Fußball! Vorfälle von 1996-2007

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Bilderkrampf

»Der Fußball«, erklärte Edmund Stoiber 1997, »ist ja heute praktisch schon ein gesellschaftliches Grundnahrungsmittel«, und eine Gesellschaft, die ihren Stoffwechsel kapitalistisch organisiert und destruiert, geht nicht zimperlich um mit dem Volksseelenfutter. Seit Juli eskaliert zwischen der Kirch-Gruppe und dem ARD-Fernsehen eine höchst krampfige Auseinandersetzung wegen der TV-Kurzberichterstattung von der samstäglichen Bundesliga. Das Konsortium des fränkischen Medienunternehmers löhnt den Vereinen pro Saison 750 Mio. Mark für die Übertragungsrechte, die der schwer defizitäre Bezahlkanal Premiere World refinanzieren muß, und weigert sich, dem Ersten freie Hand zu lassen bei der Wahl jener Partien, die man vor der auf die Prime Time 20.15 Uhr verlegten Gurkensendung ran (Sat.1/Kirch) in der Tagesschau zeigen möchte. Selbstredend begehrt die ARD das sog. Topspiel, Kirch, der Ligaverband und der assistierende DFB weisen das zurück. Borussia Dortmund, bemüht, Monetenspender Kirch in der Währung der Abhängigkeit und Exklusivität etwas zurückzuzahlen, gab bekannt, »keine ARD-Teams in die Stadien zu lassen« (Süddeutsche Zeitung, 24. Juli), während die »beleidigte« (FAZ) ARD »ihren Kamerateams und Reportern notfalls mit Hilfe der Gerichte Zugang zu den Stadien verschaffen« (Süddeutsche Zeitung, 20. Juli) will.

Nun steht außer Zweifel, daß das Bundesverfassungsgericht 1998 die unreglementierte Kurzberichterstattung zum unantastbaren Rechtsgut erklärte. Deshalb reichte die ARD beim Landgericht München I einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Kirchs Sportrechteagentur ISPR ein, der aber abgelehnt wurde. Bis zur letzten Instanz kämpfe man, hieß es danach aus den Reihen der tapferen Anwälte der Informationsfreiheit (»ein harter und dorniger Weg«, so der ARD-Vorsitzende Peter Voß, die Kirch-Hauspostille Bild tobte: »Feldzug«!), und die Chancen sind nicht übel. Dennoch fragte die Funkkorrespondenz (30/2001) zu Recht: »Für wie schlecht müssen die Kirch-Leute die ran-Sendung halten, wenn sie tatsächlich der Meinung sein sollten, diese einzweidrittel Minuten machen der anschließenden Sat.1-Sendung die Zuschauer abspenstig?«

Die jüngsten ran-Quoten waren eine Offenbarung. Eine heimatmusikalische ARD-Produktion schlug am 4. August Jörg Wontorras alberne Faselshow locker – bei 7,1 zu 2,0 Mio. Zuschauern. Kirch wird die Sat.1-Zumutung an die Wand fahren, dann den eigenen Pay-TV-Laden versenken; die potenten Bundesligavereine danken für die Ocken und gründen, nach englischem Vorbild und der Verwertungslogik folgend, klubeigene Sender mit Hofschranzen an den Mikrophonen und gegebenenfalls virtuellen Stadionkulissen. Es wäre, käme es so, ein Segen, nämlich die Öffentlichkeit erlöst vom endlos zyklischen Theater um einen Sport, dessen Protagonisten nichts unversucht lassen, um ihn zu ruinieren.

Und das deutsche Volk sollte deshalb nicht gleich verhungern.

Otto, der Filmriß

Was macht eigentlich Otto Baumgartner? Und was treibt der Spanier so? Womit beschäftigt sich die deutsche Boxweltmeisterin Regina Halmich? Und was ist denn da dauernd im Sport los?

