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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Achtes Kapitel.
Reichthum

Vernunft und Kühnheit, sind eine nervenschwache Matrone und ein junger Alcid. Was jene mit allen Berechnungen verloren geben würde, er wagt es, triumphirt – wenn nämlich das Glück zur Seite stehn will. Im Frühling der Jahre straucheln wir oft, es geschieht mancher Fall, der noch im Alter schmerzt, bei dem allen aber setzen wir in dieser Periode Dinge ins Werk, vor denen die bedächtige Verstandesreife feig erzittern muß. Und dennoch gelangen sie. Warum trennen wir uns denn späterhin von dem kekken frischen Lebensmuth? Er, gepaart mit dem Vortheil der Erfahrung, müßte uns ja durchaus die Gipfel der Wohlfahrt erreichen lassen. Auch sehen wir, daß der klug gewordene Mann mit ersparter Jünglingskühnheit oft hoch steht. Mit ersparter, recht! die Mehrheit hat sie vergeudet, und hinkt hernach feig umher. – Zur Geschichte:

Die Heldin legte am Ufer das türkische Gewand an, und eilte, die Flinte im Arm, dem Raubneste zu. Noch schlief dort alles in den Hütten, und unbemerkt konnte sie dem Platze nahen, wo das Oberhaupt der Flußräuber neulich seine Kostbarkeiten verscharrt hatte. Da sie jedoch eines Spatens ermangelte, und es ihr sauer ankam, die über die Stelle gewälzten Steine wegzuschaffen, so verging viele Zeit, der Morgen war in aller Fülle da, und man sah hie und dort Einwohner des Ortes umhergehn. Da schrieb die Nothwendigkeit vor, von der begonnenen Arbeit zu lassen, und Flore verbarg sich zwischen dem Gemäuer eines alten Jupitertempels, entschlossen, nur erst in der folgenden Nacht wieder hervorzutreten.

Eine schauderhafte Einsamkeit! Unaufhörlich schwebte die Phantasie zurück, und sah immer aufs Neue jene Barke sinken. Mit Recht oder ohne Recht, Flore zitterte, nunmehr eine Mörderin zu sein. Gleichwohl ließ sich das Geschehene nicht mehr ändern, sie mußte die Gewissenssprache nun wieder stumm zu kämpfen suchen. So sind fast immer im Menschen zwei streitende Stimmen laut, und sie zu versöhnen, ist eigentlich die moralische Lebenskunst.

Der Abend nahete endlich, und Echo gab des Schakals trauriges Geheul von den Trümmerwänden zurück. Flore mußte nun wieder an ihre Arbeit. Auch der Mangel an Nahrung mahnte sie, bald sich in den Besitz von Geld zu setzen.

Mit den Händen grub sie den Sand auf, nachdem die Felsstücke sie nicht mehr hinderten, und zog bald mit vieler Mühe eine Kiste zur Höhe. Sie war bald geöffnet, und volle Beutel mit Goldstücken, mehrere Schachteln mit Korallen, Perlen und Edelsteinen gefüllt, standen der Abentheurerin zu Gebot. Ach, dies wohlbehalten in Cairo, in Paris! dachte sie.

Sie konnte aus Ermattung und Furcht wenig tragen, und hätte doch gern viel mitgenommen. Doch theilte sie weislich ein. In den Turban wurden Juweelen verborgen, der Gürtel enthielt eine starke Wulst Dukaten, sie vergaß die Taschen nicht. So ging sie doch mit einem ziemlichen Reichthum von dannen, nachdem sie das Uebrige von Schätzen an einen andern Ort bewahrt und ein Zeichen, mittelst in eine gewisse Figur gelegter Steine, gemacht hatte. Vielleicht, dachte sie, giebt es einst Gelegenheit, den Rest abzuholen.

