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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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Kapitel 13: Der Sühne Anfang

Es war mehrere Tage nach den letztgeschilderten Ereignissen, als vier Männer eine der Zachower Herbergen verließen und von dem Wirthe bis an die Thür des Hauses begleitet wurden.

»Aber ich sage Euch noch einmal,« sagte der Letztere mit eindringlichem Tone, »daß kein Mensch, der in der Umgegend bekannt ist, zu dieser Stunde nach Tremmen gehen mag. Die Nacht ist da; Ihr kennt die Wege nicht, und der »Feuerreiter« geht um. Ihr wäret nicht die Ersten, welche meine Warnung unbeachtet lassen und dann spurlos verschwinden. Bleibt hier und wandert morgen am Tage weiter, wenn Euch Euer Leben und das Heil Eurer Seelen lieb ist!«

»Wir danken Euch für Eure Fürsorge,« lautete die Antwort des Einen von den Vieren, und wir erkennen trotz der Dunkelheit sofort den jungen Dietz von Quitzow an der Stimme. »Aber wir haben Grund, zu eilen, und so müssen wir uns schon hinauswagen in den Wald, in welchem Eure Gespenster ihr Wesen treiben. Gehabt Euch wohl!«

»Nun denn, so geleite Euch Gott und die gebenedeiete Jungfrau Maria! Ihr wollt es nicht anders, und ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe meine Pflicht gethan, und Euch gewarnt.«

»Thut es denn wirklich so nothwendig sein, daß wir nach Spandau kommen, Junker Dietz?« frug Schwalbe – denn wir haben nun wohl alle Vier erkannt. »Dat Wandern bei Nacht is keene besonderbare Vergnüglichkeit für Leute, welche so gelaufen sein thun, wie wir. Erst nach Tangermünde – da war er nich; nachher nach Rathenow – da war er auch nich; dann nach Brandenburg – da is er auch nich gewesen, und nun nach Spandau – da thut er am Ende auch nich gewesen sein!«

»Laßt es gut sein, Schwalbe! Wir wollen zu dem Markgrafen und können nichts dafür, daß wir seinen Aufenthalt immer erst dann erfahren, wenn er ihn bereits verlassen hat. Wenn Euch die Anstrengung zu groß ist, so seid Ihr selbst schuld daran. Wäret Ihr auf Stavenow geblieben, so könntet Ihr der Ruhe pflegen.«

»Dat thut Euch een böser Geist zu sagen eingegeben haben, denn wir sind ja froh, daß wir bei Euch bleiben dürfen, und wenn es für Euch gut is, so wollen wir in den Marken herumlaufen, bis wir Löcher hindurch gestampft haben werden. Aber daß Ihr nun grad zu dem Markgrafen gehen wollen müßt, der Euch in das Unglück gestürzt haben thut, dat is mich een Wunder, welches mir um Euch bange machen thut!

Höre, Pruder Schwalpe,« ließ sich da die tiefe Baßstimme des Wachtmeisters vernehmen, »was unsere jungen Herren peschließen, das darf Dich kein Wunder nehmen; Du pist der Schwalpe, und sie sind die Junkers, und so hapen sie zu pefehlen und Du mußt gehorchen! Wenn sie zu dem Markgrafen wollen, so werden sie wohl ihre guten Gründe dazu hapen; er wird sie nicht verschlingen, denn ich kann mich nicht pesinnen, daß sie ihm jemals etwas Pöses zugefügt hapen. Und wenn es ja eine Gefahr dapei gepen sollte, Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper da sind wir Peide doch auch noch da und werden sie peschützen so lange, pis die Schwarte platzt!«

»Dat darfst Du mich gar nicht erst zu sagen brauchen werden. Ich thue auch meinen Verstand haben und kann mich ganz gut denken, wat wir bei dem Burggrafen wollen mögen; aber mich ist der Feuerreiter unangenehm, welcher in dieser Gegend spuken thut, und darum denke ich, daß es besser gewesen wären thäte, wenn wir uns in Zachow schlafen gelegt hätten.