In bruchloser Fortsetzung des lasterbeladenen Luderjahres 2001 (wir erinnern kursorisch an Anni Friesingers freisinnige Bekenntnisse zum »erotischsten Sport überhaupt«, zum Eisschnellauf, an Stefan Kretzschmars weniger handball- und eher GV-bezogene Offenherzigkeiten oder an die Sexualturbulenzen im spanischen Fußball), in Verlängerung ebendieses denkwürdigen Jahres startete nahtlos weiter durch z. B. die Zeitschrift PLAYBOY, die sich zwecks Februarausgabe das kaum dreißigjährige und darob geringfügig unreife Ottmar-Hitzfeld-Gspusi Rosi Salioni schnappte, auf daß sie zu einer Bilderstrecke unter dem Titel »Die Geliebte des Generals« beichten durfte: »Der attraktivste Fußballer, den ich kenne, ist Lothar Matthäus. Er sieht gut aus und spielt großartig.«

Wenn er auch nicht mehr spielt, der exilierte Münchner Muskelmann, dann sieht er wenigstens gut aus – fast noch besser wahrscheinlich als Schalkes oberster Lärmer Rudi Assauer, der für Bild seine extrem aufreizenden Zigarrensaunagänge knipsen ließ – und gleichwohl schwer abschmierte gegen den Ende Oktober 2001 im Feldwebelton zusammengestauchten Angestellten Emile Mpenza. Den nämlich wählte, da sie sonst nix zu tun hat, am 30. Januar zugunsten der Bild-Zeitungsleserschaft besagte Regina Halmich unter »die zehn schärfsten Sportler« resp. »Sportler-Bodys«, knapp hinter Trainingspartner Wladimir Klitschko und vor beispielsweise Michael Schumacher. Letzterer besitze keinen ganz so hohen »Erotik-Faktor« und fährt ja bloß vermummt im allerdings affengeilen roten Auto herum.

Den vorerst handgreiflichsten Erotikfaktor jedoch haben fünf Profis des spanischen Renommiervereins FC Barcelona angepeilt. Kluivert, Cocu, Gabri, Dani und Gerard, so berichtete die schockierte Weltpresse, feierten kürzlich vor einer Auswärtspartie in Madrid eine recht unanständige, 4.000 Euro verschlingende Fete mit vier Prostituierten, woraufhin die Klubführung laut Bild eine »Orgien-Erklärung« verlangte und die Fans der katalanischen Edelschmiede »aufgeblasene Sex-Puppen mit Barça-Mützen« (Bild) schwenkten. Weil sie frecherweise nicht dabeisein durften beim Erotikevent?

»Einige Spieler bezahlen auf dem Fußballplatz für das, was sie in ihrem Privatleben tun«, kommentierte Barça-Trainer Carlos Rexach den Vorfall. Für einen anderen und sehr viel schmerzlicheren Vor- bzw. Unfall fand indes vor fast siebzehn Jahren ein Coach namens Klaus Sturm folgende Worte: »Er war kurz vorm Nervenzusammenbruch, saß nach dem Spiel noch geistesabwesend in der Kabine. Wir mußten ihm die Sportklamotten ausziehen und ihm in seine Privatsachen helfen.«

Was war geschehen? Wir zitieren aus der Bild vom 18. April 1985:

»Bayernligaspiel FC Bamberg gegen Jahn Regensburg (1:0), die 74. Minute, unvergeßlich. Regensburgs Mittelfeldspieler Otto Baumgartner (22) ist gerade eingewechselt worden, er steht im Mittelkreis. Sein Torwart wirft ihm den Ball zu, da stoppt Otto das Leder mit der Brust […]. Otto stürmt los, Richtung eigenes Tor. 600 Fans des Gegners staunen erst, dann feuern ihn die ersten an.

Otto erreicht die Strafraumgrenze. Er ist ein guter Mann, hat früher sogar in der Jugendnationalelf gespielt. Otto umspielt seinen Verteidiger Grabmeier und schießt – traumhaft sicher trifft er flach ins rechte Eck. 1:0 […].

