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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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Der Falkenmeister raffte sich zu einer Antwort auf.

»Herr Bodo von Wedel auf Betow lebt, wie Ihr richtig vermuthet habt, mit Herrn Simon in hartnäckiger Fehde und ich —«

»Nun, was weiter? sprich!«

»Ich glaube, oder richtiger, ich bin überzeugt, daß er, sobald er Kenntniß von dem Mißgeschick des Herrn Simon erhält, nicht nur jede Hülfe verweigern, sondern sich sogar weidlich freuen wird. Der Streit zwischen den beiden Herren ist schon zu alt, um sich schnell beseitigen zu lassen. Was dagegen Herrn Erasmus von Wedel auf Reetz anlangt, so darf ich wohl behaupten, daß dieser ein Freund des Herrn Simon ist.«

»Und wie steht Herr Simon mit dem Ritter Heinrich von Kremzow?«

»Der Kremzower ist einer der Herren, welche den Fehdebrief unterschrieben haben und war heut’ sicher bei dem Strauß betheiligt.«

»Ich höre schon,« rief Dietrich unwillig, »daß Herr Simon in einer recht unangenehmen Lage sich befindet und im Augenblicke Hülfe für ihn in nächster Nähe außer durch Herrn Erasmus nur sehr schwer zu finden sein wird. Ich werde diese Nacht hier bleiben, morgen früh aber selbst einmal zusehen, in welcher Weise sich etwas für Herrn Simon thun läßt. Führe mich vor Allem jetzt in die Waffenkammer!«

Der Falkenmeister zögerte, diesem Befehle nachzukommen, doch mochte Herr Dietrich wohl wahrnehmen, daß er bei einer Wiederholung des Befehls bereitwilligst nachgeben werde, und fuhr deshalb fort:

»Du weißt doch, wer ich bin?«

»Ja, Herr Ritter Dietrich von Quitzow!«

»Nun gut, dann wirst Du auch wissen, daß ich nicht gewohnt oder je gewillt bin, einen gegebenen Befehl mehrmals zu wiederholen. Aus welchem Grunde zögerst Du, mir zu gehorchen?«

»Verzeiht, edler Herr, nur allein deshalb, weil es nicht Gebrauch ist, in Abwesenheit des Burgherrn einen fremden Ritter zu den Waffenvorräthen zu geleiten. Bei Euch jedoch glaube ich eine Ausnahme machen zu dürfen. Herr Simon sprach heut’ früh erst in einer Weise von Euch, die mir das Vorhandensein freundschaftlicher Gefühle für Euch bestätigte, und Ihr selbst wollt ja, wie ich jetzt gehört, dem gestrengen Herrn beistehen. Wollet mir also nun zu der Waffenkammer folgen.«

Dietrich lachte.

»Herr Simon scheint an Dir einen scharf beobachtenden Diener zu haben, und es will mir wohl scheinen, als hätte er just keine üble Wahl getroffen, wenn er Dir in seiner Abwesenheit die Aufsicht auf Güntersberg anvertraut. Dies ist doch der Fall?«

»Mein Herr konnte wohl nicht voraussehen, daß das Zusammentreffen mit seinen Gegnern mit so unangenehmen Folgen für ihn verbunden sein würde. Da nun aber das Gegentheil von dem eingetroffen, was er und Herr Janeke gehofft haben, Herr Simon demnach im Augenblicke verhindert war, nach Güntersberg zurückzukehren, werde ich dafür sorgen, daß hier keine Ungehörigkeiten vorfallen. Doch bitte ich nun, mit mir in die Waffenkammer zu gehen.«

Bald waren sie dort angelangt und Herr Dietrich entnahm der Sammlung von Schwertern eines der gewichtigsten.

»Sagt Herrn Simon, daß ich mir dieses Schwert geliehen habe.«

»Das ahnte ich wohl,« brummte der Falkenmeister vor sich hin, laut aber erwiderte er:

»Werdet Ihr, Herr Ritter, nicht Gelegenheit suchen, Herrn Simon dies selbst mittheilen zu können?«

»Ja!«

Dietrich verließ die Kammer und der Falkenmeister folgte ihm schweigend bis zu der Thüre des Gemachs, wo er sich entfernen wollte.

Dietrich hielt ihn indeß zurück.

»Morgen früh werde ich Güntersberg verlassen, in einigen Tagen aber noch einmal hierher kommen, bis dahin suche, falls Dein Herr mittlerweile noch nicht zurückgekehrt, auszukundschaften, wo er gefangen gehalten wird. Das Weitere wird sich dann finden.«

Der Falkenmeister zog sich nach dieser Weisung zurück und Herr Dietrich verließ mit Anbruch des Tages und ohne Brunhilde noch einmal gesprochen zu haben, das Schloß.

