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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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»Erlaupt, meine jungen Herrn,« sprach er, »daß ich einmal zuspreche. Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich hape mich noch immer nicht zurecht gefunden von wegen Euch in Stapenow. Mohrenputz, ein pesseres Vergnügen hätte mir nicht widerfahren können, als daß ich Euch hierher pekomme!«

»Na,« rief es hinter ihm, »thust Du denn bald fertig sein mit Deiner Rede? Dat is eene Lamentirerei von Deiner Freude, daß unser Eener bald gar nich mehr zu Worte kommen mögen thun wird. So, da bin ich, und wenn es wat zu thun giebt, wo Ihr mir gebrauchen könnt, so thut Euch nur immer auf mir verlassen, wie auf keenen Andern nich!«

»Auf keinen Andern?« rief Liebenow mit seiner grimmigsten Miene. »Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, Pruder Schwalpe, wenn Du mich peleidigen willst, so wirst Du pald erfahren, was es heißt, den Caspar Liepenow in Zorn zu pringen. Wir können uns wohl denken, daß unsere liepen Junkers nicht nach Stapenow kommen, ohne eine Apsicht zu hapen, und pei dieser Apsicht, da machen wir mit, nämlich ich und der Schwalpe hier.«

»Wir sind von Eurem guten Willen, uns zu dienen, überzeugt,« sprach Dietz. »Doch sagt vor allen Dingen, wie Ihr in diese Gegend kommt. Wir wollten nicht glauben, daß Ihr uns verlassen hättet, und dachten Euch daher todt oder gefangen.«

»Todt? Gefangen? Verlassen?« riefen Beide wie aus einem Munde. Der Wachtmeister zögerte, weiter zu sprechen, da er sich den Inhalt der drei Worte erst zurechtlegen mußte, und mit einer solchen Arbeit ging er immer sehr gründlich zu Werke. Schwalbe aber fuhr fort:

»Nee, gefangen thun wir nich sein, und todt nun vollends gar niemals nich, sondern wir haben alle beide geglaubt, daß Euer Herr Vater sich zu dem Vetter nach Stavenow gemacht haben thäte, und so sind wir zu den Boldewins gerathen und haben da Dienste genommen, bis wir etwas Sicheres über Herrn Dietrich erfahren haben thun würden.«

»Gut, so betrachtet Ihr Euch also immer noch als unsere Mannen?«

»Dat versteht sich ganz von selber. Ich und der Liebenow thun in alle Ewigkeit nun und nimmer nicht von Euch weichen und wanken.«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper Bruder Schwalpe, da hast Du ein Wort gesagt, mit welchem ich von ganzem Herzen einverstanden pin.«

»Wir danken Euch für Eure Treue. Es wird die Zeit schon noch kommen, in welcher wir sie Euch belohnen können. Doch sagt einmal, wer ist wohl der lange, dürre Mensch gewesen, den Herr Claus nach Stavenow vorausgeschickt hat, um seine Ankunft zu melden?«

»Der lange, dürre Mensch? Dat, dat is Niemand nich gewesen, als blos der Balthasar.«

»Ja, ja, das ist der Pruder Steckelpein gewesen mit seinem Wirfdielangenbeinewitsch.«

Die Junker sahen den Sprecher fragend an, und Schwalbe fuhr erklärend fort:

»Der Balthasar thut nämlich der Leibknappe des Herrn Claus von Quitzow sein, und sein Klepper hat so eenen verdeiwelten Namen, daß es Einem angst und bange dabei werden thut, wenn man ihn aussprechen sollen will.«

»So! Giebt es auf Stavenow einen Knecht, welcher Wratislaw heißt?«

»Wratislaw? Ja, den giept es, mein lieper Junker; aper dieser Mensch ist ein Kerl, dem wir so viel wie möglich fern pleipen; er gehört zu den wendischen Heiden, und ich glaupe, daß ihm der Galgen noch einmal wohl pekommen wird.«

»Wir sahen noch einen Andern bei ihm, der auch zu den Wenden gehören mag.«

»Dat is Gieljuschken, der Deiwelsracker, der voller Ränke und Schliche sein thut wie der Pudelhund voller Ungezieferlichkeiten. Wat diese beeden Menschen auf die Erde gesollt haben, dat is mich noch heutigen Tages een unklares Geheimniß. Wenn man sie irgendwo sehen oder treffen thut, so is es ganz gewiß nur über irgend eenem schlechten Streiche.«