»Mohrenplitz, aper, Pruder Schwalpe, ich glaupe gar, Du glaupst an Gespenster!«

»Gespenster? Ja, Gespenster thut es geben, denn du bist selber eens mit Deinen beleidigungsartigen Reden. Wenn Du etwa denkst, daß ich den Feuerreiter für eenen Geist halten thue, so bist Du gar nich werth, daß Du mir kennen gelernt haben darfst; denn es thut sich ja ganz von selber verstehen, daß hier eene Täuschung vorliegen mag, die ich mich noch nich enträthseln kann. Und Angst haben thue ich nich etwa für mir, sondern für unsere lieben Junkers, die vielleicht heut Abend in ihr Verderben laufen thun.«

»Wo soll denn das Verderpen stecken, wenn wir pei ihnen sind? Wehe dem Deiwelsgezüchte, dem es etwa peikommen sollte, uns auf unserm Wege zu üperfallen, ich pohrte ihm meinen Säpel in den Leip, daß ich selpst mit durch denselpen hindurchfahren müßte!«

Schwalbe antwortete nicht weiter; er sah ein, daß er an dem Vorhaben seiner Herren nichts mehr ändern könne, und so verzichtete er auf alle fernere Gegenrede. Auch die beiden Brüder ließen den hinter ihnen stattfindenden Wortwechsel unbeachtet und schritten lautlos neben einander voran. Zwar hatte die Warnung des Wirthes keineswegs den Eindruck auf sie verfehlt, aber sie sahen in derselben keinen Grund, die Eile zu mindern, mit welcher sie nach Spandau zu kommen trachteten. Dort mußten sie den Markgrafen treffen, welcher gestern dort ein Lehngericht gegen den Ritter Werner von Holzendorf abgehalten hatte, wie ihnen mitgetheilt worden war. Schon seit einigen Tagen waren sie ihm von Ort zu Ort gefolgt, hatten ihn aber nicht erreichen können, und nun waren sie entschlossen, sich diesem Uebel nicht länger auszusetzen, sondern lieber die Nacht zu Rathe zu nehmen, um zur rechten Zeit noch einzutreffen.

Es war überhaupt seit ihrem kurzen Aufenthalte bei dem Vetter Claus von Quitzow eine sichtbare Veränderung mit ihnen vorgegangen. Ganz entgegen der früheren jugendlichen Mittheilsamkeit, waren sie jetzt schweigsam und verschlossen; es kam selten ein längeres Gespräch zwischen ihnen vor, und noch seltener fiel ein Wort zwischen ihnen und den beiden Dienern. Schwalbe schien sich dadurch zurückgesetzt oder gar beleidigt zu fühlen, was aber keineswegs einen Einfluß auf seine Treue und Opferwilligkeit hervorbrachte; der Wachtmeister dagegen empfand keinerlei Art von Kränkung darüber, und oft ruhte sein Auge mit inniger Theilnahme auf den bleichen Gesichtern der Jünglinge, die ihm mehr an das Herz gewachsen waren, als er zu sagen vermochte. Er war ein rauher, ungeleckter Patron, aber es wohnte in den Tiefen seines alten, biedern Herzens ein Feingefühl, welches ihm Manches von dem errathen ließ, was in dem Innern der Brüder vorging.

Diese hatten auf Stavenow Entdeckungen gemacht, von denen sie mächtig erschüttert worden waren, und die Nachhaltigkeit dieser Erschütterung war um so größer, je unklarer sich die ihnen gewordenen Enthüllungen zeigten. Claus war nicht zum deutlichen Sprechen zu bewegen gewesen und hatte seine Mittheilungen nur höchst unvollständig gemacht, und als sie dann erwartet hatten, von dem Klosterbruder das Nähere zu erfahren, war derselbe ermordet worden und hatte sein Geheimniß mit aus dem Leben genommen. Und trotzdem wäre es ihnen vielleicht möglich gewesen, das Dunkel aufzuhellen, wenn sie ihren Zorn beherrscht und die beiden Wenden nicht augenblicklich niedergeschlagen hätten. Diese waren jedenfalls Mitwisser von Vielem gewesen, was Claus von Quitzow nicht blosgeben wollte, und hätten sich durch Zwang oder Ueberredung vielleicht zum Sprechen bewegen lassen. Aber hieran war nun nichts mehr zu ändern, und es blieb ihnen nichts übrig, als die erwünschte Aufklärung von der Zukunft zu erwarten.

Seit sie Stavenow verlassen, hatten sie keinen Mangel gelitten, sondern immer gehabt, was zu des Leibes Nahrung und Nothdurft gehört, denn Schwalbe und Liebenow hatten trotz der kurzen Zeit, die ihnen dazu übrig geblieben war, einen tüchtigen Griff in die Vorräthe des dicken Ritters gethan; aber die damals weggeworfenen und wieder aufgefundenen Päcke waren kleiner und immer kleiner geworden, und heut nun hatte sich ihr Inhalt so unbedeutend gezeigt, daß er in den leeren Taschen Platz finden konnte. Das war natürlich nicht geeignet, die so schon Niedergeschlagenen zur Fröhlichkeit zu stimmen, und sie sehnten um so mehr den Augenblick herbei, von dem sie eine Aenderung ihrer Verhältnisse erwarteten.