Mit recht gemischten Gefühlen sah Henning Friedländer dem langsam dahinreitenden Ritter nach.

Einestheils freute er sich über die Zusage des wegen seiner Tapferkeit berühmten Dietrich von Quitzow, Brunhildens Vater helfen zu wollen. Andererseits beunruhigte ihn aber nicht wenig der Gedanke, Ritter Dietrich werde, wenn nicht gar Herrn Bodo von Wedel auf Betow, so doch einen anderen Ritter zur Hülfe aufbieten, der seinen eigenen Plänen hinderlich werden könne.

»Meinetwegen,« murmelte er endlich, »mag Dietrich Hülfe herbeibringen, von wo er kann und will. Mit Jedem werde ich mich zur Noth rechtzeitig zu verständigen vermögen. Wenn er nur nicht zu Bodo von Wedel geräth und diesen für sein Vorhaben zu gewinnen vermag.« —

Finster vor sich hinblickend, schien er diesen Gedanken noch länger zu erwägen und die Möglichkeit, der theils hochgeachtete, theils gefürchtete Dietrich werde in dem Bestreben, Herrn Simon beizustehen, seinem eigenen Vorhaben hinderlich werden, verbitterte seine Stimmung immer mehr.

Mißmuthig schritt er eben über den Hof, als er Brunhilde am Fenster erblickte.

Ihrem Winke eiligst Folge leistend, stand er wenig Augenblicke später vor der heimlich Geliebten, in deren Zügen sich eine unbeschreibliche Angst ausdrückte.

»Mein Vater ist noch nicht zurück. Ohne Zweifel ist ihm ein recht schweres Unglück zugestoßen. Er ist vielleicht verwundet, hülflos auf dem Kampfplatze zurückgelassen, oder gar in Gefangenschaft geschleppt worden. An noch Schlimmeres wage ich nicht zu denken. Helft mir doch aus dieser quälenden Ungewißheit.«

Der Falkenmeister antwortete nicht bald, als sie schwieg. Der Anblick des reizenden Mädchens, das in seiner kindlichen Liebe zum Vater die Schranke gänzlich übersah, die zwischen ihr, der Herrin, und ihm, dem Diener, bestand, die thränenden Auges ihre Rathlosigkeit eingestand und ihm zu verstehen gab, daß sie ihm vertraue, sich auf ihn verlasse, bewegte ihn mächtig.

Mit bewegter Stimme erwiderte er endlich:

»Ich werde nicht zögern, Euch, soweit dies eben jetzt möglich ist, Klarheit zu verschaffen und zunächst sofort den Kampfplatz, den ich leicht sofort wieder finden dürfte, aufsuchen. In ein paar Stunden schon sollt Ihr erfahren, was mit Eurem Vater geschehen ist. Weiter erforderlich werdende Schritte werden sich dann erst erwägen lassen. Seid versichert, Jungfrau, daß nichts unversucht und nichts unterlassen werden soll, was ich zu Eurer Beruhigung beizutragen vermag.«

»Ich glaube Euch und hoffe das Beste. Der fremde Ritter ist, wie ich gesehen habe, weggeritten?«

»Ja, er wird aber voraussichtlich in einigen Tagen noch einmal hier eintreffen.«

»Wenn nur mein Vater dann wieder hier wäre!«

»Sollte dies noch nicht der Fall sein, dann wird Herr Dietrich von Quitzow, wie er mir dies fest zugesagt hat, für Euren Vater eintreten.«

»Besitzt Herr Dietrich hier einen so weitreichenden Einfluß? Ich denke, er wohnt in den Marken und war ja gestern nicht nur ohne Begleitung, sondern, so viel ich gesehen habe, auch ohne Waffen.«

»Sein Name ist weit bekannt, und seine Faust derart gefürchtet, daß ohne zwingendste Gründe Jeder gern vermeidet, mit diesem Ritter einen Kampf aufzunehmen.«

»Trotz alledem wünsche ich, der Vater möge zurückkehren, noch ehe der Ritter hierher kommt.«

»Dieser, aus dem geheiligten Gefühl kindlicher Liebe entspringende Wunsch ist nur berechtigt. Doch will mir scheinen, die in Aussicht gestellte Hülfe des Ritters Dietrich sei, selbst wenn die Bethätigung derselben nicht mehr erforderlich würde, insofern anzuerkennen, als bei der von mehreren benachbarten Rittern angekündigten Fehde der Beistand eines Mannes, der eine namhafte Anzahl Ritter von der Art des Herrn Janeke von Stegelitz aufwiegt, nur hoch zu beachten ist.«

