Kostenlos

Der beiden Quitzows letzte Fahrten

Text
Autor:
0
Kritiken
iOSAndroidWindows Phone
Wohin soll der Link zur App geschickt werden?
Schließen Sie dieses Fenster erst, wenn Sie den Code auf Ihrem Mobilgerät eingegeben haben
Erneut versuchenLink gesendet

Auf Wunsch des Urheberrechtsinhabers steht dieses Buch nicht als Datei zum Download zur Verfügung.

Sie können es jedoch in unseren mobilen Anwendungen (auch ohne Verbindung zum Internet) und online auf der LitRes-Website lesen.

Als gelesen kennzeichnen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

»Ist das wahr, was Ihr mir da erzählt? Ich kann an diese außerordentliche Kunde gar nicht glauben. Die Quitzows waren doch selbst mächtig genug und hatten einen Anhang, wie ihn manch’ fürstlich Geschlecht nicht besitzt. Wie kann da das kleine Burggräflein von Nürnberg so einen gewaltigen Sieg über sie erringen?«

»Es ist keine Lüge, was ich Euch sage, obgleich es auch mir sehr schwierig wurde, an das Gerücht zu glauben.«

»Woher habt Ihr es vernommen?«

»Der Falkenmeister hat mir davon erzählt. Er ist vom Süden her durch die Marken gekommen und hat die Ereignisse alle selbst mit angesehen. Er meint, daß Dietrich wohl den Weg nach Stettin einschlagen werde, weil unsere Herzöge ihm gar wohl gewogen und stets seine Verbündeten gewesen sind.«

»Wenn die Kunde überhaupt wahr ist, so zweifle ich auch nicht daran, daß er nach Pommern kommen wird. Und dann, Vetter, dann mögen wir uns nur alle Mühe geben, ihn auf unsre Seite zu bringen. Er ist ein gewaltiger Kriegsheld und allein mehr werth, als ein ganzer Haufe reisigen Volkes. Die Wedels werden sich sofort an ihn machen, um ihn zu gewinnen, und wer ihn bekommt, der hat schon halb den Sieg errungen, noch ehe der Kampf überhaupt begonnen hat.«

»In dieser Sache, Vetter, will ich Euch nicht widersprechen, denn es ist wahr, was Ihr da ausgesprochen habt. Ich werde auch gar nicht säumen, ihn um seine Hülfe anzusprechen; nur müssen wir zuvor warten, bis er in Stettin eingetroffen ist. Fast möchte ich wünschen, daß dies bald geschehe; die Borks und Wedels werden immer unleidlicher, und sobald ich geschickt dazu bin, werde ich ihnen die Freundschaft abmelden. Aber sagt, was kommen dort für Reiter! Meine Augen sind nicht mehr so scharf wie früher und wollen mir in der Ferne den Dienst versagen. Könnt Ihr vielleicht ihre Farben erkennen?«

»Ich glaube,« antwortete Brunhilde an Stelle des Gefragten, der sich auch vergebens anstrengte, die Leute zu erkennen, »daß es Mannen des Herrn Henning von Kremzow sind. Ich habe schon oftmals Leute von ihm während der Jagd getroffen, wo ich ihnen begegnete.«

»Der Kremzow ist mit den Wedels verbündet. Sie wollen nach Güntersberg; laßt uns sehen, was sie von uns begehren!«

Simon gab seinem Pferde die Sporen und trabte den beiden Reitern entgegen. Als sie ihn erkannten, hielten sie an, und warteten, bis er in ihre Nähe gelangt war.

»Wer seid Ihr und wohin wollt Ihr?« frug er sie.

»Wir hegen Dienst bei dem tapfern Ritter Henning von Kremzow,« antwortete der Eine von ihnen, indem er ein versiegeltes Pergament hervorbrachte, »und wollen zu Herrn Simon auf Güntersberg, dem wir dieses Schriftenwerk zu überbringen haben.«

»Ich bin es selbst. Gebt es her!«

Er nahm es in Empfang und betrachtete es von allen Seiten, ehe er das ungeheure Siegel löste.

»Mein Name steht darauf, den kann ich lesen. Aber wie es ausschauen wird, wenn ich nach innen komme, darauf bin ich begierig.«

Er öffnete und faltete es auseinander.

»Da steht ja eine ganze Predigt geschrieben, so viel der Krähenfüße sind da zu buchstabiren. Ich vermag das nicht! Könnt Ihr es vielleicht, Vetter?«

»Wenn Ihr mich wieder fragt, so gebe ich Euch einen Klapps mit meinem guten Schwerte, daß Ihr in Ewigkeit an Eure Buchstaben denken sollt. Nehmt doch den Wisch mit nach Hause, der Pater wird ihn schon zu lesen wissen!«

»Aber ich möchte doch gleich wissen, was d’rin steht, damit ich den Männern Bescheid sagen kann.«

Da drängte der Falkenier sein Pferd herbei.

