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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Siebentes Kapitel.
Flore im hohen Glanz der Tugend

Die Tugend ist kein Erbtheil der Ahnen, wiewohl das ächte Beispiel sie erzeugt, sie kann ein Kind der Erziehung und Grundsätze sein, aber bisweilen ist sie so gut eine zufällige Erscheinung, wie tausend andre Dinge in der Welt, und unter andern auch das Laster. Sagt Schiller im Prolog zu seinem Wallenstein, der Gerechtigkeit der Kunst das Wort redend, mit Recht:

 
Sie sieht den Menschen in des Lebens Drang,
Und wälzt die größte Hälfte seiner Schuld,
Den unglückseligen Gestirnen zu,
 

So müsse man denn auch bei Tugendgemälden der Kunst, behaupten können:

 
Sie sieht des Menschen hohe Edelthat,
Und wälzt die größte Hälfte ihres Ruhms,
Den freundlich waltenden Gestirnen zu.
 

Wir werden Floren hier sehr tugendhaft sehn. Durch beider Theile Zuneigung fand ihr weiblicher Stolz süße Nahrung, das Andenken an beider Güte konnte auch nicht schweigen, wenn gleich das Bild der entdeckten sittlichen Verderbniß abschreckend war. Sie hatte, wie sie sich oft gestehen mußte, in dem Bei nicht allein den großmüthigen, sondern auch den schönen Mann gesehn, und wir hätten für nichts einstehen mögen, wäre jener von ihrem Geschlechte unterrichtet, liebend im Boudoir erschienen. So aber konnte doch kein Schimmer von Liebe übrig bleiben, und der Gattin Anblick, mahnte um so mehr, Bekehrung und Versöhnung zu erstreben.

Sie sammelte also alle ihre bekannten Worte der Landessprache, fügte sie so rednerisch wie es ihr möglich ward, legte allen oratorischen Nachdruck auf den Ton der Stimme, und ließ die Geberde mit aller Rührung, die sie hervorzubringen wußte, die Apostrophen begleiten.

Sie hielt ihnen so die schmählichen Verirrungen vom Pfade der Natur vor, machte einen Theil auf die Vorzüge des Anderen aufmerksam; dann schilderte sie das Glück einträchtiger Ehen, und wies auf die Nähe desselben, auf die Leichtigkeit, sich es zuzueignen. Alles wurde mit bildlichen Wendungen ausgeführt. Endlich langte sie noch den Dolch vom Boden auf, faßte den Griff mit voller Hand, lenkte die Spitze gegen ihren Busen, und betheuerte sich eher durchstechen zu wollen, ehe in irgend etwas zu willigen, das die Zufriedenheit eines ihr so theuren Paares stören könne.

Beide sahen Einander erst vor Beschämung nicht an, dann huben sie scheue Blicke empor, nun wurde Bewegung der Gefühle sichtbar, der Dolch endlich wirkte heroisch, und die innre Seelengüte gewann vollkommen den Ausschlag, da Flore beider Hände in einander wand, und beider Busen zusammenpreßte. Sie umarmten sich weinend, und sagten treue Liebe zu.

Was konnte Flore aber anders thun? Ihre Tugend warf ihr den Preis hoher Achtung ab, und noch bei weitem reichere Geschenke wurden ihr nun von beiden Theilen, aber das Geschick hatte es so gestellt, daß sie vortrefflich handeln mußte. So geräth bisweilen ein mittelmäßiger Feldherr in eine Lage, wo er den Lorbeer erringen muß; ein Minister kann dem Segen seiner Nation, wie die Umstände vorhanden sind, auch mit dem übelsten Willen nicht ausweichen; und eine Lukretia soll ein Meteor der Keuschheit sein, weil sie den Gemahl laut ihrer Empfindung mehr liebt, wie das Leben, und den Entehrer tiefer haßt, wie den Tod. Mancher wird der genauen Haushaltung wegen gerühmt, und hat in seiner kalten Seele keinen einzigen Anreitz zur kostspieligen Freude. Die Redlichkeit eines Staatsdieners lohnen Auszeichnungen, und sein gutes Auskommen ließ ihn in keine Gefahren der Geldnoth sinken, sein Thun wurde genau bewacht. Phaon preiset Agathen, die ihm Hymen diese Nacht in die Arme warf, daß sie trotz der Zeiten Verderb, unentheiligte Ehre in das bräutliche Bett trug, aber Agathe wurde von einem Vater, von einer Mutter erzogen, deren Aufsicht sie nie verließ, und nimmer kam ein übermächtiger Verführungsreiz in ihre Nähe. Und das Blut, die mehr kühle oder hitzigere Mischung der Säfte, die höher oder tiefer gespannte Erregbarkeit unserer Affekte, die das Verhältniß bestimmen, in welches wir gegen die äußeren Eindrücke, (deren Gebieter wir noch weniger sind) treten werden, sind sie eigne Schöpfung?