»Das gebe ich ja recht gern zu. Seit gestern Abend hat sich meiner aber eine gewisse Unruhe bemächtigt, ein Gefühl, dem Worte zu verleihen mir sehr schwer wird.«

Wollt Ihr mich nicht Näheres wissen lassen darüber, was Euch beunruhigt? Ihr dürft unbedingtes Vertrauen zu mir hegen, denn wahrlich, kein Mensch vermag Euch treuer ergeben zu sein, als ich!«

»Ja, ich glaube Euch und will Eurem Wunsche nachkommen. Als ich gestern Abend allein in meinem Gemache war, überfiel mich plötzlich eine unnennbare Angst. Recht lebhaft trat der Gedanke an mich heran, die Ritter, welche mit meinem Vater in Fehde liegen, würden jetzt während seiner Abwesenheit das Schloß angreifen, einnehmen und zerstören und ich —«

Brunhilde vermochte nicht weiter zu sprechen. Ihre Augen füllten sich aufs Neue mit Thränen, ihre Stimme bebte und ihren Körper überlief ein convulsivisches Zittern.

Henning Friedländer wurde vom innigsten Mitgefühl beseelt und er bemühte sich nach Kräften, ihr Trost zuzusprechen.

»Welchen Gedanken und Besorgnissen gebt Ihr Euch hin, edle Jungfrau! Eurem Vater droht keine so ernste Gefahr, wie Ihr anzunehmen scheint, und Ihr habt weiter auch nicht den geringsten Grund, Besorgnisse wegen eines Angriffs der feindlich gesinnten Ritter auf Güntersberg zu hegen. Fasset Muth! Ich halte mich überzeugt, daß Euer ganzer Kummer in kürzester Frist beseitigt sein wird und Ihr mir zugeben werdet, daß Ahnungen keine Beachtung verdienen!«

Ein schwermüthiges Lächeln schwebte um den Mund des holden Kindes, als es langsam erwiderte:

»Wollte Gott, Eure gutgemeinten Trostesworte bewahrheiteten sich. Wie gerne wollte ich Euch eingestehen, daß ich mich ohne Grund geängstigt hätte, doch bitte ich Euch, nicht länger zu zögern mit der Besichtigung des Kampfplatzes. Ob Ihr auch die Falken in dem von Euch gewählten Versteck noch vorfinden werdet?«

»Ich hoffe es und werde Euch sofort nach meiner Rückkehr Mittheilung von dem Ergebniß meiner Nachforschungen machen.«

Der Falkenmeister verließ das sinnend ihm nachblickende Mädchen und sprengte bald darauf zum Thore hinaus.

Es war bereits Mittag, als er sich dem Letzteren wieder näherte.

Kaum hatte das Thor sich hinter ihm geschlossen, als Brunhilde auch schon in der Thüre des Schlosses erschien.

 

»Welche Botschaft bringt Ihr mir?«

»Keine bessere, aber auch keine schlechtere, als ich erwartet habe.«

»Zögert doch um Gottes Willen nicht länger, mir Alles mitzutheilen, was Ihr gesehen oder erfahren habt.«

»Edle Jungfrau, meine Erwartungen haben sich vollauf bestätigt. Euer Vater ist auf dem Kampfplatz nicht

verwundet, vielmehr von den Rittern Wedel, Bork und Kremzow mit Herrn Janeke von Stegelitz weggeführt worden. Ohne Zweifel wird man jetzt ein hohes Lösegeld, wenn nicht irgend welche andere Sühne, Euerm Vater auferlegen und ich sehe voraus, daß die Hilfe des gefürchteten Dietrich von Quitzow von hohen Vortheil werden wird!«

»Meinem Vater ist also kein Uebles weiter widerfahren und ich darf hoffen, ihn wiederzusehen?«

»Das dürft Ihr mit vollem Recht. Weniger glücklich sind wir mit der Cage gewesen, unsere schönen Falken sind eine Beute der Feinde geworden.«

»Ihr erleichtert durch Eure Mittheilung mein bedrängtes Herz und ich kann nun nicht schnell genug die Rückkehr des Herrn Dietrich herbeiwünschen; er ist ja doch, wie ich gehört habe, der Freund meines Vaters und wird ihn sicher nicht lange im Gefängniß schmachten lassen!«

»Nun, darüber könnt Ihr vollständig beruhigt sein. Wenn Dietrich von Quitzow etwas verspricht, dann hält er es auch. Dies war der Sinn der letzten Worte, die er zu mir sprach, und ich baue fest auf ihn. Gebt Ihr mir Vollmacht, im Namen Eures Vaters Herrn Erasmus von Wedel in Reetz von dem Mißgeschick zu benachrichtigen, das Euern Vater betroffen hat?«

»Thut, was Ihr für gut haltet! Ich baue vollständig auf Euch.«

Langsam trat Brunhilde in das Schloß zurück.