Noch in der Nacht wanderte sie von dannen, denn um alles in der Welt durfte sie den Bewohnern von Scheik Abade nicht sichtbar werden. Sie tappte im Dunkel zwischen die Ruinen hin, stieß bald an einen zerbrochenen Obelisk, der im Sande lag, bald fand sie ihren Weg durch aufgethürmte Säulenstücke gehemmt. Der Vorwelt Geist redete sie schaurig aus den Trümmern an, das Geheul von wilden Thieren, die es in der Gegend gab, sträubten ihr das Haar. Das Bild der untergegangenen Unholde war nicht vom Gedankenspiel zu trennen. Aber die Nothwendigkeit, die ja auch den entschiedensten Feigling beherzt machen kann, wenn sie nur hinter ihn eine noch größere Gefahr stellt, wie vorne zu bekämpfen ist, beflügelte ihre Tritte durch Nacht und Graus.

Wäre sie geschichtskundig gewesen, so hätte sie sich die Langeweile durch Bemerkungen über die Ruinen der verheerten Stadt tödten können. Wären sie gleich nicht so tief und sinnig, und dazu so weitschweifig ausgefallen, wie jene, welche von Palmyras Resten umgeben der König aller Ketzer, Volney, zusammenstellte, so hätten sie doch ein eigenes Interesse haben können.

Die Ruinen von Antinoe! Welch ein Stoff zu der mannigfachesten Verarbeitung, für den Historiker, den Moralisten, den Dichter! Hadrian, dessen Tugenden in Frieden und Krieg den Ruhm ganz und gar nicht müßig ließen, besaß – — übrigens aber – einen jungen Freund, Antinous genannt, dessen Bildsäulen uns noch bis auf diese artistische Stunde, so der menschlichen Schönheit Ideal versinnlichen, wie die des Apollon, Göttlichkeit aussprechen. Der Kaiser befand sich eben in Egypten, und – was ihm die allerneusten Philosophen nicht verübeln können, da sie es selbst geschmackvoll finden, zur Veränderung einmal wieder abergläubisch zu sein, – fand für gut, die Wahrsager des Landes, deren Weisheit im Ruf stand, über die Zukunft seines Lebens zu fragen, was nun freilich in unsrer Zeit nicht geschieht. Die Antwort klang: dem Weltherrscher drohe nahe schlimme Gefahr. Nur wenn sich Jemand, der ihm theuer sei, der ihn liebe, für ihn den Opfertod wählte, würde sich das Schicksal versöhnen. Große Bestürzung, Wehklage und Trauer am Hofe und im Heere. Es gab Tausende, die recht gern patriotisch schrieben, patriotisch redeten, wenn sich die Aussicht öffnete, das Vaterland würde sie lohnen; eben so viele waren bereit das Knie zu beugen, dem Kaiser zu klatschen, wenn er im Theater erschien, weil sie hofften, diese Zeichen hoher Anhänglichkeit würden gelegentlich zu Ehrenämtern oder Landgütern helfen; doch ein Opfertod schien ihnen zu sehr im Charakter der ersten fabelhaft romantischen Zeiten Roms zu sein, als daß Männer, die aufgeklärt über Jupiter lachten, noch hätten daran denken können. Demungeachtet war jeder bereit, dem, der sich dennoch entschließen wollte, ein Erbtheil von Unsterblichkeit zuzugestehn. Ueberhaupt giebt es kein besser Mittel, das Verdienst anerkannt zu machen, hätte man zuvor auch dem Neide und der Afterrede unterlegen, als daß man stirbt.

Der schöne hochherzige Antinous bot sich allein dar. Daß sein Imperator – und Freund sich die edle Großmuth (oder den edlen Großmuth, da man gar nicht einsieht, weshalb das Prädikat Groß den männlichen Muth in den Harem stoßen soll, um so mehr als Kleinmuth bei dem alten Geschlechte bleibt) gefallen ließ, mag ein andrer Lobredner erheben. Genug Antinous stürzte sich von einer Felsenzinne in den Nil, und die Propheten erklärten das Unheil abgewendet. Hoch wurde nun aber der Liebling und Retter geehrt. An der Stelle baute Hadrian eine große, mit allem Kostbaren, was die Kunst aufbringen kann, geschmückte Stadt, und nannte sie Antinoe. Tempel wurden erhöht, die Bildsäulen des schönen Selbstmörders geheiligt. Opfer und jährliche Spiele wurden angeordnet, der Kaiser schrieb den Cultus seiner Verehrung in den kleinsten Umständen vor. So lohnte die Vorzeit.

