Vier Frauen allein in Istanbul

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Dienstag, 06.10.2009

Hagia Sophia, Großer Basar

Das Frühstück genießen wir bei herrlicher Sonne auf der Dachterrasse und machen uns anschließend zu Fuß auf zur Hagia Sophia (Ayasofia), die natürlich für jeden Istanbul-Reisenden zum Pflichtprogramm gehört.

Vor dem Eingang steht gerade eine etwas längere Schlange, die die gleiche Idee hat und wartet, dass sie in die Moschee gelassen wird. Das kann länger dauern, denn das Ende der Schlange verliert sich irgendwo hinter der nächsten Straßenecke. Wir ändern unseren Plan und beschließen, erst einmal eine Stadtrundfahrt mit einem Hop-on-hop-off Bus zu machen, denn der Abfahrtplatz ist ganz in der Nähe vor der Sultanahmet Moschee.

Für den Fall, dass jemand nicht weiß, wo er hingehen muss, stehen überall nette junge Männer und preisen mit Faltblättern in der Hand die Busfahrten an. Sie bringen die Touristen auch direkt zum Bus, wenn es sein muss. Zuerst zum Tickethäuschen und warten. Auch hier steht eine nette kleine Schlange. Als wir endlich dran sind, erklärt uns der freundliche Mann am Schalter etwas.

????

Wir lächeln, er nicht. Was haben wir falsch gemacht? Er wedelt mit dem Zeigefinger. „NoTickets today!“ Ratlos sehen wir in die Runde. Ein junger Mann eilt sofort hilfsbereit herbei und klärt uns auf, dass gerade eine Demo stattfindet gegen den Internationalen Währungsfond oder so ähnlich. Darum können die Busse nicht fahren, weil die Straßen um den Taksim Platz abgesperrt sind. Na so was.

Ein Blick zurück zur Hagia Sophia zeigt uns, dass die Schlange sich ein bisschen verkürzt hat. Und Bärbel möchte so so so gerne in die Moschee, die eigentlich ein Museum ist, dass wir beschließen, uns jetzt doch dort anzustellen. Es wird ja wahrscheinlich sowieso niemals ohne Schlange gehen. Der Eintritt kostet für Erwachsene (Tam) 20 Türkische Lire (TL). Das Ticket ist nur gültig am Tag, an dem es bezahlt wurde (Bilet alindigi gun bir kez gecerlidir).

Die Hagia Sophia muss man mögen. Bärbel findet sie ganz wunderbar, ich grusele mich dort ein wenig. Ich finde sie düster und unheimlich.

Man sieht ihr schon von außen an, dass sie ursprünglich keine Moschee war. Die vier Minarette, die sie umgeben, passen nicht zu dem wuchtigen Bau, der wie eine fette Henne auf seinem Hügel sitzt. Geht man den ehemaligen „Reitweg“, einen grob befestigten Rundweg hoch, kommt man in die erste Etage auf eine Empore, auf der sich damals die Frauen aufgehalten haben. Von hier aus kann man durch die Gitterfenster nach unten in die Moschee schauen. Wenn man schwindelfrei ist! Man bestaunt den großen Innenraum mit den bemalten Kuppeln, der ebenfalls an eine christliche Kirche erinnert. Nur die riesigen Schilde mit arabischen Schriftzeichen zeigen an, dass man es hier heute mit einem islamischen Haus zu tun hat. Sehenswert sind natürlich die vielen Mosaike, die die Wände schmücken und alle möglichen Heiligen- und Christusbilder zeigen. Und Gold gibt es! Hier müssen sich die Vergolder tatsächlich eine goldene Nase verdienen.

