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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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Während er, nun befreit von augenblicklichen Sorgen, seinen Weg weiter verfolgte, wandte er zum Oefteren das Auge zurück, um auszuschauen, ob die Erwarteten noch nicht zu bemerken seien. Endlich erblickte er sie und nahm sich vor, sich ihnen auf jeden Fall anzuschließen, vor der Hand aber den Schein zu vermeiden, als ob er ihre Nähe wünsche.

Darum griff er jetzt mit großen Schritten weit aus, um sich nicht so bald von ihnen einholen zu lassen, und vermied es auch, sich nach ihnen umzudrehen. So verging eine Viertelstunde nach der anderen; er erkannte, daß sie schon längst an ihm vorüber hätten sein müssen, und blieb stehen, um sich über die Ursache ihres Zurückbleibens aufzuklären. Er sah sie nicht mehr. Besorgt um sie, wartete er eine geraume Zeit und faßte schon den Entschluß, zurückzukehren, als er sie endlich in weiter Entfernung erblickte.

Sie kamen jetzt nur sehr langsam vorwärts, ohne daß er die Ursache davon zu erkennen vermochte. Jetzt mäßigte auch er seine Eile und vernahm nun bald an dem Getrappel der Pferde, daß sie dicht hinter ihm seien. Er blieb stehen, wandte sich nach ihnen zurück und griff grüßend an das Barett.

»Ihr seid besser zu Fuße als unsere Thiere,« rief ihm das Mädchen zu, noch ehe er zu einem Worte gekommen war. »Wenn Ihr ein wenig langsamer geht, so möchten wir uns wohl Eurer Gesellschaft freuen!«

»Wenn Ihr es begehrt, so soll mir dieser Wunsch willkommen sein!«

Märten Stelzer gab durch ein freundlich gnädiges Kopfnicken zu erkennen, daß der Wille des Fräuleins auch der seinige sei, und forderte, damit jeder Zweifel darüber unmöglich werde, ihn auf:

»Ja, mein liebwerthes Jungherrlein, nehmt hier an unserer Seite Platz; zu Dreien ist die Gesellschaft größer als zu Zweien, und wenn Ihr die Beine nicht gar zu weit auseinander setzet, so werden wir wohl beisammen bleiben.«

»Was ist denn mit Euren Thieren geschehen?« frug der Jüngling, welcher bemerkte, daß beide Pferde lahmten. »Ich habe doch vor dem Kruge keinen Schaden an ihnen gesehen!«

»Sie haben uns,« antwortete das Mädchen, »auch bis dahin gar wohl und munter getragen; aber vor kurzer Zeit begannen sie, lahm zu gehen, obgleich wir nicht wissen, welch’ einen Grund dies haben mag. Führt Euch Euer Weg noch weit?«

»Der freie Schüler hat kein Ziel; ihm gehören alle Wege und Straßen, und er legt sich da zur Ruhe, wo er eine gastliche Aufnahme findet. Aber ich gedenke, noch vor Abend in Ziesar zu sein.«

»Das ist auch unser Wille. Mich verlangt, den Bischof, meinen Ohm, zu sehen, welcher dort auf seinem Schlosse wohnt. Ist es Euch recht, so bleiben wir zusammen!«

»Wohl soll mir dies recht und willkommen sein,« antwortete er, indem eine freudige Ueberraschung über sein Gesicht erglänzte. »Also der hochwürdige fromme Herr ist Euer Oheim? Das ist ein gar strenger und tapferer Herr, der das Schwert ebenso gut zu führen versteht, wie den Krummstab. Habe ich doch vernommen, daß es ihm sogar gelungen ist, den Caspar Gans von Putlitz in seine Gewalt zu bekommen, und der ist doch einer der Stärksten und Mächtigsten im Lande.«

»Ja, mein liebes, theures Jungherrlein, das ist ihm allerdings gelungen, und Gott sei Lob und Dank dafür. Es ist ein gar großer Segen für die Marken, daß jetzt solche Hände das Scepter ergriffen haben, welche es verstehen, das schädliche Ungeziefer auszurotten.«

»So nennt Ihr den Gans von Putlitz Ungeziefer?« fragte der Schüler, indem ein undefinirbares Lächeln über sein Gesicht glitt.

»Freilich! Die Quitzows, der Putlitz, der Rochow, der Holzendorf, der Maltitz und die ganze Sippe, die zu ihnen gehört, das ist das richtige Ungeziefer, welches man bis auf den letzten Floh ausrotten muß. Das ist meine Meinung, mein werthes, edles Jungherrlein.«

»Was haben sie Euch gethan?«

»Mir? Gar nichts; aber ich mag ihre Namen nicht leiden.«

»Wie heißt Euer Name?« frug hier das Mädchen.