»Erlaubt, Herr Ritter, daß ich Euch die Schrift verdeutsche!

»Bist Du denn auch geschickt in so gelehrten Dingen?«

»Ein frommer und kluger Einsiedler hat mich darinnen unterrichtet.«

»So nimm und siehe, wie weit Du kommst!«

Friedländer ergriff das Schreiben und las den Inhalt desselben vor:

»Den Rittern und Herren Simon von Güntersberg,

Erasmus von Wedel und Janeke von Stegelitz, verzeichnet und geschrieben für sie und alle ihre Gesellen.

Nachdem wir vernommen haben, daß die Herren, Mannen und Leute des Ordens der deutschen Ritter gegen uns begehren und uns mit Krieg und Plage heimsuchen wollen, indem wir ihnen weder Böses noch Unritterliches gethan haben, so erfahren wir, daß die Herren Simon, Erasmus und Janeke von Güntersberg, Wedel und Stegelitz sich unterwinden, dem Orden gegen unser Hab und Gut als auch Leib und Leben beizuspringen, dahero wir in Anbetracht gestellt haben, daß uns damit ein großer Schade geschehe.

Also erfordert es die schuldige Pflicht und Ehre, uns der Unbilden kräftig zu wehren, zumalen wir nicht gesonnen sind, zu warten, bis man über uns herfalle, dieweil dies eine Thorheit wäre. Darum thun wir Euch hiermit zu wissen, daß wir von jetziger Stunde an Euch feindlich ansehen werden und all’ Eurem Beginnen begegnen mit der Schärfe des Schwertes und Euch absagen alle Liebe und Freundschaft so lange, bis Ihr daran genug erfahren habt!

Gegeben zu Kremzow und unterschrieben mit Kraft und Vorbedacht.

Henning von Wedel.

Friedrich von Wedel.

Heinrich von Bork.

Henning von Kremzow.

Auch zu gedenken aller Anderen von Wedel, Bork, Kremzow und Vieler aus dem Lande Stolpe.«

Noch hatte der Vorleser nicht vollständig geendet, so erhob Janeke den Arm und schlug einem der Botschafter mit der geballten Faust in das Gesicht.

»Hier hast Du unsere Antwort; bringe sie nach Kremzow, und vergiß nicht, sie gehörig auszurichten. Und nun macht, daß Ihr von hinnen kommt, es juckt mir in den Armen!«

Er griff nach dem Schwerte; sie aber waren klug genug, nicht auf das Folgende zu warten, sondern wandten ihre Pferde und ritten schneller davon als sie gekommen waren.

Trotz dieser unerwarteten und unliebsamen Unterbrechung wurde der Jagdzug fortgesetzt, denn es war eine so schleunige Verfolgung der Fehde, daß man hätte zurückkehren müssen, nicht im Mindesten zu erwarten. Die Cavalcade setzte sich in der vorigen Ordnung wieder in Bewegung; die Ritter vorn an der Spitze besprachen die zu ergreifenden Maßregeln; die Knechte gaben ihre Freude darüber kund, daß ein fröhlicher Strauß in Aussicht stehe, und der Wachtmeister Elias Siebenhaut konnte das bis jetzt beobachtete Schweigen nicht länger halten, zumal sich ihm eine treffliche Gelegenheit geboten hatte, mit höflicher Manier zu beginnen:

»Du kannst sogar lesen, wie ich höre?« frug er den in tiefen Gedanken neben ihm hinreitenden Falkenmeister. Leider erfolgte keine Antwort.

»Von einem frommen Einsiedler hast Du es gelernt, wie ich höre?«

Dieselbe Stille. Wieder keine Antwort.

»Du bist ein geschickter Kriegsmann und fast gelehrter, als der fette Bischof von Stettin!«

Vergebliche Mühe! Friedländer war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, als daß ihm an einem Gespräche mit dem schwatzhaften Wachtmeister viel hätte gelegen sein sollen.