Henning Friedländer war im Augenblick unentschlossen, was er thun solle. Nach kurzem Besinnen ließ er sein Pferd vorführen und ritt weg. Einige Stunden später kehrte er auf schweißbedecktem Pferde zurück und sandte einen Knecht an Herrn Erasmus mit der Botschaft, die Herren von Güntersberg und Janeke von Stegelitz seien von den Herren Henning von Wedel und Heinrich von Bork, welche nebst dem Herrn Henning von Kremzow und Friedrich von Wedel den Herren Erasmus von Wedel, Simon und Janeke Fehde angesagt hätten, auf einem Jagdzuge gelegentlich eines heftigen Straußes zwischen den feindlich gesinnten Herren überwunden und gefangen genommen worden. Wo man sie hingeführt habe, sei nicht bekannt, und ebensowenig wisse man in Güntersberg, was die Sieger weiter im Schilde führten. Mit Sicherheit sei aber heute schon anzunehmen, daß man in erster Reihe gegen Güntersberg Schlimmes beabsichtige.

Falls Herr Erasmus seinem Freunde und Bundesgenossen in der Beschützung seines Lebens und Eigenthums beistehen wolle, dann möge er ohne Zögern herbeieilen.

Als der Knecht mit dieser Botschaft wegritt, schien der Falkenmeister Lust zu haben, den Knecht zurückzurufen und das Hilfegesuch unbestellt zu lassen; sein Ruf wurde jedoch von dem Boten nicht mehr gehört und er beschied sich mit dem Entschlusse:

»Komme, was da mag; ich muß mein Ziel erreichen!«

Die geringe Besatzung von Güntersberg war nicht wenig erstaunt, als bald darauf der Falkenmeister, dessen Uebergewicht sie sämmtlich ohne Zögern anerkannten, befahl:

»Haltet Eure Waffen in Ordnung! Ich werde inzwischen die Mauern besichtigen. Wir werden einen Sturm zu bestehen haben!«

Mit lautem Halloh wurde diese Nachricht aufgenommen und sofort an die Befestigung von Güntersberg geschritten.

Die nahe Aussicht auf eine Abwechselung in ihrem seit einiger Zeit sehr eintönigen Leben wirkte begeisternd auf die Knappen und Reisigen und sie ergingen sich in allerhand Muthmaßungen darüber, wer der zu erwartende Feind sein könne.

Der Falkenmeister blickte freilich weniger zuversichtlich der nächsten Zukunft entgegen; er sah ein, daß mit den wenigen Leuten, die ihm zu Gebote standen, sich kein Belagerungs-Heer auf die Dauer zurückschlagen lasse. Ihm bangte jedoch weniger für sich oder um Güntersberg, als vielmehr um Brunhilden, deren Verbleiben er im Augenblick schon gern hintertrieben hätte.

Diese Gedanken beschäftigten ihn eben wieder, als er, über den Burghof schreitend, Brunhilde an der Thüre bemerkte. Auf ihren Wink trat er zu ihr heran, und sie fragte ihn mit offener Besorgniß und hastig:

»Sagt mir doch, was bedeuten diese Vorbereitungen?

Bedroht man uns und benutzt man die Abwesenheit meines Vaters, um Güntersberg zu überfallen?«

»Noch weiß ich nicht, ja ich habe noch gar nicht einmal bestimmte Nachrichten, daß Etwas gegen Güntersberg geplant wird.«

»Weshalb aber trefft Ihr Anstalten, die mir nur zur Abwehr eines Angriffes bestimmt erscheinen?«

Der Falkenmeister zögerte einen Augenblick mit der Antwort. Es wurde ihm schwer, dem Mädchen seine Gedanken auch nur annähernd kund zu geben und sie durch Befürchtungen, zu denen er noch keinen directen Anlaß erhalten, noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon war.

Ausweichend antwortete er deshalb:

»Macht Euch keine Sorgen deshalb, weil ich einige Anstalten zur Sicherung für Güntersberg treffe. Ich habe keinen anderen Grund hierzu, als den Wunsch, Euch während der Abwesenheit des Vaters beruhigt zu wissen.«

»Nein, nein, Ihr verschweigt mir Etwas!«

»Dies ist nicht der Fall, und ich verspreche, Euch sofort Nachricht zu geben, wenn wider alles Erwarten gegen uns Etwas geplant werden sollte.«

Brunhilde schien jedoch nichts weniger als beruhigt zu sein. Sie sagte zwar nichts mehr, ihr Auge, ihr Blick, den sie fragend auf den Falkenmeister gerichtet hielt, zeigte jedoch recht deutlich, daß sie ernstere Befürchtungen hege.

