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Der beiden Quitzows letzte Fahrten

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»Nein; der Eine flog hart an mich heran, fletschte die Zähne, die bald so lang und gelb waren wie die Deinigen und grinste mir zu:

»Ich würde Dich fressen, aber Du hast schon Deinen Drachen, mit dem Du Tag und Nacht zu kämpfen hast. Gehe hin in Frieden und freue Dich über ihn in alle Ewigkeit!«

»Das sind ja fürchterliche Worte! Also den Drachen hast Du? Wo denn?«

»Hm!« machte er achselzuckend.

»Du weißt es auch nicht? Da muß ich am Tage einmal die Rieke Hannecken fragen. Die kann für den Drachen thun und wird Dich von ihm befreien!«

»Einverstanden! Sage ihr nur, sie solle mit ihm in das Wasser springen und ihn so lange unten festhalten, bis er genug hat. Auf diese Weise ist mir am besten geholfen, und dann werde ich ihr auch nicht mehr gram und böse sein!«

»Das will ich Dir wohl ausrichten, und sie wird es thun, schon allein mir zu Gefallen. Die Rieke Hannecken ist ein gar gutes und kluges Weib, wenn ich auch nicht Alles glauben kann, was sie glaubt. Sie sagte mir erst vor ganz kurzer Zeit, daß der Klabautermann, welcher auf jedem Schiffe vorn unter dem Spriete sein Wesen treibt, einst ein gewaltiger Riese gewesen sei, der vor Zeiten – – – Hilf Himmel, was ist das für ein höllisches Getöse! Lösch das Feuer aus, Hinrich, und bete ein Stoßgebetlein! Alle guten Geister loben – – —«

»Sei still! Das ist der schwarze Schiffer, der in solchen Nächten auf dem Flusse sein Wesen treibt. Lege Dich auf die Seite und laß keinen Laut hören!«

Auf dem Wasser hatte sich ein fürchterlicher Lärm erhoben. Die Töne, welche sogar das Brausen des Windes überboten, waren geradezu unbeschreiblich, und dazwischen erschollen jammervolle Hülferufe, die selbst einen sonst nicht furchtsamen Menschen mit Entsetzen hätten erfüllen können. Nachdem der Scandal eine Weile fortgedauert, endete er mit einem schrillen, vielstimmigen Schrei, der von den tobenden Lüften vielfach zerfetzt und über die Insel gerissen wurde.

Lange blieben die beiden Eheleute ruhig, bis die Frau endlich das Schweigen nicht mehr länger ertragen konnte.

»Darf ich nun wieder sprechen?« frug sie zagend.

»Ja, aber von der Rieke Hannecken nicht.«

»Warum nicht von dieser?«

»Weil sie mit den Geistern nicht auf einem guten Fuße steht. Wenn der schwarze Schiffer ihren Namen hört, so lenkt er den Kiel gegen die Insel und fährt mitten durch unser Häuschen hindurch.«

»Heilige Maria, wäre das ein Entsetzen! Wer ist der Furchtbare denn eigentlich bei Lebzeiten gewesen?«

»Er war ein guter und tüchtiger Seemann, der aber ein böses Weib hatte. Er ist in den Himmel gekommen und sie in die Hölle, und nun fährt er immer des Nachts auf seinem Kahne hinunter bis an die Teufelspforte, um sich über die Gesichter zu freuen, die sie in den Flammen schneidet. Wenn ihm unterwegs ein weibliches Wesen begegnet, oder wenn er auch nur den Namen eines Weibes nennen hört, so fährt er auf sie los, nimmt sie mit und wirft sie in den Schwefelpfuhl. Darum werden jetzt immer weniger Frauen und immer mehr Männer. Er wird nicht eher aufhören, als bis alle Weiber auf der Erde ausgerottet sind.«

»Gott stehe uns bei! Das muß ich der Rieke Hannecken sagen, damit sie sich in Acht nimmt. Sie sagte mir vor einigen Tagen, daß – – —«

»Willst Du wohl gleich von Deiner Rieke Hannecken schweigen! Ich habe Dir ja gesagt, daß Du die ganze Insel unglücklich machst und uns alle in’s Verderben bringst, wenn Du jetzt von ihr sprichst.«

»Heilige Jungfrau und heiliger Vater Joseph, das hatte ich ganz vergessen! Ich glaube, es ist besser, wenn wir lieber ganz schweigen und uns zur Ruhe legen, denn wenn ich mit Jemandem rede, so fällt mir immer die Rieke Hannecken ein und – – —«