Durch ein kleines Fensterchen im umlaufenden Rundgang kann man hinübersehen zur Blauen Moschee und sieht gerade noch die Kuppeln und die Spitzen der Minarette. Im Gegenlicht entsteht ein wunderschönes Foto, das unbedingt als Motiv für den Malkurs herhalten muss. Nachdem wir die Hagia Sophia oder auch rote Moschee (weil sie tatsächlich rot ist), die als christliche Basilika gebaut und erst später zur Moschee umfunktioniert wurde, ausgiebig besichtigt haben, suchen wir uns einen Essplatz und finden in einer Seitenstraße ein nettes kleines Restaurant. Man sitzt ein bisschen schief, das liegt aber nur an der Steigung der Straße, der das Restaurant folgt. Der Autoverkehr drängelt sich an uns vorbei und wir beobachten interessiert, wie es möglich ist, auf so wenig Platz mit so vielen Autos zu rangieren. Aber mit einem kräftigem Hupen lässt sich am Ende jede noch so vertrackte Situation meistern. Während wir uns anhand der ausgehängten Bilder das Essen aussuchen, erklärt Rike uns die Grundlagen der türkischen Sprache:

Seker (Scheker) = Zucker , bir = 1, cay = Tee. Also: bir cay für Rike und Brigitta, bir Efes für Bärbel und bir für mich. Der Restaurantbesitzer freut sich.

Hinter uns kommt gerade ein Lastenträger mit einem riesigen Holzgestell auf dem Rücken die Straße hoch. Das Holzgestell ist bis über seinen Kopf hinweg vollgestapelt mit zugeschnittenen Anzughosen.

Die werden von dem Träger nebenan in die Schneiderei getragen. Kaum ist der eine Träger im Haus verschwunden, kommt der nächste aus der Tür heraus und bringt zusammengenähte Hosen zur nächsten Näherei.

Wahrscheinlich werden dort die Reißverschlüsse eingesetzt usw. Auch eine Art von Fließband. Gut gestärkt wollen wir jetzt den Großen Basar suchen, von dem wir schon so viel gehört haben. Bärbel braucht eine Decke und ich brauche eine Lampe. Auf unserem Weg fällt uns rechts ein Gebäude auf, dass aussieht wie zwei Kuppeln mit „Weckgläsern“ oben auf dem Dach. Was kann das sein?

Da steht es am Eingang: Cemberlitas Hammami. Ein Hammam also.

Oh, das sieht ja gut aus auf den Fotos. Der Eintritt kostet hier 95 Lire und alles ist dabei. Soll auch alles ganz neu und super sauber sein. Das werden wir uns unbedingt merken. Während wir noch so stehen und unsere „Flyer“ einstecken, erklingt der Muezzin von der Blauen Moschee. Allllaaaaaaahhhh.....ch. Er singt ein Stück und macht Pause. In die Pause fällt ein anderer Muezzin von rechts ein und singt das gleiche Stück. Alllllaaaaaahhhhhh.......ch. Pause. Weiter von links – Pause – von rechts ..................Das klingt genial, wie die beiden Stimmen immer abwechselnd erklingen. Das müssen wir festhalten.

Brigitta ruft ihre Tochter an und hält das Handy in die Luft. So etwas Schönes kann man gar nicht richtig beschreiben. Da stehen uns doch ein bisschen die Haare hoch. Nachdem diese wunderbare Musik abgeklungen ist, wandern wir weiter zum Großen Basar, der eigentlich der überdachte Basar heißt. Er besteht aus vielen vielen Straßen und Gassen rund um die Moschee in Beyazit. Die Straßen und Gassen hat man früher mit Zeltleinen überspannt, später mit Holz überdacht. Auf diese Weise ist ein Gewirr von Straßen, Sträßchen und Gassen entstanden, in dem man sich ganz wunderbar verlaufen kann. In den verschiedenen Häusern befinden sich Geschäfte, die zum Teil schon seit Generationen im Besitz der gleichen Familie sind. Der Basar ist prächtig, voll, zunächst ein bisschen unübersichtlich, bunt, lebhaft, schön und auch anstrengend, weil man seinen Mund auf Dauerlächeln stellen muss und ununterbrochen „No, thank you“ vor sich hinbrabbelt.