»Warum jagt sie denn da Herr Claus nicht von dannen?«

»Ja, wer dat so richtig wissen thäte! Gemeinschaft will er nich mit ihnen haben mögen, dat sehen wir Alle, denn er thut sich nie nich um sie bekümmern oder ihnen eenen Befehl geben; und doch dürfen sie dableiben und allerhand Dinge vornehmen, die ein Anderer sich gar nich wagen dürfen thäte.«

»Das ist richtig, Pruder Schwalpe, und deshalp ist ihnen auch keiner von den Leuten grün und wohlgesinnt. Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper ich wollte, daß ich ihnen einmal einen Stich am Zeuge flicken könnte! Da hapen sie vorhin einen armen Klosterpruder pei den Haaren von der Straße hereingeschleppt, Keiner weiß weshalp, und den hat Herr Claus einsperren lassen, opgleich er Niemandem von uns Etwas gethan hat. Ich glaupe, er soll heut Apend, wenn es finster geworden ist, nach Garlosen geschafft werden, weil es hier auf Stapenow kein festes Verließ giept, in welchem man Jemanden sicher halten kann.«

»Wo hat man ihn denn einstweilen hingesteckt?«

»Er sitzt open in der Kammer, in welcher die peiden Wenden wohnen, und die kauern nun pei ihm und lassen ihn nicht aus den Augen.«

»Wen wird man mit seiner späteren Bewachung betrauen?«

»Mordelement, wen denn anders als mich? Der Wachtmeister Caspar Liepenow pesitzt auf Garlosen epen so viel Vertrauen wie pei Eurem Herrn Vater, und da wird man den armen Deiwel in keine anderen Hände gepen, als in die meinigen.«

»Das wollen wir Dir gern glauben, Caspar, denn Du und der Schwalbe, Ihr seid doch stets die treuesten und zuverlässigsten von allen unseren Mannen gewesen, und so werden die Boldewins und der Vetter Claus Euren Werth wohl auch zu schätzen wissen. Aber grad aus dem angegebenen Grunde hoffen wir, daß Ihr uns treu bleiben und in allen Stücken zu uns halten werdet, in denen wir Eures Beistandes und Eurer Hülfe bedürfen!«

»Wat Diesesjenige betreffen thut,« fiel hier Schwalbe eifrig ein, »so mögt Ihr Euch immer auf uns verlassen dürfen!« Er bemerkte in seinem Diensteifer gar nicht, daß in dem Ansinnen des Junkers eigentlich eine Verführung zur Untreue gegen seine jetzigen Herren liege. Dies entging auch dem Wachtmeister, welcher sich breitspurig vor Dietz hinstellte und, an den langen Degen klopfend, ausrief:

»Mohrenplitz, wer daran zweifeln wollte, dem sollte es gar nicht sehr wohl pekommen. Ich hackte ihn in so viel Stücke, daß er sie selper nicht mehr zählen könnte! Sagt uns nur, mein lieper Junker, was wir machen sollen, und das Ueprige wird sich dann schon finden!«

»Es ist nichts Großes, was wir uns jetzt von Euch wünschen. Wir wollen nur den Klosterbruder einmal sehen und sprechen, welcher nach Garlosen geschafft werden soll.«

»Das ist nicht schwer; Ihr dürft Euch nur hinaufpegepen zu den Wenden; die werden wohl Nichts dagegen hapen, daß Ihr den Mann einmal in Augenschein nehmt.«

»Nein, so nicht; es soll Niemand wissen, daß wir mit ihm sprechen.«

»Ach so,« meinte er nachdenklich. »Das ist etwas Anderes. Aber wie soll das angestellt werden?«

»Wer wird ihn heut Abend nach Garlosen geleiten?«

»Wäre es ein gewöhnlicher Gefangener, so würde ich ihn fortzuschaffen hapen: hier aper muß Etwas dahinter stecken, was mir noch nicht pekannt geworden ist. Darum denke ich, daß Herr Claus ihn den peiden Wenden üpergepen wird.«

»Jedoch seine Bewachung auf Garlosen wirst Du trotzdem zu besorgen haben?«

»Das will ich wohl meinen! Und wenn Ihr pis dahin warten wollt, so werde ich Euch gern in seine Zelle führen, wo Ihr mit ihm sprechen könnt, so viel es Euch peliept.«

»Bis dahin kann gar Manches passiren, was man nicht vorhersehen kann. Ist es denn nicht möglich zu machen, daß die Wenden an dem Geleite verhindert werden?«

»Hm!« machte Liebenow, indem er sich die Stirne rieb. »Da müßt Ihr Euch selper Etwas aussinnen; ich will lieper drei Riesen oder ein halpes Dutzend Löpen todtschlagen, als meine zwei armen Gedanken in eine so große Verlegenheit pringen! Pruder Schwalpe, weißt Du es nicht, was hier zu machen ist? Du pist doch sonst nicht auf den Kopf gefallen und weißt in solchen Sachen immer guten Pescheid!«