»Ruhig, sage ich Dir, sonst sind wir verloren!«

»Hinrich, das geschah wahrhaftig ohne meine Schuld! Komm, leg Dich nieder. Der heilige Michael, welcher den Drachen erstochen hat, möge bei uns sein und uns beschützen vor allen Rathschlägen Beelzebubs. Gute Nacht!«

»Gute Nacht!« – – —

Mit dem kommenden Morgen schienen die Winde ihre Kraft zu verlieren und eine ruhigere und weniger gefährliche Fahrt zu ermöglichen. Das Boot, welches während der Nacht an Neuwerk angelegt hatte, war nach Form der jetzigen Kutter gebaut, trug auf schräg nach vorn stehendem Maste ein dreieckiges Segeltuch und führte an jedem Borde acht Ruder, welche von sechszehn kräftigen Armen bewegt wurden, unter deren Drucke das Fahrzeug ganz zufriedenstellend gegen den Wind anhielt. Das Steuer wurde von zwei Männern bedient und vorn am Buge saß der Schiffer, welcher den Pater aus der Grube geholt hatte. Dieser Letztere war jetzt nicht zu sehen; er lag unter dem

Halbdecke und ruhte sich von den gehabten Anstrengungen aus.

Schon längst waren die Ufer des Stromes zu beiden Seiten zurückgetreten und die Wogen breiter, höher und mächtiger geworden. Das Kurzeis, welches die Elbe geführt hatte, breitete sich über die Fläche aus, so daß es dem Fortkommen kein Hinderniß mehr bereitete und als eine weißgraue, breiartige Masse auf den sich hebenden und senkenden Wassern auf— und niederstieg.

»Steurer, laßt ab zwei Strich nach Backbord!« kommandirte der Bootsmann vorn am Buge und kam dann zwischen den Ruderern hindurch langsam nach hinten.

Die Steuerleute folgten überrascht der unerwarteten Weisung, indem sie ihr Auge mit scharfem Blicke über den vor ihnen liegenden Horizont schweifen ließen.

»Etwas in Sicht, Bootsmann?« fragte der Eine.

»Ein Schiff,« antwortete dieser, indem er den Arm erhob, um ihnen die Richtung anzudeuten. Ganz draußen am äußersten Rande des Gesichtskreises war ein dunkler Punkt zu erkennen, welcher sich langsam und fast unmerklich fortbewegte.

»Er ist noch etwas weit vor uns. Macht, daß wir ihm näher kommen. Legt Euch in die Pinnen, Ihr Männer,« rief er den Ruderern zu; »ich möchte gern sehen, was für ein Mann es ist!«

Zu gleicher Zeit gab er dem Mann am Maste einen Wink; dieser griff an das Tau, das Segel breitete sich aus, und das Schiff flog mit bedeutend erhöhter Geschwindigkeit weiter. Niemand sprach ein Wort; Viertelstunde auf Viertelstunde verging. Endlich wandte sich der Bootsmann wieder an die Steurer.

»Es ist ein Däne, den das Lüftchen von den Friesländern hergetrieben hat. Ein schlechter Segler; hat aber vielleicht Etwas im Leibe. Seht, er bemerkt uns und hält frisch auf uns zu! – – Hm!« machte er nachdenklich, indem er den Horizont ringsum abmusterte, »möchte wohl wissen, wie viel Seelen er an Bord hat! Es wäre doch ein verteufelt hübscher Streich, wenn ein kleines Boot – – – na, und von ihm wegkommen können wir allemal noch zu rechter Zeit. Wollen einmal den Versuch machen. Laßt ab vom Rudern und legt vier Bänke bei! Ein Mann am Ruder ist genug!«

Die Ruder wurden eingezogen, die Hälfte der Bänke maskirt, und nun hatte das Boot gegen früher nur die Hälfte der thätigen Mannschaft.

»Legt Beil und Messer zur Hand! Greift wieder an! So, meine Jungens! Die Anderen gehen unter Deck!«

Man sah, der Bootsmann wollte den Dänen über die Größe der Bemannung täuschen, eine List, die unter allen Umständen von Nutzen sein mußte. Man war ihm unterdessen so weit nahe gekommen, daß man sich eher ein sicheres Urtheil über ihn bilden konnte, und die Leute im Boote warteten mit Spannung auf den Ausspruch ihres Vorgesetzten, den sie als einen Mann kannten, der allen an ihn gemachten Ansprüchen gewachsen war.