Waren sie begründet?

Der Tag verging ohne irgend etwas Auffälliges und auch die während der Nacht ausgestellten Posten vermochten nicht das geringste Absonderliche zu erkennen.

Auch der Vormittag verlief in gleich ruhiger Weise, und schon sagte sich der Falkenmeister aufathmend:

»Gott sei Dank, du hast dich in diesem Falle geirrt!«

Das Horn des Thurmwarts ertönte. Der Falkenmeister eilte rasch zu diesem hinauf und bemerkte einige Fähnlein Reisige auf dem nach Güntersberg führenden Wege.

»Weß sind diese Leute? Sie kommen von Norden, also von einer Seite, von wo ich glaubte, keine Feinde erwarten zu dürfen!«

»Wenn ich mich nicht täusche,« bemerkte der Thurmwart, »dann sind es die Reetzer.«

»Das ist freilich etwas Anderes. Nun, wir können diese Leute sehr wohl gebrauchen!«

Henning Friedländer eilte wieder hinab, und nicht lange darauf hielten die Ankommenden vor dem Thore und begehrten Einlaß.

»Wer seid Ihr?« fragte der Falkenmeister, welcher immer noch ein leises Mißtrauen nicht unterdrücken konnte.

»Wir sind Mannen des Herrn Janeke von Stegelitz, und sind durch Herrn Dietrich von Quitzow aufgeboten worden.

Ohne Bedenken wurden die Leute jetzt eingelassen und Henning Friedländer athmete hoch auf, als er diesen ansehnlichen Zuwachs der Streitkräfte übersah.

»Was ist mit meinem Herrn?« fragte leise der Anführer der eben Angekommenen, als er sich mit dem Falkenmeister wenige Augenblicke später allein sah.

»Herr Janeke ist mit Herrn Simon auf einem Jagdzuge in die Hände der Wedels oder des Kremzower gefallen.«

»Weshalb entbot dann aber Herr Dietrich uns hierher?«

»Das kann ich Euch gar wohl erklären: Güntersberg liegt halb umgeben von den Gebieten der Ritter, die uns Fehde angesagt haben, während Reetz, so viel ich weiß, nur mit den Wedel’s in directem Zusammenhange steht. Nachdem nun die beiden Ritter gefangen genommen und Güntersberg, wie auch das Gebiet des Herrn Janeke, heut’ ihrer Herren entbehren, werden Wedel oder auch Herr Heinrich von Bork mit sammt dem Kremzower gewiß die Gelegenheit benutzen und an Güntersberg, das ihnen zunächst gelegen und schon längst ein Dorn im Auge ist, ihrem Uebermuth die Zügel schießen lassen.«

»Herr Gott! Da haben wir ja die Burg meines Herrn der Willkür seines Feindes, des Herrn Erasmus von Wedel, preisgegeben. Wir müssen sofort wieder zurück!«

»Beruhige Dich. Dafür ist schon gesorgt, daß das Eigenthum Deines Herrn ungefährdet bleibt. Es scheint Dir unbekannt zu sein, daß Herr Erasmus ein Bundesgenosse und Freund der Herren Janeke und Simon ist!«

»Ist das möglich?«

»Ja, ja; Du kannst das schon glauben. Ich habe ja selbst den Fehdebrief gelesen, den die Herren Henning von Wedel, Heinrich von Bork, Friedrich von Wedel und der Kremzower an unsere Herren und zugleich an Herrn Erasmus geschrieben haben.«

»Das ist allerdings schön und verspricht einen fröhlichen Tanz. Ist denn aber Erasmus benachrichtigt von dem, was hier vorgefallen ist?«

»Das wird Herr Dietrich besorgt haben. Andernfalls hätte er Dich ja nicht beauftragt, mit Deinen Leuten hierher zu kommen.«

»Jetzt bin ich beruhigt.«

Der Falkenmeister unterrichtete Matthias näher über die jüngsten Vorfälle und Matthias erklärte sich freiwillig bereit, sich mit seinen Leuten den Anordnungen des Falkenmeisters zu unterwerfen. Auch er war vollständig davon überzeugt, daß ein Angriff auf Güntersberg zu erwarten sei. Die Wachtposten wurden verdoppelt und Henning Friedländer zog sich, nachdem alle Anordnungen getroffen waren, die eine Ueberrumpelung hindern mußten, mit Matthias in sein Gemach zurück.

