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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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»Ueberschätzt nicht die Bedeutung dieser That,« erwiderte Dietz rasch; »ich habe in Gemeinschaft mit meinem Bruder und mindestens einem uns treu ergebenen Manne nur das gethan, was Ihr an meiner Stelle ebensowenig unterlassen haben würdet. Ich bitte Euch deshalb, die Sache als erledigt zu betrachten und Euch nur allein mit mir zu freuen, daß ein glücklicher Zufall das Gelingen des Unternehmens begünstigte. Eurem Bruder zu Liebe werden wir übrigens langsamer gehen müssen. Seine Wunden scheinen doch nicht so unbedeutend zu sein?«

»Nein, nein,« rief Karl von Uchtenhagen eifrig; »seid meinetwegen unbesorgt. – Ob wohl,« fügte er langsamer an, »mein Pferd noch in der Hütte stehen mag, in welcher ich es untergebracht habe, bevor ich den Weg nach der Halbinsel einschlug?«

»Davon können wir uns ja leicht überzeugen,« bemerkte Dietz hierzu. »Würdet Ihr die Hütte bald wiederfinden?«

»Sie kann nicht weit von hier sein, denn sie liegt an dem, der Landzunge gegenüber liegenden Ufer.«

Ohne ein Wort der Erwiderung schlug Dietz, welcher als der Führer des kleinen Zuges anerkannt wurde, die Richtung nach der bezeichneten Seite der Bucht ein. Zur Genugthuung des sich schnell orientirenden Karl, fanden sie ohne Mühe die Hütte und in dieser wohlverwahrt das Pferd, das beim Anblick seines Herrn freudig wieherte.

Nunmehr wurde der Marsch in schnellerem Tempo fortgesetzt, und nach kurzer Zeit schon hatten sie die Stelle erreicht, an welcher der Wachtmeister sie erwarten sollte.

Verwundert sahen die Junker, welche den Caspar ertheilten Befehl ja gehört hatten, sich ringsum.

Weder Caspar, noch Jobst, noch auch einer der Befreiten war zu sehen.

Stille herrschte, soweit sich dies unterscheiden ließ.

Dietz glaubte anfänglich die richtige Stelle verfehlt zu haben. Nach einem flüchtigen Umblick aber und nachdem er weiter auch die am vorhergehenden Abende von ihnen im Schnee hinterlassenen Spuren bemerkt, gab er seinem Befremden über das Ausbleiben der Erwarteten offen Ausdruck.

Sein mehrmaliges Rufen blieb völlig erfolglos, von keiner Seite wurde eine antwortende Stimme vernehmbar, und im Geheimen vermochte er Karl von Uchtenhagen keineswegs Unrecht zu geben, als dieser im Tone größter Besorgniß erklärte:

»Eure beiden Leute scheinen mit den durch Eure Großmuth aus ihren Gefängnissen Befreiten in’s Gedränge gerathen zu sein, oder sie haben eine anderweite unerwünschte Begegnung gehabt.«

»In diesem Falle,« bemerkte Hans von Uchtenhagen, dürfte es gerathen erscheinen, den Weg eine Strecke zurückzugehen. Hoffentlich finden wir eine Spur der Leute. Was meint Ihr dazu, Herr Dietz?«

»Ich bin ganz Eurer Meinung und bitte Euch, mich zu begleiten; Euer und mein Bruder könnten für alle Fälle uns hier erwarten.« .

Nach einigem Widerstreben Cuno’s und Karl von Uchtenhagens wurde dieser Vorschlag schließlich angenommen und Dietz und Hans von Uchtenhagen gingen, zu beiden Seiten des Weges scharf auslugend, den Weg in der Richtung entlang, welche der Wachtmeister daherkommen mußte.

Eine halbe Stunde waren sie langsam und vorsichtig vorwärts geschritten. Es fing bereits an heller zu werden und man vermochte auf weitere Entfernungen schon Gegenstände zu erkennen.

Von den Gesuchten war indeß keine Spur zu entdecken.

Mißmuthig erwog Dietz den immer lebhafter in ihm aufsteigenden Gedanken, daß es, da er den Wachtmeister, wenn irgend möglich, auffinden und bei sich behalten wollte, wohl am Gerathensten sein dürfte, von den ihm ergebenen Leuten der Bande sich einige der anscheinend Zuverlässigsten zu holen und diese mit der Aufsuchung der Verschwundenen zu beauftragen, als sein Gefährte plötzlich still stand und im Schnee deutlich ausgeprägte, quer über den Weg laufende Fußspuren betrachtete.

