fort!«

Einige der noch berittenen Knechte mußten auf Befehl des alten Boldewin absteigen und, während die Verwundeten in den zweiten Wagen gebracht wurden, ihre Pferde vor beide Wagen spannen.

Nachdem dies geschehen, wurden die Todten vom Wagen weg in den Wald getragen und dann ging der Zug langsam in der Richtung nach Garlosen weiter.

Sie mußten jetzt eine bedeutende Strecke auf dem Wege in der Richtung weiterfahren, welche die flüchtige Bedeckungsmannschaft eingeschlagen, und Boldewin beobachtete alle möglichen Vorsichtsmaßregeln.

»Ich fürchte,« sprach er leise zu dem schweigend neben ihm herreitenden, aber gespannt auf jedes Geräusch neben wie vor ihm lauschenden Heyso von Steinfurth, »wir werden des Gefechts wegen noch einen blutigen Strauß zu bestehen haben. Die plötzliche, wie auf vorherige Verabredung erfolgte Flucht der beiden Ritter und ihrer Knechte erregt Bedenken in mir, die, je länger ich über den Vorfall nachdenke, immer schwerer werden. Wenn wir nur erst vom Wege abbiegen und die gerade Richtung nach Garlosen einschlagen könnten!«

Heyso begnügte sich mit einem die Stelle der Antwort vertretenden brummenden Laut, bei dem es unentschieden blieb, ob der Ritter die Ansicht seines Kampfgenossen theilte oder nicht.

Als sie an der Stelle angekommen waren, wo sie von der Straße abwichen, hielt der am äußersten Flügel der rechten Seite reitende Knecht sein Pferd an.

»Halt an!« flüsterte er seinem Nebenmanne zu, »dort regt sich etwas!«

»Ich sehe nichts!« brummte der Andere, und nachdem sie einige Minuten die dem Ersteren verdächtig erschienene Stelle am Waldsaume beobachtet und nichts mehr bemerkt hatten, erklärte der Knecht mißtrauisch:

»Ich hätte darauf schwören mögen, daß ein Mann hinter dem Gestrüpp verschwunden wäre!«

Kaum waren sie indeß einige Schritte auf dem von der Straße abgehenden, nach Garlosen führenden Waldwege dahingeritten, als derselbe scharfe, durchdringende Pfiff ertönte, welcher unmittelbar vor der Flucht der Uchtenhagen’schen und der Strantz’schen gehört worden war.

Noch einmal hielten die Knechte an.

»Komm mit mir,« flüsterte der seitherige Flügelmann des jetzigen Bedeckungscorps, »wir wollen uns davon überzeugen, wer so prächtig pfeifen kann!«

Der Andere war sofort bereit, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Der Ruf des Herrn Boldewin von dem Kruge hielt sie jedoch von der Ausführung zurück.

In möglichster Eile wurde der Transport nunmehr fortgesetzt und ungefährdet erreichten sie Garlosen.

»Tragt den Ritter und den Junker und dann Alles, was sich außer den Verwundeten in den beiden Wagen befindet, in den Saal hinauf,« befahl, als sie im Schloßhofe angekommen waren, Herr Boldewin, »und Euch, Thomas und Heyso, bitte ich, im Saale die beiden Herren und die Sachen in Empfang zu nehmen; ich werde einstweilen hierbleiben!«

Bald war dieser Befehl ausgeführt und Boldewin beeilte sich nunmehr, in den Saal zu kommen, um dort zunächst Gewißheit über das Ergehen des Junkers und des Ritters zu erhalten.

Mit schlecht verhehlter Angst trat er an das Lager der beiden Herren, an welchem Heyso und Thomas mit gefalteten Händen standen.

Ein Blick auf die beiden Gestalten, ein Griff nach den Händen derselben und Boldewin, der in Gefahren alt gewordene, gegen äußere Eindrücke sich seither fast als unempfindlich erwiesene Mann, bebte zurück.

»Todt! todt!« murmelte er, entsetzt die Hände vor das Gesicht schlagend. »Großer Gott, die einzigen Menschen, die außer Thomas seither treu zu mir gehalten haben, todt? Das – ist – hart!«

Wie vernichtet sank er auf einen Stuhl.

Thomas war zwar nicht weniger ergriffen von dem Geschick der beiden Kämpen, von denen der eine ihm ja noch durch Bande des Blutes nahe stand, er verstand jedoch, sich mehr zu beherrschen und trat nach einiger Zeit an den unbeweglich auf seinem Stuhle sitzenden Boldewin heran.