Die Nacht verging wieder ungestört, der Morgen

graute bereits und die mehr und mehr weichende Dämmerung ließ Gegenstände weiterer Entfernung schon erkennen.

Der Falkenmeister kehrte eben von einem Rundgang in das Haus zurück, als einer der an der Südseite aufgestellten Posten auf ihn zukam und meldete, »am Waldsaum auf der gegenüberliegenden Seite der Lichtung zeigen sich Bewaffnete!«

Beide eilten nach der Stelle zurück, von der aus die befremdende Wahrnehmung gemacht worden war, und Friedländer überzeugte sich jetzt davon, daß unter dem Schutz der Bäume eine anscheinend bedeutende Anzahl Bewaffnete sich Güntersberg zu nähern suchten.

Wenige Augenblicke später waren sämmtliche Mannen im Hofe beisammen und Friedländer ertheilte hier mit gedämpfter Stimme die ihm passend erscheinenden Befehle.

Kaum war dies geschehen und Jeder an dem ihm zugewiesenen Posten, als die Ersten der Stürmenden Anstalten trafen, den Burggraben zu überbrücken und die Mauer zu erklettern. Ungehindert wurden sie herüber gelassen. Als sie aber die Mauer zu erklettern suchten, wurden sie durch einen furchtbaren Steinhagel zurückgeschleudert, derart zwar, daß nicht ein Einziger von ihnen lebend davon kam.

Die Belagerer, deren Zahl sich inzwischen erheblich vermehrt hatte, und die, wie die Belagerten sofort erkannten, unter Anführung des Kremzower’s und Heinrich von Wedels standen, gewannen die Ueberzeugung, daß eine Ueberrumpelung unmöglich sei, und beschlossen Sturm zu laufen.

Daraufhin ließen sich wenigstens die nun von ihnen in Angriff genommenen Vorbereitungen erklären.

Der Falkenmeister hatte den ersten Augenblick, als er die Zahl der Belagerer sah, keinen Zweifel gehegt, daß Güntersberg nur sehr schwer zu halten sein würde. Er beschloß deshalb, die Burg zwar bis zum letzten Augenblick zu vertheidigen, im Interesse Brunhilden’s sich aber einen Ausweg offen zu halten.

Ihr länger die wahre Sachlage zu verbergen, ging nicht an, sie war selbst bereits aufmerksam geworden und kam ihm nun zitternd und in größter Aufregung entgegen.

»Um aller Heiligen willen, sagt mir, was geht hier vor? Güntersberg wird von Feinden bestürmt, während mein Vater nicht anwesend ist?«

»Leider ist es der Fall,« erwiderte der Falkenmeister ernst, »doch hegt keinerlei Besorgnisse. Ich werde Güntersberg halten, so lange dies Euer Vater selbst im Stande gewesen wäre!«

»Wenn Euch dies aber nicht gelingt, was dann?«

»Dann bürge ich Euch wenigstens für Eure Rettung; ich bitte Euch aber, jetzt Euer Gemach nicht zu verlassen. Gelingt es mir, die Feinde zu schlagen, dann werde ich Euch sofort benachrichtigen. Habe ich aber Unglück, dann werde ich Euch rechtzeitig in Sicherheit zu bringen suchen.«

»Ihr habt Hülfe erhalten?«

»Ja; die Leute des Herrn Janeke sind von Herrn Dietrich hierhergeschickt worden.«

»Gott gebe Euch den Sieg!« erwiderte Brunhilde mit bebender Stimme, während ihre Augen sich mit Thränen füllten, »und erinnert Euch daran, daß ich Eure Botschaft mit Sehnsucht erwarte.«

Noch ehe der Falkenmeister ein Wort der Erwiderung fand, war Brunhilde zurückgetreten und ihren Gemächern zugeeilt.

Rasch kehrte er nun zu den Leuten zurück, welche zu seiner Ueberraschung gerade an der Stelle in Unthätigkeit verharrten, die seiner Ansicht nach am meisten gefährdet war.

Unruhig trat er näher.

»Was bedeutet das? Der Feind weicht doch sicher jetzt nicht schon zurück.«

 

Die Antwort auf diese Frage vermochte er sich selbst zu geben, nachdem er einen Blick durch eine der kleinen, in der Mauer befindlichen, von außen kaum bemerkbaren Oeffnungen warf und sah, daß die Belagerer sich in der That an den Waldsaum zurückzogen.