Dietz trat ihm näher und Hans von Uchtenhagen meinte, sich wieder aufrichtend:

Der eine der Männer, die hier in höchster Eile über den Weg gesprungen sind, scheint nicht nur groß zu sein, sondern auch colossale Füße zu haben. Seht nur diese riesenhaften Fußspuren.«

Dietz betrachtete diese Spur aufmerksam und seine Miene verdüsterte sich zuletzt sichtlich:

»Kein Zweifel,« murmelte er, »der Riese, welcher diese Spur hinterlassen, verfolgte entweder irgend Jemanden oder er wurde verfolgt. Dieser Riese war Niemand anderes, als der Wachtmeister!«

»Mit wem sollte der Mann aber in einen unglücklich abgelaufenen Kampf verwickelt worden sein? Die vier Befreiten waren ohne Waffen, und wenn auch im schlimmsten Falle vier gegen zwei Mann gestanden wären, so glaube ich, daß das den riesenhaften Wachtmeister doch ruhig und unbesorgt gelassen haben würde. —«

»Das will ich meinen, Caspar Liebenow fürchtet sich nicht, und wenn ihm noch zweimal mehr Gegner gegenübertreten. Doch laßt uns der Spur ein wenig folgen. Vielleicht gelingt es uns, Aufklärung zu erhalten. —«

Bereitwillig folgte ihm Hans von Uchtenhagen in den längs des Weges sich hinziehenden Wald. Bald aber erkannten sie ihr Beginnen als ein aussichtsloses. Bei dem Mangel an Schnee im Innern des Waldes war es unmöglich, die Fußspuren weiter zu verfolgen, und sie kehrten nach dem Wege und auf diesem zu Cuno und Karl zurück.

Dietz machte sich jetzt Vorwürfe, den Wachtmeister von den Ruinen aus nicht begleitet zu haben, und Hans von Uchtenhagen schien diese Gelegenheit zu einer Frage zu benutzen, die ihm schon lange auf den Lippen geschwebt haben mochte.

»Weshalb ließet Ihr denn den Wachtmeister mit den Männern allein gehen? Ich urtheile wohl nicht falsch, wenn ich annehme, daß Ihr einen besonderen Zweck dabei im Auge gehabt habt. Verzeiht meine Neugierde,« fügte er rasch an, als er bemerkte, daß sein Begleiter finster blickend vor sich hin sah, »und hegt nur eben so fest wie ich die Zuversicht, daß Caspar wie auch der Andere von Euren Mannen bald wieder bei Euch sein werde. Meiner festen Ueberzeugung nach ist Keinem etwas besonders Nachtheiliges zugestoßen.«

»Ich will es hoffen,« brummte Dietz und schritt, sich öfters umblickend, rüstig vorwärts.

Schweigend langten sie bei Cuno und Karl an, die während der Abwesenheit ihrer älteren Brüder nichts Auffälliges bemerkt, aber auch keinen der Verschwundenen gesehen hatten.

»Herr Dietz,« nahm Hans von Uchtenhagen jetzt das Wort. »Ihr erwähntet in der Räuberhöhle, auf dem Wege nach Potsdam gewesen zu sein, als ein glückliches Geschick Euch zu unserer Rettung herbeiführte.«

»Ja!«

»Nun, der Weg nach Potsdam ist noch weit. Ihr seid zu Fuß, und wie leicht könnten Euch trotz Eures beispiellosen Muthes und Eurer Kühnheit auf dem sich keiner besonderen Sicherheit erfreuenden Wege von hier nach Tremmen und Wustermark Gefahren entgegenstellen, die Euch zwar nach dem, was ich gesehen und gehört habe, nicht im Geringsten zurückzuschrecken vermögen, die sich andererseits aber leicht umgehen lassen. —«

»In welcher Weise?«

»Dadurch, daß Ihr mir eine Bitte gewährt!«

»Und diese Bitte lautet?«

»Begleitet mich noch die verhältnißmäßig geringe Strecke bis nach meiner Burg. Dort werde ich Euch und Eurem Bruder Pferde und vollständige Ausrüstung mit Freuden zur Verfügung stellen und Ihr könnt dann bequem an das Ziel Eurer Reise gelangen. Wollt Ihr mir diese kleine Bitte erfüllen? Ich werde Eure Zustimmung als einen Beweis dafür ansehen, daß Ihr meine Freundschaft und die meines Bruders nicht zurückweist!

Noch schien Dietz unentschlossen, ob er diesem Anerbieten Folge leisten solle oder ob es nicht besser sei, seine Fußwanderung nach Spandau und Potsdam ungesäumt fortzusetzen.

Auch das ihm unbekannte Geschick des ihm treu ergebenen Wachtmeisters wie auch Jobst’s, dessen Anhänglichkeit ihm erprobt schien, beunruhigte ihn.