Es herrschte tiefes Dunkel um die stillen Wanderer her, denn dickes Gewölk bedeckte den Himmel, und nur zuweilen gelang es dem Monde, einen zweifelhaften Strahl durch die Nacht zu bohren. Sie waren nun schon längere Zeit gegangen und empfanden nachgerade denn doch das Bedürfniß, ein Wörtchen der Ermunterung von einander zu vernehmen, doch wollte Keiner zuerst das Schweigen brechen. Da aber fand sich die Veranlassung zum Sprechen ganz von selbst und unerwartet, denn Dietz und Cuno sahen ihre Schritte plötzlich durch ein Hinderniß gehemmt, welches sich quer über den Weg zog, und die beiden Folgenden, welche etwas seitwärts hinter ihnen gegangen waren, stolperten ebenso und stürzten sogar über einen Gegenstand, welcher ihnen im Wege lag.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche,« rief Liebenow, indem er sich langsam wieder erhob, »aper da hat sich ein Viehzeug hier hergelegt und mich pald um das Lepen gepracht! Pruder Schwalpe, so stehe doch nur auf! Oder pist Du vielleicht todt? Mein Schädel prummt wie eine Paßgeige, und vor den Augen sehe ich lauter rothe, gelpe, grüne und plane Funken fliegen!«

»Dat hätte ich mich nich gedacht, daß ich mir so unverhofft niedersetzen thäte! Ich habe zwee Purzelbäume geschlagen, wie sie keene Meerkatze besser nich zusammengebracht haben können würde, den eenen nach rechts, den andern dann nach links hinüber. Dat Vieh ist todt. Greif doch eenmal her, Caspar, wat es wohl für een Trampelthier sein mögen thut, wat uns in unsern stillen Gedanken gestört hat!«

»Mohrenplitz, hier ist der Kopf mit Zaum und Zügel; und hier fühle ich auch einen Sattel auf dem Puckel!«

»So sage es doch deutlich, Bruder Liebenow, ob Du den Sattel off Deinem Buckel fühlen thust oder off dem Pferde seinem; denn daß es een Pferd sein thut, dat weeß ich ganz gewiß; ich habe hier hinten endlich eenen Schwanz gefunden.«

»Willst Du etwa auf Deinen Puckel auch etwas hapen, he? Da sollst Du gar nicht lange zu warten prauchen!«

»Ein todtes Pferd ist es?« frug Dietz besorgt. »Da ist hier irgend ein Schurkenstreich verübt worden, denn man hat ein Seil über die Straße gezogen, welches uns beinahe auch zu Falle gebracht hätte. Seid auf Eurer Huth, und denkt an Eure Schwerter!«

 

»Kommt doch einmal her, mein lieper Junker! Ich glaupe, hier liegt Plut. Freilich ist es gefroren. Und der Gaul hat einen tiefen Stich in die Prust pekommen. Greift her; hier ist das Loch!«

Dietz wollte sich bücken, um die Sache auch zu untersuchen, wurde aber davon durch einen neuen Ruf abgehalten, welchen Schwalbe ausstieß.

»Hier thut een Kerl liegen, der auch schon mausetodt geworden is! Es thut mich scheinen wollen, als ob hier een Kampf stattgefunden haben thäte, an dem das arme Thier und der Reiter haben sterben müssen!«

Die drei Anderen eilten schnell herbei und knieten an der Leiche nieder.

»Diesem Manne hat das Pferd nicht gehört, denn er ist ohne Sporen,« bemerkte Cuno scharfsinnig. »Ein Ueberfall hat stattgefunden, wie der Strick beweist, über welchen der Reiter stürzen sollte. Ich denke aber, daß man dabei gestört worden ist, sonst wären die Leichen nicht liegen geblieben; wenigstens hätte man den Menschen bei Seite geschafft und dem Pferde das Reitzeug abgenommen. Es ist ein ritterliches Geschirr.«

»Du hast Recht!« stimmte Dietz bei, indem er zu dem gefallenen Thiere zurückkehrte und Sattel und Schabracke betastete. »Doch sagt, wo ist der Ritter hingekommen? Ich fühle eine Wappenstickerei hier an der Ecke!«

»Dat möchte ich auch wissen thun, wohin er gekommen is! Er muß noch eben da herum wohl liegen. Vielleicht is er blos verwundet worden und thut noch Leben in seiner Leiche haben.«

»Pruder Schwalpe, Du pist ein Esel! Wie kann eine Leiche nur noch das geringste Pischen Lepen in sich hapen! Komm, wir wollen einmal nach ihm suchen, op er wohl zu finden ist!«