»Ja, dat is wahr; wenn Du nich mehr fortkönnen thust, so muß allemal ich herhalten wollen. Aber wat ich mich bei diese Sache denken thue, dat is Folgendes: Heut is eene große Feierlichkeit von wegen dem Geburtstage des Herrn Claus; da thut man nich blos essen, sondern da thut man ganz besonders auch gehörig trinken. Bei dieser Gelegenheit werden die Wenden herunter in die Mannenstube kommen mögen, und wenn sie dat Ihrige genossen haben, so thun wir sie wilde machen und fangen eene Prügelei an. Dat Uebrige is nachher Deine Sache, Caspar; denn wo Du hinhauen thust, da braucht een Anderer niemals nich nachhelfen zu können.«

»Mordelement, Gott straf mich, wenn ich fluche, aper, Pruder Schwalpe, wenn sonst Niemand helfen kann, Du weißt doch immer den pesten Rath. Ja, das wird gehen. Mohrenplitz« – hierbei streckte er seine gewaltigen Fäuste nach vorn und besah sie sich mit liebevollen Augen – »diese peiden Hände hapen seit langer Zeit nichts Rechtes mehr zu thun gehapt. Ich werde den Wenden einmal zeigen, was ein Hiep von dem Wachtmeister Caspar Liepenow zu bedeuten hat!«

»Nein, so nicht,« warnte Cuno, welcher bisher geschwiegen hatte. »Durch ein solches Verhalten könnten wir uns die Sache nur verderben. Wenn Herr Claus das Geleite einmal Niemandem weiter, als den Wenden, anvertrauen will, so wird er auch dabei verharren und den Mönch so lange auf Stavenow behalten, bis sie sich von den Schlägen wieder erholt hätten. Es wird wohl das Beste sein, zu warten, bis wir einmal nach Garlosen kommen.«

»Ich muß Dir beistimmen,« antwortete der Bruder, »obgleich ich eine eigenthümliche Ahnung in mir trage, welche mir keine Ruhe läßt. Es ist mir, als risse mich eine geheimnißvolle, innere Macht hin zu dem Mönche, und als dürfe ich keine Zeit versäumen, mit ihm zu sprechen. Und dabei fühle ich doch, daß ich nichts Gutes von ihm zu erwarten habe, sondern daß die Begegnung mit ihm uns Etwas bringen werde, was uns zum Unsegen gereichen mag. Durch Dreinschlagen ist hier allerdings Nichts zu erlangen, und darum wollen wir lieber warten. Trotzdem aber können wir immer die Augen offen halten, ob sich nicht vielleicht eine unvermuthete Gelegenheit findet, zum Ziele zu gelangen.«

 

Damit war die Unterredung beendet. Schwalbe und Liebenow entfernten sich und die beiden Brüder befanden sich wieder allein. Die Worte Dietzens hatten auf den sonst weniger nachdenklichen Cuno doch einen sichtbaren Eindruck hervorgebracht, und es war, als ob auch in ihm Ahnungen und Gedanken aufstiegen, durch welche er ernst und zur Schweigsamkeit gestimmt wurde. Es giebt ja im Leben Augenblicke, die auch ohne äußere Begebenheiten inhaltsschwer für den Menschen sind und sein Herz mit dunklen Bildern beleben, welche ihm die Zukunft als wirkliche, dem Leben angehörende Gestalten später hell und klar auch vor das körperliche Auge stellt.

So saßen sie längere Zeit bei einander, in tiefes Sinnen versunken, aus welchem sie erst durch die Nachricht geweckt wurden, daß Herr Claus sie zu sprechen wünsche.

Als sie sein Gemach betraten, fanden sie ihn allein. Der dicke Herr hatte es sich bequem gemacht und alle nur einigermaßen entbehrlichen Kleidungsstücke von sich gelegt. So saß er in einem hochgepolsterten Lehnsessel am flackernden Kaminfeuer und ließ die kleinen, listigen Aeuglein neugierig über die jungen Vettern gleiten.