Als aber Cuno dem Vorschlage Hans von Uchtenhagens zustimmte und auch der Bruder des Letzteren Dietz mit Bitten bestürmte, da entschied er sich:

»Wohlan, Herr Hans, ich begleite Euch mit meinem Bruder und nehme Euer Anerbieten mit Dank an. Hoffe ich doch bei der Gelegenheit, Erkundigungen nach dem Verbleiben meiner Leute einziehen zu können.«

Sichtlich hocherfreut ergriff Hans von Uchtenhagen die Hand seines Retters und rief, auf die Stimmung des Letzteren Rücksicht nehmend:

»Gewiß werdet Ihr hier am ersten Gelegenheit dazu finden.«

»Ich hoffe auf einen Erfolg, um den in der Absicht, den Befreiten jede Möglichkeit zu unserer Wiedererkennung zu nehmen und uns auf diese Weise lästige Fragen fern zu halten, begangenen Fehler, Caspar allein fortgeschickt zu haben, wieder gut machen zu können!«

Hans von Uchtenhagen erwiderte hierauf nichts und die Freunde zogen nun die in der Richtung nach Brandenburg führende Straße weiter.

Ohne weiteren Unfall, ja sogar ohne irgend welche Begegnung erreichten sie die Burg der Uchtenhagen. —

Kapitel 14: Der Falkenmeister

Die Hoffnung Simon’s von Güntersberg, welcher sich durch Janeke von Stegelitz zur Aufnahme des Kampfes mit Henning von Wedel und mit Heinrich von Bork hatte verleiten lassen und nun als Gefangener seiner Feinde dem Kremzower folgen mußte, der Falkenmeister werde Brunhilde ungefährdet nach Güntersberg zurückbringen, schien sich nicht zu erfüllen.

Henning Friedländer zog sich von seinem gefährlichen Beobachterposten zurück; als er über den Ausgang des Gefechtes nicht mehr zweifelhaft sein konnte, eilte er vorsichtig zu seinem, einige Schritte weiter im Walde haltenden Pferde und näherte sich der abseits haltenden Brunhilde.

»Die Ritter sind in einen hartnäckigen Kampf mit mehreren uns zufällig begegnenden Feinden verwickelt und Euer Vater hat mich abgesandt, Euch aus der möglicherweise Euch drohenden Gefahr und nach Güntersberg zurückzugeleiten. Erlaubt mir deshalb, Euch von hier wegzuführen.«

Schweigend folgte ihm Brunhilde.

Der Lärm der Streitenden war bis zu ihr gedrungen und bange Ahnungen bewegten sie, als der Falkenmeister ihr diese Botschaft ihres Vaters überbrachte.

 

»War der Kampf zu seinen Ungunsten entschieden?«

Dies mußte wohl der Fall sein, weil er es anderenfalls nicht für geboten erachtet haben würde, in dieser Weise für ihre Sicherheit zu sorgen.

Diese Zweifel, diese bangen Erwägungen veranlaßten sie, nachdem sie eine Strecke fortgeritten waren, ihren Begleiter um Aufklärung hierüber zu fragen.

»Droht meinem Vater Gefahr? Ist er vielleicht gar gefangen genommen worden?«

»Noch glaube ich dies nicht,« erwiderte der Falkenmeister zögernd; es fiel ihm schwer, dem bekümmerten Mädchen jetzt schon die volle Wahrheit zu sagen, auch hegte er noch immer die Hoffnung, Herr Simon werde, durch irgend einen Zufall begünstigt, Gelegenheit zur Erhaltung oder zur baldigen Wiedererlangung seiner Freiheit finden.

Um ihren Gedanken möglichst eine andere Richtung zu geben, fügte er noch an:

»Der Befehl Eures Vaters klang so bestimmt, daß ich ihm unverzüglich nachkommen mußte. Zum Glück gelang es mir noch, die Falken und die Jagdgeräthschaften in einem sicheren Versteck zu bergen, aus dem ich sie heut’ noch abholen werde.«

Er hatte sich, während er sprach, scharf umgesehen.

Brunhilde nahm dies wahr und fragte, von einer plötzlichen Furcht beseelt:

»Ihr besorgt doch nicht etwa, daß man —«

»Uns verfolgen wird,« ergänzte der Falkenmeister. »Wahrhaftig, da sind sie schon!«

Ein lautes Geschrei wurde hinter ihnen hörbar und Beide trieben nun ihre Pferde zu größtmöglichster Eile an.

»Gott sei Dank, die Leute sind nicht beritten. Wir entkommen ihnen. Doch was ist das?«

Ein Reiter brach hinter ihnen soeben aus dem Gebüsch hervor. Derselbe mußte die Flüchtigen entweder schon bemerkt haben, oder durch die zu Fuß ihnen folgenden Männer auf die Spur derselben gebracht worden sein.