Schlimm daß ein gehäßiger Nebenbegriff einen sonst schönen historischen Moment, so in Schatten setzt. Kann denn aber der Nebenbegriff nicht ein Kind der Verläumdung sein? Dann gäbe es einen gar artigen Stoff zum Trauerspiele mehr.

Ende des zweiten Buchs

Zweiter Potpourri

Antinous,
Trauerspiel in einem Akt
Personen

Hadrian, Kaiser.

Antinous, sein Liebling.

Ein Krieger.

Ein Höfling.

Ein Diener.

Egyptische Priester und Volk.

Die Scene in Egypten in einem Garten am Nil

Erster Auftritt

Hadrian. Antinous
(kommen Arm in Arm durch den Garten.)
Hadrian
 
Laß in die holde Einsamkeit mich retten,
Vor kniender Völker huldigendem Gruß
Und Jubelruf, der mir das Ohr betäubt.
Hier darf ich nicht durch Kränze Pfad mir bahnen,
Nicht Lied und Blume sinken lastend nieder,
Doch in des Freundes Arme sinkt der Freund.
 
Antinous
 
O bin ichs werth? Erwählt aus Millionen
Hob der Quiriten hoher Cäsar mich,
Der neben Jupiter den Erdkreis lenkt —
 
Hadrian
 
Auch du, auch du? Entweihn soll diese Lippe,
So zart wie Sidons purpurnes Gewebe,
So strahlend wie der Morgenhelle Licht,
Der ecklen Schmeichelei verworfne Rede?
Im Staube laß den Sklavenchor ertönen,
Wohl ziemet er Prometheus niedrer Brut,
Du stammst von Göttern, die Gestalt verkündet
Der seligen Olimpier Geschlecht;
Doch mehr des Herzens reine Himmelsschöne,
Wenn dich der Sterbliche zu sich erhöht,
Was thut er, als im Göttlichen sich ehren.
 
Antinous
 
Erhabener, es ist dein Machtgebot,
Und so erkühn ich mich, der Ehrfurcht
Und der Bewunderung Hymnos zu verschweigen.
 
Hadrian
 
Mein Machtgebot? Und nicht die innre Stimme?
Dir unter Allen will ich nicht befehlen,
Frei mag ich Dich von des Gesetzes Banden,
Sei wie Otan der Perser, was du willst.
Nur laß mich dann, ein Gut, ein Gut erflehen,
Das mein gehört, und nicht dem Diadem.
 
Antinous
 
Ich bin Dein Freund, Dein Freund, o Hadrian.
 
Hadrian
 
Nun endlich —
Tönt mir des Wortes schöne Melodie.
Und lohnen will ich dir des Glückes Wonne,
Wie es dem edlen Tugendsinn gebührt.
Den Feldherrn, der Trophäen mir erhöhet,
Trägt der Triumph zum Capitolium,
Den treuen Bundgenossen schmücken Kronen,
Du sollst das Recht der Bitte bei mir üben
Für den Verbrecher, für verwaiste Frauen
Und vaterlose Kinder – O, das macht Dich froh!
 
Antinous
 
Wie aber deut ich Dir des Wunsches Kraft,
Des Strebens Feuer dieser Göttermilde,
Mich aus der Ferne nur zu würdigen,
Ein armer Jüngling, den nicht Weisheit schmückt,
Im Rathe Deine Winke vorzutragen,
Den nicht des Feldherrn Genius erhebt,
Noch unbekannte Völker zu besiegen
Nichts nenn ich mein, als wie ein dürftig Leben,
Viel zu gering, wie Dir ein werthes Opfer.
 
Hadrian
 
Schon die Gefühle wägen jede That.
Mein bleibe, bis der Parze Faden bricht;
Die Barke des letheischen Piloten
Soll dann vereint die stillen Schatten tragen,
Zusammen gehn wir Minos dunkle Straße.
 

Zweiter Auftritt

Bedienter. Vorige
Bedienter
 
Verzeihe Herr, daß ich Dir störend nahe —
 
Hadrian
 
Mein will ich einen Augenblick nur nennen,
Gleich raubt ihn neidisch mir die Herrscherpflicht.
 