»Wenn Du nicht antworten willst, so lässest Du es bleiben, wie ich höre! Aber ich sollte meinen, daß auf so höfliche Worte, wie ich sie gesagt habe, auch eine Gegenrede geleistet werden könnte. Wenn Du zu stolz bist auf Deine Gelehrsamkeit, um mit mir zu sprechen, so habe ich nichts dagegen, aber es wäre doch wohl besser gewesen, wenn wir gute Freunde geworden wären!«

Diese Strafpredigt erreichte ihren Zweck. Friedländer fuhr sich mit der Hand über die Stirn und meinte:

»Es war nicht bös gemeint, Elias, nur hatte ich Allerlei zu sinnen, mit dem ich erst fertig werden mußte!«

»So, dann will ich meine Rede zurücknehmen! Hier hast Du meine Hand. Mir ist es ganz so, als ob ich Dich lieb gewinnen könnte, und darum wollen wir alle Zeit gute Kameradschaft halten! Das ist jetzt noch mehr nothwendig als sonst, da wir nun gegen die Wedels und ihre Sippe zusammenzuhalten haben. Was mich betrifft, so fürchte ich mich nicht vor ihnen, wie ich höre, denn wir verstehen mit dem Schwerte umzugehen, und unter ihnen giebt es nur Einen, vor dem mir bange sein könnte. Das ist der alte Henning von Wedel auf Friedland.«

»Kennst Du ihn?«

»Habe ihn oft gesehen, wie ich höre. Der hat den Teufel im Leibe und fürchtet sich nicht, mutterseelenallein sich durch einen ganzen feindlichen Heereshaufen hindurch zu schlagen. Er hat schon oft mit dem deutschen Orden angebunden und stets den Sieg davongetragen, nur vor kurzer Zeit ist er einmal in Unglück gerathen und gefangen genommen worden, wie ich höre. Freilich ist es gar bös hergegangen, ehe sie ihn bekommen haben, und lange haben sie ihn auch nicht behalten mögen, sondern ihn gegen das Gelöbniß eines Lösegeldes frei gelassen. Hätten sie das nicht gethan, so wäre er ihnen eines schönen Tages davongegangen und sie hätten den Aerger und das Nachsehen gehabt, wie ich höre.«

»Davon habe ich auch vernommen. So ist er also wieder in Friedland?«

»Ja, heut aber in Kremzow, wie Du ja selbst vorgelesen hast. Er hat doch das Instrument mit unterschrieben, wie ich höre. Der ist ein gar kluger und unternehmender Patron. Erst hat er ein Lösegeld versprochen, und nun sagt er die Fehde an; er holt sich also vorher bei Denen, denen er es nachher bezahlt. Ist dies nicht ein gescheidter Einfall, wie ich höre?«

»Das gebe ich zu,« antwortete der Falkenmeister mit einem eigenthümlichen Lächeln.

»Eigentlich ist es doch sonderbar, daß Du nach Güntersberg gerathen bist und nicht nach Altenwedel, wo Dich der Weg durchgeführt hat. Auch Dein Name würde zu den Wedels passen. Sie haben zwei Hennings, den jungen und den alten, und Du heißest auch so; diese beiden Hennings wohnen auf Friedland, und Dein Name ist Friedländer. Ist das nicht eigenthümlich, wie ich höre?«

»Allerdings. Der Zufall ist oft ein wunderbarer Kauz, und in Altenwedel bin ich nicht eingekehrt, weil ich vernahm, daß man dort schon genugsam mit trefflichen Falken versehen sei. Kennst Du den jungen Henning?«

»Nein. Man hat ihn hier in dieser Gegend gar nicht viel zu sehen bekommen; aber was man über ihn vernimmt, das ist nur lob— und tugendsam. – Was giebt es? Soll die Jagd beginnen?«

 

»Meine Vögel werden unruhig; trotz der Kappe riechen sie, daß sie sich nun auf dem Jagdgebiete befinden. Halte Dich von jetzt an an meiner Seite!« rief er dem Knechte zu, welcher die Cage trug.

Jetzt parirte Brunhilde ihren Zelter und blickte zurück.

»Haltet Euch bereit,« rief sie dem Falkenmeister zu, »es beginnt die Gegend, in welcher wir jagen werden!«

»Wollt Ihr eins der Thiere zu Euch nehmen, Jungfrau?« frug er zurück.

»Gebt her! Ich will es versuchen.«

Er löste einen schlanken Blaufuß von der Cage und setzte ihn ihr auf die kleine, mit einem starken Handschuh versehene Hand.

»Laßt ihn nicht eher gehen, als bis ich Euch das Zeichen gebe!«

Er setzte sich jetzt mit dem Cageträger an die Spitze des Zuges und richtete sein helles, scharfes Auge forschend auf die Umgebung. Da plötzlich griff er, ohne daß Jemand von den Anderen ein Wild bemerkt hatte, in die Cage, riemte einen starken Isländer los, zog ihm die Haube vom Kopfe und warf ihn mit kräftigem Schwunge gegen den Wind in die Luft.