»Hrrr! Hm!« empfing er sie, indem er die fetten Hände sorgfältig um den wohlgerathenen Vorderleib legte. »Da sind wir nun auf Stavenow und wollen zunächst einmal sehen, was Euch zu dem Ritter geführt hat, der sich schon längst von Euch vornehmen Leuten ganz vergessen glaubte.«

»Vergessen seid Ihr uns nie gewesen,« antwortete Dietz, indem er mit dem Bruder neben Herrn Claus Platz nahm; »vielmehr haben wir Eurer immer in Liebe und Freundschaft gedacht, obgleich die Zeitläufte uns nicht erlaubten, Euch einmal heimzusuchen. Ihr wißt doch, daß unser Vater sogar auf Eure Hilfe gegen den Markgrafen rechnete und Euch deshalb zu mehreren Malen zu einer Besprechung einlud. Selbst zu Euch zu kommen, war ihm unmöglich; einen Boten zu Euch zu senden, um durch denselben die nothwendigsten kriegerischen Verhandlungen abzuschließen, dazu war die Sache zu wichtig, und da Ihr auch nicht selbst kamet, so glaubten wir mehr als Ihr Ursache zu haben, uns von Euch vergessen zu meinen.«

»Hrrr! Hm! Ja!« machte Herr Claus, indem es finster über sein rundes und sonst so helles Gesicht zog. »Ihr wißt es jedenfalls nicht, was zwischen mir und Eurem stolzen Herrn Vater gelegen hat, so daß ich es darauf ankommen ließ, ihn bei mir auf Stavenow zu sehen. Habt Ihr jemals Etwas von dem »schwarzen Dietrich« gehört?«

»Warum sollen wir nicht! Mutter hat uns immer mit ihm gedroht, wenn wir als Knaben einer Einschüchterung bedurften. Warum fragt Ihr nach ihm?«

»Weil er der Grund zu einer Entzweiung ist, die zwischen mir und Herrn Dietrich von Quitzow stattgefunden hat.«

Sowohl bei seiner vorhergehenden Frage, als auch bei der jetzt erfolgenden Antwort hatte er den Namen Dietrich mit einer gewissen Betonung ausgesprochen, welche die Jünglinge hätte aufmerksam machen müssen, wenn sie auch nur die leiseste Ahnung von der Identität des gefürchteten Räubers gehabt hätten. Aber der scharfe Blick, mit welchem er sie dabei in das Auge nahm, entdeckte nicht die Veränderung in ihren Zügen, vielmehr meinte Cuno erstaunt:

»Ihr seid mit dem Vater entzweit gewesen? Davon haben wir nicht ein Wörtlein vernommen! Und wie konnte ein solcher Mensch, wie der schwarze Dietrich, der Grund dazu sein?«

»Hrrr! Hm! Wenn Ihr noch Nichts darüber erfahren habt, so hatte Herr Dietrich wohl seine gewichtigen Gründe, es zu verschweigen, und ich würde also gegen seinen Willen handeln, wenn ich seinem Beispiele nicht folgte. Aber Ihr dürft mir wohl glauben, daß ich dem Markgrafen nicht gar wohlgesinnet bin. Ich hätte also gern nach besten Kräften zu Eurem Vater gestanden, wenn er in der rechten Weise zu mir gekommen wäre, und die Ritter und Mannen, welche ich ihm zuführen konnte, wären gar wohl geeignet gewesen, ihm eine gute Hülfe zu leisten. Doch, das ist nun vorüber. Wißt Ihr vielleicht, wo er sich hingewandt hat?«

»Wir meinen, daß er zu den Herzögen von Pommern gegangen sein wird, um die Hülfe derselben in Anspruch zu nehmen.«

»Hrrr! Hm! So! Und wo befindet sich Frau Elisabeth, Eure Mutter?«

»Sie ist von Schloß Teupitz, auf welchem wir eine erste Zufluchtsstätte fanden, mit uns zu dem Großvater und Oheim nach Burg Seida gezogen. Von dorther kommen wir zu Euch, Vetter. Wir haben nur ungern die trauernde Mutter verlassen; aber sie selbst schickte uns fort, weil sie meinte, daß die Einsamkeit auf Seida nicht vortheilhaft für uns sei, die wir uns doch in allen ritterlichen Künsten üben und ausbilden sollen. Sie glaubte, daß uns dazu bei Euch die beste Gelegenheit geboten werde und hat uns befohlen, Euch Ihren freundlichen Gruß zu bringen.«

»Hrrr! Hm! Die Zeiten sind schlecht, und gar mancher wackere Rittersmann muß sich jetzt auf seiner Burg verstecken, wie der Dachs im Baue, wenn er nicht den Pelz verlieren will. Trotzdem aber könntet Ihr wohl noch Manches bei mir erfahren und lernen. Es giebt einen guten Trunk auf Garlosen und Stavenow, und selten vergeht eine Woche, die uns nicht einen Strauß oder sonst ein fröhliches Abenteuer bringt. Es ziehen immer Vögel mit guten Federn vorüber, welche gerupft werden müssen, und da könnt Ihr recht gut zeigen, wie Ihr mit dem Schwerte umzugehen versteht.«

Dietz schüttelte nachdenklich mit dem Kopfe, und über das jugendlich frische Gesicht Cuno’s zog eine brennende Röthe.