In gerader Richtung kam er ihnen nachgesprengt.

Mittlerweile hatte der Wald sie wieder aufgenommen und Brunhilde, welcher der Falkenmeister, um sie nicht noch mehr zu beunruhigen, seither verschwiegen hatte, daß sie nicht nur von Fußgängern, sondern auch durch einen Reiter verfolgt würden, schien von dem anstrengenden Ritt bereits ermüdet zu sein.

»Ist es denn noch immer nothwendig, daß wir so rasch fortreiten?«

»Fühlt Ihr Euch ermüdet?«

»Ja, doch sorgt deshalb nicht.«

»Nur noch eine kurze Strecke bitte ich Euch, das Pferd in der bisherigen Gangart weiterlaufen zu lassen. Wenn ich mich recht entsinne, kommen wir bald auf Güntersberger Gebiet, dann habt Ihr nichts mehr zu fürchten.«

Wider Willen mußte er jedoch bald selbst langsamer reiten. Der Boden wurde immer unebener, das Gestrüpp immer dichter und die Pferde hatten Mühe, sich ungefährdet durchzuarbeiten.

Noch hatten sie freiere Bahn nicht erlangt, als der Falkenmeister durch ein seine Aufmerksamkeit erregendes, leichtes Geräusch veranlaßt wurde, sich seitwärts zu wenden.

»Haltet an!« flüsterte er seiner Begleiterin zu. »Dort scheint einer unserer Verfolger zu kommen. Vielleicht bemerkt er uns nicht!«

Diese Hoffnung bestätigte sich indeß nicht. Der Reiter mußte sie längst gesehen haben und wollte ihnen nur den Weg verlegen.

Ein rascher Umblick belehrte den Falkenmeister, daß der Reiter allein und von Niemandem gefolgt sei.

»Bleibt einige Schritte zurück,« bat er die zitternde Brunhilde, »mit dem Burschen werde ich bald fertig sein!«

Das blanke Schwert in der Hand, ritt er dem Ankommenden langsam entgegen.

Der Falkenmeister erkannte ihn als einen der Knechte Henning von Wedels.

Was ist Dein Begehr?«

»Das wirst Du bald sehen,« lautete die trotzige Antwort des Knechtes, welcher an ihm vorüber zu Brunhilde zu gelangen suchte.

»Zurück, wenn Dir Dein Leben lieb ist,« donnerte ihm aber der Falkenmeister entgegen.

Der Knecht schien sich nicht so leicht zurückweisen zu lassen.

»Oho; Du bist sehr hitzig!« höhnte er und holte zum Schlage mit seiner Waffe aus.

Der Falkenmeister kam ihm jedoch zuvor.

Mit einem gewandten Hiebe schlug er dem Knechte die Waffe aus der Hand, ein zweiter Hieb zwang ihn, zurückzuweichen, und nach dem dritten zog er es vor, sein Pferd zu wenden und die Flucht zu ergreifen.

Lachend kehrte der Falkenmeister zu Brunhilde zurück.

»Ich denke, Ihr werdet nunmehr unbehelligt nach Güntersberg zurückkommen. Weiter wird unsere Verfolgung schwerlich ausgedehnt werden.«

»Habt Dank für Eure Hilfe,« erwiderte Brunhilde mit bebender Stimme. »Ohne Euch würde ich, das ist mir in dem Augenblick klar geworden, als der Knecht zu mir vordringen wollte, in die Gewalt der Feinde gerathen sein, und mein Vater – o Gott, wo mag mein Vater jetzt sein? Ob er gesiegt hat oder – doch ich will den Gedanken gar nicht aussprechen. Was soll ich thun, wenn er im Kampfe unterlegen ist?«

»Macht Euch doch nicht unnöthig Sorge, Jungfrau. Euer Vater wird sicher schon auf dem Heimwege sein. Sollte ich mich aber in dieser Annahme täuschen, wird er Euch gewiß bald Nachricht geben. Wenn wir nur erst aus dem verwünschten Gestrüpp heraus wären. Die Pferde gehen zu unsicher. Wir kommen zu langsam vorwärts.«

Er fühlte, daß Brunhilde ihn bei diesen Worten beobachtete, und wandte sich ab, um ihr seine Unruhe zu verbergen. Hielt er sich doch fest überzeugt, daß der in die Flucht geschlagene Knecht mit mehreren seiner Genossen zurückkommen und seine Lage dann eine schwierige werden würde.