Das Thier stieg in die Höhe und zog einen weiten Kreis, der sich spiralförmig immer mehr verengerte. Es war ein Hase, der durch die Moorgräser brach. Die Angst vor dem Raubvogel, welcher über ihm schwebte, ließ ihn die Jagdgesellschaft gar nicht beachten, so daß er grad’ auf dieselbe zurannte und sich eben anschickte, über die Straße zu springen, als der Falke herabstieß, ihn mit seinen Fängen packte und mit einigen Schnabelhieben auf den Kopf tödtete.

»Sagt Jungfrau,« frug Friedländer, »soll der Vogel den Hasen haben oder das Falkenrecht?«

»Er hat ihn gar wohl verdient, aber ich kann das häßliche Zerreißen nicht sehen. Gebt ihm sein Recht!«

Er rief den Falken mit einem kurzen »Hilo!« wieder zu sich und gab ihm anstatt der Beute ein Stück Fleisches, welches einer der Knechte in einer dazu bestimmten Büchse bei sich führte. Man nannte diese Belohnung für den gelungenen Fang »das Falkenrecht«.

Nachdem der Hase aufgenommen war, setzte sich der Zug von Neuem in Bewegung, und Jedermann hielt fleißige Umschau, ob irgendwo ein Wild zu erblicken sei. Keinem wollte das gelingen, und doch rief der Falkenmeister jetzt, zu Brunhilde sich umwendend:

»Wollet doch jetzt Euren Vogel werfen! Es giebt jetzt eine edlere Jagd!«

»Ich sehe doch kein Wild?«

»Werft ihn nur! Das kleine dunkle Fleckchen dort grad über uns ist ein rother Milan, auch Gabelweihe genannt, ein gar trefflicher Flieger, den Euer Blaufuß herunterholen soll.«

Sie warf den Letzteren, nachdem sie ihn abgehäubt hatte, empor; das schöne, schlanke Thier stieg in einer weiten, raschen Schneckenlinie zur Höhe. Der Milan erkannte den gefährlichen Feind und schoß, ohne sich zu erheben oder zu senken, in grader Richtung auf und davon, und es schien ganz so, als ob er ihm entgehen werde, denn als sich Beide in einer und derselben Höhe befanden, war das Raubwild schon soweit von seinem Verfolger entfernt, daß es gar nicht mehr zu erkennen war. Der Letztere stieg immer noch und schwebte dann wie bewegungslos hoch oben in der Luft. Jetzt aber mußte er seinen Feind gesehen haben, denn er stieß plötzlich mit einer solchen Schnelligkeit in der Richtung von dannen, welche dieser eingeschlagen hatte, daß auch von ihm bald gar nichts mehr zu sehen war.

»Sie werden uns entgehen,« rief die schöne Jägerin, »und wohl alle beide! Wir müssen ihnen nachfolgen!«

»Wollet nur immer hier bleiben! Der Blaufuß hält seine Jagd nur so, daß wir sie sehen können.«

Wirklich sollte dieses Wort auch sofort in Erfüllung gehen, denn es erschien am Himmel ein Punkt, welchem ein anderer, seitwärts über ihm stehender folgte. So oft der Eine eine abgehende Richtung einschlagen wollte, legte der Andere sich ihm in den Weg und zwang ihn so, sich nach der Gesellschaft hinzubewegen. Es war die Gabelweihe, getrieben und gehetzt von dem Blaufuß. Als Beide sich so ziemlich über der Jagdcavalcade befanden, stieg der Letztere ein wenig höher und stieß dann mit solcher Kraft auf seinen geängsteten Flüchtling, daß er, diesen in den Fängen, mit ihm fast bis herab zur Erde schoß. In geringer Höhe machte er ihm den Garaus und kehrte sodann auf die ausgestreckte Hand der Jungfrau zurück. Auch er erhielt sein wohlverdientes Falkenrecht.

Durch diese beiden glücklichen Erfolge wurde die Passion der Jäger lebhaft angeregt; die Gegend war reich an Wild und so kam es, daß man eine Beute machte wie fast nie zuvor. Man vergaß ganz, auf Pfad und Weg zu achten und befand sich zuletzt auf einer Waldblöße, die Keiner kannte; man hatte sich verirrt, und vielleicht gar auf fremdes Gebiet. Das war eine gar unangenehme Sache; der Grund und Boden, auf welchem man sich befand, konnte leicht einem der Männer gehören, welche den Absagebrief geschrieben hatten, und wurde man mit all’ den Jagdvorrichtungen angetroffen, welche man bei sich führte, so stand vielleicht noch Schlimmeres zu erwarten, als eine bloße Zurechtweisung.