»Fasse Dich,« rief er ihm zu, »und komm’ mit zu den Fässern, wir wollen den Inhalt derselben prüfen!«

»Ja, ja, Boldewin,« bat Heyso, »kommt mit uns und laßt Eure trüben Gedanken schwinden; auch wir werden ja einst den gleichen Weg wie die Beiden da wandeln!«

Boldewin erhob sich langsam.

In diesem Augenblick trat Balthasar ein.

»Vergebt, Ihr Herren, daß ich mit sammt meinen Wunden heut’ noch hier eindringe; ja, also! Ich wollte mich nur erkundigen, wie es meinem theuren Herrn ergeht!«

»Balthasar, treue Seele,« erwiderte Boldewin, »Dein Herr ist – todt!«

Entsetzt fuhr Balthasar zurück.

»Mein – Herr – todt?! Ja, also! Mein Herr ist todt! Nun – will – ich – auch – sterben – ja, also! Nach diesen Worten wankte er bis zur Thüre. Dort wandte er sich um.

»Kann ich meinen Herrn nicht noch einmal sehen?«

»Hier liegt er, komm’ nur her!«

Wankend folgte er diesem Ruf, schritt bis zur Leiche Claus von Quitzow’s und blickte ihn lange starr, groß an. Dann sank er in die Kniee und selbst die Augen der rauhen, gegen jedes weichere Gefühl abgestumpften Ritter Boldewin, Thomas und Heyso wurden feucht, als sie sahen, daß Balthasar die Thränen über das Gesicht herabliefen, als er die eiskalte Hand der Leiche seines Herrn ergriff und schluchzend rief:

»Ja, also, weshalb sind wir in den Kampf gezogen gegen den wilden Uchtenhagen? – – Jetzt stehe ich allein da, ohne Herrn, ohne Heim, ohne Nichts, o, hätten die Schufte doch auch mich todtgeschlagen, damit ich meinen Herrn in’s Jensen begleiten konnte – – was soll ich noch hier?«

»Du wirst fortan bei mir bleiben, Balthasar!« rief Boldewin, »nun aber gehe und sieh’ zu, daß Deine Wunden heil werden!«

Sichtlich schwer trennte der treue Leibknappe sich von der Leiche seines seitherigen Herrn und verließ langsam den Saal.

Thomas und Heyso waren inzwischen schon beschäftigt gewesen, eines der Fäßchen zu öffnen. Als Balthasar die Thüre hinter sich geschlossen, bedurfte es nur noch weniger Schläge, um die Decke des Fäßchens herausheben zu können.

Bald war diese kleine Arbeit geschehen, Thomas hob die oberen, die Decke bildenden Bretter in die Höhe – begierig blickten die drei Herren in das Fäßchen und starrten mit weitgeöffneten Augen und langgezogenen Gesichtern bald in das Fäßchen, bald einander in’s Gesicht.

»Himmel und Hölle!« brach Boldewin endlich das Schweigen, »das kann nicht sein; schütten wir das Ding um!«

Dies war schnell geschehen und ein mächtiger Haufen schönen weißen Sandes lag vor ihnen.

»Alle Teufel!« fluchte Heyso, als er sich überzeugt hatte, daß wirklich nichts Anderes als Flugsand vor ihm liege.

Thomas hatte bereits ein anderes Fäßchen herbeigeholt und geöffnet, und zum Entsetzen der Ritter bestand der Inhalt dieses zweiten Gebindes wiederum lediglich aus Flugsand.

Eiligst wurden nun sämmtliche Fäßchen untersucht und schließlich lag ein bemerkenswerther Haufen Sand im Saale – von Geld war in den Fäßchen keine Spur zu entdecken.

Boldewin und Thomas waren vor Schreck und Aerger keines Wortes mächtig, sondern begnügten sich, Ersterer mit Schluchzen und Letzterer mit den Fäusten den Tisch zu bearbeiten und mit den Füßen dazu den Tact zu treten.

Ritter Heyso aber brüllte:

»Um einen Haufen Flugsand zu erobern, bin ich bei allen Teufeln doch nicht bierhergekommen. – Ich reite sofort nach Hause und werde Garlosen nie mehr betreten!«

Wüthend verließ er den Saal. —