Bedienter
 
Die Priester langten des Osiris an,
Die erst vor kurzem Dein Gebot empfingen,
Nach alt egyptischer geheimer Kunst
Die Sterne um Dein künftig Loos zu fragen.
 
Hadrian
 
Ein andermal, heut gnügt mir Gegenwart.
 
Bedienter
 
Durchwandelt sind sie schon das Heiligthum
Der graubemoosten spitzerhöhten Säulen,
Und alter Tempel Hieroglyphenschrift
Verglichen sie mit himmlischer Erscheinung.
 
Hadrian
 
Wohlan, sie mögen tiefer nur erforschen —
 
Bedienter
 
Schon bringen sie Dir wichtig schwere Kunde,
Es leidet keinen Aufschub was sie melden,
Ein Unheil sei Dir nah, doch abzuwenden —
 
Hadrian
 
Ein Unheil – warum nennt man jetzt mir Unheil,
Da mich beseligend das Glück umarmt.
Antinous, ob ich die Träumer höre?
 
Antinous
 
O eile Herr, oft senden gute Götter
Dem Sterblichen getreue Warnung zu.
 
Hadrian
 
Zu froh bin ich, der Grille Raum zu geben,
Und wahrlich so ein Glaube ziemt mir nicht.
 
Antinous
 
Im Glücke, lehrt die Klugheit, rufe Furcht!
Denk an Polikrates, dem alles froh gelang,
Der nur ein Glück ins Auge durfte fassen,
Um auch schon triumphirend ihm zu nahn.
Ihm rieth der Freund, in Willkühr zu entrathen,
Was köstlich theuer seinem Leben sei,
Daß er den bösen Mächten im Avernus,
Die dauernd Wohl am Sterblichen nicht dulden,
Ein reiches Opfer der Versöhnung bringe.
Und Samos König warf ein Edelstein
Von unschätzbarem Werth in Thetis Wogen.
Bald aber zog der Fischer schweres Netz
Ein selten Seethier aus dem tiefen Grunde,
Dem Herrn des Eilands zum Geschenk gebracht;
Kaum trennt das Messer ihm die Eingeweide,
Als das Juweel des Königes sich zeigt.
Zu hohes Glück, rief nun Amasis aus,
Des Königs königlicher Freund in Theben,
Entsagen will ich deinem treuen Bund,
Daß nicht zu tief der Schmerz mich einst verwunde,
Wenn dem geliebten Manne Schrecken naht.
Polykrates bringt nicht ein neues Opfer
Und sinket bald durch schmählichen Verrath.
 
Hadrian
 
So meinst Du sollt ich auch das Theure meiden,
Des Unglücks schwarze Regel zu erfüllen?
 
Antinous
 
O ja mein Freund, mein Kaiser.
 
Hadrian
 
Eines nur
Behalt ich vor – das andre kann ich missen.
So hören wir die mythischen Propheten.
 
(beide ab)

Dritter Auftritt

Höfling. Officier
Höfling
 
Da geht der Kaiser mit Antinous,
Schon öfter traf ich sie allein beisammen,
O, diesen Jüngling muß man täglich grüßen,
Geschenk’ ihm bringen, kleine, angenehme,
Daß es dem schlauen Geber größre trage,
Ihm huldigen, bis seine Gunst zerfällt.
 
Officier
 
So leichten Grundsatz kann ich nimmer loben.
 
Höfling
 
Doch fasse ihn, wer sich erhalten will. —
Wie aber soll man jene Bande deuten
Des Kaisers und der schönen Jugend Blüthe? —
Hm – was von Jupiter sie wohl erzählen —
 
Officier
 
Wer glaubt an Jupiter, in kluger Zeit
Ein Mährchen rohen Altern vorgesungen.
 
Höfling
 
Auch glaub ich nicht, nur mögt ich, Du verständest
Mir der Vermuthung leis’ geahnten Sinn —
Gedenke nur des Göttervaters Schenken.
 
Officier
 
Pfui, Argwohn keimet nur in Herzens Tiefen,
Wo des gewähnten Lasters Zunder glimmt.
 
Höfling
 
Doch spricht man viel von dieser Heimlichkeit.
 
Officier
 
Weil Dein Gelichter leis sie sich verkündet,
Warum soll nicht der Pulse gleicher Schlag
Des Urtheils Aehnlichkeit und der Gefühle,
Zwei edle Wesen ohne Laster nahn?
 