Und der Regensburger Torwart Mühldorfer? Der hatte gar nicht reagiert und war ganz ungläubig: ›Ich dachte bis zuletzt, Otto würde ’ne Rückgabe machen.‹«

Später »entschuldigte sich Otto bei Regensburgs Fußballboß Eberl. ›Ich hatte totalen Filmriß. Ich hab’ bei meinem Sturmlauf nichts gehört und nichts gesehen. Als ich die entsetzten Gesichter meiner Kameraden sah, wurde mir bewußt, was ich angestellt hatte.‹«

Uli Hoeneß hatte Otto Baumgartner einen Profivertrag versprochen. Baumgartner hängte aber die Fußballschuhe an den Nagel. Otto wechselte ins Fuhrunternehmen seiner Eltern.

Diese vergessene Geschichte gemahnt uns angesichts der Woche um Woche heftiger brausenden Sperenzchen rund um all die geldunersättlichen Sebastian Kehls, meinungskräftigen und tattooprotzenden Stefan Effenbergs und waschbrettbauchdarstellerisch tätigen Cracks an wahre, herzerschütternde Tragik, an Zerbrechlichkeit, Schwäche, an die Möglichkeit des Scheiterns, die in der gegenwärtigen Welt des Dicktuns und narzißtischen Gehampels nicht mehr vorgesehen ist.

Ja, was macht Otto Baumgartner, der gute Kerl, eigentlich heute? Und weshalb widerfuhr ihm dazumal so Schlimmes? Plagte ihn häuslich-erotische Überbelastung, die die Orientierung auf dem Platz sehr erschwerte? Oder, umgekehrt, nagte konzentrationszerstörerischer Liebeskummer an seiner zarten Spielerseele?

Das sind Dinge, die man wirklich wissen wollte.

Attacke auf Geistesmensch

»Attacke auf Geistesmensch« heißt eine geniale Bühnennummer von Gerhard Polt. Acht Metzger besuchen das Oktoberfest. Gegen Ende der »Gaudi« drischt ihr Rottenführer einem Exemplar jenes »ausländischen Zeigls«, »des wo eim scho vom Ausland her die Plätze wegfaxt«, einen Maßkrug über den Kopf. Der schmächtige Mann, ein Nobelpreisträger, wie die Zeitungen hinterher berichten, erleidet einen Schädelbasisbruch. Die barbarische Schlachterverachtung für den anderen und den Intellekt erschüttert das nicht.

Günther Koch ist kein preisgekrönter Wissenschaftler, er ist Fußballradioreporter, laut vieler Menschen Meinung der beste. Auch ich darf mit aller gebotenen Eitelkeit behaupten, er sei ein Genie. Zwei von mir kompilierte CDs dokumentieren die eigensinnige intellektuelle Leistung des Mikrophonartisten, seine famosen Balanceakte zwischen rhetorischer Exaltation und sachlichem Engagement für das schöne Spiel Fußball.

Auf Wir rufen Günther Koch! hört man ihn z. B. die Partie Bayern München – VfB Stuttgart kommentieren, das legendäre 5:3 vom 28. Oktober 1995. Er bewundert Balakov, der die Gegner »ausgschwanzt hat«, und der sehr aktive Hobbyspieler freut sich mit dem Ballkünstler: »Das hat ihm Riesenspaß gemacht, und das gehört ja auch zum Fußballspiel.« Genauso unverblümt beurteilt Koch die 3:0-Führung der Bayern (»Also, die Bayern ham scho a Glück«), und um der eh aufregenden Reportage ein unerhörtes geistfeuriges Element hinzuzufügen, veranstaltet er unter Kollegen eine Spontanumfrage über die Berechtigung des Elfers für den FCB. Später, das zwischenzeitliche 3:3 ist gefallen, jubiliert er: »Traumhafter Spitzenfußball von den Schwaben!«