Jeder Geschäftsinhaber hat mindestens einen jungen Freund, der vor dem Geschäft die Touristen anspricht und erzählt, wer alles schon bei ihm im Laden war, von Toni Blair bis George Bush alles schon da gewesen, Scheichs auch schon, andere Berühmtheiten auch schon, und jetzt wir!! Jetzt kommen wir und wir sind etwas ganz ganz Besonderes. „Bitte kommen Sie doch rein, meine Damen. Kommen Sie, nichts kaufen, einfach nur ein Glas Tee trinken. Sind wir Türken und immer gastfreundlich. Yussuf, bring apple cay, nehmen Sie Platz meine Damen, hier, habe ich extra ein Sofa für Sie, können Sie bei der Gelegenheit einen Blick auf unser türkisches Kunsthandwerk werfen, alles handgemacht, alles echte Farben, geht nichts kaputt, ist nicht billig, aber säääähhrr gute Qualität, ah Yussuf, stell den Tee dahin, woher kommen Sie, meine Damen, ja, Stuttgart kenne ich auch, einen Onkel habe ich auch in Berlin, schauen Sie, schauen Sie, nur schauen, nicht kaufen, diese wunderschöne Decke hier, nur schauen, kein Preis, Preis ist später, können wir über alles reden, meine Damen.........“ Das passiert uns kein zweites Mal!

Das nächste Mal gehen wir freundlich lächelnd am Deckengeschäft vorbei und linsen nur ganz beiläufig auf die Waren. Niemals stehen bleiben und sagen „Oh, guck mal, schön....“. Schon verloren. Wenn man es aber im Basar lange genug aushält und sich in die hinteren Ecken wagt, dann kann man auch richtig einkaufen. Wir finden schließlich ganz am Rand ein Geschäft mit gewebten Decken. Die sind wirklich schön und wir einigen uns auf anständige Preise. Eine Decke für Bärbel, eine für Rike und ein gewebtes Laken für mich.

Ach ja, die Lampe fehlt noch. Nach der Deckenstraße kommt die Lampenstraße. So scheint hier alles organisiert zu sein: Gibt es ein Deckengeschäft, ist die ganze Straße voller Deckengeschäfte, gibt es ein Lampengeschäft, dann sind auch alle anderen Geschäfte in der Straße Lampengeschäfte, danach die Schuhstraße, die Restaurantstraße usw.

Vor dem ersten Lampengeschäft steht ein freundlicher junger Mann und lächelt mir zu: „Meine Dame, kommen Sie, schauen Sie, nur schauen...“

Jawoll, dieses Mal schaue ich. An die tausend bunte Lampen hängen an der Decke. Eine schöner als die nächste. Die da oben, die würde ich gerne einmal anschauen: „Kein Problem Madam“ erklärt der Ladenbesitzer und ruft nach Yussuf...

Yussuf holt einen Schemel, nimmt einen langen Stock mit Haken, klettert zwei Stufen hinauf auf den Schemel, hängt mit dem langen Stock die Lampe aus, klettert zwei Stufen wieder hinunter und hält mir die Lampe hin. Ah, wunderschön. Was soll die kosten?? „Ah, Madam, gnädige Frau, ist gut Qualität, können wir reden.........“. Endlich ein Preis. Na ja, da sollten wir tatsächlich noch einmal drüber reden. Aber da oben ist noch eine andere Lampe. Darf ich die auch mal sehen? „Aber natürlich, Madam. Yussuf.....“

Yussuf klettert, die Lampe kommt. Auch wunderschön. Alle sind wunderschön. Kann ich noch mal die Rote da oben???? Yussufffff....

Cirka zwanzig Lampen später ist Yussuf nicht mehr sehr amused. Aber alle Lampen sind ganz wunderbar. Vielen vielen Dank, dass wir mal schauen durften. Ja, gern geschehen, Madam. Kein Lächeln, Tee auch nicht. Kein Problem, nebenan wartet ja schon der nächste Yussuf mit der langen Stange in der Hand......