»Darüber mögt Ihr Euch nicht kränken,« meinte Herr Janeke von Stegelitz. »Wir stellen die Beitze ein und kehren ruhig nach Güntersberg zurück. Da links steht die Sonne, rechts geht es also zurück, wir werden wohl bald in eine Gegend gelangen, wo uns der Weg bekannt ist. Und werden wir ja von irgend einem Ueblen betroffen, so sind wir Mannes genug, uns unserer Haut zu wehren.«

»Ja, wenn wir zu einem ernsten Kampfe ausgerüstet wären und nicht zu einem leichten Jagdritte, wie ich höre,« brummte der Wachtmeister Elias Siebenhaut in den Bart. »Wenn ich nicht ganz und gar irre, so befinden wir uns hier auf Sukower oder gar Kremzower Gebiete, denn wir sind ein Weniges sehr weit nach Abend zu geritten, wie ich höre. Ich fürchte mich vor Niemandem, aber doch wollte ich, wir säßen auf Güntersberg bei unserm Dünnebiere! Greift in die Zügel, Ihr Leute, damit wir von hier fortkommen! Ihr seht, die beiden Ritter sind schon voran; auch sie scheinen ganz besondere Eile zu haben, wie ich höre!«

Er trabte mit seinen Knechten den Herren nach, welche Brunhilde wieder in ihre Mitte genommen hatten. Der Falkenmeister folgte zuletzt und ganz allein. So ritten sie, ohne es zu wissen, zwischen dem Flüßchen Ihna und der Stargard-zachaner Straße dahin und kamen eben über ein Stück offenen Bruchlandes, als eine Schaar Reiter aus dem jenseitigen Waldesrande hervorbrechen wollte, sich aber bei dem Anblicke der Jagdgesellschaft sofort wieder hinter die Bäume zurückzog. Wenige Sekunden später entfernte sich auf Befehl des Anführers ein Theil derselben nach der Seite hin, um den Nichtsahnenden in den Rücken zu kommen. Diese hatten jetzt den Bruch überschritten und schickten sich an, in einen Waldweg einzubiegen, als sie einen Reiter erblickten, welcher ihnen langsam auf demselben entgegenkam. Die beiden Ritter stutzten, als sie den ihnen Wohlbekannten erblickten, und Elias Siebenhaut murmelte ebenso überrascht:

»Das ist bei Gott Herr Friedrich von Wedel, wie ich höre, der den Fehdebrief heut mit unterschrieben hat.« Dann setzte er halblaut hinzu: »Macht die Klingen blank, Ihr Leute, es ist jetzt Krieg, und wir werden den Mann gefangen nehmen, der uns so glücklich in den Weg läuft!«

Dieser aber schien so Etwas gar nicht zu befürchten, denn mit der ruhigsten Miene von der Welt hielt er sein Pferd an und rief ihnen entgegen:

»Gott zum Gruß, Ihr liebewerthen Herren von Güntersberg und Stegelitz! Wenn ich nicht mit diesen meinen eigenen Ohren vernommen hätte, wie schön Ihr unser Schreiben dem Boten mit der Faust vergolten habt, so würde ich glauben, daß unsere Absage noch gar nicht zu Euch gelanget sei. Es will mich baß verwundern, daß Ihr unter diesen Umständen auf dem Grunde und Boden meines Freundes und Verbündeten, des Edlen von Kremzow, der Beitze pflegt und ihm das Wild wegnehmt, welches ihm allein gehört. Darum muß ich Euch bitten, mit nach Kremzow zu kommen, wo Ihr Euer Thun verantworten möget!«

»Nach Kremzow, Ritter? Ihr seid wohl nicht recht bei Sinnen?« antwortete Janeke von Stegelitz. »Ihr habt Euch doch wohl nur versprochen und meint, daß Ihr mit nach Güntersberg wollt, um an dem Mahle Theil zu nehmen, welches wir noch ungebraten in unseren Taschen bei uns führen!«

»Meint Ihr? Es ist seit langen Zeiten kein so schmuckes Jüngferlein auf Kremzow eingekehrt, darum will ich meinem alten Henning die Freude machen, sie ihm zuzuführen.«

»Wagt es, sie anzutasten!« rief jetzt Simon von Güntersberg, indem er das Schwert entblößte und gegen Friedrich von Wedel anritt.

Dieser war ein schlauer Kopf; er wollte die Feinde gern in die Mitte des Bruches zurück haben, um sie besser umzingeln zu können, und that daher jetzt, als wolle er vor Simon die Flucht ergreifen. Dieser folgte ihm mit Janeke und den Knechten, aber noch waren sie kaum einige Pferdelängen geritten, so brachen ringsumher die Reisigen Friedrichs aus den Büschen und schlossen die unbedachtsamen

Männer in ihre Mitte. Sofort entspann sich ein Kampf, der mit der Ueberwindung und Gefangennahme der Letzteren geendet hätte, wenn ihnen nicht ein eigenthümliches Ereigniß zu Hülfe gekommen wäre.