»Joachim; und der Eure?«

»Marie. Ich bin nach der heiligen Mutter Gottes genannt worden, damit ich ein sanftes, frommes Mädchen werden möge, und es hat geholfen, nicht wahr, Märten?«

Der Gefragte zog das Gesicht in die verlegenste Miene, die es geben konnte, und erwiderte:

»Ja, mein werthes, liebes Jungfräulein, in diesem Dinge ist mir mein alter Kopf fast gänzlich irre geworden. Oft seid Ihr so fromm und sanft, daß ich Euch gern schon jetzt zu den Heiligen rechnen möchte, und oft – oft – oft – —«

»Nun,« lachte sie fröhlich, »was ist nun wieder – oft?«

»Oft seid Ihr grad’ so, wie – wie – —«

»Wie ein Wildwasser,« fiel sie ihm in das Wort, »dem man vorsichtig aus dem Wege gehen muß. Doch, laß das gut sein, Märten; es ist ja nicht so bös gemeint! Aber was habt Ihr?« wandte sie sich zu Joachim, welcher um einige Schritte zurückgeblieben war und den Gang der Pferde aufmerksam beobachtete.

»Nicht wahr, die Pferde sind erst ohne Fehl gegangen?«

»Ja.«

»Und erst von dem Kruge ab haben sie gelahmt?«

»So ist es.«

»Alle beide zugleich?«

»Alle beide.«

»Das scheint mir kein Zufall zu sein. Habt Ihr nicht nachgesehen, woran es liegt?«

»Freilich habe ich nachgesehen, mein liebes Junkerlein; aber es ist nicht das Mindeste zu bemerken.«

»Habt Ihr schon von dem fremden Volke gehört, welches aus Egypten oder Indien zu uns gekommen ist und allerlei geheimes Wesen treibt?«

»Ihr meint die Zigeuner?«

»Ja. Wißt Ihr, wie diese es machen, wenn sie ein Pferd lähmen wollen?«

»Nein.«

»Sie stechen ihm eine Nadel in den Fuß. Wollt doch einmal halten, damit ich nachsehen kann!«

Die Aufforderung wurde befolgt; Joachim hob den Fuß des Schimmels empor und ließ ihn nach einigen Augenblicken wieder fallen.

»Hier habt Ihr die Nadel! Nun laßt uns weiter sehen!«

Auch bei dem anderen Thiere war die Nadel bald entdeckt. Marie sowohl als auch Märten Stelzer konnten sich nicht genug über den Scharfsinn des Jünglings wundern; dieser aber schnitt das ihm gespendete Lob durch die Frage ab:

»Wer hat das gethan, und welche Absicht hat er dabei gehabt?«

Das Erstere war gar nicht oder sehr schwierig zu beantworten, das Letztere aber ließ sich leichter denken.

»Was meint Ihr wohl,« frug das Mädchen, jetzt ängstlich werdend, »warum man die armen Thiere so hat quälen können?«

»Das sollt Ihr ganz genau erfahren! Zuvor aber sagt mir, ob Ihr in dem Kruge davon gesprochen habt, wer Ihr seid.«

»Ja, das habe ich gethan!«

»Gegen wen?«

»Es war ein Mann, den Ihr wohl auch gesehen habt. Er kam nach Euch in den Krug und folgte Euch nach kurzer Zeit.«

»Dann ist es ganz so, wie ich denke. Ihr wißt wohl, daß Golzow dem Ritter Wichart von Rochow gehört hat, welcher sich dem Herzog Rudolph zu Sachsen ergeben und nach Potsdam in die Haft gehen mußte. Da haben sich nun diejenigen von seinen Leuten, welche keinem anderen Herrn dienen wollen, in den Wald gemacht, um den Anhängern des Markgrafen und Eures Oheims Schaden zu bereiten. Da muß es ihnen hoch willkommen sein, daß eine Nichte des hochwürdigen Herrn so fast ganz allein und schutzlos ihnen in die Hände läuft, und um Euch das Entkommen ganz unmöglich zu machen, hat man Eure Pferde gelähmt. Der Mann, welchem Ihr Euch offenbart habt, schien in großer Eile zu sein; gewiß hat er die Seinen zusammengerufen und lauert nun an einem guten Orte, um Euch anzuhalten.«

»Glaubt Ihr wirklich, daß dieses so ist?«

»Ich halte es für ganz gewiß.«

»So laßt uns sofort umkehren, mein liebwerthes Jungfräulein,« rief Märten Stelzen hoch besorgt. »Ich denke zwar, daß ich einige von ihnen niederschlagen werde, und das Jungherrlein hier wird auch einen guten Hieb thun oder zwei, aber wenn es ihrer zu viele sind, so werden sie uns doch in das letzte Capitel hauen, und wenn man todt und erstochen am Boden liegt, so hat die Freude ein Ende.«

»Was sagt Ihr dazu?« frug sie den Jüngling.