Vergangenen Samstag führte Günther Kochs Weg ins Gottlieb-Daimler-Stadion. Etwa zwei Meter vor ihm tobte ein soignierter, älterer Herr herum, eine »stolze schwäbische Fußballseele« (Süddeutsche Zeitung), die derart erregt war wegen der Stuttgarter Chancenlosigkeit, daß sie sich erhob und Koch, der die »abgeklärte, überlegene Spielweise« der Bayern schilderte, anschrie: »Du Schafseckel, hasch du eigentlich selber amol Fußball gschpielt?«

 

Koch nahm die nachfolgenden Pöbeleien des Promifans nicht recht wahr. Kurz vor der Pause foulte Effenberg Balakov und bekam bloß Gelb. In der Halbzeitkonferenz auf Bayern 1 berichtete Koch von »Zuschauern«, die »sehr böse sind«. Also rief er den Mann zu sich und hielt ihm das Mikrophon hin: »Dann sagen Sie des doch bitte mal laut, was Sie da meinen.« – »Ich sag’, daß Bayern wieder mit zwölf spielt, des muß i sagen, zwölf Mann.« Koch, um Ausgleich bemüht: »Ist das nicht übertrieben, ist das nicht unfair, was Sie da behaupten?« Und dann, deutlich über den Äther zu hören: ein kräftiger Schlag.

Ein Mann, eine Meinung, eine Watschen am Cannstatter Wasen. »Au! Jetzt haut er mir das Mikrophon an den Mund«, fiel Koch selbst diesmal nicht auf den Mund und ergänzte unter Schmerzen: »Und das fand ich gar nicht nett.«

»Fußball«, jauchzte Günther Koch Ende Oktober 1995, »ist ein so tolles Spiel, da ist alles möglich.« Alles, was in dieser Gesellschaft nötig ist, um auf der Haupttribüne zu landen.

Moral, Moneten, Menschen und Millionen

Franz Beckenbauer

Trotz elegantester Gewandung und optimaler Shampoonierung des Resthaupthaares, trotz einer zeitweilig schonungslos schaumigen Diplomatendiktion und eines Weltmanngebarens, das sich der »Welt-Präsident« (Bild) zwecks Ausübung unüberschaubar dubioser werblicher und sonstiger Fernseh- und Elitefunktionärstätigkeiten zugelegt hat bzw. von seinem frühen Förderer Robert Schwan hat antrainieren lassen, kann der gottgleich verehrte Heilsbringer allzuoft nicht verbergen, ein Giesinger Bangert geblieben zu sein, dem die Standards des zivilisierten Umgangs ein Buch mit sieben Siegeln sind. Rabiater durfte noch keine deutsche Fußballspitzenkraft herumkrakeelen. Spieler, die eine Partie – das soll im Sport vorkommen – verlieren, beschimpft Beckenbauer als Penner, ein andermal brüllt er sie vor der versammelten Presse zusammen. Oder der Unfehlbare verhöhnt die Kollegen des Bundesligaausschusses, sie dienten einer Institution, die was sei? Ein »Lachsack«.

Das ist nicht lustig, das ist traurig. Franz Beckenbauer ist eine tieftraurige, taktlose Erscheinung, ein skrupelloser Durchstecher, der bereits den eigenen Vater verachtete, weil der eine Moral besaß. »Mein Vater war ein sozial denkender Mensch«, erzählte der Filius herablassend und wuchs zum größten Asozialen des Fußballs heran. Selbst gegen seinen Entdecker, das großherzige Trainergenie Tschik Cajkovski, trat er nach: »Im Gegensatz zu unserem Bundestrainer habe ich ihn viel weinen sehen.« Bah.

Weltmeisterschaft

Eine Weltmeisterschaft schafft. Für vier Wochen den Verstand ab. Die Nerven. Die Leber. Einen Stimmungsmix aus Hingabe, habitueller Idiotie, fachsimpelnder Akribie und leidenschaftlicher Leidensfähigkeit. Und ist das Beste, was die Menschheit je ersonnen hat.