»Ja, ein Däne ist’s,« sagte er endlich, »und zwar ein Holsteingänger, der für den Dänenkönig Erik nach Kräften raubt und stiehlt. Wer weiß, was für ungehörig Gut er in seinem Raume birgt! Fast könnte man ihn ein wenig leichter machen, oder gar – – Hm, ich schätze ihn auf dreißig Mann, und wir sind ohne einen, der am Steuer bleiben müßte, unserer neunzehn. Die Sache könnte gehen, wenn alles glücklich steht. Am besten ist’s, wir lassen ihn an uns kommen. Hat er Vernunft, so fahren wir vorüber; will er uns aber an den Kragen, so mag er sehen wie es kommt!«

Das Boot folgte unverändert seinem Cours und kam bald in die Nähe des Dänen. Es war eine kleine Galeote mit hohem Vorder— und Hintercastell, schwerbauchig gebaut und trug das unbehilfliche Segelwerk der damaligen Zeit. In den Raaen und Wanten hingen einige Leute, welche eifrig damit beschäftigt waren, die Schäden auszubessern, welche man während der Nacht erlitten hatte; neugierige Köpfe blickten über die hohe Brustwehr, und auf dem Quarter stand ein Mann, der das Kommando führte und das herannahende Boot mit scharfem Blicke musterte. Als es in Sprechweite gekommen war, legte er die Hände an den Mund und rief:

»Boot, ahoi, laß das Segel fahren!«

»Laß fahren!« kommandirte der Bootsmann mit schallender Stimme, und leiser setzte er hinzu: »Du sollst Deinen Willen haben, Alter; sprich Dich nur aus!«

»Wendet zur gleichen Fahrt!« schallte es vom Dänen herab.

»Legt um!« rief der Bootsmann seinen Leuten zu, indem er zum Steuermanne trat und leise hinzufügte: »Gieb her; will’s selbst einmal versuchen!«

»Woher den Kurs?«

»Von Hamburg.«

»Wohin?«

»Nach Helgoland.«

»Was habt Ihr geladen?«

»Proviant für die Inselleute.« Und leiser klang es: »Den können wir kaufen; wir haben kaum zwei Handbreit vom Boote unter Wasser, und dennoch fragt er nach der Ladung.«

»Proviant? Den brauche ich nothwendiger, als die da drüben: ich werde ihn Euch abkaufen. Nehmt das Tau und macht Euch fest!«

»Geht nicht, Herr! Der Proviant ist schon bezahlt; ich kann die Leute nicht hungern lassen.«

»Ich die meinen auch nicht. Werde Euch das Zeug nochmals bezahlen.«

»Womit?«

»Das werdet Ihr sehen. Laßt das Geschwätz und nehmt das Tau!«

»Gut, so werft es!«

Das Tau wurde geworfen; der Bootsmann fing und befestigte es.

»So, jetzt hat er entweder uns oder wir ihn. Wir sollen sehen, womit er zahlt? O, das wissen wir schon! Nun, wir werden ihm vielleicht nichts schuldig bleiben!« brummte er.

 

Der Däne ließ einige Reffs in die Segel fallen und drehte bei, ein Manöver, welches damals noch bei Weitem schwieriger war als jetzt, ja, es wäre wohl ganz unmöglich gewesen, wenn der Wind sich nicht so sehr gemildert gehabt hätte. Das Boot lag hart im Lee des Schiffes; ein Ruderschlag genügte, um Planke an Planke zu bringen. Die Leute, welche ihren Bootsmann gar wohl verstanden hatten, warteten nur auf den Befehl desselben, um statt der Ruder die Enterbeile in die Hand zu nehmen.

»Der Bootsmann herauf!« erscholl es von oben.

»Gleich, Herr! Aber laßt doch das Fallreep herab, ich bin krank zum Klettern!«

Wirklich wurde ganz wider Erwarten die Schiffstreppe herabgelassen, so daß jetzt dem Besteigen der hohen Borde gar keine Schwierigkeiten im Wege standen.

»D’rauf, Ihr Mannen. Schlagt sie nieder, aber schont das Leben!« rief der Bootsmann und stand, allen Anderen voran, im nächsten Augenblicke droben auf dem Verdecke.

Mit einigen raschen Sprüngen hatte er den Befehlshaber erreicht, den er mit der Axt vor die Brust stieß, daß er hintenüber stürzte.

»So, nun können wir über den Preis reden, Alter! Einstweilen liegst Du gut.«

Mit kräftigen Streichen wehrte er einige der Feinde ab, welche herbeigeeilt waren, um ihren Herrn zu decken, dann stürzte er sich mitten in den wirren Knäuel hinein, welchen die Kämpfenden bildeten. Die Dänen waren auf einen Angriff nicht gefaßt und also auch meist unbewaffnet gewesen; dieser Umstand kam den Angreifern so zu statten, daß sie in kurzer Zeit den Feind überwältigt hatten.