»Höre, Caspar, Du wirst doch mit keenem Esel nich suchen wollen!« antwortete der in seiner Ehre gekränkte Mann; trotzdem aber kam er der ihm gewordenen Aufforderung nach und begann, mit dem furchtlosen Wachtmeister das anliegende Gebüsch zu durchstöbern, während die Brüder ihr Forschen auf die offene Straße richteten. Aber obgleich man mit der größten Aufmerksamkeit und Sorgfalt verfuhr, blieben ihre Bemühungen doch ohne allen Erfolg, so daß Dietz endlich bemerkte:

»Laßt das Suchen sein, denn es versteht sich ja ganz von selbst, daß es nutzlos ist! Wenn man sich Alles genau überlegt, so ist der Vorgang leicht zu errathen: Der Angegriffene ist ein Herr aus adeligem Geschlecht gewesen; die den Ueberfall störten, sind den fliehenden Strauchdieben auf den Versen gefolgt. Und dieses scheint mir nur einen Grund zu haben, nämlich den, daß die Flüchtigen den Edlen, welcher über das Seil gestürzt ist, mit sich fortgerissen haben. Wäre es nicht so dunkel, so könnten wir aus dem Wappen seinen Namen errathen. Und selbst wenn ich mich irren sollte, ist es doch gewiß, daß wir nicht lange hier allein sein werden, wenn wir noch einige Zeit verziehen wollen. Entweder kehren die Verfolger zurück, oder, wenn es gar keine Verfolgung gegeben hat, kommen die Buschklepper wieder, um die Straße zu säubern und den Gefallenen fortzuschaffen. Dieser hat zu ihnen gehört, wie aus Allem zu schließen ist.«

Es vermochte Keiner gegen diese Behauptung Etwas einzuwenden, und Schwalbe erklärte sich nur mit der Vermuthung, noch länger hier zu bleiben, nicht so recht einverstanden.

»Wat thun wir davon haben, daß wir hier warten werden? Erst sollen wir laufen, damit wir den Markgrafen noch in Spandau antreffen thäten, und nun haben wir Zeit, uns an diesem Deiwelsorte todtschlagen lassen zu müssen! Ich für meine Person wollte mir ganz ruhig abthun lassen, aber daß auch Ihr eenen Hieb oder eenen Stich abkriegen sollt, dat is nich nothwendig. Ich denke, es is am besten, wenn wir machen, daß wir fortkommen thäten!«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Pruder Schwalpe, da soll man wohl nicht pös werden, wenn so ein unfolgsames Heidenkarnickel, wie Du pist, unseren liegen Junkern immer über das Maul purzelt! Wir pleipen da, wenn Herr Dietz es pefiehlt, und wir gehen fort, wenn er es hapen will; das merke Dir! Und wenn Du noch einmal so eine widerspenstige Pemerkung machst, so tupfe ich Dir mit der Faust auf die Nase, daß sie den Schnupfen pekommt und ihre ganze Weisheit herausniesen soll!«

In dieser grimmigen Weise hatte der brave Wachtmeister noch nie mit seinem Spezial gesprochen, und dieser war so erstaunt über die deutliche Zurechtweisung, daß er gar keine Worte zu einem seiner stets bereiten Seitenhiebe fand.

»Richtig ist es, was Du sagtest,« stimmte Cuno dem Bruder bei; »und ich meine, daß es unsere Pflicht sei, hier zu warten, ob wie Jemandem vielleicht unsere Hülfe erweisen können. Die Leichen sind schon längst erkaltet; es ist also wohl eine geraume Weile seit dem Angriffe vergangen, und wenn überhaupt Jemand zurückkehrt, so wird es also so bald geschehen, daß wir nicht lange zu harren brauchen.«

»Gut, so bleiben wir! Wir sind unserer vier, und es müßte schlimm hergehen, wenn wir in Schaden gebracht werden sollten. Trotzdem aber wollen wir so vorsichtig wie möglich sein und uns hinter die Büsche auf die Lauer legen. Da wird uns Niemand bemerken, und wir können Alles beobachten und uns dann darnach richten.«

Dieser Vorschlag wurde angenommen, und bald waren die vier Männer im Gesträuch verschwunden und tiefe Stille herrschte über dem Orte, an welchem es vorher jedenfalls nicht ruhig zugegangen war. Die Worte Cuno’s, daß ihr Harren kein lange währendes sein werde, erfüllten sich in kurzer Zeit, denn noch war kaum eine Viertelstunde vergangen, so knackten in der Ferne die Zweige des Unterholzes, das Geräusch kam immer näher, und endlich ließen sich eilige Schritte vernehmen. Es war nur eine einzelne Person, welche eine Strecke oberhalb des Ortes, an welchem die Versteckten lagen, den Wald verließ und dann schnellen Laufes die Straße verfolgte.