Der Hochwald war nicht mehr weit entfernt. Hatten sie diesen bis Güntersberg reichenden Wald erreicht, dann waren sie nahezu geborgen. Bis dahin aber hatten sie noch eine Strecke zwischen niedrigen Sträuchern auf höchst unebenem, mit Wurzeln, Schlingpflanzen und Stämmen bedecktem Boden zu reiten, etwaige Verfolger vermochten sie hier aus ziemlicher Entfernung schon zu sehen und der Falkenmeister hielt fleißig Umschau.

Eben hatte er sich wieder umgewandt, um den zurückgelegten Weg noch einmal scharf zu beobachten, als Brunhilde laut aufschrie.

Das Pferd war mit den Vorderfüßen in eine Höhlung gerathen und gestürzt.

Rasch sprang der Falkenmeister Brunhilde zu Hilfe und suchte dann dem Pferde aufzuhelfen.

Zu seinem Schrecken mußte er aber bald wahrnehmen, daß die Vorderfüße des armen Thieres gebrochen, an eine fernere Benutzung desselben im Augenblicke also gar nicht zu denken sei.

Hier war langes Zaudern nicht angebracht.

Sein Pferd war stark und kräftig gebaut. Es vermochte zur Noth zwei Personen bequem zu tragen.

Rasch hob er nach wenig Worten der Verständigung Brunhilde auf dasselbe, schwang sich selbst in den Sattel und ritt, das Mädchen vor sich, langsam weiter.

Endlich hatten sie den Hochwald erreicht und der Falkenmeister athmete erleichtert auf.

Er hielt das Pferd an, um von der Ebene aus unbeachtet noch einmal die soeben durchmessene Fläche zu überschauen, als in der Ferne am Saum des die Fläche an der gegenüberliegenden Seite begrenzenden Waldes Reiter sichtbar wurden.

Auch Brunhilde bemerkte sie sofort und war nicht im Zweifel darüber, daß man sie noch immer verfolge.

Diese Wahrnehmung vermochte sie indeß nicht mehr zu beunruhigen.

Es überkam sie ein so starkes Gefühl der Sicherheit; das Bewußtsein, der Falkenmeister schütze sie, schien so sehr jedes die eigene Lage betreffende bange Sorgen zu unterdrücken, daß sie der Verfolger zu vergessen geneigt war und um Mittheilung der Ursache des Kampfes ihres Vaters und Janeke von Stegelitz mit den fremden Rittern bat.

Einige Ritter haben Eurem Vater und Herrn Janeke Fehde angekündigt und diese heut’ schon nachdrücklich aufgenommen.

»Glaubt Ihr wohl, diese Fehde werde unglücklich für meinen Vater ablaufen?«

»Das vermag ich im Augenblick nicht zu sagen,« antwortete er ausweichend. »Bald indeß wird es sich ja herausstellen,« fügte er hinzu, »denn wenn ich mich nicht täusche, dann werden wir bald auf dem Wege ankommen, den wir zur Jagd geritten sind, und in einer halben Stunde zu Hause sein. Da ist er ja schon!«

Brunhilde erwiderte nichts.

In Gedanken vertieft, saß sie mit halbgeschlossenen Augen vor dem jungen Manne und sah nicht erst auf, als er durch den letzteren Ausruf zu erkennen gab, daß er nach irgend einer Richtung überrascht war.

Der Falkenmeister ersah, daß Brunhilde nicht geneigt war, auf eine Unterhaltung einzugehen, und sie setzten deshalb schweigend ihren Weg fort.

Schon vermochte er Güntersberg zu sehen. Von den Verfolgern wurde nichts mehr bemerkbar. Offenbar hatten sie, als sie auf der weiten, nur mit Gestrüpp bedeckten Fläche, auf der das Pferd Brunhildens stürzte, Niemanden sahen, jede weitere Verfolgung als vergebens, ja bei der Nähe Güntersberg’s sogar als gefährlich aufgegeben und waren zu ihren Herren zurückgekehrt.

Der Wald öffnete sich hier. Eine weite, baumlose Wiesenfläche begrenzte den Weg an der einen Seite, während an der anderen Seite sich noch der Wald bis Schloß Güntersberg hinzog, welcher unmittelbar hinter dieser sich aber wieder schloß. Quer über diese Lichtung führte ein dem Falkenmeister wohlbekannter Weg. War er doch auf dieser aus den Marken nach Pommern führenden Straße mit seiner Cage dahergekommen, um in Güntersberg einen Schatz zu heben, der ihm in Folge der Zwistigkeiten der Seinigen mit Herrn Simon von Güntersberg unerreichbar zu bleiben drohte: das Röslein von Güntersberg war dieser Schatz, und das Glück schien mit ihm zu sein. Erst wenige Stunden war er in Brunhildens Nähe, und schon war es ihm gelungen, ihr Interesse für ihn wachzurufen. Besaß er denn aber nicht auch schon ihr Vertrauen?