Todte gab es keine, vielmehr waren die Meisten der auf dem Decke Umherliegenden von den Schlägen der Axthelme nur betäubt oder kampfunfähig gemacht worden. Die erste Sorge der Sieger war, die Besiegten unten in dem Kielraume gut zu verwahren, dann wurde das Boot ins Schlepptau genommen, und die Galeote strebte eine neue Fahrt in der Richtung auf Helgoland zu an.

Der Bootsmann stand auf dem Quarterdecke, wo vorher der Däne seinen Platz gehabt hatte, und rieb sich vergnügt die Hände.

»Das war ein Streich, den uns nicht gleich ein Anderer nachmachen wird, und es soll mich verlangen, was der Capitain dazu sagt. Viel wird es freilich nicht sein, vielleicht nicht einmal ein einziges Wort, aber ich kenne seine Weise; er spricht blos dann, wenn er entweder Glück oder Verderben spendet; was zwischen diesem beiden liegt, das ist ihm zu gewöhnlich, als daß er viele Worte darüber verlieren sollte. Der alte Kasten hier geht tief, er muß also schwer geladen haben, aber ich kann nicht einmal nachsehen, welche Sorte von Dingen es sind, die wir so billig in die Hand bekommen haben, denn wir sind durch die Fahrt und die Bewachung der Gefangenen vollauf beschäftigt.«

Er spazierte in heiterster Laune über das Deck nach dem Hintertheile des Schiffes und blickte in das Boot hinab, wo außer dem Manne am Steuer jetzt Niemand mehr zu sehen war.

»Ich glaube gar, der Pfaffe hat das ganze Abenteuer verschlafen! Der Mann muß entweder ein sehr gutes Gewissen oder gar keins haben, sonst hätte es ihm schon längst die Augen aufgerissen. Vielleicht ist es das letzte Mal, daß er so ruhig schläft, denn führt er eine Schurkerei im Schilde oder behelligt er den Capitain mit unnützen Dingen, so mag ich nicht in seiner Haut stecken!«

Er stieg wieder auf das Hinterdeck, warf einen Blick über den Horizont und eilte dann zum Steuermann.

»Siehst Du Etwas?« fragte er diesen.

»Wo?«

»Dort!«

Der Mann beschattete die Augen mit der Hand und blickte nach der bezeichneten Richtung.

»Nun?«

»Wenn ich mich nicht irre, so ist das der »Wiking«,«

»Freilich ist er es. Dem Capitän ist es bei dem Wetter bange um uns geworden, und so hat er auf die Elbe zugehalten, um uns im nothwendigen Falle nahe zu sein.«

»Er wird schöne Augen machen!«

»Habe es auch schon gedacht. Wollen doch einmal sehen, ob er Spaß versteht!«

Der helle Punkt, auf welchen die Beiden ihr Augenmerk gerichtet hatten, vergrößerte sich zusehends und kam näher und näher. Schon waren die drei Mastenspitzen deutlich zu unterscheiden, dann trat das untere Segelwerk hervor, und endlich ließ sich auch der Rumpf erkennen, welcher schließlich zu einer colossalen Größe anwuchs und in seiner damals üblichen Bauart wie eine aus den Fluthen ragende Festung ausschaute.

»Laßt die Windsegel auf!« rief der Bootsmann, und dem Mann am Steuer bedeutete er: »Falle ein wenig nach Lee ab, damit er meint, wir wollen uns vor ihm davonmachen!«

Der Wind legte sich in die neu beigesetzten Segel, und das Schiff verfolgte mit erhöhter Geschwindigkeit die abweichende Richtung. Sofort flog eine wahre Fülle von Leinwand auf dem »Wiking« in die Höhe, und er fiel von dem bisher eingehaltenen Curse ab, um die Bahn der Galiotte im Bogen zu durchschneiden.

»Siehst Du? Er will uns haben. Jetzt zeigt er die Flagge. – Zieht den dänischen Fetzen in die Höhe!«

Der Befehl wurde befolgt und erregte auf dem Wiking allgemeines Erstaunen. Die ganze seefahrende Welt wußte, daß Holstein sich mit der Hansa, besonders mit Hamburg gegen die Dänen verbunden hatte; auch waren von dem ersteren Staate die Vitalienbrüder gewonnen worden, deren berühmtestes Fahrzeug der »Wiking« war. Und hier wagte es eine armselige dänische Galeote, diesem gegenüber die Flagge zu behaupten, anstatt sich ruhig zu ergeben? Das hieß nichts anderes als wahnsinnig sein.