»Verzeiht, Vetter!« bemerkte der Erstere etwas verlegen, aber doch mit sicherer Stimme. »Zu solchen Dingen werden wir unser Schwert Niemandem leihen. Es ist Ritterpflicht, dem Bedrängten beizustehen und Recht und Gerechtigkeit zu üben gegen Jedermann; nicht aber ziemt es uns, die Wehrlosen zu überfallen und den Reisenden seiner wohlerworbenen Habe zu berauben. In jeder guten und gerechten Sache wollen wir lustig mit dreinschlagen, und Ihr sollt Eure Freude an uns erleben, denn der Vater hat dafür gesorgt, daß wir uns seiner Lehre nicht zu schämen brauchen. Unter die Zahl der Strauchritter und Wegelagerer aber wollen wir uns niemals rechnen lassen; das ist unser festes und unerschütterliches Sinnen!«

Bei diesen Worten hatte sich Claus von Quitzow halb in seinem Sessel erhoben. Sein Mund öffnete sich vor Erstaunen und seine kleinen Aeuglein begannen zu funkeln.

»Hrrr! Hm! Das sagst Du mir!« rief er. »Einen Strauchritter und Wegelagerer nennst Du mich? Du wagst es, mich, Deinen eigenen Vetter, also zu beschimpfen? Wärst Du nicht ein dummer Knabe und befändest Du Dich nicht als Gast in meinem Hause, so würde dieses Wort das letzte sein, welches Du sprichst! Ich könnte Dir Dinge sagen, die Dich auf der Stelle verstummen machten, aber ich mag mir die Mühe gar nicht geben, Deine Naseweisheit klüger zu machen. Du sollst trotz Deiner beleidigenden Rede unangefochten bleiben; aber erlaube Dir nicht ferner Bemerkungen, die Dich in Schaden bringen könnten!«

»Halt, Vetter,« fiel Dietz hier in die Strafrede ein; »es ist mit nichten meine Absicht gewesen, Euch zu beleidigen oder gar Euch über das zur Rede zu stellen, was Ihr zu thun für gut befindet. Wie könnte ich es wagen, Euch über Euer Thun und Treiben Belehrung ertheilen zu wollen, da ich doch selbst gar sehr der Zurechtsetzung bedarf; wenn ich bei Euch bleiben soll, so könnt Ihr verlangen, daß ich Euch meine Gedanken und Gefühle nicht vorenthalte, sondern über dieselben aufrichtig mit Euch rede. Nur wenn ich so thue, ist es möglich, daß ich von Euch lerne und wir in Liebe und Freundschaft bei einander wohnen.«

»Hrrr! Hm! Du magst da nicht ganz unrecht haben, und wer weiß, von wem Dir so ein Floh in das Ohr gesetzt worden ist. Ich bin ein wenig schnellhitzig; aber Du wirst auch nicht leicht einen Andern finden, der zu solchen Reden schweigen mag. Du scheinst nicht auf den Kopf gefallen zu sein und wirst einsehen und wissen, daß der Mensch leben muß. Und wir Ritter sind doch eigentlich die richtigen und einzigen Menschen. Man nimmt uns in diesen schlechten Zeiten Alles, was wir besessen haben; man raubt uns unsere alten Rechte und Zukömmnisse; sollen wir etwa unsere Ringmauern verspeisen und unsere Rüstungen als Zugabe hinunterschlucken? Wenn die Fürsten und Herren uns das Unsrige nehmen, so sind wir gezwungen, dem Volke das Seinige zu nehmen, wenn wir nicht verhungern oder gar verdursten wollen, und Durst, ja Durst, hrrr! hm! den hat ein wackerer Rittersmann ja zu aller Zeit. Der Markgraf hat Euch Eure Schlösser und Burgen genommen. Was sollt Ihr nun thun? Wollt Ihr ihm etwa vor die Füße fallen, daß er Euch ein Stückchen trockenes Brod gebe? Eine solche Schande wird kein Quitzow auf sich laden! Oder wollt Ihr bei Eurer Frau Mutter bleiben und für immer von der Güte des Großvaters leben? Dann hättet Ihr alle Ehre verloren und müßtet Euch schamvoll vor jedermann verkriechen. Oder wollt Ihr in ein Kloster gehen und den Rosenkranz fingern und die Augen verdrehen? Dann würde Euch eine Glatze geschoren und der Herrgott müßte den Kopf zu Eurer Faulheit schütteln. Nein, das Alles und noch vieles Andere mögt Ihr nicht thun, und darum seid Ihr zu mir gekommen, um Euer Band mit Ehren zu verdienen, indem Ihr mit dem Schwerte dreinschlagt in all’ das große und kleine Gesindel, welches sich im Lande herumtreibt und von dem lebt, was uns genommen worden ist. Und nun ich Euch bei mir willkommen heiße, kommt Ihr mir mit Vorstellungen, daß der Ritter Unrecht thue, wenn er sich ein Fäßlein Weines oder eine Ladung Roggen von der Straße wegnimmt, weil er sonst trotz seiner Tapferkeit und seiner Ahnen elendiglich verhungern müßte? Bleibt mir vom Leibe mit solch’ unnützem Gewäsches laßt es Euch vielmehr bei mir gefallen und greift wacker mit zu, wenn es Etwas zu holen giebt. Nur auf diese Weise bleiben wir bei den nöthigen Kräften, um Euren Markgrafen wieder dahin zu jagen, wo er hergekommen ist!«