Die durchaus leutselige Natur des Bei, welche ihr sittlich sträfliches Aggregat nur im frühen Umgange verwilderter Soldaten angenommen hatte, konnte nicht anders, wie sich in der Versöhnung mit der Gattin höchst zufrieden fühlen, und noch weniger der Urheberin des neuen Glückes, Dank schuldig bleiben. Er bot Floren an, sie mit einem Emir seiner Bekanntschaft zu verheirathen, wenn sie zum Glauben Mahomeds übertreten wollte. Mir wäre das gleich, setzte er hinzu, aber dem Emir vielleicht, der Menge gewiß nicht. Uebrigens ist es ein wackrer wohlhabender Mann, und ich übernehme es, dich noch reich auszustatten. Du wirst hier glücklicher sein, wie auf der Halbinsel Europa, wo, wie man allgemein hört, so viele Narrheiten herrschen. Eine Sage, der auch schon jeder Glauben beimißt, der nur Eure lächerliche Kleidung, und eure affenmäßigen Manieren zu sehen Gelegenheit hatte.

Die Narrheiten, erwiederte Flore, räume ich ein, aber unsere Kleidung lasse ich nicht tadeln. Wir haben Modeschneider und Putzmacherinnen in Paris, die an ihrem Platze sind, was Racine, Montesquieu und Voltaire an dem ihrigen waren, die türkische Kleidung bleibt dagegen immer auf derselben Stufe. Nur das Talent zum Erlernen, nicht das Genie zur Erfindung kann da glänzen. Was übrigens den Vorschlag belangt, mich an den Emir zu vermählen, so danke ich gar sehr. Ich besitze schon einen Mann, und die einzige höchste Gunst würde mir gewährt, wenn ich wieder zu ihm eilen dürfte. Das Unglück eines Augenblicks hat mich nur zu lange schon von ihm getrennt. Ich weiß, du bist großmüthig genug, mich ziehen zu lassen.

Der Bei runzelte die Stirn ein wenig. – Dich ziehn zu lassen?

Gewiß, fuhr Flore fort, und damit ich keine Gefahr laufe, giebst du mir einige Soldaten mit, die mich bis an die ersten Wachen meiner Landsleute geleiten.

„Du forderst viel, beim Propheten; viel! Einem Franken Schutz und Milde erweisen, die Dienste, welche er uns gethan, reich belohnen, das geht wohl an, aber daß ein Muselmann den Franken wieder mit Geleit heimsende, wer darf das fordern? Er hätte ihm keine Gutthat erwiesen, wenn er ihm nicht lieb geworden wäre. Wer giebt gern das Liebgewonnene weg? Und wer wird es gar in die arge Welt der Franken zurückschicken?“

Edler Herr, ich bin mit der argen Welt zufrieden.

„Sahest du je, daß ein Muselmann etwas Aehnliches that?“

Flore besann sich ein wenig, und rief dann schnell: O ja, ich sahe einen Pascha, der einem Spanier Freiheit, Erlaubniß zur Heimkehr, und sichere Pässe gab. Und obenein hatte ihn einst des Spaniers Vater schwer beleidigt, ja der Jüngling des Paschas Geliebte entführt.

„Ist das gewiß, kannst du es beschwören?“

Ich kann es, antwortete Flore, und legte die Hand auf ihr Herz.

Nun rief der Bei, so will ich dem Pascha an Edelmuth nicht weichen. Du magst ziehn!

Achtes Kapitel.
Florens Trennung vom Bei

Man schöpfe nicht den Verdacht, unsre Heldin habe einen falschen Schwur abgelegt. Sie hatte in der That einen so hochherzigen Pascha gesehn, nämlich – im Singspiel.

Der renommirte Beobachter an der Spree, schon eher wohl die Quelle namhafter Autoren, erzählt auch: es sei Jemand zu Berlin in eine Abendgesellschaft geladen worden, aber späte erschienen. Mit freundlichen Vorwürfen über das lange Weilen empfängt man ihn. Er erwiedert: man wird geneigt seyn, mich zu entschuldigen, wenn ich den Anlaß kund mache. Ich sahe einen Juden, der in den Kreis einer unglücklichen Familie trat, und mit einem Geschenke von mehr als zwanzigtausend Thalern, ihr Retter wurde. Zwanzigtausend, mehr als zwanzigtausend Thaler! rief alles höchst befremdet. Wer war der Jude? – Iffland!

Florens Reisegepäck wurde eilig in Stand gesetzt. Sie bat, noch in Mannskleidern bleiben zu dürfen, um so mehr, als von den Hausgenossen, nach ihrem Wissen, Niemanden außer zwei Sklavinnen die Entwicklung von neulich bekannt geworden war. Und diese versicherten, das Geheimniß bewahrt zu haben. Sie bat darneben um die ältesten Mammelukken zu ihrer Begleitung.

Es wurde gewährt. Ibrahim, ein sechzigjähriger grämlicher Kerl mit schneeweissem Bart, erhielt den Befehl über vier andere auch ältliche Mammelukken, und zwei Kameeltreiber. O hätte sie doch eine jugendliche Escorte genommen! Schwankt die Wange zwischen Wollust und Geitz, nur selten wird die Wahl des Geitzes zu empfehlen sein.

Flore ritt das ihr vom Bei geschenkte Pferd, die Mammelukken die ihrigen, ein Kameel trug Wasser und Lebensmittel für die nur einige Tagereisen breite Wüste, das andre Florens Habseligkeiten. Sie waren von Belang, denn außer den Geschenken, die sie bisher empfing, wurde ihr noch ein bedeutender Vorrath an Stoffen und afrikanischen Seltenheiten mitgegeben.

Sie schied mit tiefer Rührung, unter Tausend Thränen. Da sie auch den Bei und Fatmen weinen sah, fehlte nicht viel, sie hätte den Vorsatz geändert, und wäre geblieben. Wenigstens dürfte das unfehlbar geschehen seyn, wenn ihr in dem Augenblicke jemand hätte beweisen können, Ring sei in Cairo mit einer anderen verheirathet. So aber ermannte sie sich doch (erweibte, ist ein ungebräuchlich Wort, aber sagt oft viel) und sprengte davon. Im Schritt hinweg zu reiten wäre zu gefährlich gewesen, wegen des Umsehens, und der Anlockung, das Roß zu wenden.

Bin ich nicht eine Thörin, fragte sie sich unterwegs, den Aufenthalt des Wohlwollens, der Freundschaft zu fliehn? Wer weiß, ob mir das Leben je wieder so lächelt? Aber, setzte sie hinzu, Liebe und Vaterland winken dort, und was wär ich, wenn der Bei und Fatme einst stürben.

Innig freute sie die Erinnrung, die Stifterin eines schönen Vereins gewesen zu seyn, und ein gewisser moralischer Stolz erfüllte sie sogar, wie sie sich als Bekehrerin von schnöden Sünden betrachtete. Dabei dachte sie manches nach, über die unbegreifliche menschliche Schwäche, die oft neben den herrlichsten Charakterzügen wohnt, und zog sich Erfahrungssätze ab, die nicht zu verachten waren.

 

Dem alten Ibrahim erklärte sie: er würde von ihr nicht vergessen werden, wenn die Reise glücklich vollendet sei. Nicht er, nicht seine Kameraden.

Allein nicht er, nicht seine Kameraden waren noch so zuvorkommend, noch so unterwürfig wie daheim. Dort hatte Ehrfurcht vor dem Bei, (der bei aller Güte, bisweilen auch so strenge war, wie es bei dieser Menschenart Nothwendigkeit erheischte) alle schlimme Leidenschaften niedergehalten, nun war das anders, und sie ließen den Wechsel ihrer Gesinnungen in dem Maaße des weiteren Abstandes sichtbarer werden. Schon von Anfang her, hatte den Rohen der besondere Schutz nicht gefallen, welcher einem Ungläubigen in des Beis Hause wurde. Und nie hatten sie die Ungläubigen mehr gehaßt, als seitdem sie einen unglücklichen Krieg mit ihnen führten. Ihrer Meinung nach, hätte jeder Frank, der ihnen in die Hände gerieth, unter Martern sterben müssen, und sie rühmten den Bei Murat und den Pascha Gizzar wegen ihrer harten Gesinnungen. Die Floren gewordnen Geschenke regten vollends ihre neidische Mißgunst auf. Ihre einsilbigen Antworten, ihre unwilligen Blicke, und ihr Heimlichthun, fingen an, Florens Aufmerksamkeit zu wecken. Es stand ihr indessen kein Hülfsmittel zu Gebot, als der Versuch, ihre Begleiter durch Freundlichkeit, kleine Geschenke, und wiederholte Verheißung größerer, zu gewinnen. Der Versuch bewirkte aber nicht viel. Auf gute Worte gaben sie nichts, und was sie empfingen, schien ihnen immer noch nicht genug, und mit heißer Gier schauten sie nach dem Kameele hin, das Florens Habe trug.

Letztre sah wohl ein, daß ein treuloses Vorhaben gegen sie nur zu leicht auszuführen sei, sie bot also ihre ganze Erfindungsgabe auf, einem Verein entgegen zu wirken. Erstens kramte sie alles aus, was sie noch vom Coran behalten hatte, redete von nichts als dem Propheten, und seinen Geboten der Frömmigkeit, um den Sinn der Religion lebendig zu erhalten. Dann schloß sie sich an jeden Einzelnen insbesondre, nahm ihn auf dem Wege bei Seite, that als wenn sie für ihn ausgezeichnete Achtung empfände, und sagte ihm die meiste Freigebigkeit zu. Bei Nacht ordnete sie an, daß alles schlief, bis auf einen Wächter, so konnte sie den ihr gefährlichen Abreden entgehn, denn bei Tage hinderte sie sie ohnehin, und bei Nacht blieb sie bei dem Wächter auf. Allenfalls dachte sie, muß das schon sechs oder Acht Tage der Reise ertragen werden.

So erheiterte die Hoffnung sie wenig. Furcht warf ihre süßen Träume über den Haufen, und was das Schlimmste war, so half ihre Vorsicht auf keine Weise, denn der tükkische Plan war entworfen, ehe noch Florens Argwohn keimte.

Das steckte ihr einer der Kameeltreiber, da sie sich mit ihm unterhielt, und ihn durch einen Spruch aus dem Coran gewissenhaft gemacht hatte. Sie mußte ihm erst Heimlichkeit versprechen, und dann sprach er: Sieh zu deiner Sicherheit. Es ist verabredet, dich zu ermorden, und dein Gut zu plündern. Schon wäre es geschehn, wenn der Bei nicht Todesstrafe darauf gesetzt hätte, wenn wir kein Zeichen von den Franken brächten, dem er glauben könnte, du seist ihnen richtig übergeben. Wie sie dazu kommen sollen, berathen sie nur noch. Ich will um solchen Preis nicht gewinnen, sieh wie du den Vorsatz hintertreibest.

Flore gerieth in keine geringe Bestürzung, doch der Umstand mit dem Zeichen, beruhigte sie in Etwas. Das mußte doch immer eine Certifikation seyn, in französischer Sprache abgefaßt, und gehörig besiegelt. Der Bei hatte einen Syrer um sich, welcher französisch mit einiger Fertigkeit dolmetschte; mit einem Betrug durften sie nicht kommen. Und dies Certifikat war immer doch nur bei einer Truppenabtheilung zu erlangen, die einem Offizier, wenigstens einem Sergeanten gehorchte.

Sie redete nun auch oft davon, wie sie, wenn sich europäische Soldaten vorfinden würden, wohlthäten, sich vorher in einem Orte nach einem Trompeter umzusehn, der das friedliche Zeichen verlangter Unterhandlung gäbe. Denn sie müßten durch die ersten Posten, bis zu einem andern, wo ihnen der Schein für den Bei würde, ohne welchen sie ja, wie ihnen bekannt sei, daheim in großes Unglück gerathen könnten. Dabei sagte sie: es dürfte wohl noch vierzehn Tage währen, bis man ihre Landsleute ansichtig würde, ob sie schon der Hoffnung war, es könne schon in wenigen Tagen geschehn, oder wohl gar weit hinausgeschickte Streifpartheien ihr schon jetzt begegnen. Denn sie meinte, desto weniger fassen sie einen eiligen Entschluß, und werden vielleicht vor Ausführung des Frevels überrascht.

Jetzt fand man sich am Ausgange der Wüste. Hohe Staubwolken zeigten sich in der Ferne, und im Strahl der heissen Sonne blickte hie und da ein Waffenblitz auf. Welches frohe, sehnsüchtige, hoffende Gefühl in Florens Brust! O wären es die, wo ich mich der Sicherheit erfreuen kann, wie wollte ich Glückliche dem Schicksal danken, wie schnell in die Arme des Gatten eilen! Mögten die Bösewichter ziehn, wurde doch nicht zur Reife gebracht, was sie heillos zu säen beschlossen.

Sie konnte die Zeit nicht erwarten, und trieb ihr Roß mächtig an. Die Mammelukken blieben zurück. Muthig sprengte sie auf die Staubwolke zu, froh erwartend, es werde bald eine rothe Feder oder eine dreifarbige Kokarde darin sichtbar werden.

Doch näher erblickte sie die langen Hälse brauner Dromedare, und hielt den Zügel etwas kürzer. Dann kamen ihr schwarze Führer zu Gesicht, ihr Roß trabte nur noch. Endlich ward sie eine lange Reihe solcher Lastthiere inne, und nichts wie Negergesichter. Sie hielt ihr Roß an, die Begleitung abzuwarten.

Verdrießliche traurige Täuschung! Was sie für einen Soldatenzug angesehn hatte, war eine Caravane von Sklavenhändlern. Sie hatte Neger aus Darfur, Sennar, und Bornu nach Egypten zum Verkauf bringen, und weisse Mädchen nach ihren Märkten zurücknehmen wollen. Sie fand aber den Menschenhandel durch menschliche Verordnungen, die die Franzosen erlassen hatten, untersagt, und mußte an der Gränze unverrichteter Sache wieder abziehn. Darüber, zürnten die Kaufleute sowohl, wie die Waare selbst, denn man muß wissen, daß die Sklaverei den Negern nur in den christlichen Colonieen furchtbar ist. Bei den Muselmännern versuchen sie es ganz willig, denn harte Behandlung erwartet sie dort nicht, und fände ein Einzelner Ursache, mit seinem Gebieter unzufrieden zu seyn, so steht ihm das Recht zu, ihm zu sagen: führe mich auf den Markt! was denn geschehn muß, und die Aussicht eröffnet sich, einem gelinderen Herrn zu gehorchen. Oft machen die Sklaven ihr Glück, da sie frei gelassen, und zum Betreiben einer eigenen Handthierung unterstützt werden. Auch ist ihnen der Weg zu einträglichen Aemtern nicht verschlossen. Weisse Sklaven werden auch in der Türkei feilgeboten, alle Mammelukken sind verkauft, und steigen durch die Gunst der Beis zu bedeutenden Stellen, selbst zum Range eines Beis empor. Der durch Grausamkeit berüchtigte Gizzar Pascha war aus Bosnien gebürtig, wurde daheim, wegen einer Gewaltthat verklagt, die er an seiner Schwägerin hatte verüben wollen, und floh. In Constantinopel verkaufte er sich selbst als Sklave nach Egypten. Hier lächelte ihm das Glück bald, weil er sich geschmeidig in die Launen seines Obern, des bekannten Ali Bei zu fügen wußte. Dieser brauchte ihn besonders, wo etwas Gefährliches ausgeführt werden sollte. So stieg er.

Die Kaufleute bei dieser Caravane gingen fast nakkend, einen schürzenartigen Gürtel ausgenommen. Wer ein graues oder blaues Hemd, dessen Aermel bis um die Achseln aufgerollt waren, trug, kündigte sich schon wie einen dem Luxus ergebenen Mann an. Ein ledern Futteral hing jedem an der Krümme des linken Armes, worin sie Geld, Toback und andere nahe Bedürfnisse verwahrten; bewaffnet zogen alle einher, entweder mit Lanzen oder auch nur mit Säbeln. Feuergewehr war selten.

Florens Begleiter waren herangekommen, und man machte Halt, um die Caravane vorüber zu lassen. Gegen das Ende des Zuges bemerkte Flore, daß Ibrahim fehle, und fragte nach ihm. Man gab ihr keine gnügende Antwort. Der Umstand kam ihr bedenklich vor, und sie überlegte, sollte man den Mammelukken erwarten oder nicht. Endlich wurden von dem Handelszuge nur noch einige Kameele sichtbar, mit denen die Führer sich verspätet zu haben schienen. Da sie aber heran waren, befand sich Ibrahim dabei. Er hatte also unbemerkt einen raschen Umweg gemacht, um diese Schwarzen zu sprechen.

Floren ahnete viel Schlimmes, und sie betrog sich nicht. Ein häßlicher Neger im blauen Hemd und mit langen goldnen Berlokken im Ohr, kam mit Ibrahim auf sie zu. Die Bösewichter scheuten sich gar nicht, laut von ihrer Absicht zu reden. Ich kaufe sie, sprach der Neger, und folgt mir, laßt einen von euch nach Assiut schleichen. Dort findet ihr Dollmetscher, welche die französische Sprache verstehn, und euch eine Schrift, wie ihr sie wünschet, verschaffen. Bringt sie nicht um, ihr könnt ja das Geld für sie einstreichen.

Flore hörte die Schrekkensworte, und fragte mit dem Muthe, den die Nothwendigkeit als einen letzten Versuch zur Rettung auferlegt: Ihr Bösewichter was habt ihr vor?

Das wirst du bald sehn, donnerte Ibrahims trotzige Stimme.

Aber wo ist sie denn? fragte der Neger.

Hier hier, vor dir, schrie Ibrahim, in den Mannskleidern. Sie meint wir halten sie für kein Weib, und wußten es schon lange daheim.

Flore hatte ihre Edelsteine aus Vorsorge wieder in der Mütze verwahrt, und den Gürtel mit den in Scheik Abade gefundenen Dukaten gefüllt. Mag das Kameel mit seiner Ladung verloren gehn, dachte sie, die Wüste ist zu Ende, ich versuche die Flucht. Aus allen Kräften trieb sie daher, mit der Schärfe des breiten Steigbügels, die von den Morgenländern als Sporn gebraucht wird, ihr Pferd an, und eilte vorwärts. Allein die Mammelukken machten förmlich Jagd auf sie. Einer setzte in grader Richtung, noch zweie rechts und links, um sie, wenn sie den Weg veränderte, zu haschen, sie waren dazu bessere Reuter, und so hatten sie die Arme nach Tausend Schritten bereits eingeholt. Man bemächtigte sich ihrer Zügel, und brachte sie mit schadenfrohem Gelächter zu dem Dschelab (Kaufmann) zurück.

Der Bei wird euch Hunde würgen lassen, schrie die halb Ohnmächtige vergebens. Musa, so hieß der Neger, besah sie aufmerksam, und setzte ihre Schönheit herab, während die Verkäufer sie erhoben. Man gab ihr den Befehl, sich zu entkleiden und legte auf ihre Weigerung selbst Hand an. Nun, dachte sie, vielleicht erhalte ich mir Mütze und Gürtel, wenn sie nicht berührt werden, und entschloß sich zu der demüthigenden Handlung. Musa konnte nichts weiter tadeln, und man war bald um den Preis einig.

Die Mammelukken wollten ihr noch die Kleider nehmen. Wie, rief sie, gnügt euch nicht an dem Kameele, dem Pferde, ehe ich entblößt die Reise mache, sterbe ich den Hungertod. Laßt ihr was sie trägt, sprach Musa, und der Handel war geschlossen.

So trauerte Joseph einst unter seinen verrätherischen Brüdern, wie jetzt Flore.

Sie mußte ein Dromedar besteigen, zwischen dessen beiden Erhöhungen des Rükkens, Musa ihr einen bequemen Sitz bereitete. Die Mammelukken setzten den Weg nach ihren Absichten fort.