»Schau, wie sie sich wundern! Jetzt wird der Schiffer den Capitän rufen, um ihn zu fragen, ob er uns nicht einfach in den Grund segeln soll!«

»Wenn mich mein Auge nicht trügt, so hängt er schon droben in den Wanten. Kennst ja die Stelle, wo er immer Ausguck nimmt!«

»Ja, die Füße in den Sprossen, die Linke am Taue und die geballte Rechte in der Hüfte, wie das so seine Stellung ist. Da dürfen wir den Spaß nicht übertreiben, sonst legt sich die Stirn in Falten, und wenn diese sich sehen lassen, so giebt es stets etwas, was lieber ungeschehen bleibt. Wir haben diese Nacht dem Hinrich zu Liebe Gespenster gespielt; wollen dafür sorgen, daß wir selbst nicht etwa welche zu sehen bekommen! Lege das Steuer auf seinen Back! Hört, Ihr Mannen, laßt die Flagge mit den Windsegeln fallen!«

Sobald dieser Befehl ausgeführt war, segelte die Galeote in langsamer Fahrt gerade auf den »Wiking« zu. Sobald dieser das veränderte Benehmen des vermeintlichen Dänen bemerkte, nahm auch er die überflüssigen Segel ein und erwartete das vollständige Herannahen des fremden Fahrzeuges. Rolf Vendaskiold war jetzt aus den Wanten herabgestiegen; der Schiffer trat auf ihn zu.

»Was meint Ihr, Capitän, zu dem Dänen? Wird es

Etwas für uns werden, oder lassen wir ihn mit einer scharfen Zwiesprache davongehen?«

»Schiffer!«

Nur dies eine Wort sprach der Befehlshaber, aber es enthielt eine ganze Strafrede, und aus dem Tone, in welchem es erklang, hörte man die unverhohlenste Verwunderung heraus.

»Zeiht Ihr mich eines Fehlers, Capitän?«

»Seht Ihr nicht das Boot am Schlepptau der Galeote?«

»Wohl sehe ich es.«

»Und den Mann in der langen Jacke, welcher bei dem Steurer steht?«

»Auch diesen sehe ich.«

»Nun?«

Der Schiffer strengte sein Auge um ein Weniges mehr an und rief dann, vor Scham erröthend:

»Verzeiht, Capitän; so einen falschen Cours haben meine Gedanken noch niemals eingeschlagen. Das ist ja der Bootsmann Clas, welcher das Schiff führt, und hinten hängt sein Ruderkasten!«

»Endlich! Der hat wieder einmal einen seiner Streiche begangen und bringt uns einen Zweimaster zum Geschenk, den er mit seinem Spielzeug von einem Boote genommen hat. Ich gehe wieder in die Cajüte. Bringt die Sache in Ordnung und sagt dem Clas, daß er von heut an Hochbootsmann sei!«

Damit war für ihn die Sache erledigt; er schritt die Cajütentreppe hinab und kehrte wieder in den kleinen Raum zurück, von welchem aus das freie Fürstenthum »Wiking« regiert wurde.

Die Augen seiner Untergebenen hatten ihn verfolgt, bis der letzte Zipfel seines Gewandes in der Luke verschwunden war. Mit von inniger Liebe, felsenfestem Vertrauen und scheuer Furcht getheiltem Gefühle hingen sie an dem seltenen Manne, der es verstanden hatte, eine zahlreiche Bande der rohesten und abenteuerlichsten Gesellen zu besseren Gesinnungen zu führen und die Gewässer des Nordens mit seinem gefürchteten und doch vielgesuchten Namen zu erfüllen. Sein ganzes Aeußeres schon zeigte den Mann, der zum Gebieten geboren und selbst den schwierigsten Aufgaben seines gefahr— und anspruchsvollen Lebens gewachsen war. Keine Stimme klang wie die seine, kein Auge blickte so, wie das seine, und wenn er mit elastischem und doch so kraftvoll sicherem Gange über das Verdeck schritt, so fühlten und verstanden Alle die Sprache, welche in jeder seiner Bewegungen lag. Und wie sein Aeußeres, so war auch sein Inneres. Nie hatte er einen Befehl zurückgenommen, nie einen bemerkbaren Irrthum begangen; sein strafendes Wort fiel wie eine zerschmetternde Faust auf den Fehlenden, und mit einem einzigen kurzen Winke hatte er oft den lautesten Tumult zum Schweigen gebracht. Darum war auch ein Lob aus seinem Munde ein gar kostbares Geschenk, nach dessen Besitz Alle strebten; und wer es gehört, dem klangen die weichen, wohlwollenden Laute für immer in den Ohren. Was Wunder, daß eine Ordnung, ein Gehorsam, eine Tapferkeit und ein Opfermuth auf dem Schiffe herrschte, der dem Befehlshaber alles nur irgend Mögliche erreichen ließ und dem »Wiking« eine Macht verlieh, die selbst die berühmten Hansestädte anerkannten und für ihre Pläne zu gewinnen suchten!