 

Wir schlendern durch den Basar, trinken hier Tee, essen dort eine feine Linsensuppe (lental soup oder auch mercimek corbasi, wobei die beiden „i“ keine „i“ sind, sondern „e“ wie bei brauche), schauen dies, entdecken das – und schließlich gehen wir noch einmal zurück zu den Lampen, um schließlich die weiße mitzunehmen. Yussuf stürmt schon auf uns zu – das Lächeln erstirbt, kein Madam, reinkommen müssen wir auch nicht unbedingt, und der Nachbar hat auch wirklich sehr schöne Lampen. Nein nein, ich möchte die weiße da oben. Nur über den Preis müssen wir noch reden. Klappt auch alles wunderbar und wir trennen uns sehr einvernehmlich und zufrieden, denn so bald will man uns h i e r nicht mehr wiedersehen.

Draußen ist es mittlerweile dunkel geworden. Vier Frauen allein in Istanbul! Wie kommen wir jetzt zu unserem Hotel? Mit dem Stadtplan in der Hand erst einmal ein Stück auf der Straßenbahntrasse, dann links in eine Straße, die sich Peykhane nennt und ein bisschen düster wirkt.

Dann rechts rum.......oder halb rechts??? Es wird immer düsterer und die Straßen sind nicht gerade eben. Man muss schon immer nach unten schauen, damit man nicht in Löcher tritt oder in einen tiefergelegten Geschäftseingang fällt. Sehr vertrauenerweckend sehen auch die vier jungen Männer nicht aus, die da vorne mit brennenden Zigaretten an der Straßenecke herumlungern. Wir kommen mit unserem ausgebreiteten Stadtplan näher und die jungen Männer auch.

„Wohin??“, fragt einer. Ein bisschen haben wir Angst. Es ist dunkel und niemand außer uns zu sehen. Bärbel nutzt die Gelegenheit und lässt sich von dem jungen Mann eine Zigarette anzünden. Dann erklärt sie, wir wollen zur Piyerloti Straße. Da ist das Hotel Aziyade. Ob man uns wohl weiterhelfen könne? Oh yes, alle lächeln, ein Arm zeigt nach vorn, der andere nach hinten, der dritte nach rechts und der vierte nach links.

„Oh yes, you are very kind“, verabschiedet Bärbel sich freundlich und wir entscheiden uns für geradeaus. Die Männer bleiben, wo sie sind. Puh, das war unheimlich. Aber ist nichts passiert den vier Frauen ganz allein im düsteren Istanbul. Wie auch immer, wir finden das Hotel und zum Abschluss finden wir uns wieder im Sultan ein, um Auberginen Moussaka mit Efes zu genießen.

Was für ein Tag! Alles gefunden, nichts passiert.

Mittwoch, 07.10.2009

Stadtrundfahrt, Fischereihafen, Gewürzbasar, Galatabrücke

Herrliche Sonne heute! Nach dem Frühstück werden wir einen zweiten Versuch zur Stadtrundfahrt unternehmen. Mal sehen, ob die Demonstranten heute Ruhe halten. Vor der Sultanahmet Moschee sind die Halteplätze für die vielen Busse. Dort fährt ein Bus nach dem anderen los. Hier ist megaviel Betrieb! Schließlich finden wir auch die Stadtrundfahrtbusse, schaffen es, gute Plätze in der oberen Etage zu besetzen und los geht’s. Ein Gefängnisbus kommt uns entgegen und macht scheinbar ebenfalls eine Stadtrundfahrt. Er ist gut gefüllt und aus den kleinen Fensterchen winken uns die Insassen zu. Wir sehen auch bald, woher sie kommen:

Als wir am Taksim-Platz vorbeifahren, sehen wir, dass hier sämtliche Zufahrtstraßen mit Gittern abgesperrt sind. Überall ist Polizei und dazwischen die Demonstranten. Hier sieht man auch schon eingeschlagene Scheiben an den Bankgebäuden. Etwas unheimlich das Ganze. Den Taksim können wir also nicht sehen und Aussteigen geht auch nicht, weil der Bus nicht anhält.. Dafür fahren wir ewig lange an der Stadtmauer entlang, durch die Außenbezirke, an einer gusseisernen österreichischen Kirche vorbei, die nach Angaben des Sprechers in den Ohrstöpseln an einem einzigen Tag aufgebaut wurde. Wir erfahren auch, woher unsere Straße ihren Namen hat: von einem Franzosen namens Pierre Loti, ein Schriftsteller, der in Istanbul gelebt hat.