»Ich meine, daß Euch die Umkehr wenig helfen wird, da sie Euch einholen würden, oder Ihr in andere schlimme Hände kommt. Reitet langsam weiter, damit sie denken, daß ihre List gelungen sei, und wenn sie hervorbrechen, so gebraucht Ihr die Sporen und macht, daß Ihr ihnen aus den Augen kommt.«

»Und was wird dann mit Euch?«

»Um mich dürft Ihr keine Sorge tragen; ich werde schon mit ihnen umzugehen wissen.«

»Mit Verlaub, mein werthes Junkerlein, da kommt Ihr dem alten Märten Stelzer noch lange nicht! Ihr seid ein liebes, junges Blut, und ich werde nimmermehr zugeben, daß Ihr Euch für uns in eine Gefahr begebt. Wenn sie Euch todtgeschlagen haben, so ist Euch nicht mehr zu helfen, und darum – – seht, da habt Ihr sie schon. Schlagt zu, mein edles Jungherrlein, und springt dann zu mir auf das Pferd!«

Der fahrende Schüler aber vernahm diese Worte nicht mehr, denn sobald die Angreifenden von der Seite hervorbrachen, riß er den Degen aus der Scheide und warf sich ihnen entgegen.

»Rasch davon!« rief er dem Mädchen zu. »Ich werde Euch die Bahn frei halten!«

Aber sie schien mit ihrem Thiere an den Boden gefesselt zu sein und seinen Ruf vollständig zu überhören. Sie sah nicht auf die Männer, welche sich an sie zu drängen suchten, sondern nur auf ihn, der sie muthig von ihr abhielt, und mit seinem Schwerte gegen sie arbeitete, als sei er ein alter, viel erprobter Recke, den es wenig kümmere, ob er ein Dutzend Gegner mehr oder minder vor sich habe. Auch Märten Stelzer hatte blank gezogen und zeigte, daß es ihm an Muth und Geschicklichkeit, seine junge Herrin zu vertheidigen, nicht mangele. Ein so kräftiger Widerstand war nicht erwartet worden, und zudem war es nur eine geringe Anzahl herrenloser Lanzknechte, die obendrein keine Pferde besaßen und nur den einen Berittenen unter sich zählten, welcher ihnen die Nachricht von den Nahenden gebracht hatte. Das Pferd desselben war gleich von dem ersten Hiebe Joachims so getroffen worden, daß es mit dem Reiter auf und davon rannte, und die Uebrigen fühlten sich den zornigen Schlägen Märtens und den gewandten Streichen des fahrenden Schülers auf die Dauer nicht gewachsen, so daß sie gar bald das Hasenpanier ergriffen und zwischen den Sträuchern verschwanden.

 

Märten Stelzer wischte seine Klinge an dem flockigen Felle seines Fuchses ab und wandte sich erstaunt zu Joachim:

»Hört einmal, mein werthes, junges Herrlein, Ihr führt ja eine Klinge, vor welcher der beste Rittersmann Respect haben muß! Ich habe mich gar viel in der Welt herumgeschlagen, aber es sind mir dabei Wenige begegnet, welche die edle Kunst der Waffen in der Weise ausgeübt haben, wie Ihr. Ihr müßt in eine feine Schule gegangen sein, da Ihr als ein so junges Blut so meisterhafte Streiche zu führen versteht!«

Auch Marie wollte in ein belobendes Wort ausbrechen, aber ihre Anerkennung verwandelte sich in einen Ausruf der Angst und Sorge, als sie den Jüngling bluten sah.

»Um Gott, Ihr seid ja doch verwundet!« rief sie. »Zeigt her, ob es gefährlich ist.«

»Laßt Euch diese kleine Schramme nicht anfechten,« antwortete er. »Es ist ein Schnitt in den Arm, der kaum durch die Haut gegangen ist; er wird mir nicht viel Schmerz und Störung bereiten.«

»So seid Ihr jungen Leute, mein werthes Herrlein! Immer ohne Gram und Sorge! Und doch wie bald kann aus solch einem Risse in der Haut eine Wunde werden, aus der das Leben von dannen geht. Kommt, laßt Euch verbinden!«

»Ja, zeigt her,« rief Marie; »wir müssen die Blutung stillen und hier mein Tüchlein darum binden!«

»Laßt dies jetzt noch warten, bis wir diesen Ort hinter uns haben, wo es für uns nicht geheuer ist! Wer bürgt uns dafür, daß wir nicht wieder und zwar von einer größeren Zahl angerannt werden! Es kann nicht mehr gar

weit nach Wollin sein, wo ich mich dann Eurer Pflege ohne Gefahr und Schaden hingeben kann.«

Er wand sich das dargebotene Tuch um den Arm und schritt sodann rüstig vorwärts, ohne zu beachten, daß Märten Stelzer ihm sein Pferd anbot. In Wollin ließ er sich dann kunstgerecht verbinden, und nachher setzten sie ihren Weg über Glienicke nach Ziesar fort, wo sie ankamen, als der Abend hereinzudunkeln begann.