»Ha! ha! Eine der gewöhnlichen Kriegslisten soll hier in Anwendung kommen. Ihr irrt Euch aber, wenn Ihr glaubt, mich täuschen zu können.« Zu den ihn umgebenden Leuten fuhr er rasch fort:

»Einige Mann Bedeckung bleiben hier zur Beobachtung. Die Uebrigen eilen sofort nach der Ostseite, und zwar seitwärts von dem kleinen Ausfallpförtchen, dahin, wo der Wald am nächsten an den Burggraben anstößt!«

Kaum hatte er diesen Befehl ertheilt, als von der bezeichneten Stelle her ein lautes Geschrei hörbar wurde. Als die Leute dort ankamen, sahen sie auch sofort ein, wie richtig der Falkenmeister die Sachlage beurtheilt hatte.

Eine übergroße Anzahl der Feinde war eben im Begriff, die Mauer zu erstürmen, und es würde ihnen dies auch gelungen sein, wenn der Falkenmeister nicht rechtzeitig Hilfe gesandt hätte.

Der energische Widerstand der Belagerten zwang die Belagerer endlich, zurückzuweichen.

Längere Zeit wurde jetzt von keiner Seite ein Angriff versucht. Die Belagerer hatten Güntersberg von drei Seiten fest eingeschlossen. Von der vierten war ihnen dies nicht möglich, weil ein größerer See bis hart an die Mauer von Güntersberg stieß.

Diese Seite ließ aber auch der Falkenmeister am wenigsten beachtet, denn er sagte sich, ein Angriff ist hier nicht möglich, weshalb also unnütz die ungenügende Anzahl meiner Leute noch mehr vertheilen?

»Ob der See im Nothfalle die Ausführung unserer Flucht zu erleichtern vermag, kann dann noch untersucht werden, wenn wir uns in der Nothlage befinden, ernstlich an die Rettung denken zu müssen!«

Die Ruhe, welche die Belagerer dem im Verhältniß zu ihrer Zahl kleinen Häuflein der Belagerten gegönnt hatten, benutzten die Letzteren zur emsigen Ausbesserung der an den Mauern bereits entstandenen Schäden, und zur großen Freude Matthias’ liefen von allen Beobachtungsposten fortgesetzte Meldungen ein, daß die Feinde sich mehr und mehr zurückzögen und die sichtbare Zahl derselben sich immer vermindere.

Der Falkenmeister war jedoch so leicht nicht zu täuschen.

»Man wird uns in der Nacht überfallen,« erklärte er Matthias auf dessen Mittheilungen, »und wir sind zur größten Wachsamkeit verpflichtet. Ich werde dies den Nachtposten selbst einschärfen.«

Matthias schien die Befürchtung des Falkenmeisters nicht zu theilen, vermied jedoch, sich darüber auszusprechen. Die Nacht brach an und Henning Friedländer hatte auf Wunsch Brunhildens dieser eben Bericht über den Stand der Belagerung erstattet, als von mehreren Seiten zugleich der Ruf ertönte:

»Der Feind! der Feind!«

Ein Blick durch das Fenster zeigte dem Falkenmeister den Ernst der Lage, in der Güntersberg und dessen Bewohner sich befanden.

Die Belagerer hatten so geräuschlos, daß selbst die Wachtposten behaupteten, nichts gehört zu haben, die Mauern erklommen und befanden sich im Augenblicke bereits im Burghofe im Handgemenge mit den überrumpelten Belagerten.

Die Zahl der Gegner vermehrte sich sichtlich. Der Falkenmeister verhehlte sich nicht, daß ein längeres Belassen Brunhildens in der nicht mehr zu haltenden Burg nur mit den größten Gefahren für sie verknüpft sein würde.

Rasch stieg er deshalb wieder zu dem Gemach empor, in welchem das Mädchen weilte. Sie hatte selbst bereits die Vorgänge im Hofe bemerkt und kam ihm zitternd, weinend entgegen.

»Unsere Lage, Jungfrau, ist gefährlich,« sprach er sie mit dumpfem Tone an. »In Folge Unachtsamkeit der Leute ist es den Belagerern doch gelungen, uns zu überrumpeln, und schleunigste Flucht ist das Einzige, was ich Euch jetzt dringend rathen kann.«

Brunhilde schien noch nicht erwartet zu haben, daß die Gefahr bis zu dieser Höhe gestiegen war. Ihr fehlte im Augenblicke jedes Wort der Erwiderung.

Starren Blickes sah sie den jungen Mann einen Augenblick wie rathlos an, dann stieß sie gezwungen hervor:

»Aber mein Gott, was soll ich thun?«

»Wollt Ihr Euch mir anvertrauen? Ich werde thun, was in meinen Kräften steht, Euch an einen sichern Ort zu bringen. Bergt schnell, was Ihr mitnehmen wollt. Ich werde inzwischen sehen, in welcher Weise sich die Rettung am besten bewerkstelligen läßt, und bald wieder hier sein!«

Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte er hinaus, stieß aber, unten angekommen, bereits auf einige der verwegensten Stürmer.