Ein Blick auf das vor ihm sitzende Mädchen, das, ohne nur einen Laut der Besorgniß ausgestoßen zu haben, willenlos ihm gefolgt war, und trotz des von ihm ziemlich weiten Umweges, den er auf seiner Flucht mit ihr machen mußte, sich bedingungslos seiner Führung überlassen hatte, zeigte ihm, daß er ihr volles Vertrauen in hohem Grade bereits erworben haben müsse.

»Ist mir Fortuna bis hierher hold gewesen, wird sie es wohl auch ferner sein.«

Er mochte diesen Gedanken unwillkürlich lauteren Ausdruck gegeben haben, denn Brunhilde erhob das Köpfchen und sah ihm einen Moment in’s Auge.

»Spracht Ihr zu mir? Ich war so sehr mit dem Vorfall auf der Jagd beschäftigt, daß ich nicht genau auf das gehört habe, was Ihr sagtet. Doch da sind wir ja bald zu Hause. Wenn nur mein Vater schon dort wäre, oder doch bald käme!«

Der Falkenmeister ließ die Frage Brunhildens unbeantwortet. Der Ausruf des Erstaunens, dem Schlosse schon so nahe zu sein, mochte ihm wohl Beweis genug dafür sein, daß sie seither thatsächlich sich nicht um den Weg gekümmert habe, den er eingeschlagen, zeigte ihm aber auch deutlich, daß er sich nicht geirrt in der Annahme, das Vertrauen des Mädchens bereits in hohem Grade erworben zu haben.

Um nun aber Etwas zu erwidern, bemerkte er:

»Euer Vater wird mit Herrn Janeke ohne Zweifel erst später zurückkehren. Das Zusammentreffen mit den Feinden überraschte auf beiden Seiten und der Waffentanz wird weniger blutig als langwierig geworden sein. Wenn – Alle Wetter!«

Diese plötzliche Unterbrechung und der Ausruf des Unwillens veranlaßten Brunhilde, dem Blick des Falkenmeisters zu folgen.

Soeben kam ein Reiter auf dem vorerwähnten Wege aus dem Walde hervorgesprengt und hielt an der Stelle, wo beide Wege sich kreuzten, an, offenbar um den langsam näher kommenden Falkenmeister zu erwarten.

Der Fremde war ein großer, starker Mann, mit starkem, schwarzem Bart, und wenn er auch im Augenblicke nur die Kleidung eines Landmannes trug, so war es dem kundigen Blick des Falkenmeisters doch nicht entgangen, daß der angebliche Bauer einer höheren Klasse angehörte. Diese Annahme wurde sofort bestätigt durch die Sprache des Fremden selbst.

»Wie heißt der Herr dieses Schlosses?« fragte er kurz, mit barscher Stimme und den Gruß des Falkenmeisters nur flüchtig erwidernd.

»Herr Simon von Güntersberg ist der Besitzer desselben.«

»Gehörst Du zu seinen Leuten?«

»Ja.«

»Führe mich zu ihm!«

»Wird im Augenblick schwer angehen. Doch reitet nur, wenn Ihr wollt, voraus; ich folge etwas langsamer!«

Der Fremde richtete einen forschenden Blick auf den, nicht minder wie er selbst, kurz angebundenen Falkenmeister und auf Brunhilde und ritt rasch voraus.

»Kennt Ihr den Fremden?« fragte jetzt Brunhilde, diesem neugierig nachschauend. »Ihr antwortetet so außerordentlich scharf!«

»Fast möchte ich dies behaupten. Doch ist es immerhin zu lange her, daß ich den Mann in anderen Verhältnissen gesehen zu haben glaube.«

»In welchen Verhältnissen glaubt Ihr den Mann gesehen zu haben?«

Der Falkenmeister fing den bei diesen Worten forschend auf ihn gerichteten Blick Brunhildens auf und diese senkte leicht erröthend das Auge.

 

»Er hat große Aehnlichkeit mit einem weit und breit bekannten und gefürchteten Ritter aus den Marken!«

»Sein Name?«

»Dietrich von Quitzow «

Das Gespräch gerieth wieder in’s Stocken und der Falkenmeister schien, als er, am Thore angekommen, vom Pferde stieg, selbst nicht recht zu wissen, ob das Gefühl des Aergers, daß er Brunhilde nun aus seinem Schutze entlassen solle, oder der Freude darüber, daß die Rettung des geliebten Mädchens nunmehr gelungen, im Augenblick die Oberhand besitze.

Die im Schloßhofe zur Bedeckung zurückgebliebenen Knechte wunderten sich nicht wenig, als sie Brunhilde auf dem Pferde des Falkenmeisters, diesen aber zu Fuß zurückkehren sahen.