»Der hat nothwendig,« raunte Liebenow den Andern zu. »Gept Acht; er wird gleich über den Deiwelsstrick hinwegkugeln!«

Kaum waren diese Worte gesprochen, so geschah das Vorhergesagte: der Mann stürzte über den Strick.

»Ah, hier haben sie ihn heut befestigt!« meinte er halblaut, doch immerhin so deutlich, daß sie die Worte bei der tiefen, nächtlichen Ruhe leicht vernehmen konnten. »Sie haben noch keine Zeit gefunden, zurückzukehren, um ihn zu entfernen. – – Hier liegt das Pferd des Ritters!« fuhr er nach einer Pause, während welcher er den Platz einer raschen Untersuchung unterworfen hatte, fort. – – »Und wer ist das?« Er bog sich zu dem Todten nieder, den er jetzt bemerkte. »Das ist der Ulrich. Der hat hier endlich seinen wohlverdienten Lohn gefunden!«

»Hört, Ihr Herren,« wisperte Schwalbe; »dat thut mich scheinen, als ob dieser Mann eener von die Räuber sein thäte, die uns todtschlagen werden, oder wir sie!«

»Ja, Pruder Schwalpe, das ist ein Räuper, wie wir gehört hapen. Soll ich mich an ihn machen, Herr Dietz, und ihn pei der Gurgel nehmen?«

Der Gefragte befand sich schon nicht mehr neben dem Wachtmeister, und als dieser verwundert nach ihm suchte, vernahm er einen kurzen, unterdrückten Schrei und dann den halblauten Ruf des Junkers:

»Hierher! Ich habe ihn.«

Die drei Andern eilten zu ihm. Er hatte so geräuschlos gehandelt, daß sein Erheben selbst von ihnen nicht bemerkt worden war. Jetzt kniete er am Boden und hielt den Mann fest unter sich, welchen er, um ihn am Rufen zu verhindern, fest bei der Kehle gepackt hielt. Liebenow griff sofort mit zu.

»Haltet ihn noch ein wenig, mein lieper Junker! Ich hape hier einen festen Riemen für seine Hände, und um die Peine werde ich ihm seinen eigenen Gürtel schnallen. So, mein guter Raupmordspitzpupe, jetzt pist Du unser und wir brauchen Dich nicht mehr festzuhalten!«

»Wer seid Ihr und was wollt Ihr von mir?« frug jetzt der nach Luft haschende Gefesselte.

»Wer wir sein thun, und wat wir von Dich wollen werden? Das wirst Du gleich hören sollen, Du Deiwelsracker, Du!« antwortete Schwalbe in seiner steten Redefertigkeit.

Bei diesen Worten schnellte der Mann überrascht mit dem halben Oberkörper in die Höhe, fiel aber in Folge seiner Banden gleich wieder zurück.

»Wer ist das?« frug er erregt. »Diese Stimme sollte ich kennen! Wie heißest Du?«

»Wie ich heiße? Dumme Frage! Ich werde doch wohl wissen, wie ich heißen muß! Schwalbe is mein Name.«

»Schwalbe? Heinrich Schwalbe aus Siwersdorf? Und Du leidest es, daß Jobst, Dein Bruder, hier gebunden vor Dir liegt!«

»Jobst, wahrhaftig Du thust es sein!« rief Schwalbe lauter, als es die Situation eigentlich gestattete. »Ich habe Dir seit unserer Kindlichkeit nur een eenziges Mal gesehen, und dat war vor neun Jahren in Pasewalk; aber ich thue Dir an der Stimme wieder erkennen. Komm an mein Herz, alter Junge, und sei mich willkommen in meinen Armen!«

Er zog den so unverhofft Gefundenen zu sich empor und küßte ihn wiederholt und herzhaft auf den Mund.

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, Pruder Schwalpe, so thue ihm doch erst die Riemen von dem Leip! Du pist ein glücklicher Schweinepelz, daß Du hier in dunkler Mitternacht und mitten auf der Straße einen Pruder findest! Ich hape auch einen, und der heißt Peter; ich glaupe, er ist in Engeland, und ich pin neugierig, op ich ihm auch noch einmal pegegnen werde!«

»Ja, binde ihm die Fesseln ab,« gebot jetzt Dietz, welcher mit Cuno bisher verwundert geschwiegen hatte. »Wenn es wirklich Dein Bruder ist, so können wir ihn ja nimmermehr feindlich behandeln!«

»Dat thut er wirklich sein, Herr Junker! So, da is der Riemen ab und auch der Gürtel. Und nun thue Dir erheben und meine jungen Herren begrüßen. Es sind Herr Dietz und Herr Cuno, die Söhne des Ritters Dietrich von Quitzow, bei dem ich in Dienst gewesen haben werde, wie Du schon damals wissen thatest.«

Jobst erhob sich.