Weiter geht es durch die alten Stadttore und an der Stadtmauer entlang bis ans Marmarameer. Der erste Halt ist erst am Fischmarkt. Da können wir das erste Mal offhoppen und das machen wir jetzt auch. Wir kommen direkt am Fischereihafen an, wo überall Stände mit Fischen und Meeresgetier aufgebaut sind. Alles wunderbar dekoriert. Die Fische nebeneinander, die nächste Reihe im Bogen darüber, die nächste Reihe schräg nach links und dann schräg nach rechts. Alle Fischlein zeigen brav ihre wunderschönen roten Kiemen, die ihnen dekorativ aus den Köpfen herausgezogen wurden. Die Kraken werden mit jeweils einem Arm an die Ecke einer Holzkiste genagelt, bis sie sich schön dekorativ in der Kiste räkeln. So ganz tot scheinen die noch nicht zu sein. Lieber woanders hinschauen. Die Verkäufer zeigen uns: Bonito = Thunfisch, Kefal = Meeräsche, Dil = Seezunge. Restaurants gibt es hier natürlich auch. Lasst uns essen gehen! Hier ist es schön. Und heiß ist es auch. Es gibt Vorspeisen und Obst. Alles wird fertig in einer mit Folie abgedeckten Schüssel vorgezeigt, so dass man aussuchen kann. Und um uns herum sind Katzen! Große, kleine, dünne, dicke, bunte, graue... So viele schöne Katzen! Alle sehen erstaunlich gepflegt aus und sind sehr, sehr schmusig. Eine kleine Katze hat sich schließlich in Brigittas Schuh eingenistet und möchte dort auch nicht mehr weg.

Nach dem Essen spazieren wir vom Restaurant aus direkt an der Uferpromenade entlang. Rechts haben wir das blaue Meer, links eine Schnellstraße, dahinter die Eisenbahn und dahinter die Reste der Stadtmauer. An der Promenade entlang zieht sich ein Park, in dem überall türkische Familien zusammensitzen und essen und trinken.

Teeverkäufer halten Kanister mit Wasser, Samoware, Teegläser und kleine Höckerchen bereit.

Sie bereiten frischen Tee, den man auf den Höckerchen für 1,5 TL mit Blick auf das Meer genießen kann. In den Felsen vor der Promenade sind Stöcker aufgestellt, dazwischen Seile gespannt und Luftballons daran aufgehängt. Für einen kleinen Obolus kann man mit einem Luftgewehr auf die Ballons schießen. Etwas weiter springen kleine Jungen ins Meer und werden immer verwegener, je länger man ihnen zuschaut. Das ist eine richtige türkische Familienidylle. . Erstaunlicherweise gibt es hier nicht einen einzigen Touristen, von den vier deutschen Damen einmal abgesehen. Schließlich endet die Promenade an einem Parkplatz für Touristenbusse, mit denen die Besucher in die großen Restaurants auf der anderen Straßenseite gebracht werden. Kein Wunder, dass man keine Touristen an der Promenade sieht. Sie werden vor dem Restaurant abgekippt und eine Stunde später wieder abgeholt. Da bleibt keine Zeit für Promenadenspaziergänge. Dafür hat man von den erhöht liegenden Restaurants einen traumhaften Blick auf das Wasser und teilt sich den mit gleichzeitig drei Busladungen. Wir verlassen die Promenade hier und wechseln über die stark befahrene Schnellstraße auf die andere Seite, wo wir durch einen Durchlass in der Stadtmauer wieder zurück in die Stadt gelangen. Kaum hat man die Mauer durchschritten, verschwindet der Schnellstraßenlärm und es wird friedlich.