Der Tisch, an welchem er sich niederließ, war mit Karten und Plänen belegt, und an den Wänden rings herum erblickte man eine Menge von Büchern und Pergamenten, wie sie in damaliger Zeit selten, am seltensten jedenfalls aber auf einem Schiffe zu finden waren, welches keinen anderen Zweck, als den der Waffen verfolgte. Vor seinem Sitze jedoch waren die Karten zurückgeschoben und auf der freien Stelle stand ein schwarzes Ebenholzkästchen, welches mit allerlei an sich geringfügigen, für den Besitzer aber doch werthvollen Gegenständen angefüllt war, denn sonst hätte er sie nicht einer so liebevollen Bewahrung unterworfen.

Er schien durch das Nahen der Galeote in der Betrachtung dieser Gegenstände gestört worden zu sein und griff jetzt wieder zu einer kleinen, feinen Elfenbeinplatte, welche er vorhin in der Eile von sich gelegt hatte. Sie enthielt das Bildniß eines in der Blüthe der Jugend und Schönheit stehenden Mädchens.

»Walda!« klang es leise von seinen Lippen, während aus seinem Auge ein helles, sonniges Licht leuchtete. »Dich habe ich geliebt wie noch selten ein Mannesherz liebte, ich und der Bruder. Auch seine Liebe kam aus dem tiefsten, heiligsten Leben. Wo er nur weilen mag? Ich habe ihn gekränkt bis auf das Blut und seine Bitten um Versöhnung von mir gewiesen – umsonst, umsonst, denn Keiner von uns Beiden hat die Hoffnungen, die er hegte, in Erfüllung gehen sehen. Unser beider Glück ist an dieser Liebe zu Grunde gegangen und begraben worden, das meinige in den Fluthen des Oceans, das seinige in der weiten, wilden Fremde, in die ich ihn hinausgestoßen habe. O, wie hasse ich seit jener Zeit diesen kalten, steifen Engländer! Er kam, sah die Holde, Reine, Herrliche und nahm sie uns weg. Er betrog uns um Alles, was wir hatten und besaßen, verleumdete uns bei dem Fürsten und freute sich, als wir fortgehen mußten aus dem Hause unserer Väter, welches unsere Jugend geschützt hatte und sich über unser Alter wölben sollte. Ja, ich hasse sie, hasse sie mit jeder Faser meines Herzens, in jeder Sekunde meines Lebens, mit jedem Tropfen meines Blutes, mit jedem Hauche meines Athems, mit jedem meiner finsteren Gedanken! Rolf Vendaskiold ist der Einzige unter den Brüdern, welcher nicht mordet, welcher Gnade nach dem Kampfe walten läßt, aber wehe dem Fahrzeuge, welches ihm unter der verhaßten Flagge des Insellandes begegnet; sein Hafen ist der Grund des Meeres und seine Mannen sind verloren, sind Kinder des Todes vom Ersten bis zum Letzten!«

Er warf sich in das Kissen zurück, welches ihm als Sitz diente, und starrte finster vor sich hin, den Gedanken Raum gebend, welche in seinem Inneren auf— und niederstiegen. Es war keine gute Stunde für den, welcher jetzt in seine Nähe treten mußte, und doch tönten nahende Schritte die kurze Treppe herab und die Thüre wurde geöffnet. Es war der Schiffer, welcher eintrat.

Aus seinem Sinnen emporfahrend, sah der Capitän ihn fragend an.

»Verzeiht, Herr, wenn ich Euch störe! Clas hat von Neuwerk einen Mann mitgebracht, welcher Euch zu sprechen wünscht!«

»Wer ist es?«

»Es ist ein Geistlicher.«

»Hängt ihn an die Raae. Das fromme Gesindel ist noch keinem Menschen von Nutzen gewesen!«

 

»Er behauptet, eine wichtige Botschaft für Euch zu haben.«

»Hängt ihn, sage ich! Dann mag er seine Botschaft bringen, wem er will.

»Er hat das Zeichen!«

»Das Zeichen? Wer wagt es, mein Zeichen einem Pfaffen anzuvertrauen!«

»Er kommt aus Hamburg.«

»Aus Hamburg? Dann muß die Botschaft wichtig sein. Der Senator ist treu und vorsichtig; er geizt mit unserem Zeichen. Schickt den Mann herab!«

Der Schiffer entfernte sich und nach kurzer Zeit trat Pater Eusebius in die Cajüte. Er kannte den Ruf des Mannes, vor welchem er stand und hatte sich auf einen liebenswürdigen Empfang auch gar nicht vorbereitet, aber als er dieses große, volle, packende Auge durchbohrend auf sich gerichtet sah, da wollte es ihn kalt überlaufen und die vorher wohlüberlegte Redensart blieb ihm im Munde stecken.