»Das war ein Wiederfinden zur rechten Zeit, sonst hättet Ihr mir wer weiß was Uebles zugefügt, und ich wäre nicht dazu gekommen, den Herren von Uchtenhagen Hülfe zu bringen!«

»Von Uchtenhagen? Es giebt deren mehrere. Welche sind es?«

»Es sind zwei Brüder; sie heißen Hans und Karl.«

»Sind sie es, die hier angegriffen worden sind?«

»Ja. Der Aeltere stürzte über den Strick und wurde, nachdem man sein Pferd erstochen hatte, gebunden fortgeführt. Der Jüngere aber wehrte sich tapfer und hat die Buschklepper in die Flucht geschlagen, wobei Ulrich dort um das Leben gekommen ist. Dann ist er ihnen gefolgt, um Herrn Hans zu retten, und dabei auf mich gestoßen.«

»So bist Du also keiner von den Wegelagerern?«

»Ich bin bei ihnen gewesen,« antwortete er zögernd und fuhr dann in der Erzählung dessen fort, was wir aus einem früheren Kapitel bereits wissen, bis er zu dem Punkte kam, an welchem er die gefangene Frau in der Sakristei gelassen hatte, um den Brüdern seinen Beistand zu bringen. »Ich schlich mich den Leuten bis in die Betlöcher nach, in denen ich die Gesuchten finden mußte, wie ich ganz genau wußte. Herr Hans von Uchtenhagen war auf der Straße ohne Widerstand überwältigt worden, weil ihn der Fall vom Pferde arg betäubt hatte, und darum war es den Leuten auch so leicht geworden, mit ihm ohne Aufenthalt die Ruine zu erreichen. Dort kam er zur Besinnung und begann, einen so kräftigen Widerstand zu leisten, daß er Mehrere schwer verwundete und Einen gar zu Tode brachte. Da wurde er endlich überwältigt, zusammengeschnürt und in eine Zelle geworfen, wo ihn der sichere Tod erwartet.«

»Ich denke, Du hast ihm Rettung bringen wollen?«

»Ja, bei Gott, das habe ich gewollt! Aber hört nur weiter: Die Gefangene, welche hier bei uns für eine Gräfin gehalten wird, hat durch die lange Gefangenschaft so im Kopfe gelitten, daß sie nicht mehr richtig denken kann. Statt ruhig in der Sakristei auf mich zu warten wie ich sie gebeten hatte, ist sie mir nachgekommen und hat dadurch mein Vorhaben verrathen. Die Leute fielen über mich her; aber es gelang mir doch, ihnen zu entwischen, da ich die verborgenen Schliche der Ruinen besser kenne als sie. Nun erwarten sie nichts Gutes von mir und werden alle Maßregeln ergreifen, um sich sicher zu stellen. Die beiden Brüder von Uchtenhagen werden ganz gewiß noch diese Nacht unschädlich gemacht, und meine armen Genossen, welche in dem Brunnen auf meine Rückkehr warten, sind nun auch verloren. D’rum nahm ich mir vor, zu ihrer aller Rettung gleich und ungesäumt das Aeußerste zu ergreifen. Ich wollte im nächsten Orte Beistand suchen und so rasch wie möglich so viel Männer nach der Ruine führen, als zur Bewältigung der Bande erforderlich sind. Und hierin habt Ihr mich gestört.«

»So war der »Feuerreiter« Euer jetziger Anführer?«

»Ja; jetzt jedoch ist er todt, wie ich Euch erzählt habe.«

»Und wie ist die unbekannte Gräfin zu Euch gekommen?«

 

»Der »schwarze Dietrich« hat sie vor langen Jahren zu uns gebracht. Sie war ein schönes Weib, und ich glaube, daß dies der alleinige Grund ihrer Gefangenschaft gewesen ist, denn er kam, seit sie sich bei uns befand, öfterer als früher und stellte ihr mit heißem Feuer nach. Sogar Gewalt hat er anzuwenden versucht; aber sie hat sich gewehrt wie eine Löwin und ihn so von sich gewiesen, daß er lange Zeit ihr nicht mehr nahe getreten ist.«