Der Falkenmeister stand jedoch in Folge seiner im Schloßhofe bewiesenen Fechtkunst in ihrer Achtung bereits so hoch, daß sie nicht wagten, ihn mit neugierigen Fragen zu belästigen.

Dieser selbst schnitt ihnen übrigens auch die Gelegenheit hierzu ab.

Nachdem er Brunhilde vom Pferde gehoben, fragte er kurz:

»Sind die Ritter zurück?«

»Noch nicht!«

»Wo ist der Fremde, welcher vor wenigen Minuten hier angekommen ist?«

»Dort tritt er eben aus dem Stalle.«

Brunhilde zog sich nach einigen Worten des Dankes, wobei sie indeß vermied, dem Falkenmeister in’s Auge zu sehen, in das Haus zurück, und dieser näherte sich dem Fremden, welcher ihn bemerkt hatte und stehen blieb.

»Ihr habt Herrn Simon von Güntersberg noch nicht gesprochen, und werdet, wenn anders Ihr ihn durchaus sprechen wollt, wohl auch noch einige Zeit hier bleiben müssen.«

»Weshalb? Wo ist er?«

»Herr Simon ist mit Herrn Janeke von Stegelitz weggeritten.«

»Ich werde warten.«

»Dann folgt mir.«

Schweigend schritt der Falkenmeister voran und führte ihn in das Haus.

Dort begegnete ihnen Brunhilde.

»Jungfrau,« redete der Henning Friedländer sie an, »dieser Mann verlangt Herrn Simon von Güntersberg zu sprechen und will die Rückkehr des Herrn Ritters abwarten.«

»Mein Vater ist, wie Ihr gehört habt, nicht hier,« wandte Brunhilde sich zu dem Fremden. »Wollt Ihr dennoch warten, dann mag Euch der Falkenmeister ein Gemach anweisen.

»Ihr seid die Tochter Simon’s?«

»Ja, doch —«

»Verzeiht die Bitte, mich nur ein paar Worte mit Euch allein sprechen zu lassen.«

»Dann kommt mit mir.«

Der Falkenmeister mußte wohl verstanden haben, was Brunhilde mit dem Blicke sagen wollte, den sie ihm in diesem Augenblicke zuwarf, denn er folgte ihnen langsam bis zu dem Gemache, in das Brunhilde und der Fremde eingetreten waren.

»Was habt Ihr mir jetzt mitzutheilen?« hörte er die Erstere fragen und den Fremden bald antworten:

»Ich bedaure, Euren Vater nicht selbst angetroffen zu haben, denn ich habe Verschiedenes mit ihm zu sprechen, das von Wichtigkeit ist.«

»Wer seid Ihr?«

»Vielleicht habt Ihr meinen Namen schon einmal gehört; ich heiße Dietrich von Quitzow.«

»Ihr seid der mächtige und gefürchtete Ritter, der mit dem Markgrafen von Brandenburg in harter Fehde liegt.«

»Ja, der bin ich. Wer aber hat Euch von dieser Angelegenheit gesprochen?«

»Heut’ erst habe ich sie meinen Vater erzählen hören. Er wird sich freuen, Euch hierzu sehen. Wollet in diesem Gemach nur so lange weilen, bis er von seinem Ausfluge mit Herrn Janeke von Stegelitz zurückgekehrt ist. Inzwischen darf ich Euch wohl einen Imbiß und einen Trunk hierher senden.

Herr Dietrich von Quitzow folgte dieser freundlichen Einladung und Brunhilde eilte aus dem Gemache, vor dessen Thür sie den Falkenmeister antraf.

»Euer Gedächtniß hat Euch nicht getäuscht. Der Fremde ist in der That der Ritter Dietrich von Quitzow. Wenn nur jetzt mein Vater bald zurückkäme!«

»Auch ich wünsche dies,« erwiderte Friedländer ernst.

»Falls ihm aber wider unser Erwarten ein Unfall zugestoßen sein sollte, dürfte es wohl gerathen erscheinen, Herrn Dietrich von Quitzow, diesen mächtigen Kriegshelden, von dem Vorgefallenen zu benachrichtigen. Oder habt Ihr dies vielleicht schon gethan?«

»Noch nicht. Für alle Fälle bitte ich Euch, hier zu bleiben. Sollte mein Vater zu lange ausbleiben und der Ritter ungeduldig werden oder gar noch einmal nach mir verlangen, dann sprecht nur mit ihm und erzählt ihm, was Euch gut dünkt. Ich vertraue Euch ja vollständig!«

»Ihr habt zu befehlen, Jungfrau, und ich werde diesen Befehl pünktlich erfüllen.«

Brunhilde eilte fort, um den dem Ritter versprochenen Trunk nebst Imbiß zu beschaffen und der Falkenmeister blieb in der Nähe des Gemachs, von Zeit zu Zeit horchend, ob der Ritter noch nicht laut würde.