Vierter Auftritt

Diener des Kaisers. Vorige
Diener
 
Weh, Wehe! mußt ich diesen Tag erleben!
 
Officier
 
So bleiche Stirn, Was trug sich Schlimmes zu?
 
Höfling
 
O nennt es, daß ichs weiter mag verkünden!
 
Diener
 
Die Priesterschaar, von Hadrian befragt,
Wie die Geschicke noch sein Leben wenden?
Ach offenbart: es muß der Kaiser sterben,
In naher Frist
Wenn nicht ein Wesen ist
Ihm theuer, das ihn liebt,
und frei sich hin zum Todesopfer giebt.
 
Officier
 
Wie? – In die offne Schlacht den Muth zu wagen,
Das thut der Krieger gern, der Kriegsgott lenkt,
Davon kann er das süße Leben tragen,
Und büßt ers ein, starb er in dem Beruf,
Der Lorbeer sinkt auf seinen Rasen nieder.
Doch grade hin in sichern Tod zu gehn,
Das wollen nicht des Lebens milde Götter.
 
Höfling
 
Ihm soll er theuer sein, der für ihn stirbt,
O warum muß ich seine Kälte tragen?
So darf ich nicht, wozu das Herz mich ruft.
 
Officier
 
Nicht wahr, jetzt wäre selbst dir Haß willkommen?
 
Diener
 
Auch mich, mich Armen liebt der Kaiser nicht.
 
Höfling
 
Wahrsagern glauben, welche eitle Schwäche!
 
Officier
 
Der gute Kaiser ist nicht frei davon,
So würd es immer Ruhe ihm erziehn,
Wenn jener Priester Spruch gesühnet wäre,
Und immer Anlaß für die große That.
Gleich Curtius würd er in der Nachwelt leben,
Gleich Cokles, Scävola und Regulus,
Der hin es würfe, das geliebte Leben.
 
Höfling
 
Und wähnest du, daß jene Männer waren?
Nur Fabel sind sie, die den Bürgersinn
Des Römers übermächtig reitzen sollten.
Ach armer Hadrian, du findst ihn nicht,
Der hier des Busens Zagen heilen könnte.
 
Officier
 
Wohl glaub ichs euch, todt ist die alte Zeit.
 
Diener
 
Gern giebt man viel, will nicht der Freund das Leben,
und braucht der Kaiser seiner Stärke Macht,
So ist es nimmer der Geschicke Sühne
Zur Seite, Freunde, unser Imperator.
 

Fünfter Auftritt

Hadrian
(allein)
 
So trübt ein Augenblick den klaren Aether,
Und trauernde Gewölke decken ihn.
Wer war zufriedener, war hochbeglückter,
Wie noch vor einer Stunde Hadrian?
Und diese Priester warfen ihn zu Boden.
Wie, kann der Geist nicht muthig sich ermannen?
Ists Aberglaube nicht, was mich erschreckt?
Die Götter blicken nicht auf Menschen hin,
Zu niedrig gilt den Hohen irdisch Spiel,
Kein Priester mag wohl in die Zukunft schauen,
Entreiße dich der kleinlich feigen Angst!
Was dir geschehn soll, wahrlich wird geschehen,
Es opfere sich auch ein ganzes Volk.
Den Schleier will ich von dem Auge reißen
Und Ruhe kehrt dem Glücklichen zurück.
 
 
Wie, wenn ich sie der Folter übergäbe,
Die Seher, würden sie nicht rasch bekennen:
Sie wissen mehr nicht von der Zukunft Loos,
Wie jeder Weibessohn? – Wohlan es gelte —
Doch – Wenns nun wäre – schwerer, schwerer Frevel,
Den nicht Ixions Rad im Orkus büßt,
Die freundlich Gottgesandten schmählig martern.
Hinweg Gedanke! Nein ich schone sie.
 