Viele Holzhäuser, die einst hier standen und mit dem Rücken direkt an die Stadtmauer gebaut waren, sind weggerissen und durch Parkflächen ersetzt worden. Andere Häuser sind total verfallen, innen sieht man das Gebälk herunterfallen, die Fassaden sind alle dunkel und kaputt, die Häuser natürlich unbewohnt. Aber es gibt auch wieder aufgebaute Holzhäuser. Und die sehen dann ganz wunderbar aus mit ihren Schnitzereien und schön bunt bemalt.

Zu Fuß spazieren wir von hier aus weiter zum Gewürzbasar, wo uns langsam auch die Blase drückt von dem leckeren Tee unterwegs. Der Gewürz- oder auch Ägyptische Basar ist gebaut wie ein L und auf dem Platz innerhalb des L gibt es weitere Verkaufsstände, vor allem aber eine öffentliche Toilette. Mal sehen, ob das was für uns ist. Man bezahlt eine Lira und geht hinein. Im Innenraum sind mehrere Frauen dabei, sich ihre Gewänder auszuziehen und an Haken zu hängen. Dann erst gehen sie zu den Hocktoiletten. Puh, das ist jetzt nicht so ganz nach unserem Geschmack. Aber Gott sei Dank, es gibt auch eine „europäische“ Toilette, wo man nicht ganz so tief runter muss. Nach dem Pinkeln bekommt man Toilettenpapier zugeteilt, mit dem man sich die Hände trocknen kann. Und zum Abschluss gibt es Rosenwasser aus einer Plastikflasche auf die Hand. Auf diese Weise erleichtert und mit sauberen Händen können wir uns jetzt in das Getümmel des Gewürzbasars werfen.

Der Gewürzbasar unterscheidet sich vom Großen Basar doch ganz erheblich: Er ist viel viel kleiner und besteht eigentlich nur aus zwei Gängen. Es gibt tatsächlich überwiegend Gewürze und Süßigkeiten, aber hier und da auch typisch türkische Handwerkerkunst, wenn man den Anpreisern glauben darf. Wir interessieren uns für die Geschirrkunst. Wunderschön bemalte Schüsseln, Teller, Aschenbecher, Porzellaneier (in Form von Straußeneiern, denn die hängen in den Moscheen und sollen durch ihren Geruch die Ameisen vertreiben), Kelche und viele andere Dinge mehr gibt es zu sehen. Ob das nun typisch türkisches Handwerk ist, vermögen wir nicht zu beurteilen. Allerdings haben wir ja schon die bemalten Fliesen in der Blauen Moschee bewundert und genau die Muster finden sich auch auf dem Geschirr wieder. Wir decken uns erst einmal ein mit 6 bemalten Salatschüsseln für insgesamt 40 TL und einer Dessertschüssel. Am nächsten Stand kaufen wir Dreiecke aus Rosinen, Pistazien und Puderzucker und dazu noch getrocknete Datteln, nachdem wir natürlich erst einmal alles probieren durften. Und damit zu Hause der Tisch auch stilecht orientalisch gedeckt werden kann, kommen noch ein Tischläufer, ein Kissenbezug und ein grünes Tuch hinzu. Unsere Beutetaschen sind gut gefüllt, als wir den Basar durch den Vordereingang verlassen. Aber auch außerhalb gibt es noch Stände mit verlockenden Sachen wie Schafsköpfen, Gemüse, Nüssen und vieles mehr. Hier erstehen wir eine dicke Tüte mit dunklen getrockneten Aprikosen, die nicht geschwefelt wurden und daher ihre Farbe verändert haben, aber deutlich besser schmecken als die hellen Aprikosen. Es wird Zeit, dass wir uns von unseren Einkäufen erholen. In Sichtweite des Basars liegt die zweistöckige Galatabrücke, die das Goldene Horn überquert und von Eminönü zum Galataturm in Beyoglu führt. Oben befindet sich die Fahrbahn mit Fußgängerweg. Dort fahren die Autos und in der Mitte die Straßenbahn. Unten befinden sich Fischrestaurants und Lokale. Die Koberer kommen auch sogleich auf uns zugesprungen, um uns mit ihren großen Speisekarten in der Hand davon zu überzeugen, dass ihr Restaurant nicht nur das Allerbeste, sondern auch mit Abstand das Billigste ist. Und der Fisch ganz frisch und gerade erst aus dem Wasser gezogen. Gibt es auch Toilette, wenn die Ladys mal schauen möchten. Ganz sauber alles und geheizt. Finden Sie in ganz Instanbul nicht wieder so ein schönes Restaurant, meine Damen.....