Der Falkenmeister nämlich war ein Weniges zurückgeblieben und aus diesem Grunde bei dem Angriffe nicht beachtet worden. Sobald er die Reiter herbeieilen sah, verdüsterten sich seine Mienen und die Stirn zog sich in zornige Falten.

»Das ist ein unglückseliges Ereigniß, welches mich verrathen kann,« sprach er vor sich hin, indem sein Auge Brunhilde suchte, welche am Waldesrande zitternd auf dem Pferde hielt und nicht wußte, ob sie fliehen oder bleiben solle. »Sie ist ungefährdet und soll auch den Vater behalten!«

Bei den letzten Worten zog er den Degen, stürmte auf die Kämpfenden zu und drängte sein Pferd zwischen Friedrich von Wedel und Simon von Güntersberg, deren Klingen sich gar lustig kreuzten. Mit einigen kräftigen, aber vorsichtigen Hieben schlug er Friedrich zurück, trennte ihn von dem Knäuel, den die Anderen bildeten, ab und raunte ihm dann heftig zu:

»Kennt Ihr mich noch, Vetter?«

»Bei allen Heiligen, bist Du es, Henning?«

»Schlagt zu, schlagt nur immer d’rauf los, als ob wir Feinde wären!«

»Warum denn? Was machst Du bei den Güntersbergern?«

»Das werde ich Euch später erzählen. Sagt dem Vater noch nicht, daß ich zurückgekehrt bin! Ich war nur erst auf Altenwedel, und der Ohm weiß, weshalb ich bei dem Simon bin. Ihr dürft heut’ Niemand gefangen nehmen; begnügt Euch mit dem Gelöbnisse eines Lösegeldes!«

»Wenn Du es willst, so mag es sein! Du wirst wohl gute und ehrbare Gründe haben!«

»Bei Gott, das sind sie!«

»Nun wohl. Laß ab von mir!«

Dieses kurz abgerissene Gespräch wurde während eines heftigen Scheinkampfes geführt. Als die Beiden sich den Anderen wieder zuwandten, stieg Simon eben vom Pferde; er hatte sich der Uebermacht nicht länger erwehren können und beabsichtigte, dem Anführer sein Schwert zu übergeben. Dieser aber wies mit einem Winke der Hand das Ansinnen zurück. —

»Ihr habt Euch tapfer gewehrt, Ritter, und darum sollt Ihr Euren Degen behalten. Ich sehe gar wohl, daß Ihr nicht in feindseliger Absicht hierher gekommen seid, und darum will ich Euch nicht Eurer Freiheit berauben, trotzdem es mir und den Meinen großen Schaden bringen wird, wenn ich Euch ungehindert von hinnen gehen lasse. Die einzige Sühne, welche ich Euch für die Wunden, welche Ihr hier meinen Knechten geschlagen habt, auferlege, ist die, daß Ihr mir bis zum Tage des heiligen Johannes fünfzig Schock böhmischer Groschen zahlt. Versprecht Ihr mir das, so könnt Ihr mit den Euren gehen, wohin es Euch beliebt.«

»Das will ich gar wohl versprechen!« rief Simon von Güntersberg, erstaunt über die billige Bedingung, welche ihm ganz wider Erwarten gemacht wurde. »Aber sagt, woher es kommt, daß Ihr Euren Sieg um einen solchen Preis verkauft?«

»Das sollt Ihr wohl erfahren! Dieser Mann, welcher Euer Falkenmeister ist, wie ich aus seiner Kleidung ersehe, ist mir einst im fremden Lande begegnet und hat mir einen großen Dienst geleistet, den ich ihm noch schuldig bin. Er soll auch Euch zu gute kommen.«

»Welcher Dienst war dies?«

»Laßt es Euch von ihm selbst erzählen; aber haltet ihn in Ehren, denn Ihr bekommt keinen Andern wieder, der sich in allen ritterlichen Künsten mit ihm messen könnte, und ihm allein habt Ihr es zu verdanken, daß Ihr so glimpflich aus dem heutigen Treffen davonkommt. – Doch das betrifft blos Euch und die Eurigen,« fügte er hinzu, indem er sich nun mit finsterer Miene zu Janeke von Stegelitz wandte. »Ihr, Herr Janeke, habt unsern Boten mit Schimpf und Schande behandelt, ihn mit der Faust in das Gesicht geschlagen und ihm anbefohlen, diese Antwort, also den Faustschlag, uns zu bringen. Das ist eine schwere und bittere Beleidigung für uns und zugleich ein Thun, wie es sich nicht für einen Ritter ziemt, sondern nur bei gemeinen Knechten in Gebrauch zu sein pflegt. Dennoch will ich auch Eurer nach besten Kräften schonen um des Mannes willen, in dessen Nähe ich Euch getroffen habe. Ihr versprecht, mir bis zu demselben Tage Johannes des Täufers zweihundert Schock böhmischer Groschen ohne Einwand, Abzug und sonstige Verminderung zu zahlen, dann könnt Ihr meinetwegen fröhlich von hinnen reiten; weigert ihr Euch aber dieses Versprechens, so nehme ich Euch mit mir, und meine Verbündeten mögen dann bestimmen, gegen welche Buße Ihr freigelassen werdet.«