Abseits

Wer meint, es sei witzig zu erklären, daß es sinn- und witzlos sei, einer Frau zu erklären, was Abseits ist, der ist kein Witzbold, sondern ein halber Unhold, der es ohnehin nicht besser zu erklären weiß als die Frau, die es ihm dann endlich mal richtig erklärt, damit er nicht immer vor der Glotze, voll mit diversen Klaren, herumkeift, das sei »ein klares Abseits« gewesen, obwohl jede Frau glasklar gesehen hat, daß es nie und nimmer Abseits war.

Tante Käthe

In Zeiten der Debatten über »Homoehe« und »Geschlechterrollen« muß sich ein gestandener Kerl wie der Bundestrainer »Tante Käthe« rufen lassen. Früher trugen Fußballhelden z. B. den Schmucknamen »Bomber der Nation«. Wir beantragen die Umbenennung Rudi Völlers in »Onkel Emmarich« oder wenigstens »Der Mann ohne Mütze«.

Kirch-Millionen

»Es sind nicht allein die Zahlen, die eine Firma ausmachen, es sind vielmehr die Menschen«, steckte Dr. Leo Kirch Anfang April 2002 seinen Ex-Angestellten in einem »Abschiedsbrief« – und lief nicht rot an. Vielmehr pries der Unterfranke, bevor die Bildschirme schwarz wurden, das nicht länger allzu »werthaltige« Ramsch-TV posthum: »Es ging mir nicht darum, ein mächtiges, sondern – für Auge und Ohr – ein vertikal integriertes Medienunternehmen zu schaffen.« Was das bedeuten sollte, wußte er wahrscheinlich selber nicht, und deshalb krönte Kirch die Bankrottbilanz mit dem visionär sinnentleerten Satz: »Dabei haben inhaltliche Gesichtspunkte, wie ich sie immer im Blick hatte, die führende Rolle gespielt.«

Ohne Führung stehen Tausende Kirch-Menschen jetzt dumm da. Klüger wär’s gewesen, unter DFB-Boß Prof. Mayer-Vorfelder zu rackern, der es stets vorbildlich fertigbringt, »einen tiefen Schluck aus der Pulle öffentlicher Gelder zu nehmen« (M. Ringel) und hinterher stocknüchtern zu schnurren: »Ich habe ein gutes Gewissen.« Erst kommt das Trinken, dann das schlichte Katergewissen.

Voll in den Völler

Seit der Meistertechniker Mehmet Scholl seinen unwiderruflichen Verzicht auf die Teilnahme an der WM bekanntgegeben hat, weint ganz Deutschland. Nur einer nicht. Teamchef Rudi Völler hat jetzt aus Enttäuschung über Scholls Rücktritt seine legendäre Zurückhaltung abgelegt und der taz ein Interview gegeben, über das man noch lange sprechen wird. Zu Scholl wollte er sich allerdings nicht mehr ausführlich äußern. Den habe er »gedanklich ein für allemal zum Mond geschossen«.

Hallo, Herr Völler, Sie sind viel unterwegs, Sie sind ein gefragter Mann. Schön, daß Sie für uns Zeit …

Ja, kommen sie schon zu Pott. Ich hab’ meine Zeit auch nicht mit dem Löffel gefressen.

Gut, den Pott, den wollen …

Der Pott geht mir am Arsch vorbei. Es sei denn, er sitzt drauf.

Der Pott?

Der Arsch, Mann! Welche Fürze haben Sie eigentlich im Kopf?

Würden Sie es als, ähem, Furz im Kopf bezeichnen, wenn wir Ihnen und Ihrer Mannschaft den Titel zutrauen würden?

Hm.

Anders gefragt: Sie gelten als besonnener, bedächtiger Mensch, der die Chancen bei einem so bedeutenden Turnier wie der Weltmeisterschaft genau abwägt und sich zu keinen voreiligen Prognosen hinreißen …

Mir reißt langsam der Geduldsfaden auf! Was wollen Sie eigentlich? Was wollen Sie wissen?