»Nun?« fragte Rolf kurz und streng, indem er mit dem Messer spielte, welches an seinem Gürtel hing.

»Erlaubt, gestrenger Herr, daß ich, ein Diener der heiligen Religion, Euch Gnade wünsche von – – —«

»Macht’s kurz, sonst lasse ich Euch aufknüpfen!« klang es in einem Tone, der den Pater erbeben machte. Hätte er nicht schon hart an der Thüre gestanden, so wäre er vor Schreck zurückgefahren; er wußte vor Angst kein Wort mehr von dem, was er hatte sagen wollen, und langte schweigend unter die Kutte, aus welcher er ein mit Wachs verschlossenes Schreiben hervorzog. Der Capitän griff nach demselben, öffnete es und las es aufmerksam durch; dann faltete er es wieder zusammen und legte es auf ein Becken mit glühenden Holzkohlen, welches zur Erwärmung des Raumes diente. In wenigen Augenblicken war es verbrannt.

Bis dahin hatte das Auge Vendaskiold’s in die Flamme gestarrt; jetzt richtete es sich mit einem höchst zweifelhaften Ausdrucke wieder auf den Boten.

»Euer Name?«

»Eusebius.«

»Von wannen seid Ihr?«

»Erlaubt, daß ich über diese Dinge schweige, denn —«

Der Capitän machte eine ungeduldige Bewegung, die ihn sofort verstummen ließ.

»Ich frage, und Ihr habt zu antworten. Beliebt es Euch aber, zu schweigen, so bekommt Ihr nie wieder Gelegenheit, zu sprechen. Also, von wannen seid Ihr?«

»Von Garlosen.«

»So seid Ihr also der Caplan der Ritter, welche den Beuteantheil verlangen?«

»Dreier von ihnen.«

»Haben sie Euch zu mir geschickt?«

»Nein. Sie gaben mir die Erlaubniß, nach eigenem Ermessen zu handeln.«

»Was that Euch der Markgraf?«

»Nichts.«

»Und der Engländer?«

»Nichts.«

»Wer verrieth Euch die Sache?«

»Das weiß ich nicht. Ich erfuhr sie erst von den Rittern.«

»Ihr seid fertig mit Eurer Botschaft und habt mir blos noch zu sagen, wie der Engländer heißt, welches Schiff er benutzt und zu welcher Zeit er kommt.«

»Erlaubt, gestrenger Herr, daß ich dieses nicht eher sagen kann, als bis Ihr unsere Bedingungen angenommen habt.«

»Bedingungen? Ihr mir?! Glaubt Ihr, daß der Rolf Vendaskiold der Mann ist, der mit Euren Strauchrittern überhaupt verkehrt? Und Bedingungen wollt Ihr mir machen?«

»Es sind hohe Summen, um welche es sich handelt, und mein Geheimniß ist also kostbar. Wenn ich schweige, so werden Euch die Schätze entgehen.«

»Du wirst überhaupt gar nicht schweigen! Siehe diesen Sand im Glase; wenn er abgeronnen ist, muß ich hören, was ich wissen will, sonst lasse ich Dich hängen!«

Es befand sich des Sandes so wenig in der Uhr, daß er in höchstens zwei Minuten abgelaufen sein mußte und der Capitän hatte schon die Hand an der Schnur, um den Vollstrecker seines Willens herbei zu rufen. Der Pater verwünschte den Augenblick, welcher ihn auf den »Wiking« gebracht hatte. Wollte er sein Leben retten, so mußte er sein köstliches Geheimniß preisgeben, ohne für sich und seine Ritter auch nur den kleinsten Vortheil zu erlangen. Er zögerte bis zum letzten Augenblicke, dann aber öffnete ihm, als er die Unwiderruflichkeit des ausgesprochenen Urtheils in den Zügen des Capitäns las, die Todesangst den Mund.

»Die Zeit ist um! Nun?«

»Der Engländer ist der Graf von Warwick, welcher kommen wollte, sobald das Wasser vom Eise frei sei; den Namen des Schiffes kenne ich nicht.«

»Gut. Dein Leben hing an einem Haare. Jetzt kenne ich Dich zur Genüge. Du wirst Deinen Lohn finden!«

Er zog an der Schnur und bald stand einer seiner Leute unter der Thür.