Der ehrsame Herr hatte sich so in Eifer geredet, daß er gar nicht bemerkt hatte, daß ihm der Athem schon längst ausgegangen war. Während seiner ganzen Lebenszeit hatte er noch keine so lange Rede gehalten, und nun er glücklich mit ihr zu Ende gekommen war, sank er erschöpft in seinen Sessel zurück, legte den Kopf hintenüber und schloß die Augen. Das wohlgepflegte Bäuchlein hob und senkte sich, in Mitleidenschaft gezogen von den kräftigen Zügen, mit denen die angestrengte Lunge nach Odem schnappte, und es dauerte eine sehr lange Zeit, ehe sich die kleinen Augen wieder öffneten, um zu sehen, welchen Eindruck die Rede auf die beiden Jünglinge hervorgebracht hatte.

Diese hatten schweigend dagesessen. Sie mußten sich gestehen, daß in den Worten des Vetters ein Etwas enthalten sei, welches zu widerlegen sie die nöthige Erfahrung und Reife noch nicht besaßen. Doch versuchte Dietz sein Glück mit einer Bemerkung, welche seiner innersten Ueberzeugung entsprang:

»Ich bin zu jung, um mit Euch rechten zu können, Vetter; doch nehmt es mir nicht übel, wenn ich Euch frage, ob es gut zu heißen ist, daß wir Andern Unrecht thun, weil auch uns Unrecht gethan worden ist!«

»Unrecht thun? Hrrr! Hm! Wem thun wir denn Unrecht? Der Kaiser nimmt seinen Schoß, der Pfaffe holt sich seinen Zehnten, und wir? Nun, wir holen uns auch den Zoll, der uns gebührt. Und dieser Zoll ist kein Unrecht, denn er ist gesetzlich.«

»Gesetzlich? Davon hat uns noch Niemand Etwas mitgetheilt!«

»Hrrr! Hm! Das glaube ich wohl!« lachte Claus. »Der Kaiser macht sich seine Gesetze; der Pfaffe macht sich seine Gesetze; so machen wir uns unsere Gesetze auch. Wir nehmen, was wir bekommen, und thun damit, was uns beliebt; denn der Kaiser darf zum Beispiel auch die Marken nehmen und verschenken, verleihen oder verkaufen ganz nach Gutdünken und Wohlgefallen. Sie sind immer aus einer Hand in die andere gegangen; die Ritterschaft hat gar Vieles darunter leiden müssen, und nun Euch gar noch dieser Burggraf von Zollern über den Hals geschickt worden ist, könnt Ihr Ach und Weh schreien in alle Ewigkeit, wenn es Euch nicht gelingt, das Joch, welches er auf Euch gelegt hat, wieder abzuschütteln.«

»Das wird uns wohl nimmermehr gerathen. Wir haben seine Macht gesehen und schwer empfinden müssen, und auf unserer Wanderung ist uns gar mancher verständige Mann begegnet, welcher von ihm gesprochen hat, als von einem Herrn, der nur das Rechte und Gute wolle und dieses auch kräftig durchzuführen verstehe. Ich glaube, wir hätten nicht so starr sein und ihm bei seinem löblichen Bestreben mit unserer Hülfe dienen sollen, statt daß wir uns gegen ihn auflehnten und nun dafür so arg zu Schaden gekommen sind!«

Claus sah ihn fast erschrocken an, denn eine solche Meinung hatte er bei einem Quitzow nicht erwartet.