Nun erhob sich ein Wettstreit zwischen ihm und Marie, welche nicht zugeben wollte, daß er sich nach einer Herberge umsehe.

»Nein, das dürft Ihr nicht,« rief sie eifrig. »Ihr habt uns einen gar wichtigen Dienst geleistet, und mein Oheim wird hohe Freude haben, Euch bei sich zu sehen, um Euch mit mir danken zu können.«

»Weiß Euer Ohm, daß Ihr heut’ kommt, um ihm Euren Besuch zu machen?«

»Nein,« antwortete sie lachend. »Ich bin sein Wildwasser, und Ihr wißt, daß dieses fließt und rinnt ganz wie es ihm beliebt. Ich ritt heut’ mit meinem alten Märten in den Morgen hinein, um ein Wenig frische Luft zu trinken; da kam mir das Verlangen, nach Ziesar zu gehen, in den Sinn, und obgleich Märten sich große Mühe gab, mich von diesem gefährlichen und unvorsichtigen Vorhaben, wie er es nannte, abzuhalten, so hat er doch mitgemußt.«

»Und Eure Frau Mutter weiß also gar nicht, wo Ihr hingerathen seid?« frug er in mißbilligendem Tone.

»O, die ist es gewohnt, mich ruhig gewähren zu lassen, und überdies habe ich ihr einen Knecht gesandt, der ihr sagen sollte, wo ich hingehe. Wäre ich doch ein Bube! Ich schnallte mir das Schwert an die Seite, setzte mich auf mein Roß und ritt in die weite Welt hinein. Alle Drachen stäche ich todt, alle Riesen schlüge ich nieder; den Raubrittern verbrennte ich ihre Burgen, und alles schlechte und unnütze Gesindel würde ausgerottet. Ich werde nächst dem Oheim mit dem Hauptmann Hans von Röder sprechen und ihnen sagen, daß sie doch einmal all’ dem Unfuge und bösen Wesen ein Ende machen mögen!«

»Das mögt Ihr thun, und ich will ihnen gern und willig Glück zu diesem Vorhaben wünschen. Nur müssen sie sich hüten, den Unschuldigen zu treffen oder heilige und wohlverbriefte Rechte anzutasten. Nun aber lebt wohl. Grüßt mir den frommen und gestrengen Herrn Bischof und sagt ihm, daß es mir ein großes Glück bereitet habe, für einige wenige Stunden Euer Diener sein zu dürfen!«

»Das könntet Ihr wohl länger oder immer sein, wenn Ihr nur wolltet,« antwortete sie, indem ihr Auge hell und mit kindlichem Wohlgefallen auf ihm ruhte. »Darum sollt Ihr mir nicht so schnell von hinnen gehen, sondern mich auf das Schloß geleiten, wo Ihr dem Ohm dann Euren Gruß selbst bringen könnt. Er ist ein gar strenger Herr, das ist wahr, aber er kann auch gar sanft und milde sein, wenn er Liebe und Gnade walten lassen darf.«

»Gern würde ich mich mit Euch zu ihm begeben, aber ich bin ein armer, geringer Schüler, der solcher hoher Herren nicht würdig ist, und da er nicht weiß, daß Ihr kommt, so würde es nicht höflich von mir sein, wenn ich ihm Störung bereiten wollte.«

»Diese bereitet Ihr ihm nicht, aber ich will Eure Gründe gelten lassen und Euch nicht verleiten, Etwas zu thun, was Ihr nicht für höflich haltet. Aber eine Bitte müßt Ihr mir erfüllen! Wollt Ihr?«

»Sagt mir welche! Wenn es mir möglich ist, so will ich es ja gern thun.«

»Geht nirgends anders hin, als in die Herberge zum »wackeren Rittersmann«, welche am Markte gelegen ist. Wenn ich dem Ohm von Euch erzähle, so wird er Euch bei sich sehen wollen, und dann weiß ich doch, wo Ihr zu finden seid.«

»Diesen Wunsch will ich Euch nicht abschlagen, und es soll mir nichts Besseres und Lieberes geschehen, als daß es mir vergönnt ist, Euch wieder zu sehen!«

Sie reichte ihm die kleine, zarte Hand vom Pferde herab; er wagte es, dieselbe an seine Lippen zu ziehen, und es ward ihm gar eigen und wunderlich zu Muthe, als er ihren sanften Druck fühlte und die holde Röthe bemerkte, welche dabei das liebliche Gesichtchen übergoß. Auch Märten Stelzer bot ihm mit vertraulichem Wohlwollen die Hand.