Gut, ja, also: Herr Völler, so herum gefragt: Sie gelten als ruhiger Zeitgenosse, der sich die Zeit nimmt …

Zeit! Zeit! Die Zeit ist der schlimmste Feind des Menschen – nach dem Iren, dem Araber und dem Neger! Was soll ich gelten, wenn ich die Zeit nicht zum meinem Sklaven mache? Die Zeit ist eine Drecksau. Ich gelte, ich gelte! Was ich schein’, muß ich nicht sein! Verstehnse? Nee. Natürlich nicht.

Bis zum ersten Gruppenspiel gegen Saudi-Arabien haben Sie noch etwas Zeit. Wie werden Sie die Mannschaft vorbereiten? Wird es besondere Trainingsmaßnahmen geben, um das Team auf diesen weithin unbekannten, sehr unbequemen Gegner einzustellen?

Die Einstellung muß stimmen, das ist mal klar. Wenn nicht klar ist, und ich sage: wenn nicht arschklar ist, daß man gegen die Bin-Laden-Bimbos in die Eisen gehen muß, dann können wir gleich nach Hause gehen. Oder zu Hause bleiben. Die Saudis verstehen nur eine Sprache: grausames Grätschen, tückische Tacklings, höllische Offensive, Ballern ohne Pause. Da muß man schon mal die Spielkultur ins Klo kloppen und runterspülen.

Sie erwarten einen Kampf auf Biegen und Brechen?

Wo leben Sie denn? Bier gegen Beten, lautet die Geheimparole. Die Saudis sind – sprechen Sie doch den Namen mal richtig aus: Sau-dis –, die Saudis, die sind a priori erst mal Saukerle, die keine andere Sprache verstehen als die Sprache, na ja, Sie wissen schon, harte Gangart usw.

Ein Rezept auch gegen die Iren?

Die Irren? Haha. Da lache ich mir nur einen Arm ab.

Am Spielfeldrand geben Sie oft mit heftig wedelnden Armen Anweisungen an Ihre Spieler …

Ja, die Penner wedeln sich abends gerne noch einen von der Kiefer, und dann sind die auf dem Platz schlapp wie weiche Leiste – Herbergers Säftelehre, schon mal was gehört von? Na, dann muß ich denen mit den Armen einen in den Arsch treten, damit die endlich rennen.

Daß die Abwehr wieder schläft wie vor vier Jahren im Viertelfinale gegen Kroatien, das wird diesmal nicht passieren?

Da können Sie Galle drauf fressen.

Herr Völler, die Öffentlichkeit kennt Sie gar nicht mit solchen Kraftsprüch …

Was die Öffentlichkeit von mir kennt und denkt, interessiert mich einen feuchten Feudel. Jetzt lernt sie mich kennen.

Herr Völler, wir danken Ihnen jedenfalls für dieses Gespräch und wünschen Ihnen und Ihrer Mannschaft alles …

Gern gescheh’n. Auf nimmer Wiederseh’n.

Ballaballabierbilanz

Aus, aus, aus. Die Bundesligasaison 2001/02 ist aus. Ein »Horror-Finale« zwischen Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Bayern München hatte der Internetanbieter www.sport1.de prophezeit. Nach dem Trivialtriumph der Borussia über Werder Bremen reichte es gerade noch zur Headline »Herzschlag-Finale«, was nur heißen konnte, es sei ein herzschonendes, ein einlullend entspannungsreiches Finale gewesen, Marke Doris-Day-Komödie statt Horrorschocker resp. »Hitchcock-Finale« (Hitzfeld).