Wir gewöhnen uns zwar langsam an diese Art von Werbung, empfinden sie aber immer noch als lästig. Einfach weitergehen gehört sich nicht, stehenbleiben heißt verloren haben. Es hilft nichts, freundlich lächeln und thank you murmeln gehört hier zum Pflichtprogramm eines Touristen. Wir schaffen es, an den Restaurants vorbeizukommen und landen schließlich in einem netten, sehr gut besuchten Lokal, vor dem man auch draußen sitzen kann. Es ist ja noch angenehm warm und wir wollen etwas sehen von der Stadt. So lassen wir uns auf dicken Sitzsäcken nieder, trinken Efes und schauen der Sonne beim Untergehen zu. Oben auf der Brücke stehen Angler am Geländer und haben ihre Angeln ausgelegt. Ab und zu fangen sie auch wirklich mal einen kleinen silbernen Fisch. Manche Angler halten lange Schnüre mit mehreren Haken in das Wasser. Wenn sie sie herausziehen, hängen manchmal bis zu zehn Fischlein untereinander an der Strippe. Der Sonnenuntergang ist so schön, dass es fast kitschig ist. Und dazu singen alle Muezzine der Stadt. Kribbel! Wunderschön. Das ist das Istanbul, das wir uns vorgestellt haben: Die Kuppeln der Moscheen und die Minarette vor dem rosig angehauchten Abendhimmel, der immer goldener wird, die Geräusche der Stadt, das Brummen der Schiffe, das blaue Wasser, der Gesang der Muezzine, die Beute in der Tasche und ein prächtiges frisches Efes in der Hand. Mehr geht nicht! Nachdem die Sonne völlig vom Wasser verschluckt wurde, kommt uns noch eine Idee: Wir könnten doch noch mal eben schnell die Rüstem Pascha Moschee besichtigen, weil die gerade so schön nah dran ist und es dort besonders schöne Fliesen aus Iznik geben soll. Gesagt, getan. Die Moschee liegt in Sichtweite der Galata-Brücke. Es ist dunkel, die Gassen sind schon düster, ein bisschen unheimlich ist es auch inzwischen, aber unverdrossen erkämpfen wir uns den Weg zur Moschee. Wo es genau hineingeht, erkennt man nicht sofort. Gehen wir mal diesen Gang entlang? Alles düster hier, die Müllsammler mit ihren Karren fahren schon durch die Nacht. Wir klettern eine ausgetretene Steintreppe hoch - und siehe da, wir sind im Moscheen-Vorhof! Hier kommt auch gleich ein netter Herr auf uns zu und zeigt uns die Kacheln, die tatsächlich wunderschön sind. Andenken gibt es natürlich auch zu kaufen, egal wie spät es ist. Hat sich noch einmal gelohnt, dieser spontane Kurzbesuch.

 

Jetzt sind wir doch ein bisschen zu müde zum Laufen und nehmen die Straßenbahn bis Cemberlitas („Dschemberlitasch“ sagt die nette Stimme in der Straßenbahn mit gaanz weichem Dschhh). Von der Haltestelle aus ist es nicht mehr weit bis zum Hotel und zu unserem Restaurant. Unser neuer Freund, Mesut, wartet schon auf uns und freut sich, dass die vier Damen aus Deutschland wieder da sind. Bei leckerem Efes erzählt er uns ein bisschen aus seinem Leben, woher er kommt und dass er in der Nähe eine kleine Wohnung ganz alleine hat. Na denn, Mesut, du musst alleine bleiben, denn wir gehen zum Schlafen ins Hotel.

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