 

Das klang jetzt allerdings schärfer als vorhin, aber er mußte froh sein, überhaupt Bedingungen zur sofortigen Befreiung gemacht zu bekommen, denn eigentlich war mit seiner und der Gefangennahme Simons die Fehde schon vor ihrem ernsteren Beginne fast so gut wie beendet, da mit dem Ergreifen der Anführer der schlimmste Streich ausgeführt worden war, der überhaupt befürchtet werden konnte. Der Dienst, welchen der Falkenmeister Herrn Friedrich geleistet hatte, mußte ein sehr großer und bedeutender sein, wenn ihm solche Vortheile geopfert wurden, und so milde Gesinnungen durften nicht unbenutzt vorüber gelassen werden. Janeke nahm die Bedingung an und gelobte ehrliche und anstandslose Zahlung des Geldes. Nun wandte sich der nachsichtige Sieger zu Brunhilde, welche es während der letzten Verhandlung gewagt hatte, näher zu kommen.

»Gern hätte ich Euch, edle Jungfrau, mit nach Kremzow genommen, in dessen finstern Räumen das Weilen eines holden Wesens Licht und Freude ausgebreitet hätte, Euer Falkenmeister aber hat mich gebeten, Euch und die Euren nicht von der werthen Heimath zu trennen, und ich habe seinen Wunsch erfüllt, weil ich ihm ebenso, wie jetzt auch Ihr, zu großem Danke verpflichtet bin. Vergeßt dieses Dankes nicht, schöne Dame, und vertraut Euch seiner Obhut immer an, Ihr werdet wohlverwahret sein!«

Mit anstandsvollem Gruße verneigte er sich, winkte seinen Knechten und ritt davon. Der Jagdtrupp hielt noch eine Weile auf der Stelle. Man mußte über das Geschehene erst zur richtigen Besinnung und Ruhe kommen. Fragen und Antworten drängten sich hin und her, und ganz besonders war es Henning Friedländer, welcher Rede stehen sollte. Dieser aber wies die Neugierigen mit den Worten ab:

»Laßt diese Sache jetzt ruhen, Ihr Herren! Später werdet Ihr es ja erfahren, wogegen hier nicht der Ort zu langen Erzählungen ist. Noch sind wir nicht auf Güntersberger Flur und müssen vor allen Dingen darnach trachten, uns in Sicherheit zu bringen.«

Die Wahrheit, welche diese Weisung enthielt, war nicht in Abrede zu stellen; darum wurde sie auch befolgt und man ritt davon. Der Weg führte in vielen Windungen durch den Wald und mündete endlich auf die Straße, wo nun kein Verirren mehr zu befürchten war. Sie standen eben im Begriffe, den Forst zu verlassen, als um eine Krümmung der Straße herum zwei Reiter kamen, deren Kleinode an Panzer, Helm und Schild in den Strahlen der untergehenden Sonne erglänzten. Der Eine war von hoher, breiter und gebieterischer Gestalt, ein wahrer Enackssohn, für den jede einzelne Panzerschiene jedenfalls besonders zugeschmiedet werden mußte; der Andere zeigte eine kräftig untersetzte, gedrungene Figur, die nicht minder geeignet war, Respect einzuflößen. Sie waren in ein lebhaftes Gespräch vertieft und hatten die Güntersberger nicht bemerkt.

»Das ist der Henning von Wedel auf Friedland,« meinte Stegelitz. »Jetzt können wir uns unser Lösegeld verdienen grad’ so, wie er es zu machen gedenkt! Wer mag der Andre sein, Vetter?«

»Kenne ihn nicht. Scheint auch nicht viel Spaß zu verstehen!«

»Nein, Spaß versteht der nicht, Herr Ritter,« berichtete der Wachtmeister Elias Siebenhaut. »Es ist nämlich der Heinrich von Bork auf Labasa, dem ich vor Euch einige Jahre gedient habe, wie ich höre, ein gar strenger und unbeugsamer Gast, der einen Ochsen bei den Hörnern faßt und ihn auf die Seite wirft wie eine alte, lebenssatte Milchziege. Die haben ganz sicher einen Spazierritt gemacht und kehren nach Kremzow zurück, wenn nicht etwas Anderes und Schlimmeres dahintersteckt, wie ich höre. Denn im vollen Harnisch reitet man blos dann aus, wenn man einen fröhlichen Tanz vor sich hat.«