Die Dramatik, die man dem Fußball oft genug attestiert, sie fehlte rundweg. »Es wurde nicht mehr die letzte Blutgrätsche angesetzt«, sägte, halb einnickend, halb schon schnarchend, der Moderator des Bayerischen Rundfunks herum, und die Reporter der ARD-Radioschaltkonferenz zeigten kollektiv eine erschreckend lustlose Leistung. »Vielleicht hätte ich meine Stimme nicht so heben sollen«, entschuldigte sich fünf Minuten vor dem Abpfiff Manni Breuckmann, der im Westfalenstadion saß und erzählte, es sei der Käse gegessen und zum Glück bald Feierabend mit dieser elenden Spielzeit.

Zumindest war alles erwartungsgemäß über die Bühne der schäbigen Fußballopernshow gegangen, und man wirkte erleichtert, einen Schlußstrich unter das im medialen Verwurstungsbetrieb aufgekochte Zeug zu Bayer Leverkusen als dem »gerechten Deutschen Meister« ziehen zu können. Erst während der WM wird uns beispielsweise der Premiere-Hecht und Zeitungskolumnist Marcel Reif neuerlich einen grenzwertigen Weisheitssermon wie diesen servieren: »Warum Angst haben, wenn das Selbstbewußtsein so groß sein könnte, wie ein Fußballfeld weit ist?«

Ja, weit ist es, das Fontanefußballfeld, auf dem die Bundesligasalonlöwen und Trainergeneräle herumdröhnten, und jenen, denen Fortuna hold war, den arg schiedsrichterbegünstigten Dortmundern, gebührt auch der Titel der angstfreiesten Selbstentblödung, namentlich dem nicht maulfaulen Manager Michael Meier, der im Gerangel mit Bayer-Coach Toppmöller die Flucht ins Fach des Weidmannsheillosen angetreten hatte. »Der Jäger wird am Ende vorne sein«, jaulte er, und den »Blattschuß« abfeuern.

Am Ende könnte indes demnächst der hiesige bezahlte Fußball sein. Das monetäre Defizit der Deutschen Fußball-Liga, das sich nach der Kirch-Pleite für die abgeschlossene Saison auf 103, für die kommende auf prognostizierte 360 Millionen Euro beläuft, läßt Schlimmes befürchten. Wie um den ökonomischen Horror vacui trotz prächtig gefüllter Stadien zu vertreiben, faselten sich unsre Protagonisten desto engagierter um Kopf und Kragen. Nürnbergs Manager Edgar Geenen schickte den unrentablen Teil des Kaders mit den schmeichelhaften Worten aufs Arbeitsamt: »Ihr seid Dreck, ihr seid nur Abschaum, ihr seid Müll, ihr seid wie Lepra!«, und der etwas südlicher und also fauler gesinnte Stefan Effenberg krönte seine 108 Gelben Karten umfassende Karriere durch die bekannt kluge Forderung, die Stütze, die er nun selber einfahren darf, voll runterzufahren.

Jenseits unzähliger Verbalentgleisungen lobte allerdings final-debil die FAZ den Schauermann Effenberg als kompromißlosen Leistungshengst. »Im Gegensatz zu vielen Schönspielern war sich Effenberg nie zu schade, auch einmal das Arschloch zu geben«, schwallte es da besoffen, so daß ich schon wieder dem Bayern-Mann Rummenigge unter all den Monetenvermehrern und Titelfuchsern als demjenigen, der die leere Hand nicht aufhält, das Resümee übereignen möchte – dergestalt er, Rummenigge, angesichts der vergeigten Meisterschaft »keinen Grund« sah, »hier groß die Kritik anzusetzen«.

 

Wo man hingegen ansetzen muß, um immer noch mehr zahlungswillige Zuschauer anzulocken, das verriet sport1.de: »Wie man mäßigen sportlichen Erfolg kaschiert, zeigte der HSV. Ein neues komfortables Stadion und der Ausschank von Vollbier sorgten dafür, daß die hauseigene Bestmarke nun bei 44.000 Besuchern pro Spiel steht.«

Darauf ein ballverstolpernd polterndes Prost!