»Ich bin zwar nur ein geringer Knecht, mein liebes, werthes Jungherrlein,« meinte er, »und Ihr seid ein vielgelehrter und auch tapferer Jüngling, der es einst zu hohen Ehren bringen kann, aber Ihr müßt auch mir erlauben, Euch ein Lebewohl zu sagen, da Ihr uns aus so großer Gefahr errettet habt. Meinen alten, morschen Knochen wäre es nimmer möglich gewesen, den Strauchdieben allein Stand zu halten, vielmehr hätten sie mich ganz sicher niedergeschlagen und das Jungfräulein gefangen mit sich fortgeführt. Darum wollte ich, ich könnte Euch auch einmal einen Dienst erweisen. Geht nicht fort; ich werde Euch in der Herberge aufsuchen, um Euch zu sagen, wie der hochwürdige Herr unser Abenteuer aufgenommen hat.«

Jetzt trennten sie sich, und während Marie mit Märten den Weg zum Schlosse wählte, schritt Joachim nach der Herberge, die ihm bezeichnet worden war.

Es war die beste und besuchteste, welche sich damals in Ziesar befand, und daher sah er bei seinem Eintritte die Tische voll besetzt, so daß es ihm nur mit Hilfe des Wirthes gelang, in einer Ecke noch ein Plätzchen zu erhalten, wo er sich niederlassen und von der Wanderung ausruhen konnte.

Die meisten Anwesenden gehörten zu den Kriegsleuten des Stiftes; sie thaten sich beim Biere gütlich und erzählten einander von den Thaten, die sie verrichtet hatten. Besonders war es Einer, der die große Stimme führte und grad’ darüber war, von dem Zuge des Stiftshauptmannes zu erzählen, auf welchem Caspar Gans von Putlitz in die Hände des Bischofs gerathen war. Er schnitt gar gewaltig auf und sprach von dem Putlitz und seinen Leuten, als von einem feigen Gesindel, welches keines ehrlichen Schwerthiebes würdig sei. Der Schüler hielt sich still und ruhig in seiner Ecke, aber die Blicke, mit denen er hier und da den Sprecher maß, zeigten, daß ihm die Rede desselben nicht angenehm und willkommen sei. Dieser bemerkte gar wohl das scharfe Auge, welches ihn immer verächtlich anblitzte, sobald er eine neue Lobeserhebung hervorposaunte, und dies wurde ihm endlich so unangenehm, daß er sich erhob und zu dem Jünglinge trat.

»Was siehst Du mich denn so besonderlich an, Kleiner?« frug er mit laut schallender Stimme. »Wenn Du vielleicht denkst, einen Zweifel an meinen Worten zu haben, so komm hervor; ich will Dir die Wahrheit zeigen!«

»Was gehen mich Eure Worte an? Macht Euch an Euren Platz zurück und laßt mich in Ruh. Zudem aber merkt Euch wohl, daß Ihr nicht Meinesgleichen seid und Euch also einer manierlicheren Anrede zu bedienen habt!«

»Ich nicht Deinesgleichen? Donnerwetter, ich bin der Gefängnißvoigt auf Schloß Ziesar, der schon manchen großmäuligen Wicht zur Demuth gezwungen hat; und wer bist denn Du? Doch höchstens ein ausgewiesenes Studentlein, dem es in seinem Uebermuthe nach einer tüchtigen Tracht Prügel verlangt. Kannst sie haben, wenn Du sie begehrst!«

»Hört!« rief Joachim dem Wirthe zu, »nehmt diesen Mann von mir weg, wenn Ihr Frieden im Hause haben wollt!«

»Seht, er muß Andere zu Hilfe rufen, weil er nicht den Muth hat, sich selbst zu wehren! Mit den Leuten von Ziesar ist nicht gut Obst essen, und es geht ihm gerade wie Denen von Putlitz, die auch vor Angst und Entsetzen nach dem Schwerte zu greifen vergaßen, als wir anrückten. Der Caspar hat an allen Gliedern gezittert, als unser Stiftshauptmann, Herr Hans von Röder, ihn bei dem Fittiche genommen hat.«

»Das lügt Ihr! Der Caspar Gans von Putlitz hat noch vor anderen Männern gestanden und sie niedergeworfen, als Euer Stiftshauptmann ist. Ihr würdet wohl gar anders sprechen, wenn einige Putlitz’sche Mannen sich hier befänden und auf Eure Rede merkten!«

»Was? Der Lüge willst Du mich zeihen, mich, den Matthias Schabegast von Ziesar? Und den Herrn Stiftshauptmann Hans von Röder wagest Du zu verleumden? Das soll Dich jetzt und allezeit gereuen! Hinaus mit dem Verräther, der sich des Putlitz annimmt und unseren hochwürdigen Herrn beleidigt!«

Er riß den Tisch auf die Seite und wollte Joachim fassen.