»Der Henning und der Bork,« rief Stegelitz. »Das darf uns gar schön passen! Wenn wir sie gefangen nehmen, so haben wir den ganzen Kriegszug gewonnen. Drauf Ihr Leute; wir sind unserer genug, um sie niederzuschlagen!«

»Herr Ritter,« bat jetzt der Falkenmeister, »wenn es wirklich Herr Henning auf Friedland ist, so sind unserer nicht zur Hälfte genug, um ihn müde zu machen. Begebt Euch nicht in neue Gefahr, sondern laßt die Ritter ruhig vorüberziehen. Ihr könntet es sonst bitter bereuen!«

»Was sagst Du? Wie magst Du als ein Knecht es wagen, mir gute Lehren zu geben? Wenn Du Dein Maul noch einmal öffnest, so schlage ich Dich nieder! Wenn Niemand mitgeht, so werde ich mich ihnen allein entgegenstellen.«

Die Augen Friedländers warfen einen Blitz auf den Sprecher, welcher diesen aufmerksam gemacht hätte, wenn er weniger zornig gewesen wäre.

»Ob Ihr mich zu Boden schlagt, Herr Janeke, das würde sich zeigen. Ich sage Euch, zwanzig Männer wie Ihr würden bei mir keine Schiene brechen, und der Henning allein nimmt ihrer dreißig. Wenn Ihr wollt, so versucht Euer Heil, aber auf mich dürft Ihr Euch nicht zum zweiten Male verlassen. Ich bin nicht für den offenen Kampf, sondern nur zu Diensten für unsere Jungfrau gedungen und kann diesen Dienst nicht besser leisten, als daß ich Euch warne, denn Ihr bringt das edle Fräulein in eine Gefahr, aus welcher Ihr sie nicht wieder zu retten vermögt.«

Simon von Güntersberg sah die Wahrheit dieser Worte wohl ein, aber er durfte unmöglich zugeben, daß sein Knecht in dieser Weise mit seinem Freunde und Waffenbruder rede.

»Du wirst wohl schweigen,« gebot er, »und erst dann zu sprechen beginnen, wenn ich es von Dir fordere!« Und sich zu Janeke von Stegelitz wendend, fügte er hinzu:

»Es will mir allerdings erscheinen, daß es besser sei, wenn wir sie unbehelligt vorüberziehen lassen. Wir tragen nur unsere Wämser, sie aber ihre Schlachtgewänder, und dabei ist immer noch zu befürchten, daß der Friedrich von Wedel oder ein Anderer noch in der Nähe weilt und uns ein schlimmes Salz in die Suppe wirft.«

»Thut, was Ihr wollt, Vetter, aber ich sage Euch, wir können hier zu viel gewinnen, als daß wir nicht auch etwas wagen sollten, und wenn Ihr diese treffliche Gelegenheit unbenutzt vorüber laßt, so mögt Ihr Euch nur immerhin nach einem andern Bundesgenossen umsehen. Kann ich die Fehde mit einem Schlage beendigen, so werde ich sie nicht weiter führen, wenn Ihr mich an diesem Streiche hindert.«

»Aber meine Tochter?«

»Nun, es ist Euch ja genugsam gesagt worden, daß sie unter einem guten Schutze stehe. Laßt sie doch bei ihm zurück, bei Eurem Knechte, der sich weigert, für Euch das Schwert zu ziehen! Jetzt aber entschließt Euch; sie sind schon nahe genug!«

»Nun wohl, so mag es sein; ich will es mit Euch wagen. Legt das Jagdzeug weg und nehmt die Schwerter zur Hand. – Dir aber,« sprach er, zu Friedländer gewendet, »übergebe ich die Jungfrau. Sorge dafür, daß sie für alle Fälle sicher ist.«

»Ich wollte, er übergäb mich Dir auch,« meinte Elias leise zu dem Falkenmeister; »die Risse und Schmarren sind gar nicht zu zählen, welche wir da bekommen werden, wie ich höre. Wir haben sie gewarnt und ich werde das Meinige, so lange ich es erträglich finde, thun, dann aber – – na, wir werden es ja sehen, wie ich höre!«

Der Angeredete antwortete nicht. Er half, das Jagdzeug schnell in das Dickicht zu verbergen und nahm dann, abseits von den Anderen, am Waldesrande Platz, wo er bleichen Angesichtes zwischen einigen engverwachsenen Stämmen hindurchlugte.