Es entstand eine Pause. Das Gehörte war ganz geeignet, die Junker zum nachdenklichen Schweigen zu stimmen. Endlich frug Dietz weiter:

»Du wolltest Hülfe aus einer der umliegenden Ortschaften holen. Denkst Du, daß dieses Vorhaben Dir auch wirklich gelingen werde?«

»Es war das Einzige, was mir zu thun übrig blieb, wenn die Rettung möglich werden sollte. Aber es wird wohl so viel Zeit darüber vergehen, daß wir zu spät kommen, wenn es mir ja gelingen sollte, Jemanden zum Mitgehen bewegen zu können. Und dabei setze ich mich selbst gar großen Gefahren aus; doch soll mich das nicht abhalten, das Begonnene auch zu vollenden.«

»Vielleicht giebt es noch ein anderes, besseres und kürzeres Mittel, Deinen Vorsatz auszuführen. Gedulde Dich noch einige Augenblicke!«

Es war ihm ein Gedanke gekommen, kühn zwar und gefahrvoll auszuführen, aber derselbe sagte seinem jugendlich muthigen Sinne zu, und er trat daher abseits zum Bruder, um demselben leise seinen Vorsatz mitzutheilen. Die Unterredung währte nicht lange; Cuno hatte sofort seine Zustimmung gegeben, und Dietz wandte sich wieder zu dem bußfertigen Räuber:

»Da Du so offen und rückhaltslos mit uns gesprochen hast, so sollst Du auch von mir eine aufrichtige Rede hören! Der »schwarze Dietrich« hat Euch seine Wiederkehr zugesagt, und Ihr wartet auf ihn schon seit langer Zeit; aber da es ihm unmöglich ist, sein Wort zu erfüllen, so sendet er uns an seiner Stelle, und wir hoffen, daß Ihr alle uns Gehorsam leisten werdet!«

Der Eindruck, welchen diese Worte hervorbrachten, war ein gewaltiger.

»Dat is mich die größte Neuigkeit, die ich in meinem ganzen Leben erfahren haben thue!« rief Schwalbe. »Also darum und derowegen that ich auf Stavenow den Lauscher machen müssen? Und darum und derowegen thatet Ihr mit dem Klosterbruder, der een Förster Günther war, eene Zusammenkunft halten wollen?«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper wo hapt Ihr denn den Deiwelspraten, den »schwarzen Dietrich« eigentlich getroffen? Der Kerl ist ja der richtige und leiphaftige Satan gewesen, und Ihr seid so junge und gute Herren, die noch kein Wasser getrüpt hapen!«

»Der »schwarze Dietrich« hätte Euch gesandt?« frug nun auch Jobst, der sich endlich von seinem Erstaunen erholt hatte. »Das ist mir ein so ungläubig Ding, daß Ihr es mir erst beweisen müßt!«

»Beweisen? Gut, welche Beweise verlangst Du?«

»Wer ist der »Schwarze« eigentlich gewesen?«

»Das hat er selbst Euch Allen verschwiegen und wir haben von ihm nicht die Erlaubniß bekommen, es Euch zu sagen. Frage weiter!«

»Ja, was soll ich Euch fragen! Ich weiß ja gar nicht, welche Beweise er Euch mitgegeben hat.«

»Wir haben einen Beweis, den Ihr schon anerkennen werdet, und der hängt hier an unserer Seite,« meinte Cuno, indem er mit der Linken an das Schwert schlug.

Hörst Du es, Jobst?« fügte Dietz hinzu. »Und wer diesem Beweise keinen Glauben schenkt, dem geht es wie Wratislaw und Gieljuschken von der Wendenburg, die wir beide niedergestoßen haben!«

»Ihr kennt Wratislaw und Gieljuschken und sprecht von der Wendenburg? Mehr bedarf es nicht, und ich kann Euch Glauben schenken. Willkommen, Ihr Herren. Nun werde ich mit meinen Kameraden auch nicht fortgehen, wenn wir sie noch am Leben treffen, sondern Euch gern Gehorsam und Treue leisten in allen Stücken, die Ihr von mir verlangt!«

»Wehe den Mannen, wenn sie diese Leute und die beiden Uchtenhagen gemordet haben! Wir werden ein strenges Gericht halten. Nun brauchst Du keine andere Hülfe zu holen, denn wir selbst werden den Bedrohten Rettung bringen. Vorwärts zur Ruine!«

Es war ein verwegener Entschluß, verwegen in des Wortes kühnster Bedeutung; aber es galt die Rettung Vieler, es galt eine ganze Schaar von Bösewichtern wo möglich zum Guten zurück zu führen, es galt, eine Sühne für den Mann zu leisten, der nach dem, was sie erfahren hatten, kein Anderer als ihr Vater sein konnte.