»Dieser Mann ist gefangen. Schicke den Schiffer herab!«

Pater Eusebius wollte in eine Klage ausbrechen, der Mann aber ergriff ihn beim Schopfe und verschwand mit ihm. Als der Schiffer eintrat, frug Rolf:

»Wie weit seid Ihr mit der Galeote?«

»Die Mannschaft ist herüber und die Ladung zum größten Theile durchgesehen.«

»Worin besteht sie?«

»Es ist nicht Handelswaare. Der Däne ist in Holstein eingefallen und hat geplündert. Was ihm gut erschien, das hat er mitgenommen.«

»Untersucht das Fahrzeug genau und bestimmt den Werth desselben sammt der Ladung. Es ist ein schlechter Segler und darum für uns nicht zu gebrauchen. Wir verkaufen es daher mit Allem, was er enthält.«

»Und die Mannschaft?«

»Werden später sehen. Hört, was ich Euch noch sage! Ein Graf von Warwick geht von England nach Hamburg. Ich muß den Mann haben. Wir nehmen also Gegencours nach dem Canal hin und lassen uns kein Schiff, welches aus England kommt, entgehen. Andere Nationen werden nur ausgesucht, die Engländer aber springen über die Klinge. So! Meldet mir das Ergebniß, wenn Ihr mit der Galeote fertig seid!«

Der Schiffer ging; der Capitän fiel von Neuem in tiefes Sinnen. Vergangene Zeiten zogen an ihm vorüber mit ihren lichten und dunklen Gestalten; Personen und Thatsachen, die er längst vergessen gewähnt hatte, traten klar und deutlich aus seinem Gedächtnisse hervor und längst verhallte Stimmen ließen sich aus den Tiefen seines Herzens hören. Solche Stunden der Erinnerung sind heilige Momente im menschlichen Leben; sie lehren die Ohnmächtigkeit des Menschen und die Unwiderstehlichkeit eines göttlichen Waltens erkennen. Man giebt sich ihnen hin unwillkürlich und vollständig, und ihr Segen legt sich weich und beruhigend um das erregte Gemüth, es stimmend zur milden Versöhnlichkeit.

»Capitän!«

Er blickte auf. Er hatte die Wiederkehr des Schiffers gar nicht bemerkt.

»Was bringt Ihr?«

»Es ist ein Gefangener auf der Galeote gefunden worden, ein Herr von Dönaborg, den die Dänen aus irgend einem Grunde mit sich fortgeschleppt haben. Er wünscht Euch zu sprechen.«

»Von Dönaborg? Ist es der Graf oder ein bloßer Edler dieses Namens?«

»Kann es nicht sagen. Er ist alt und leidend; letzteres vielleicht nur in Folge der erlittenen Unbill.«

»Führt ihn zu mir!«

»Er steht schon vor der Thür.«

»So laßt ihn eintreten.«

Der Schiffer öffnete und ließ, sich entfernend, den Angemeldeten eintreten. Rolf verharrte ruhig in seiner Stellung; sein Auge glitt forschend und wie nach einem Anhalte suchend, über die bleichen Züge des Eingetretenen.

»Ihr seid?« frug er in seiner kurzen Weise.

»Mein Name ist Dönaborg.«

»Vollständig!«

»Graf Gert von Dönaborg.«

»Wie kommt Ihr nach Holstein, da Ihr dort doch kein Heimwesen habt?«

Der Gefragte blickte rasch empor.

»Kennt Ihr mich?«

»Setzt Euch, Herr! Der Name Dönaborg hat einen guten Klang in meinem Ohre!«

»Sagt, woher stammt dieser Klang?«

»Das sollt Ihr wohl gleich sehen!«

Er griff in das Ebenholzkästchen, nahm eine ähnliche Elfenbeinplatte, wie die vorhin erwähnte, heraus und reichte sie dem Grafen dar. Derselbe warf einen Blick auf das Bild und sprang dann überrascht empor.

»Herr, wie kommt dieses Conterfey auf den »Wiking« und in Eure Hände? Es ist das Bild des besten und treuesten meiner Freunde. O sagt, wem Ihr es abgenommen habt! Ich habe nach den Söhnen dieses Mannes geforscht bis auf den heutigen Tag und doch niemals Etwas über sie vernehmen können.«

»Sie sind verschollen und verschwunden, spurlos, ohne Wiederkehr; Ihr dürft nicht nach ihnen fragen, denn es würde Euch keine Antwort werden; Ihr dürft nicht nach ihnen suchen, denn all’ Eure Mühe würde doch vergebens sein. Ihre Jugend ist gestorben, ihr Glück begraben, ihre Ehre vernichtet und ihr Name vergessen!«