 
Hier aber wahrlich kann die Probe gelten,
Wer nur den Kaiser, wer den Menschen liebt? —
Von Tausend Schmeichlern bin ich stets umwunden,
Ein jeder beut das Leben täglich dar,
Vielleicht, weil er wohl weiß, nicht kann ichs brauchen,
Der, dem es Ernst ist, mit dem lauten Willen,
Wär mir ein köstlich Gut in schlimmen Zeiten,
Was gilts, ich prüfe was ich noch nicht weiß.
He! Niemand da?
 

Sechster Auftritt

Diener. Hadrian
Diener
 
Ich warte des Befehls, erhabner Kaiser!
 
Hadrian
 
In tiefe Noth preßt mich des Schicksals Zorn.
Es legt mir Sterben auf, wenn Niemand mir sich opfert,
Der mich liebt und ich ihn. Dich lieb ich Freund,
Schon lange Jahre dienst Du meinem Hause —
 
Diener
(zitternd)
 
Ach Herr – wie ängstet mich der grimme Spruch!
O Du des Volkes Heil, des Reiches Zier,
Dem Göttertempel prangend einst sich heben —
 
Hadrian
 
Gern sänk ich hin, doch meine ich, das Volk
Wird nicht so bald den treuen Hirten finden —
 
Diener
 
Beglückte Kinder – Herr verzeihe meinem Alter,
Ich fühle – Krankheit naht dem regen Leben,
Gestatte, daß ich eilig mich entferne.
 
(ab)
(Officier und Höfling schleichen leise weg.)
Hadrian
 
Von dem darf ich den Rettersinn nicht hoffen,
Hinweg! nichts geb ich mehr auf jenes Wort.
 
(ab)

Siebenter Auftritt

Antinous
(allein)
 
Der Kaiser stirbt in naher Frist,
Wenn nicht ein Wesen ist,
Ihm theuer, das ihn liebt,
Und frei sich hin zum Todesopfer giebt.
 
 
Wen liebt der Kaiser? Dich Antinous,
Und ihm wallt dieser Busen treue Liebe
An mich ergeht des Schicksals ernster Spruch
Und bei den Göttern, ja, ich will ihn lösen! —
Doch sprach auch Wahrheit dieser Priester Mund?
Die Weisheit schilt den frommen Aberglauben.
Nicht Aberglauben, nein, ihm trauet Hadrian,
Und seiner Seele folget meine Seele,
Wärs auch nur Ruhe froh ihm zu bereiten,
So schenke ich der Welt den heitern König,
Den keine bange Laune niederbeugt! —
Doch süß ist wohl der frohen Jugend Leben,
Wie furchtbar schreckt der grause nahe Tod! —
Wie muthig in der Ferne, hier erbeben —
O wenn ich dieses Bild mir lange prüfe,
Dann sinkt der Wille, sinkt die hohe Kraft.
Noch flammt mir in dem kühnen Vorsatz Wärme,
Von dieser Klippe in den wilden Nil,
Nicht wird die tiefe Fluth mich wiedergeben.
 
Hadrian
(in Entfernung)
 
Antinous?
 
Antinous
 
Mein edler Freund, ich sterbe für dein Leben!
 
(stürzt sich in den Nil.)

Drittes Buch

Erstes Kapitel.
Der grüne Turban

Flore dankte dem Himmel, als endlich der Tag herannahte. Zwar verkündigte ihn Eunomia nicht freundlich, da Regenwolken den Himmel umzogen, aber immer mindert das Licht doch die Bangigkeit. Sie sahe zurück, und ward nichts mehr von dem Raubnest und den Ruinen gewahr. Desto wohlgemutheter schritt sie weiter.

 
 

Den Durst hatte sie in einem Kanale gelöscht, und mancherlei Früchte des Feldes, die sie in der Helle entdeckte, tilgten ihren Hunger. Gegen Mittag, versuchte sie zum Erstenmale in ihrem Leben, die Flinte auf einen dichten Trupp von Wachteln, deren es in Egypten um die Jahreszeit so viele giebt, abzudrücken, und sieheda, Viere davon stürzen herab. Ohnehin ermüdet, suchte sie eine abgelegene Stelle, rupfte die Vögel, und bratete sie, an einen Zweig gesteckt. Wie viel auch an Zuthat abging, hatte ihr nimmer ein Mahl so köstlich geschmeckt.