»Bleibt weg von mir,« warnte ihn dieser. »Ich habe keinen Streit mit Euch gesucht und will in Frieden meinen Platz behalten. Doch dürft Ihr darum nicht meinen, daß ich Euch fürchte.«

»Deinen Platz sollst Du haben, aber nicht hier. Komm heraus!«

Er hob die Arme, um nach ihm zu greifen, aber noch ehe er dazu kam, flog er zurück und stürzte, so lang er war, über einen Tisch, den er mit sammt den Leuten, welche daran saßen, zu Boden riß. Fluchend sprang er wieder empor, um seinen Angriff zu erneuern; da aber faßte ihn eine kräftige Hand und hielt ihn zurück.

»Halt, Bruder Matthias, was ist denn für ein Teufel in Dich gefahren, daß Du Dich zum Vergnügen hier am Boden wälzest?«

Schon hatte er eine derbe Antwort auf der Zunge, als er, den Fragenden erkennend, sie wieder verschluckte. Es war Märten Stelzer, welcher eingetreten war und ihn in der unangenehmen Situation überrascht hatte.

»Märten, alte Kriegstrompete, wie kommst denn Du wieder einmal nach Ziesar? Hast wohl das junge Fräulein hergebracht?«

»Ja, aber sag’, was hast Du denn verloren, daß Du so eifrig da unten auf der Diele herumkramerst?«

»Verloren?« frug Matthias, indem sein Gesicht den vorherigen zornigen Ausdruck wieder annahm. »Nichts habe ich verloren, sondern ich bin nur bei der Bestrafung dieses Bürschchens hier ein wenig ausgerutscht. Warte einen Augenblick, bis ich ihm das Loch gewiesen habe!«

»Halt, Matthias, diesem wackeren Jungherrlein wirst

Du kein Leid zufügen, denn das könnte Dich in großen Schaden bringen!«

»In Schaden? Was soll es mir thun, wenn ich einen Feind unseres hochwürdigen Herrn einmal so recht nach Herzenslust durchbläue?«

»Er ist mit nichten ein Feind, sondern vielmehr ein Freund des Bischofs; er hat mir und unserem Jungfräulein in großer Noth und Fährlichkeit beigestanden, und nun bin ich abgesandt, ihm zu sagen, daß er sofort auf das Schloß kommen solle, wo ihn die Herren erwarten, um ihm Dank und Ehre zu ertheilen.«

»Märten Stelzer, wenn Du es nicht wärest, der mir dieses sagt, so würde ich die Worte gar nicht glauben, denn er hat von dem Herrn Stiftshauptmann ungut gesprochen und sich für den Putlitz aufgeworfen. Aber weil Du es bist, so soll ihm nichts geschehen und Du magst ihn ohne Last und Störung auf das Schloß führen!«

Joachim verhielt sich zu diesen Worten ruhig und folgte dem Knappen, welcher gerade zur rechten Zeit gekommen war, eine Streitigkeit zu verhüten, die vielleicht von ernsten Folgen hätte werden können.

»Ihr müßt sehr gut bei Kräften sein, mein liebwerthes Jungherrlein,« sprach derselbe unterwegs, »daß Ihr den Gefängnißvoigt so schön zur Erde gebracht habt! Er ist ein gar fester Patron, der sich nicht so bald vor irgend Wem zu fürchten braucht.«

»Er hat nur seinen wohlverdienten Lohn empfangen und kann froh sein, daß Ihr durch Euer Dazwischenkommen dem Unfrieden ein Ende gemacht habt.«

Auf der Burg angekommen, ward er in den Saal geführt, wo an einer langen eichenen Tafel eine Gesellschaft von Männern saß, deren martialisches Aeußere auf ihr kriegerisches Handwerk schließen ließ. Am oberen Ende hatte Herr Johann von Waldow, der Bischof, seinen Platz. Als sich die Augen der Anwesenden dem Ankömmlinge zuwandten, erhob er sich und winkte ihm, näher zu treten.