Stunde um Stunde verrann, die Nacht brach an, die Herren Simon und Janeke waren nicht nur noch nicht zurückgekehrt, sondern auch noch keine Botschaft von ihnen da, und der Falkenmeister, welcher recht wohl wußte, weshalb keiner der beiden in die Gewalt ihrer erbittertsten Gegner gefallenen Ritter etwas von sich hören ließ, fing allgemach an zu bereuen, Brunhilde, die, je mehr die Zeit vorrückte, desto ängstlicher, besorgter wurde, nicht längst die volle Wahrheit unumwunden bekannt zu haben, als die Thür des Gemaches aufging und Ritter Dietrich heraustrat.

»Herr Simon ist noch nicht zurück?«

»Noch nicht, Herr Ritter.«

»Dann ist er wohl nach einer der benachbarten Burgen geritten und kehrt vielleicht morgen erst heim?«

Während Henning Friedländer noch überlegte, ob er den Fragenden in die Sachlage ganz einweihen solle, fing dieser noch einmal an:

»Ich habe Dich übrigens heut’ bereits auf dem Wege hier her gesehen. Die Tochter des Herrn Simon war wohl mit ihrem Pferde verunglückt? Welche Stellung nimmst Du hierein, daß die Jungfrau Dir gestattet, sie vor Dich auf Dein Pferd zu nehmen?«

»Ich bin als Falkenmeister in Diensten des Herrn Simon und stehe der Jungfrau, welche die Jagd liebt, zu Befehl. Ihr habt übrigens richtig vermuthet, daß ihrem Pferde ein Unglück zugestoßen war. Die ganz absonderlichen Verhältnisse, welche in diesem Falle obwalteten, werden übrigens entschuldigen, falls ich, was ich im Augenblick noch nicht glaube, in meiner Bereitwilligkeit, der Jungfrau zu helfen, zu weit gegangen sein sollte.«

»Ich möchte diese absonderlichen Verhältnisse kennen lernen.«

Henning Friedländer erzählte nun, daß Herr Simon und Herr Janeke die Jungfrau zur Jagd begleitet, während des Jagdzuges einen Fehdebrief erhalten hätten

und unversehens während der Jagd auf das Gebiet eines der Ritter gekommen waren, welche den Brief unterzeichnet hatten.

Auf der Rückkehr von der Jagd wären sie mit den Herren Henning von Wedel und Heinrich von Bork zusammengetroffen und er, der Falkenmeister, sei sofort beauftragt worden, die Jungfrau sicher nach Güntersberg zurückzugeleiten.

Er habe sich doch aber verleiten lassen, vor der Flucht verstohlen noch einen Blick auf den Kampfplatz zu werfen und die Herren Simon und Janeke bereits in der Gewalt der Gegner gesehen, nunmehr mit der Jungfrau auf Umwegen den Rückweg nach Hause angetreten, sei verfolgt worden und theilte ferner das mit, was den Lesern über den Unfall mit dem Pferde bereits bekannt ist.

Dietrich schritt, während der Falkenmeister sprach, in dem Gemache auf und ab.

Als Letzterer seine Mittheilungen beendet, trat der Ritter zu ihm.

»Herr Simon wird Dir für die hierbei bewiesene Umsicht Dank wissen. Ob er freilich so bald in die Lage kommen wird, diesen Dank abtragen zu können, vermag ich nicht zu beurtheilen. Ich habe wirklich Lust, mir die Sache etwas genauer zu überlegen und dem alten Haudegen aus der Klemme zu helfen. Ist Dir vielleicht bekannt, wie er mit den Wedels auf Betow und mit Erasmus von Wedel auf Reetz steht?«

Henning Friedländer erblaßte sichtlich und mußte sich abwenden, um seine Verlegenheit zu verbergen. Er fand nicht sofort die ihm passend erscheinende Antwort und Dietrich bemerkte dies.

»Da bin ich wohl einem Geheimniß auf die Spur gekommen? Oder leben beide Herren mit Herrn Simon in Fehde und Du zögerst, mir durch Mittheilung dieses Umstandes die Hoffnung zu benehmen, für den Schloßherrn eintreten zu können? Falls Du keinen anderen Grund hast, verlegen zu werden, dann sprich nur getrost; wenn Dietrich von Quitzow sich etwas vornimmt, dann weicht er nicht so leicht von dem einmal gefaßten Entschlusse ab.«