Mit kraftvollen und gewandten Hieben trieb er die Eindringlinge, die auf diese Begegnung nicht gefaßt sein mochten, zurück und verschloß die Thüre.

Er wußte recht gut, daß dieser Nothbehelf nicht lange seinen Zweck erfüllen werde. Die starke Thüre mußte in kurzer Zeit schon den wüthenden Schlägen der erbitterten Gegner nachgeben. Die Uebermacht der Feinde war zu groß. Die Rettung Brunhildens war jetzt das Wichtigste, was er zu thun hatte.

»Wie aber soll ich diese Rettung aus der von Feinden rings umgebenen Burg bewerkstelligen? Wahrhaftig eine schwere Aufgabe!«

Wider Erwarten fand er Hilfe an einer Stelle, wo er sie nicht gesucht hatte.

Der alte Thurmwart kam nämlich in diesem Augenblicke herab und sah Brunhilde händeringend im Corridor in der Nähe der Treppe stehen. Zu gleicher Zeit bemerkte ihn aber auch der Falkenmeister und rief ihn eilends zu sich herab.

»Du weißt vielleicht so gut wie ich, daß an ein längeres Vertheidigen der Burg nicht zu denken ist und die Rettung der Jungfrau jetzt dringend nothwendig wird. —«

»Ich weiß schon, was Ihr sagen wollt,« unterbrach ihn der alte Thurmwart, »und glaube, da ich hier sehr genau bekannt bin, helfen zu können!«

»Sprich, in welcher Weise?«

»Ich kenne einen von hier ausgehenden unterirdischen Gang, der seitwärts von der Anhöhe, die an den See anstößt, ausmündet!«

»Bravo, Alter! Führe die Jungfrau bis zum Ende des Ganges und erwarte mich dort. Aber schnell, schnell; die Thür kann den Angriffen nicht länger Widerstand leisten!«

Brunhilde folgte, nachdem der Falkenmeister ihr mit wenig Worten den dem Thurmwart ertheilten Befehl kundgegeben hatte, schweigend dem Alten, und bald standen die Drei vor dem Eingange, der, wie der Falkenmeister sich überzeugte, so gut verwahrt war, daß ein Uneingeweihter ihn nur schwer zu finden vermochte.

Im Begriffe, hinabzusteigen, wandte Brunhilde sich noch einmal um und richtete den durch Thränen verschleierten Blick auf den jungen Mann.

»Ihr werdet mich doch nicht verlassen? Stürzt Euch nicht in den fruchtlosen Kampf; schonet Euch – meinetwegen!« fügte sie leise hinzu.

»Hegt keine Besorgniß um mich! Mein Schwert ist gut und ich verstehe mich der Feinde zu erwehren. Ich werde kommen, sobald meine längere Anwesenheit hier nutzlos wird!«

Er schloß selbst die Thür des Ganges und wollte durch eine Seitenthür zum Kampfplatze eilen.

Noch hatte er diese nicht vollständig erreicht, als er die Hauptthüre der Burg sprengen und eine ihm nur zu wohlbekannte Stimme befehlen hörte:

»Jetzt helft Ihr mir das Röslein vom Güntersberg suchen!«

Einen Augenblick schwankte er, ob er dem Inhaber dieser Stimme nicht sofort direct gegenübertreten sollte. Bald entschied er sich jedoch für Verneinung dieser Frage und trat hinaus in den Hof. Seine Leute waren zum großen Theil ganz überwunden; die noch Kampffähigen fochten aber mit Löwenmuth, und der Falkenmeister hatte sofort Gelegenheit, zu zeigen, daß er gar wohl befähigt sei, einen Kampf mit einer Anzahl Knechte aufzunehmen. Mit wenigen, aber mächtigen Hieben befreite er Matthias und einen seiner besten Leute aus der auf sie eindringenden Schaar der Gegner und verdutzt sahen die Letzteren sich um.

Bald sammelten sich um den Falkenmeister und Matthias mehrere der im Hofe zerstreut kämpfenden Knechte und die Sieger sahen sich schließlich gezwungen, von den die Burg durchsuchenden Leuten Hilfe herbeizurufen. Wüthend kamen die in ihrem Plünderungsgeschäft gestörten Sieger herbeigestürmt und aus einem der oberen Fenster ertönte zugleich die dem Falkenmeister bekannte dröhnende Stimme: