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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Zweites Kapitel.
Der Derwisch im Gebürge

Sie wurde nun noch über manche Dinge verhört, und reihte ihre Nothlügen so geschickt aneinander, daß die Männer beruhigt wurden. Der Priester setzte endlich fest: der ungläubige Jüngling sollte zu einem Derwisch im Gebürge, der ihn in der allein reinen Religion unterrichten würde. Er übernahm es sogar selbst, ihn nach der einsamen Wohnung des Mannes zu geleiten. Jetzt begegnete man Floren nicht mehr feindlich.

Ihr wurden einige Erfrischungen gereicht, und dann mußte sie mit zum Imam, der zwei Esel satteln ließ. Nachdem sie eine schlichte Mütze, wie nur die Juden im Morgenlande tragen dürfen, bekommen hatte, mußte sie das eine Thier besteigen, und dem Priester folgen.

Man hatte etwa zwei französische Meilen bis zum Aufenthalt des Einsiedlers. Oft fiel Floren unterwegs bei: könnte ich nur auf die Schnelligkeit des Thieres bauen, ich wagte eine Flucht. Aber es war gewohnt, neben dem anderen einherzuschreiten, und wenn sie nur eine Lenkung versuchte, gab es Schwierigkeit. An ein solches Vorhaben war also nicht zu denken.

Sie mußte in den Bergwald. Durch enges Gesträuch wand sich ein steiniger Pfad, der zu einer sehr dürftigen hölzernen Hütte führte. Ein Greis mit langem Silberbart trat heraus. Mit tiefer Ehrerbietung nahte ihm der Imam, unterrichtete ihn über den Zweck des Besuchs, und fragte: ob der Derwisch gemeint sei, den jungen Franken in die hohen Lehren der Religion zu weihen? Wer wird nicht gern eine Seele retten, klang die Antwort.

Nun sagte der Imam: mein Sohn, was du noch an Gelde bei dir führest, liefere in meine Verwahrung. Wie Du ein Muselmann bist, sollst du es treulich zurückerhalten. Flore warf einen Blick des Unwillens auf ihn, als wollte sie sagen: Hast Du nicht genug? Laß mir das Uebrige. Er wiederholte die Frage. Ich besitze nichts mehr, war die Antwort. Und dennoch ist dein Gürtel so dick. Laß sehn! – Er nahm den Gürtel ab, und schüttelte die Goldstücke heraus. Flore gab noch gern den Rest her, nur damit sie bei einer Untersuchung nicht entdeckt würde. Dahin waren die Reichthümer.

Der Imam sprach: Dem Ungläubigen sei die Lüge noch verziehn, und entfernte sich. Für Lebensmittel werde ich sorgen, rief er zurück.

Der Greis nahm Floren nun in die Hütte, trug einige Wurzeln auf, und setzte ein Gefäß mit Wasser daneben. Die Proselitin gegen ihren Willen, war zu tief vom Schmerz über ihren Verlust erfüllt, daß sie hätte Eßlust spüren sollen, wenn man sie auch an eine Prunktafel geladen hätte, wie jene zu Alexandrien. Und nun gar diese Frugalität.

Das ernste Amt des Mannes wurde gleich begonnen. Mein Sohn, hub er an, danke dem Propheten im Staube, daß er dich diesen Weg geleitet hat. Du wirst nun der Erwählten einer, täglich durch fünf Gebete die Sünde tilgen, und dereinst das frohe Paradies grüssen.

Flore hörte mit einem Gesichte zu, wie es die Judenkinder in Rom zu ziehn pflegen, wenn sie gemüßigt sind, eine christliche Predigt zu hören, gegen deren Ueberredung zum Glaubenwechsel, die Eltern sie daheim erst mit tausend Verwünschungen waffneten.

Der alte Derwisch fuhr fort: Es giebt sieben Himmel, mein Sohn. Mahomed stieg auf den Alboral, schwang sich zur Höhe, und sahe sie alle. Der erste ist von feinem Silber, der zweite von reinem Gold. Aus edlen Steinen ward der dritte erbaut, und ein Engel liest hier heilige Blätter, von dessen einer Hand zur andern, Sechzigtausend Tagereisen sind. Der vierte glänzt von Smaragdwänden. Nur Christal wird im fünften sichtbar. Der sechste ist ein Feuer, das nicht verletzt. Ein reizender Garten der siebente, wo die Springbrunnen Milch zur Höhe treiben, Wein in perlenden Bächen umherschäumt, und Sümpfe von Scheibenhonig einladen, sich bis an den Gürtel zu versenken. Hier blühen liebliche Bäume, voll saftiger Aepfel. So du einen brichst, verwandeln sich die Kerne der Frucht, in süße zarte Mädchen, so fein, so hold, so engelhaft, daß wenn eine nur einen Tropfen Feuchtigkeit von ihren Lippen ins Weltmeer fallen ließe, es gleich aufhören würde, salzig zu seyn. Hier wird Allah von Seraphimen gelobt, die Siebzigtausend Lippenpaare haben, und in jedem Mund Siebzigtausend Zungen, und wo jede Zunge in Siebzigtausend verschiedenen Sprachen, täglich Siebzigtausendmal den Herrn der Himmel und Welten preist. Vor seinem Thron, der hier prangt, brennen vierzehn Kerzen, deren Flamme funfzig Tagereisen hoch emporlodert. Alles was die Seligen nur begehren, wird ihnen da werden, in unaussprechlich reicher Fülle. Dort dürfen sie Wein trinken, und einen Wein, im Feuerparadiese gepflanzt und gekeltert, so stark, daß von einem Tröpflein die ganze Menschheit trunken wäre. Dort wirst du so viele Mädchen umarmen als du willst, alle ewig jung, ewig schön, und ewige Jungfrauen. O welche Gnade wird dem Seligen! Heil dir, mein Sohn!

Flore konnte sich nicht der Frage erwehren: Und die Weiber, frommer Derwisch, werden sie auch so viele Männer nehmen, ewig jung, ewig schön, ewig – —

Ei, unterbrach sie der Einsiedler, so fremd noch bist du in Geheimnissen des Glaubens. Kein irdisch Weib darf dem Paradiese nahn, doch von fern werden sie der Männer Entzückungen schauen.

Man kann die Bemerkung nicht umgehen, daß Mahomed unter allen mythologischen Dichtern die üppigste Phantasie zeigte. Hätte er aber mehr seinen Geschmack, und weniger arabische Märchenträumerei in seine Religionsgebräuche aufgenommen, dabei nicht den Künsten den Eingang versperrt, so würde er noch zahllose Anhänger mehr geworden haben. Wie hätten die Bildner streben können, die Lehre reizend zu versinnlichen! Giebt es nirgends in der Christenheit ein Gemälde der Houris? Da die Christen- und Griechen-Mythen so erschöpft sind, könnte die Kunst sich immer auch an jenen Vorwürfen üben.

Es giebt aber noch eine Götterlehre, die sich für den Pinsel oder Meissel auszeichnet, die teutonische. Welch ein malerischer Stoff, die himmlischen Valkyren! Wer weiß, ob Thuiskons Enkel so entartet wären, hätte jene alte Religion fortbestanden, und sich der Zeiten Läuterung erfreut? —

Genug, Flore sollte an den Propheten glauben, so wenig Lust sie dazu fühlte, und so übergroß ihre Verlegenheit anwuchs. Denn was sollte doch werden, wenn der Religionsunterricht weit genug vorgerückt war?

Gegen den Alten ergriffen sie aber ganz eigene Empfindungen. Sie liebte ihn nicht, haßte ihn nicht, hatte Lust seine entsagende rauhe Lebensweise Thorheit zu nennen, aber bewundern mußte sie die große Kraft dieser Thorheit. Mehr in den Sieben Paradiesen, wie in der Wirklichkeit lebte dieser Derwisch. Immer umgaben ihn die Bilder davon, und die Lebendigkeit seiner Vorstellungen war so stark, daß er oft im süßen Wahn nach den Gestalten faßte. Ein morgenländischer Swedenborgianer.

Der Imam fand sich von Zeit zu Zeit ein, fragte über die Gelehrigkeit des Schülers nach, und brachte Lebensvorräthe. Florens gutes Gedächtniß setzte sie bald in den Stand, das Gehörte wieder herzusagen, und so fand sie denn ein Lob, nach welchem eben kein Geitz in ihr wohnte. Desto schlimmer, denn man sprach mehr von dem Tage, wo das islamitische Sakrament den Proselyten weihen sollte.

Dieser Tag durfte nicht nahn, wie ließ sich ihm aber ausweichen? Eine verstellte Ungelehrigkeit, wozu könnte sie auch führen, als zur Verlängerung eines gar beschwerlichen hoffnungslosen Aufenthalts? Peinliche Verlegenheit! Flore hätte gern eine Rettung durch die Flucht versucht, aber der Gedanke an ihre Goldstücke fesselte sie immer noch, obgleich nur ein geringer Anschein vorhanden war, sie könne je wieder zu ihrem Besitz gelangen.

Sie hegte noch die Absicht, unter dem Vorwande ihr Geld vom Imam loszuschwatzen, daß sie sich für die Feier des hohen Tages mit schönen Ehrenkleidern versehn wollte. Im Besitz des Geldes, wenigstens eines Theils davon, hatte sie dann Lust ihr Heil weiter zu versuchen. Aber der Priester war zäh, und erklärte: es sei bei der Ceremonie kein Prunken von Nöthen.

Morgen schon war der Tag, welcher etwas – nicht Vorhandenes rauben sollte, und in der Nacht zuvor, stand Flore leise aus der Hütte auf, um sich dem guten Geschicke fliehend in die Arme zu werfen. Der Derwisch schlief nicht, und hörte unter seinem Gebete das Getöse. Er wollte die Flüchtige ergreifen, die sich ihm aber schnell entwand. Nun tappte er vergebens im Dunkeln umher, und hörte aus der Ferne die Worte: „Frommer Derwisch, ihr habt unter eurem Hüttendache ein Weib geherbergt.“

Doppeltt dreifach übel war der Zustand der Armen nun. Kein Geld, um irgend ein Bedürfniß zu kaufen, kein Gewehr, um sich im Nothfall zu vertheidigen. Wie verwünschte sie den grünen Turban, der sie um beides gebracht hatte!

Drittes Capitel.
Das Gefecht

Sie wußte selbst nicht, wohin sie ihren Weg nahm, und dachte erst am Morgen mittelst der Niederung des Stromes ihre Richtung zu finden. Dann wollte sie zurück nach Scheik Abade gehn, um aus den Trümmern eine andere Ladung Kostbarkeiten zu holen.

Gegen Morgen aber vernahm sie einige einzelne Schüsse, denen gleich mehrere folgten. Bald nahm das Feuer beträchtlich zu. Mit horchendem Ohr lauschte die Pariserin, und dachte entzückt, hier müßten die Europäer nahe sein. Sie hatte ohnehin gehört, daß ein geschlagener Bei in diesen Gegenden nach und nach wieder einige Truppen gesammelt habe, um die einzelnen Posten der Franzosen anzufallen.

Den Schweitzer entzückt in der Fremde des Kuhreigens Melodie, den Venetianer ein Gondoliererlied, Floren der Knall französischer Flinten. Gleich war ihr Entschluß gefaßt, um jeden Preis die Landsleute aufzusuchen.

Sie beflügelte die Schritte nach der Gegend zu, wo das Kampfgetöse sich vernehmen ließ. Doch befand sie sich auf der Seite, wo die Mammelukken schwärmten, die auch einige Schützen zu Fuße im Gebirge fechten ließen. Sie wollte die Stellung umgehn, wurde aber bald bemerkt und angehalten. „Gebt mir Waffen“, rief sie, „gebt mir Waffen, daß ich wider die Ungläubigen streiten helfe!“

 

Die türkischen Schützen nahmen das wohl auf, brachten das Gewehr und den Pulvervorrath eines Getödteten herbei, und stellten sie neben sich in eine Felsschluft, die vertheidigt wurde. Drüben rückten hitzig kleine Jägertrupps an, in der wohlbekannten Uniform. Florens Herz klopfte. Hoch richtete sie ihre Schüsse, um keinen davon zu verletzen. Dagegen flogen jener Kugeln dicht bei ihr vorbei, das einzige landsmännische, was ihr nicht gefiel.

Nicht lange aber, so liefen die Jäger Sturm auf den engen Weg, und die Morgenländer fanden für gut, sich auf die Flucht zu begeben. Nun warf sich ihr junger Rekrut nieder, als ob er getödtet sei, und sie bekümmerten sich weiter nicht um ihn. Kaum waren sie Hundert Schritte entfernt, als den Verfolgern auf französisch zugerufen ward, sie mögten ja nicht in der Uebereilung französisches Blut vergießen.

Sie waren nicht wenig befremdet, Flore aber fuhr fort: Laßt nur nicht ab, die Feinde zu verfolgen, ich helfe wakker, meinen Roman sollt ihr gelegentlich hören. Sie machte nun tapfer, wie eine Jeanne d’Arc oder d’Eon das Gefecht mit, und traf mehrere Feinde. Der Tag gehörte, wie gewöhnlich, den Franzosen.

Zu Florens größter Freude hatte der Kampf sich nach der Gegend des Dorfes gewendet, wo die Moschee stand, zu welcher jener Imam gehörte. Es kostete wenig Mühe, einige Jäger zu bereden, daß sie Floren zu dem Priester begleiteten. Er wollte eben entfliehen, wurde aber noch ergriffen. Mein Geld, edler Eiferer für den wahren Glauben! rief Flore. Der Imam gerieth außer sich vor Schrecken und Befremdung. Er leugnete den Besitz, gab vor, alles entfernt zu haben, da aber im Kriege noch nicht die peinliche Frage ganz abgeschafft ist, so fand man bald Mittel, ihn zum Geständniß zu bringen. Er zeigte einen Fleck des Gartens an, aus welchem man den Gürtel mit allen Goldstücken, und den mit Edelsteinen gefüllten Turban grub.

Um das Aufhören gewisser körperlicher Schmerzen, giebt man viel, viel hin, und die Kräftigen sind selten, die da widerstehn. Doch giebt es auch Ausnahmen. Zum Beispiel folgende: Ein junger preußischer Soldat, von vortheilhafter Gestalt, und wegen seines untadelhaften Betragens bei den Vorgesetzten beliebt, gab während des Krieges in Polen, da man in einer namhaften Stadt kantonnirte, mehr Geld aus, wie seine geringen Einnahmen zulassen konnten. Das wurde dem Offizier hinterbracht, der nun den Tornister des Soldaten untersuchen ließ, worin man zwanzig bis dreißig Dukaten entdeckte. Der Soldat wurde sogleich eingekerkert, und sollte sagen, wie er in den Besitz dieser Summe gelangt sei? Er gab vor, sie auf der Gasse gefunden zu haben. Dies wurde umso weniger geglaubt, als hie und da in derselben Zeit Diebstähle begangen worden. Sehr bekümmert war sein Hauptmann über diesen Vorfall, denn er hatte den Soldaten grade zum Korporal erheben wollen.

Die Regimentsgerichte verfuhren mit Strenge, und nachdrückliche Züchtigung wurde angewandt, ein Geständniß der Wahrheit zu erpressen. Nach manchen Ausflüchten, deren Grundlosigkeit am Tage lag, bekannte endlich der Soldat: er sei Urheber jenes Diebstahls, der neulich an der Kirche eines gewissen Klosters verübt worden sei. Das geraubte Silberzeug habe er, ihm unbekannten Juden verkauft, und auf diese Weise das Geld erhalten. Etwa zehn Dukaten wären bereits verzehrt.

Man stellte nun die gefundenen Dukaten dem Kloster zu, und verhängte über den Kirchendieb ein zwanzigmaliges Gassenlaufen durch Zweihundert Mann. Standhaft duldete er die Pein, und wie er endlich die Doppelreihe, der ihn strafenden Kameraden verlassen hatte, rief er lachend: Ich bin doch ein ehrlicher Kerl! Eine Behauptung, der Niemand Glauben beimessen wollte.

Groß war aber die Befremdung beim ganzen Regimente, da nach einiger Zeit ein anderer Soldat ertappt wurde, wie er zusammengeschlagenes Silber einem Goldschmiede um geringen Preis anbot. Man erkannte es für einen ehmaligen Kelch, suchte scharf bei dem Manne nach, und fand noch die Monstranz und sämmtliche Gegenstände, welche der Kirche gefehlt hatten. Also war jener Soldat unschuldig, und hatte sich fälschlich angeklagt.

Allerdings wurde er wieder vernommen. Aus Angst, rief er, hab ich die Lüge gesagt. Zwanzigmal Spießruthen oder im Verhör halb todt geschlagen werden, kömmt es nicht auf eins heraus? Ich wählte das erste, wo doch ein Ende abzusehn war.

Aber woher bekamst du denn jene Dukaten?

Sagt ichs nicht im Anfang? Ich habe sie auf der Gasse gefunden.

Das ist durchaus unglaublich, weil der Verlierer sich öffentlich würde gemeldet haben.

Nun gut, fuhr der Soldat fort, so gebe man mir aufs Neue tausend Hiebe, ich kann doch keine andere Aussage thun.

Er sprach mit so freier Ergebung, und einem so von Schändlichkeit entfernten Gesicht, daß der Verhör haltende Offizier sich beim Obersten einlegte, die Untersuchung aufzuheben. Denn, setzte er hinzu, mag es immer ein Raub sein, so ist der Mensch ja schon sehr hart dafür bestraft worden.

Der Oberst ließ ihn also aus dem Gefängniße und öffentlich anzeigen: es wolle ein Soldat Geld gefunden haben, wer sich zum Verlust legitimire, könne es bei den Regimentsgerichten in Empfang nehmen. Denn das Kloster hatte nun jene Summe zurückgeschickt.

Niemand meldete sich aber, und das Geld blieb bei der Kasse liegen.

Nach mehreren Monaten befand sich das Regiment von jenem Orte entfernt, auf dem Marsche. Man durchzog eben einen Wald. Der Offizier, welcher jenes Verhör gehalten hatte, führte die Seitenpatroullen an, der junge Soldat gehörte auch zu der Mannschaft. So neben ihm herreitend, und unter mitleidigen Blicken, auf das noch durch jene harte Strafe entfärbte Gesicht, fing der Offizier an: Höre, du magst sagen was du willst, gefunden hast du die Dukaten dennoch nicht.

Der Soldat blickte auf. Herr Lieutenant, ich habe wohl noch mehrere, sie sind aber eingenäht.

Ei, ei, das sagst du mir?

Ich will ihnen noch mehr sagen, nur Alles nicht. Einmal kam ich zu *** in ein Haus, um Kameraden zu sprechen, die dort im Quartier lagen. Eine Dame rief mich in ihr Zimmer, und ich wurde beim Weggehen mit Sechs Dukaten beschenkt. Oefter mußt ich wiederkommen, und man war immer freigebig. Da nun das Geld bei mir entdeckt wurde, konnte ich doch eine so vornehme und brave Dame nicht verrathen. Eh hätt ich mich todtschlagen lassen. Wo sie gewohnt hat, sage ich auch jetzt Niemals.

Der Offizier forschte auch nicht weiter, empfand alle Achtung vor dem Märtyrer der Galanterie, und brachte es beim Obersten dahin, daß ihm das bei der Kasse noch vorhandene Geld verabfolgt wurde.

Fünftes Capitel.
Böser Geitz

Flore theilte den Jägern reichlich mit, und eilte nun, mit ihnen zu dem großen Haufen zu kommen. Froh erzählte sie unterwegs einen Theil ihrer Geschichte, gab sich übrigens aber doch für den Diener eines Commissärs aus.

Wie hüpfte ihr Puls, da sie vernahm, das Commando, wobei sie sich gegenwärtig befände, werde nächstens abgelöset werden, und nach Cairo zurückgehn. Wie viele Umarmungen wurden Ring im Geiste!

Aber nur wenigen Sterblichen ist es gegeben, die Sonnenblicke Fortunens zu tragen. Wie sie zu glänzen beginnen, so will man auch schon mehr Helle, noch mehr Helle, kein übrig Wölkchen soll den Schein trüben, obgleich man vorhin in dem Uebel des Mißgeschicks nur nach einem erquickenden Strahl seufzte. Flore hätte nun ihrem Gestirn danken sollen, so weit gekommen zu sein, darneben ruhig bei den Soldaten weilen, und den Tag erwarten, wo man den Weg nach Cairo anträte. Das geschah aber nicht, und so stürzte sie sich wieder in tiefes Leid und unermeßliche Verwirrung.

Sie pflog, während man noch in der Gegend im Bivuac lag, mit den Jägern enge Freundschaft, die sie zum Imam begleitet hatten, und theilte das Obdach ihrer Hütte. Besonders aber gefiel ihr die Entschlossenheit des einen darunter: Antoine genannt. Diesem entdeckte sie eines Abends: Freund, zwei bis drei Tagereisen von hier, weiß ich einen Ort, wo ansehnliche Schätze verborgen liegen. —

Holen wir sie! erwiederte Antoine.

Das wäre auch wohl mein Gedanke, fuhr die Verkleidete fort, aber es giebt manches dabei zu bedenken. Sagen wir vielen davon, so zertheilt sich der Reichthum zu sehr. In zwei oder drei Portionen bleibt er ansehnlicher. Sollen aber nur wenige den Gang dahin unternehmen, wird die Gefahr für sie zu groß.

Wo liegt der Ort? fragte Antoine wieder.

„Am Nil, aufwärts von hier.“

Dann sehe ich keine Gefahr. Die Mammelukken des verfolgten Bei sind in die Wüste getrieben. Am Nil hinauf stehen noch weithin Posten. Was die arabischen Bauern oder Nilfischer anlangt, auf die wir stoßen können, so nehmen es doch wohl drei Franzosen mit ihrer zwanzig oder dreißig auf.

„Meinest du?“

Warum nicht. Das Volk ist in Furcht gesetzt. Zudem giebt es manche unsrer Anhänger darunter.

Floren lüstete es so sehr nach Vermehrung ihrer schon ansehnlichen Habe, daß sie den nur zu unternehmenden Antoine noch lebhafter anreizte. Es wurde bald ein kurzer Plan verabredet. Der Jäger suchte noch einen handfesten muthigen Kameraden aus, dem das Vorhaben mitgetheilt wurde, und der sich so bereitwillig zeigte, wie jener. Nun erbat man auf einige Tage Urlaub, um in einem nahen Orte kranke Soldaten zu besuchen. Da alles wieder ruhig war, fand die Bitte Gewährung. Flore kaufte unter der Hand von ihrem Gelde drei Esel zum Reiten, und noch einen, welcher das reiche Gepäck auf dem Heimwege tragen sollte.

Wie alles bereit war, nahm sie, die unter keiner besonderen Aufsicht stand, mit den Thieren einen verabredeten Weg, und erwartete die Jäger, welche den ihrigen ändern, und zwischen den Schildwachen hindurch zu ihr schleichen sollten.

Das ging erwünscht von statten, man fand sich bald zusammen, und brach nach Scheik Abade auf. Daß neben zwei Soldaten ein Mann in der Landestracht ritt, erweckte vielleicht noch ein gewisses Vertrauen. Ueberall waren Lebensmittel um Geld zu finden, bei Nacht blieb man unter freiem Himmel, und ließ die Esel weiden, während einer von den Dreien Wache hielt.

Am dritten Tage gegen Abend erblickten sie die Ruinen, und machten Halt, denn Flore hatte den Gefährten nicht verhehlt, daß sie wider das dort wohnende kekke Raubgesindel nichts vermögten, und nur unter dem günstigen Einfluß des nächtlichen Dunkels etwas auszurichten sei.

Man erwartete also die Nacht, und zog nun leise weiter.

Da die Schatzlustigen bis nahe an den Ort gekommen waren, ging Flore voraus, die Sicherheit zu erspähn, kam bald zurück, und hieß Antoine folgen. Der dritte Gefährte mußte mit den Eseln in einiger Entfernung harren, und den Thieren wurden die Mäuler verbunden, daß ihr Geschrei kein Unheil stiftete.

Wenn der Golddurst die Columbe uns den Weg durch unbekannte Meere entdecken ließ, so konnte ja wohl Flore eine Reichthum bergende Stelle in tiefer Nacht wiederfinden, hatte sie doch der Versuch schon einmal gekrönt. Es kostete nichts, wie den Ort am Nil erst zu suchen, wo sich die Räuber ein- und auszuschiffen pflegten, von da an trügten Florens Merkmale nicht mehr.

Sie stand nun mit Antoine bei den Trümmern. Die Steine, welche das Goldgrab schlossen, waren hinweggewälzt. Beider mitgenommene Spaten wühlten lustig in den Sand, und der Gräber Pulse flogen von Hoffnung. O Schrecken! da ertönt nahe bei ihnen eine helle Pfeife.

Sie halten bestürzt an, die Pfeife läßt sich wieder hören, abermals. Beide ergreifen ihre Pistolen, und wenden sich nach der Stelle, wo der Klang herkömmt, dem unwillkommenen Virtuosen eine Pause aufzuerlegen. O weh, da hört man zwei, drei, zehn andere Pfeifen von den Hütten her. Irrlichtern gleich schimmern bald viele kleine Fackeln, aus Schilfrohr, im Umkreise, weichen aber nicht wie jene, sondern nahen eilig.

Flore war einer Ohnmacht nahe. Wir sind verrathen, rief Antoine leise, und müssen auf Rettung denken.

Von einem Orte, wo Gold liegt, entfernt man sich mit Mühe, sollte auch der Schrecken neben dem Mammon wohnen. Dazu kamen die vielen Hindernisse. Die Flüchtlinge stolperten über Gestein, was sowohl ihr Fortkommen hinderte, als zugleich ihren Weg kund machte; bald waren die Fakkeln da und die gräßlichen schwarzgelben Träger wurden sichtbar. Antoine schoß sogleich einen davon nieder, bekam aber in dem Augenblicke den Todesstoß einer Lanze in die Brust. Fangt sie lebend! schrien einige Stimmen, und Flore, die diesmal nicht so muthig war wie sonst, wagte sogar keine Pistole loszudrücken, ward umklammert, entwaffnet, gebunden. Entsetzlicher Wechsel!

Der Muth ist sich nicht gleich, hängt an vielen Umständen, die es schwer wird, zu verfolgen. Man hat spiellustige Krieger bemerkt, die, wenn grade die Würfel schlecht gefallen waren, Löwentapfer auf ihren Feind losgingen, dagegen wenn ihnen das Glück eine reiche Börse gefüllt hatte, eine sehr mäßige Lust bezeigten, zu sterben. Es ist aber keine allgemeine Regel, und ganz im Gegentheil ist bisweilen verfahren worden, wo das Gold Kraftgefühl und Vertrauen auf guten Ausgang weckte, und der Mangel daran, nur Kleinmuth über den Mann kommen ließ.

 

Genug, Flore erwies sich feig, und beiden war wohl Mangel an gehöriger Disposition vorzurücken. Der Gefährte mußte näher seyn, die Thiere irgendwo angebunden. Die drei konnten unter abwechselndem gut gezieltem Feuer dann wohl den zehn Räubern widerstehn. Zu wenig wäre es noch gewesen, sich nur mit Ordnung zu den Thieren zu retten, und dann schnell zu fliehn, man hätte die Feinde erlegen, in die Flucht treiben, und die Schätze mit Gewalt heben müssen. Doch es war versehn, der tapfere Antoine lag, Flore wurde fortgeschleppt, und auch der dritte Gefährte büßte noch das Leben ein. Denn, nachdem er schießen gehört hatte, wollte er den Uebrigen helfen, kam näher, wurde umringt, vertheidigte sich hartnäckig, und blieb.

Der Leser hat gewiß schon errathen, woran die Wachsamkeit jener Räuber eigentlich hing. Sie nahmen wahr, daß Jemand an dem Orte, wo die Kostbarkeiten verborgen lagen, gewühlt hatte. Wer konnte das sein? Aus ihrer Mitte Niemand, denn so gut Lessing die Räubertreue seines Angelo rühmt, der doch wirkliche Vorbilder in Italien haben mußte, so gewissenhaft die Diebe in großen deutschen Städten über dass gemeine Aerar halten, so verdienen egyptische Bösewichter wegen ihres Esprit de corps Lob. Man fiel also gleich auf das verwünschte ungläubige Weibsbild, das ihre Kameraden bei sich hatten. Wie aber war diese vom Schiffe entkommen? Schlimme Ahnung! vermehrt durch das Ausbleiben, erfüllt durch die schreckliche Entdeckung des aus dem Nil hervorragenden Mastbaumes, da man die Kameraden zu suchen ging.

Nur die näheren Umstände blieben dunkel. Wer weiß aber, beratheten die traurigen Unholde, ob die Sehnsucht, unsre Schätze zu plündern, die Verrätherin nicht wieder nach Scheik Abade führt, ob sie nicht Hülfe von den ihrigen mitbringt? Wir wollen jede Nacht eine Wache ausstellen, daß wir für das Unsrige gesichert sind, und vielleicht Nachrichten von den unglücklichen Brüdern, und Rache erlangen.

Flore wurde in eine Hütte gebracht, und mit der schrecklichsten Folter bedroht, wenn sie nicht sogleich aussagte, was mit den Kameraden geschehen sey. Man machte zugleich Anstalt, ihr Splitter unter die Nägel zu stecken, und sie anzuzünden. Es bedurfte so viel nicht. So nahe am Hafen gestrandet, war alle ihre Besonnenheit dahin, sie ergab sich in ihren Untergang, und berichtete alles genau.

Die Räuber staunten, sprachen aber einmüthig aus: die Mörderin ihrer Brüder müsse zur Strafe des Spießes verurtheilt werden; und drohten ihr: daß sie drei Tage lang an dieser Marter hinsterben sollte.

Man war mit einer solchen Geräthschaft versehn, und richtete sie mit angrauendem Tage schon auf, so große Eile hatte die Mordlust. Nach dem Entwandten wurde weiter nicht geforscht, in der Voraussetzung, es würde in ferner Verwahrung liegen; man untersuchte eben so wenig Florens Kleidung, sonst würde sich noch ein guter Theil davon wiedergefunden haben.

Flore wüthete Tausendmal gegen die unselige Gier, sich mehr zu bereichern, die zwei braven Männern schon das Leben gekostet hatte, und ihr nun mit dem schmählichsten Martertode drohte, aber es ließ sich nichts mehr ändern.

Sie hörte das Hämmern in der Nähe. Zwischen versteckten Wänden wurde der ungeheure Spieß auf einen Pfahl befestigt. Jedermann wird glauben, daß ihr Haar sich gesträubt habe.

In einer Stunde war alles bereit, auch heller Tag. Nun rissen die wuthschnaubenden Buben sie hinaus. Ha, riefen sie, sie stahl Mustaphas Turban, und seinen Doliman, beides soll sie auch auf dem Spieße tragen.