 

»Seid mir willkommen, junger Mann,« begrüßte er ihn mit freundlicher Herablassung. »Ich habe viel Liebes und Wackeres von Euch gehört und wollte Euch sehen, um Euch meinen Dank zu sagen für die Tapferkeit, mit welcher Ihr Euch meiner Nichte angenommen habt. Setzt Euch hier an meine Seite und nehmt Theil an dem Mahle, welches uns bereitet ist!«

Joachim folgte mit höflichem Anstande diesem ehrenvollen Befehle und beantwortete mit bescheidenem Tone die Fragen seines hohen Nachbars.

»Ihr seid ein Schüler. Welcher von den edlen Wissenschaften habt Ihr Eure Zuneigung gewidmet? Vielleicht der frommen Theologia?«

»Nein, hochwürdiger Herr, es sind vielmehr die jura et actiones, denen ich mein Schwert und meine Stimme leihen möchte.«

»Das ist nicht weniger lobenswerth. Zwar will die Frömmigkeit gar sorgsam und fleißig gepflegt sein, aber in diesen schweren, bösen Zeiten darf man die Rechte und Gerechtigkeiten niemalen aus den Augen lassen, und daß Ihr ihnen auch mit dem Schwerte zu dienen wißt, das habt Ihr zu meiner Freude heute bewiesen. An welchem Orte seid Ihr Eures Studiums beflissen gewesen?«

»Zuletzt habe ich zu Berlin geweilt und möchte nun ein Wenig weitergehen, um mich genugsam in den Landen umzusehen, ehe ich zur Schule zurückkehre.«

»Auch dieses muß ich gutheißen, denn wer die Bücher recht und gut verstehen will, der muß sich zuvor fleißig im Leben umgeschaut haben. Darum aber sollt Ihr mir nicht so sehr bald wieder von hinnen gehen, weil bei uns gar Vieles zu erfahren ist, was Euch von großem Nutzen sein wird.«

»Dieses Wort ist mir eine sehr willkommene Gnade, denn sie bringt einem Wunsche Erfüllung, den ich gehegt habe, als ich nach Ziesar kam.«

»Nun wohl, so weilt denn hier bei uns, so lange es Euch gefällt, und seid versichert, daß ich Euch in Allem, was da förderlich sein kann, zu Diensten sein werde. Ihr werdet uns wohl Euren Namen nennen?«

»Er lautet Joachim Wolf von Hagen. Er ist nicht so bekannt oder berühmt wie die Namen aller Derer, welche mit Euch, Hochwürden, hier an diesem Tische sitzen, aber ich hoffe, daß es mir gelingen wird, ihn in gute Achtung zu bringen.«

»Das will ich Euch wohl glauben, wenn Ihr stets so handelt, wie Ihr es heut gethan habt! Nun aber erquickt Euch an den Speisen und Getränken, welche vor Euch stehen, und dann könnt Ihr Eure Gefährtin begrüßen, welche sich nicht hier befindet, weil solch’ wildes Wasser meine gesetzten Mannen mit Unruhe erfüllen würde.«

Damit war die Begrüßung beendet und das Gespräch ward wieder allgemein und wandte sich den Zeitläuften und anderen wichtigen Dingen zu. Joachim verhielt sich ruhig, wie es einem bescheidenen Manne seines Alters so erfahrenen und hochgestellten Leuten gegenüber zukam, und begab sich, als die Tafel aufgehoben wurde, in das Gemach, welches ihm als das seinige zugewiesen wurde. Noch hatte er nicht daran denken können, es sich bequem zu machen, als es leise an die Thür pochte und ein kleines Köpfchen durch die Spalte lugte.

»Seid Ihr endlich da, mein tapferer Rittersmann?« frug Marie. »Ich habe schon lange auf Euch gewartet und mich schier gewundert, was Euch so lange bei dem Mahle halten mag.

»Verzeiht, daß es mir nicht möglich war, früher fortzukommen; es wäre doch keine gute Sitte gewesen, hätte ich mich entfernen wollen, bevor mir die Erlaubniß dazu wurde.«

»Ja, da habt Ihr recht, denn auf das Verlangen eines armen, kleinen Mädchens braucht so ein stolzer Herr wie Ihr nicht viel zu geben,« erwiderte sie, indem sie vollends hereinschlüpfte. »Für wen hat Euch denn wohl der Oheim kommen lassen? Für sich oder für mich?«

Joachim konnte ein Lächeln über diese eigenthümliche Frage nicht unterdrücken.