Dann ging sie weiter, fand wieder Früchte und Quellen, die Begegnenden ließen sie unangefochten vorbei. Schon träumte sich Flore heitern Fortgang des wiedergekehrten Glücks. Der Nil, dachte sie, dient mir zum Wegweiser nach Cairo. So darf ich nicht fragen, und durch meine unvollkommene Sprache die Fremdheit verrathen. Ich sehe Mittel vor mir, mich unbemerkt zu nähren, das Uebernachten in der Oede ward ich gewohnt. Wider ein reissend Thier oder einen einzelnen Räuber muß mich allenfalls meine Flinte schützen, nahen mehrere, rettet mich vielleicht Gold. Es kann aber auch das gute Gestirn wollen, daß mir dergleichen nicht in den Weg kömmt, und ich bald Landsleute ansichtig werde. Dann seh ich froh den Gatten wieder. O welche Lust: Wie wird er sich freuen, zu Floren! zu den mitgebrachten Reichthum, und gar bald die Nebenbuhlerin – wenn er schon eine umarmte, entfernen.

Es ist aber ein mißlich Ding um die Theorien der Zukunft. Das praktische Verhängniß durchkreuzt sie jeden Augenblick, und gemeinhin auf störende Weise.

Nur den darauf folgenden Tag fand sich die gehoffte Nahrung, dann mußte Flore längs Kanälen ausweichen, und kam bald von der fruchtbaren Niederung des Stromes ab. Der Natur hat es überhaupt gefallen, in jenen Gegenden paradiesische Fragmente mit Sandhöllen zu untermengen. So traf denn die Reisende auch dürre Unwirthlichkeit, und ob sie gleich ihre Richtung noch nicht verlor, und seitwärts Dörfer im Auge behielt, so gebrach es doch an den Lebensnothwendigkeiten. Kein Zweig mit winkender Last, selbst kein Wachtelzug mehr in der Schußlinie.

Einen Tag über wurde gefastet, am anderen fiel es, nach so schweren Anstrengungen, unmöglich. Sie mußte sich also entschließen, in ein Dorf zu gehn, um den Ankauf des Nothwendigen zu versuchen.

Das Dorf hatte keine Karavanserei, wo man sonst im Morgenlande Lebensmittel antrifft, Flore nahte also dem Hause, wo das Aeußere von einigem Wohlstande sprach, und fragte ein altes Frauenzimmer, das an der Thüre stand: ob man ihr nicht gegen Bezahlung, Sesamkuchen und Früchte ablassen wolle?

Die Alte war sehr höflich, nöthigte Floren herein, und rief den Eigenthümer des Hauses. Das machte Jene sehr verlegen, denn hatte sie ihre Bitte ziemlich unverdächtig vorgebracht, so ließ sich doch befürchten, eine ausführliche Unterredung könne sie blosstellen.

Indessen erschien der Mann, begrüßte Floren, ohne sie viel anzusehn, ließ sie auf den Teppich niedersitzen, und ihr eine Pfeife Moccataback reichen.

Flore schlug die Beine über Kreuz und rauchte, wie sauer es ihr auch anging. Es wurde nun Kaffe gebracht, und zu ihrer größten Freude redete der Wirth weiter keine Silbe, sondern betrachtete stumm den Kopf seiner Pfeife. Bald gab er der Alten ein Zeichen, und nun wurde wohlriechend Holz in einem Rauchbecken verbrannt, den Gast durch den lieblichen Duft zu vergnügen. Eine Stunde währte die verschwiegene Unterhaltung, dann brachte das Frauenzimmer nicht nur das Verlangte, sondern noch Speisen mancher Art, in ein Körbchen gepackt, den sie ihr einhändigte. Da Flore einige Zechinen auf den Tisch legte, verbat man das mit verbindlichem Unwillen, und entfernte sich.

Die Abentheurerin war entzückt über die Patriarchensitte, am meisten über die wortkarge Einfalt. Eben wollte sie froh das Haus verlassen, als ein Imam hereintrat, um von dem Landmanne die Pacht für den Acker der Moschee zu holen. Denn die mahomedanischen Tempel sehen sich auch mit zeitlichen Gütern vor. Er grüßte Floren, die nicht vergaß, mit auf der Brust gelegter Hand zu danken. Doch einen Anlaß, Frömmigkeit blicken zu lassen, nicht aufzugeben, fragte er: Junger Gläubiger, bist du vom Stamme des großen Propheten, oder warst du schon dreimal in Mecca, daß dein Turban von der heiligen Farbe ist?

Flore entfärbte sich, denn sie hatte wohl gehört, daß das Recht, sich grün zu tragen, bei den Mahommedanern durch gewisse Vorzüge erworben werden muß, aber wie sie jenen Turban aufsetzte, eben nicht daran gedacht, daß seine Farbe ihr Gefahr bringen könne. Allenfalls hatte sie auch gemeint: obschon eine Pariserin, und einst im Palais Royal wohnhaft, mögte sie doch immer heiliger sein, wie dieser Kopfzierde früherer Besitzer. Bei dem allen suchte sie sich zu fassen, und erklärte: sie wäre dreimal in Mecca gewesen. In welcher Karavanserei wohntet ihr? fragte der Hauswirth. Die Erinnrung an eine Wallfahrt, die er auch vollbracht hatte, überwand sein Pflegma, wie zwei Künstler, die in Rom waren, nicht umhinkönnen, ein Gespräch über die Hallen des Vatikan, den Corso oder die Polichinelle einzuleiten.

Nun war guter Rath theuer. Flore hatte nie etwas von den Karavansereien in Arabien gehört. Doch forderte sie ihr Glück heraus, und antwortete: In der, wo das Bild des Engel Gabriel an der Thür hängt.

Ein gewaltiger Verstoß. Die Türken ehren den Engel Gabriel, aber dürfen kein Bild von ihm malen. Schon die gebrochene Sprache hatte Argwohn erregt, jetzt stieg er doppelt auf. Flore, die das sah, fing lachend an, ich habe beschlossen meinen Wirth nie zu nennen, denn loben kann ich ihn nicht, und tadeln mag ich nichts, was mir auf der frommen Reise zu Gesicht kam. Lebt wohl ihr Herren!

Nun kann aber kein Ordensritter, wärs auch einer des St. Joachim, entrüsteter seyn, wenn ein Ungeweihter die Zeichen trägt, wie ein muselmännischer Geistlicher, dem die grüne Farbe mit Unrecht getragen, aufstößt. Nicht ganz sanft, zog er Floren am Arm zurück, faßte dann an den Turban, und rief: Du sollst zur Stelle bekennen, ob du dieses Hauptschmuckes würdig bist!

Der Turban war etwas weit, und fiel herunter. Die langen, mit Mühe unter ihm verborgenen Haare fielen in wallenden Locken nieder. Hätte sie die Vorsicht gehabt, den Kopf nach Landesgebrauch zu scheeren, so wäre es vielleicht noch möglich gewesen, dem Ungemach zu entfliehn. Ein glücklicher Einfall, kecke Gewandtheit, und die Muselmänner wären gefoppt zurück geblieben. Aber wer kann von einem Frauenzimmer, das sich schöner Haare bewußt ist, so ein Opfer erwarten!

Das Haar war entscheidend. Ein Frank, ein Ungläubiger trägt einen grünen Turban! Rächt den Propheten, ihr frommen Männer! schrie der Imam Einmal über das andere, und bald war das Haus mit Leuten erfüllt. Man schleppte Floren zum Kiaschef.

Dieser ließ sogleich eine Bank hersetzen, und gebot zwei mit kleinen Stäben versehenen Dienern, dem Hunde vorerst Tausend Streiche auf die Fußsohlen zu geben.

Flore schauderte, drängte sich aber an den Imam heran, und flisterte ihm ins Ohr: ich schenke deiner Moschee alle Edelsteine, die der Turban enthält, rette mich aus der Noth!

Der Imam griff nach dem Turban, den Flore in der Hand mit fortgetragen hatte, und seine Schwere bewegte ihn.

So du gleich versprichst, ein Moslem zu werden, rief er, soll das Vergehen der Unwissenheit dir erlassen seyn. Der Richter stimmte bei, denn dem Geistlichen gebührt in Religionsangelegenheiten das entscheidente Worte, und Flore, vor der Bank und den Stäben zitternd, schrie: Gern gern! Darum eben kam ich nach Egyptenland.