»Ja, vorwärts,« stimmte Cuno bei, welcher sich jetzt überlegter zeigte, als der von seinem Vorhaben begeisterte Bruder.

»Zuvor aber wollen wir Alles bei Seite schaffen, was die Vorgänge verrathen könnte, welche hier geschehen sind.«

»Damit, Herr,« meinte Jobst, »zeigt Ihr mir deutlich, daß Ihr wirklich auf das bedacht seid, was unsern Leuten frommt und Nutzen bringt. Kommt, laßt uns schnell zugreifen, damit wir die Bedrohten bald aus ihrer Angst erlösen!«

Man beseitigte das Seil und verbarg sowohl die Menschen-, als auch die Thierleiche an einem versteckten Orte, sodaß wenigstens kein während dieser Nacht vielleicht noch Vorüberkommender eine Ahnung von den geschehenen Dingen haben konnte. Dann aber schlugen die Männer, Jobst an der Spitze, den Weg nach der Ruine ein.

Nach einer so viel wie möglich beschleunigten Wanderung gelangten sie an das Ufer des See’s, dessen glatte Eisfläche in matter Helle vor ihnen lag, so daß einem scharfen Auge jede Bewegung auf demselben zu erkennen möglich war. Jobst hemmte seine Schritte und erhob den Arm, um die Richtung anzudeuten, in welche die ihm Folgenden blicken sollten.

»Seht Ihr dort den runden, schwarzen Flecken, der Landzunge gegenüber?«

»Ja. Es ist wohl eine Insel?«

»Dieselbe, von der ich Euch sagte, daß wir da eingekerkert gewesen sind. Und seht Ihr die kleinen, dunklen Punkte, welche sich von dem Lande auf sie zu bewegen?«

»Auch diese sehe ich,« antwortete Dietz. »Das sind entweder Thiere oder Menschen. Vielleicht ein Rudel Hirsche oder eine Familie von Wildschweinen, die dort ihre Aesung suchen.«

»Nein, das sind die Leute, welche aus der Ruine abgeschickt sind, um sich meiner armen Genossen zu bemächtigen. Wir sind grad noch zur rechten Zeit gekommen, um sie an ihrem bösen Werke zu verhindern. Kommt! Sobald sie die Insel erreicht haben, werden wir ihnen folgen. Die Anderen werden wohl nach dem Geschehenen mit der größten Vorsicht verfahren und doppelte Wachen ausgestellt haben. Ich glaube, daß wir jedenfalls auf eine solche stoßen, ehe wir das Eis betreten.«

Diese Voraussetzung zeigte sich bald als richtig, denn sie waren noch keine weite Strecke längs des Ufers hingegangen, so erhoben sich plötzlich grad vor ihnen zwei Männer, von denen sie laut und barsch angerufen wurden:

»Wer seid Ihr, und was habt Ihr hier zu suchen?«

Sie waren von ihnen leicht bemerkt worden, da sie sich keinerlei Mühe gegeben hatten, ihren Weg in so vorsichtiger Weise zu verfolgen, daß sie unentdeckt bleiben konnten.

»Gehört Ihr zu den Leuten, welche der »Schwarze« hier in die Ruine gelegt hat?« frug Dietz, indem er furchtlos auf sie zutrat.

Eine solche Frage hatten sie nicht erwartet; sie kam ihnen vielmehr so unverhofft, daß sie, nicht wissend, was sie antworten sollten, einander verdutzt ansahen.

»Nun, bekomme ich bald eine Auskunft? Ich habe keine Zeit, lange auf Eure Rede zu warten!«

»So sagt uns erst, wie Ihr zu solchen Worten kommt!«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Ihr hapt weiter Nichts zu thun, als dem jungen Herrn Eure Antwort zu gepen!« klang es ihnen da aus dem Munde des entschlossenen Wachtmeisters entgegen. Er trat vor sie, packte mit je einer Hand einen von ihnen bei der Brust und schüttelte sie in einer Weise gegen einander, daß sie wohl erkannten, gegen eine solche körperliche Stärke sei von ihrer Seite gar nicht aufzukommen. »Nun, Ihr Deiwelspraten, wir kommen von dem »schwarzen Dietrich« und wollen wissen, op Ihr zu seinen Leuten gehört. Wenn Ihr nicht pald eine Antwort gept, so schlage ich Euch mit den Köpfen zusammen, daß die Stücke davon üper den See hinüperfliegen!«