»Er hat vergessen, oder es nicht für nothwendig erachtet, mir dieses zu sagen. Wollt Ihr mich vielleicht darüber belehren?«

»Ja, das will ich, damit ich nicht wieder Langeweile empfinde, während Ihr bei Tische allerlei Kurzweil treibt. Ich habe dem Oheim gesagt, daß ich in diesen schlimmen Zeiten einen Ritter brauche, auf dessen Treue und Tapferkeit ich mich verlassen kann. Darauf hat er lachend gemeint, ich solle mir einen unter seinen Mannen aussuchen, und da ich keinen finden konnte, der mir recht gewesen wäre, so hat er nach Euch gesandt. Nun sollt Ihr bei mir sein, aber nicht bei den Anderen, mit mir gehen und spazieren reiten und mich mit Fleiß und Eifer bedienen, damit Ihr Euch meine Zufriedenheit erwerbet.«

»Also bin ich Euch als Ritter recht und willkommen?«

»Das will ich wohl meinen! Ihr habt ja schon bewiesen, daß ich mich Eurem Schutze anvertrauen kann.«

»So will ich Euch denn ein treuer Schirmherr sein und nach besten Kräften Euch zu Diensten stehen. Hier habt Ihr meinen Handschlag, den ich halten werde!«

Er reichte ihr die Hand, in welche sie die ihrige legte.

»Ihr seid der erste Ritter, der sich nach meinen Farben richten will. Laßt mich diese Wahl doch nicht bereuen! Und nun sollt Ihr mir sogleich zeigen, ob Ihr mir in allen Dingen Ehre und Gehorsam erweisen wollt: Ich pflege, so oft ich auf Ziesar bin, gern den Gefangenen meinen Besuch abzustatten. Der Gefängnißvoigt Matthias Schabegast ist ein harter Gesell, der noch dazu dem Glase gern zuspricht und dann in der Betrunkenheit seinen Anbefohlenen ihre ohnedies so schwere Lage noch bitterer und unerträglicher macht. Darum bin ich stets bereit, ihnen dieselbe zu erleichtern, und mein Ohm, der Bischof, setzt mir darin kein Hinderniß entgegen, sondern läßt mir gern die Freude, welche es mir gewährt, eine freundliche Stunde in ein trauriges Dasein zu bringen. Heut nun habe ich noch nicht Zeit gehabt, hinunter zu gehen; jetzt aber werde ich nicht länger säumen, und Ihr sollt mit mir kommen, um mir zu helfen, Trost und Beistand auszutheilen.

Ueber das Gesicht Joachims glitt ein Zug der Freude. War der Grund davon nur der, in dem Mädchen ein so mildes und barmherziges Gemüth entdeckt zu haben, oder gab es vielleicht noch etwas Anderes, was ihn so hell und dankbar in ihr Auge blicken ließ?

»Dank Euch für diese Güte, daß Ihr mich für werth haltet, Euch auch in solchen Dingen zu dienen! Aber wird es Euch auch wirklich möglich sein, die Gefängnisse zu öffnen, da der Voigt die Schlüssel in seiner Verwahrung hat?«

»O, das macht mir keine Sorge! Er wird jetzt wohl nicht daheim sein, aber die Schlüssel müssen mir trotzdem von seinem Weibe ausgehändigt werden. Kommt und folget mir; auch Ihr seid gut, und unser Thun wird Euch Freude bereiten!«

Sie schritt ihm voran, und bald gelangten die beiden jungen Leute in die Küche des Schlosses, wo Maria Allerlei für ihre Schützlinge in einen Korb packte, welchen sie dann Joachim in die Arme schob.

»So, den sollt Ihr tragen,« lachte sie, »obgleich dieser Dienst wenig nach dem Geschmacke eines tapferen Ritters sein wird. Nun laßt uns die Schlüssel holen!«

Sie gingen über den Schloßhof nach demjenigen Theile der Burg, welcher den Gefangenen als Aufenthalt diente. Als sie in die Wohnung des Voigtes gelangten, war dieser soeben nach Hause gekommen. Brummend frug er nach dem Begehr der Beiden.

»Gebt mir die Schlüssel und eine Laterne,« bat Marie. »Ich will einmal Eure Pfleglinge besuchen.«

»Das ist nicht nothwendig,« antwortete er, indem er sein Auge gläsern auf das Mädchen richtete. Er war betrunken, und in diesem Zustande gedachte er nicht der Rücksicht, welche er der Nichte seines Herrn gewöhnlich entgegen zu bringen pflegte. »Die Leute sind nur mir allein übergeben worden; sie haben Alles, was ihnen gegeben werden darf, und brauchen von Alledem nichts, was Ihr hier in dem Korbe bei Euch führt.«

»Das sagt Ihr,« entgegnete Marie; »ob es aber wahr ist, davon gedenke ich mich erst zu überzeugen. Also gebt mir die Schlüssel!«