 

»Was sagst Du da?« frug er. »Hrrr! Hm! Ich erlebe immer neue Wunder an Dir! Du sprichst dem Manne das Wort, dessen grimmigster Feind Du sein solltest?«

»Kann ich mich zwingen, ihn zu hassen? Ich habe früher auch so gedacht wie Ihr; aber das Unglück hat mich unterwiesen, den Sinn auf Besseres zu richten. Die Armuth ist ein arges Uebel, und ich weiß nun, wie es dem Volke zu Muthe sein muß, wenn es den Angriffen der Ritter preisgegeben wird und den Lohn seiner sauren Arbeit mit Gewalt sich entreißen sieht. Wo Mord und Raub im Lande herrschen, da muß einmal ein Mann kommen, der sich des Schutzlosen kräftig annimmt.«

»Mord und Raub? Hrrr! Hm! Knabe, wahre Dich, daß mir der Zorn nicht wiederkehrt! Erst nanntest Du uns Strauchritter und Wegelagerer, und jetzt machst Du uns gar zu Räubern und Mördern. Wer, wie Ihr, selbst solch Werg am Rocken hat, der sollte doch wohl anders sprechen!«

»Das ist eine Unwahrheit, Vetter,« entgegnete Dietz, seine jugendliche Unüberlegtheit gar nicht bemerkend. »Wer da sagt, daß auch wir dergleichen thun, dem schlage ich die Lüge aus dem Gesichte. Unser Name ist berühmt im weiten Kreise, und niemals hat einer der Unsrigen so gehandelt, wie es auf Garlosen geschieht, nach dem, was wir in den letzten Tagen darüber gehört haben. Garlosen ist ein Raubnest, und es thut uns leid, daß auch Ihr dort verkehrt.«

»Hrrrrrrrr! Hmmmm!« schnaubte jetzt Herr Claus, indem er sich mit möglichster Schnelligkeit von dem Sessel erhob. »Jetzt ist meine Geduld alle, denn ich sehe, daß Du ein ebenso hitziger und rücksichtsloser Kopf bist wie Dein Vater. Keiner von den Eurigen hätte das gethan, was wir auf Garlosen thun, sagst Du? Weißt Du denn, daß es keinen größeren Räuber und Mörder, keinen schlimmeren Dieb und Buschklepper gegeben hat, als grad Euren berühmten Vater?«

Er stand mit vor Zorn geballten Fäusten vor den Jünglingen. Das heißgewordene Blut überzog sein Gesicht mit einer dunklen Röthe, und in seinen erregten Zügen sprach sich ein Haß aus, der lange in seinem Herzen verborgen gewesen sein mußte, um das sonst helle und immer lächelnde Gesicht auf solche Weise zu entstellen. Dietz konnte anfänglich gar nicht glauben, daß die Worte, die er gehört hatte, wirklich gesprochen worden seien; als er aber sich überzeugen mußte, daß er sich nicht getäuscht habe, rief er im heiligen Eifer der Kindesliebe:

»Wagt es nicht, das noch einmal zu behaupten, Vetter! Ihr nennt mich einen Knaben, und es mag sein, daß ich nicht vorsichtig gesprochen habe; aber wenn Ihr die Ehre meines Vaters antastet, so steht der Knabe als Mann vor Euch und wird Rechenschaft fordern über jedes einzelne Eurer Worte. Ihr seid ein wackerer Kämpe und versteht, mit dem Schwerte umzugehen, das wissen wir; doch habe auch ich nie gelernt, mich zu fürchten, und bedeute Euch also, Eure Rede zurückzunehmen!«

»Zurücknehmen? Hrrr! Hm! Was fällt Dir ein? Du wirst mich nicht der Lüge zeihen: der »schwarze Dietrich« ist kein Anderer gewesen, als Dein Herr Vater, welcher schnöden Gewinnes wegen das ruchlose Gesindel gegen seine Nächsten losgelassen hat. Widerlege es mir, wenn Du kannst!«

Cuno hatte bisher nur wenig Theil an dem Gespräche genommen; bei der letzten Behauptung aber sprang er mit erhobener Faust auf denselben zu. Es war ihm noch nicht möglich gewesen, die Ansichten des Bruders in allen Stücken theilen zu können; aber was jetzt von seinem Vater gesagt wurde, das war zu entsetzlich, zu fürchterlich, als daß in ihm nicht der helle Grimm darüber hätte auflodern sollen.

»Elender Verleumder!« rief er empört, »ich schlage Dich nieder, obgleich ich nur ein schwacher Bube bin!«

»Halt, Cuno!« wehrte Dietz ihn ab, indem er den zum Schlage bereiten Arm ergriff. »Er ist unser Vetter und nicht werth, daß ihn Deine Hand berührt. Komm, laß uns gehen! Stavenow mit seinem Ungeziefer ist kein Ort für ehrliche Leute!«

»Ungeziefer? Hrrr! Hm! Ich brauchte nur ein Wort zu sagen, um Euch zu verderben; aber ich habe Mitleid mit Euch und will Euch nicht entgelten lassen, was Euer Vater an mir verschuldet hat. Wartet nur einen Augenblick, so sollt Ihr sehen, ob ich die Wahrheit rede oder nicht!«

Er öffnete die Thür und rief mit schallender Stimme

den Namen Wratislaw den Corridor hinunter. Nach wenigen Minuten erschien der Wende, demüthig fragend, was der Ritter von ihm begehre.

»Hrrr! Hm! Diese beiden Leute wollen wissen, wer der »schwarze Dietrich« gewesen ist. Ich befehle Dir, nichts als die lautere Wahrheit zu sagen!«

Das häßliche Gesicht des Mannes verzog sich zu einem widerlichen Grinsen, als er, das heimtückische Auge schadenfroh auf die Brüder werfend, die Antwort gab:

»Wenn Ihr es befehlt, Herr, so muß ich gehorsam sein, obgleich es sonst niemals über meine Lippen gekommen wäre. Der Ritter Dietrich von Quitzow war unser Hauptmann, als wir in der Wendenburg unser Lager hatten. Es waren nur Wenige, die es wußten, und zu diesen gehörte auch ich.«

»Gut, ein Mehreres ist nicht nothwendig, und Du kannst wieder gehen!«

Wratislaw verließ das Gemach, und Claus kehrte zu seinem Sessel zurück. Die Jünglinge blickten sich einander stumm in die Augen; es kam ihnen vor, als ob sie träumten und als ob irgend Etwas geschehen müsse, sie aus diesem Traume aufzuwecken. Zwar hatte die Aussage des Wenden keineswegs eine unumstößliche Giltigkeit für sie; aber es war doch wohl unmöglich, daß die Sache so ganz und gar aus der Luft gegriffen sein konnte, und die Ueberzeugung, mit welcher Claus gesprochen und gehandelt hatte, war gar wohl geeignet, Ihre Meinung zu erschüttern.

»Hrrr! Hm! Was sagt Ihr nun? Der Wratislaw könnte Euch viel erzählen von dem »schwarzen Dietrich«. Er ist oft zwischen dem Räuberlager und Plaue oder Friesack hin— und hergelaufen, um die Befehle des Herrn Dietrich von Quitzow zu holen oder auszuführen. Und wenn Ihr ihm keinen Glauben schenken wollt, so will ich Euch nur noch sagen, daß ich einst so unvorsichtig gewesen bin, mich von Eurem Vater zur Theilnahme verlocken zu lassen. Es standen mehrere Banden unter seiner Leitung, und ich ließ mich von ihm bewegen, eine derselben zu befehligen. Ich habe ihm geholfen, schwere Dinge auszuführen und bösen Undank von ihm dafür gehabt. Am Ende mußte ich noch froh sein, ohne Schaden für meinen ritterlichen Ruf zurücktreten zu können, der selbst jetzt noch sehr gefährdet ist. So haben sich die zwei Schlimmsten von den Leuten des »schwarzen Dietrich«, nämlich Wratislaw und Gieljuschken, nach dem Untergange der Bande zu mir gemacht, und ich muß sie nun bei mir dulden, weil sie sonst aus Rache meine Theilnahme an den räuberischen Thaten Eures Vaters verrathen würden. Und diese beiden Männer haben erst heut einen verkleideten Gegner von mir und Herrn Dietrich aufgegriffen, welcher die Absicht hatte, ein großes Unglück über uns zu bringen. Hrrr! Hm! Das ist Alles, was ich Euch sagen kann, denn mehr würde Euch nicht dienlich sein. Und nun nennt mich wieder einen Strauchdieb und Buschklepper, wenn Ihr den Muth und das Recht dazu habt!«

Das war zu viel für die Brüder. Es war ihnen zu Muthe, als habe jemand ihnen das Allerheiligste ihres innern Lebens entweiht und zertreten; wie zerschmettert standen sie vor dem Vetter und sannen vergebens auf Worte, ihren Gefühlen den richtigen Ausdruck zu geben. Endlich brachte Dietz mühsam hervor:

»Verzeiht, Herr Claus, wenn ich Euch zu viel gethan habe, und erlaubt uns, Euch jetzt zu verlassen! Was Ihr uns mitgetheilt habt, ist zu schwer, als daß wir es sogleich fassen und tragen könnten, und wir müssen zuerst das Gräßliche zu überwinden suchen, ehe wir Euch eine feste und richtige Antwort geben können.«