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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Achtes Kapitel.

Die Caffern langen an

Einige Wochen darauf brachte ein starker Trupp Soldaten, die Caffern mit ihren Weibern und Kindern. Die Sultanin ging selbst hinunter, da sie vor dem Pallaste angekommen waren. Sie fragte gleich nach den Kaufleuten aus Egypten, und man stellte ihr einen Greis mit bekümmertem Antlitze, und einen jugendlich blühenden, sehr lebhaften Mann vor. Letzterer trug auch Spuren des Grams auf seinem Gesichte, ein gewisser heiterer Lebensmuth schien sie aber nicht ohne Erfolg zu bekämpfen. Wer durfte sich auch wundern, diese Leute niedergeschlagen zu sehn. Ohne Zweifel hatten die Zusagen jener Königinn, ihnen mit den freundlichsten Erwartungen geschmeichelt, und nun schwebte ein Dolch über ihren Scheiteln.



Flore fragte nach ihren Namen, ihren Geburtsorten. Mustapha nannte sich der ältere, der jüngere Osmann. Aus Natolien berichteten sie, sind wir gebürtig, Cairo war zeither unser Wohnplatz.



Da Flore von Cairo hörte, ward ihr die Wange heiß, und die Pulse fingen rascher an zu hüpfen. Gern hätte sie gleich gefragt, wie es ihren Landsleuten jetzt in Egypten erginge, sie fürchtete aber, ihr Interesse würde zu sehr hervorleuchten. Weislich unterhielt sie auch in Darkulla den Glauben, sie stamme aus dem türkischen Caffernlande, und sie konnte um so leichter die Muselmännin spielen, als sie bei jenem Derwisch so viele Lehren des Coran aufgefaßt hatte. Als Nazaräerin würde Kuku ihr auch nicht so viel Gewalt in die Hände gegeben haben, und es befestigte ihr Ansehn nicht wenig, daß sie die Priester in Darkulla, welche noch höchst unwissend in Religionssachen waren, zu meistern verstand. Doch nahm sie sich vor, nächstens die Egypter ins Geheim zu sprechen, wo sie denn manches erfahren könne.



Osmann zeigte ihr die für Gigi geworbenen Männer und machte sie mit ihren Eigenschaften und Kunstfertigkeiten bekannt. Da gab es Waffenschmiede von Damaskus, Gärtner von Aleppo, Bauverständige aus Smirna, Zeugmacher von Angora, und andre brauchbare Männer, die, wenn ihnen England oder Frankreich wohl nur einen dürftigen Wirkungskreis gegeben hätte, doch geeignet waren, im tiefen Afrika eine neue Schöpfung ins Leben zu rufen.



Am meisten freute sich Nene bei dem Anblick der Männer von Angora. Die Zeugmacherei wollte sich in Darkulla bei allen Bemühungen nicht zu Fortschritten bequemen. Daß aber nun keine Sorge sei, das Haar der Kameele und der edlen Ziegengattung, in diesem Lande, wie die zarte Wolle, welche Darkullas Bäume lieferten, bald in artige Stoffe verwandelt zu sehn, lag am Tage.



Deshalb bestand auch kein Gedanke daran, diese Leute einzukerkern, vielmehr wurden sie reichlich beschenkt, und Rath über die Mittel gepflogen, ihnen bald Werkstätten anzuweisen. Ihr sollt Gigi nicht vermissen, rief sie ihnen zu, und die Caffern waren vor Freude außer sich, da hartes Gefängniß, vielleicht ein noch schlimmeres Loos, alles war, was sie erwarteten.



Die Kammerherren klatschten so viel Beifall, daß ihnen schier die Hände erlahmt wären, und Flore meinte ihr Verfahren schon bei Kuku verantworten zu können. Im schlimmsten Falle athmete ja das Roth ihrer Lippen noch Zauber genug, für einen Prinzen aus Afrika.



Zu dem jüngeren Kaufmanne faßte sie viel Vertrauen. Er antwortete so gewandt, so schnell, so verständig über alles was sie ihn fragte, rieth mit so guter Ueberlegung, daß Flore ihm bald erklärte, sie habe noch keinen Muselmann von so vieler Geistesgegenwart gefunden.



Diese Artigkeit schien den jungen Osmann zu erschrecken, und er maaß seine Reden etwas langsamer ab. Bald aber wunderten ihn auch die Bemerkungen, die Kenntnisse, die verfeinerten Liebhabereien der Sultanin, und etwas vorlaut sagte er: es schiene unbegreiflich, daß ein Paar georgische oder zirkassische Sklavinnen, wie sie und Gigi, einen in dieser Weltgegend so unerhörten Reichthum an glücklichen Ideen zeigten. Hier gerieth Flore in einige Verlegenheit, und um sich ihr zu entwinden, sagte sie: ein griechischer Priester in Georgien habe ihr in manchen nützlichen Dingen Unterricht ertheilt.



Osmann nahm wieder das Wort. Erhabene Sultanin, es scheint die Zeit gekommen, die der Völker Finsterniß erhellen wird. Darum landete auch vom fernen Toulon ein Heer Franken am Nil.



Sehr eilig fragte Flore: Und wie ergeht es jetzt diesen Franken? Ich hörte davon.



Osmann erwiederte: Heldenmüthig fechten sie gegen der Mehrheit Wahn, indeß nur wenige Kluge des Landes ihnen Heil wünschen. Doch ein Werk der Art kömmt nicht gleich zu Stande. Schon genug, wenn die Bahn kräftig gebrochen wurde, sollte auch nur ein nachfolgendes Geschlecht vollenden.



Osmann, rief Flore, der Prophet segne dich. Du bist sein würdiger Anbeter. Ein Mann wie du thut mir Noth, in meinem glänzenden und beschwerlichen Amte. Mein Divan kennt nur Widerspruch. Andere Diener billigen was geschieht, doch ich fürchte, sie schmeicheln und verhehlen mir. Sei du Lenker des Kunstfleißes in Darkulla. Erscheine vor mir so oft du willst, und laß mich deinen Rath hören. Hehle mir nimmer Wahrheit, ich liebe sie, auch wenn sie bitter wäre. Erspähe die Gewohnheiten des Landes, so kannst du meinen Absichten desto mehr frommen.



Gerührt und edelsinnig dankte Osmann, und verhieß, mit Gefahr des Lebens ihren Beifall zu suchen. Darkullas Sitte, sprach er, ist mir nicht mehr fremd, da ich eine gute Zeit in Tatas Lager weilte. Auch von deinem Regiment, erhabene Sultanin, vernahm ich schon. Im Lager ging manches Gerücht umher, und die Einwohner deiner Hauptstadt, welche den Soldaten unserer Bedeckung entgegen kamen, sprachen viel davon.



Und was? fragte Nene gespannt.



Osmann stockte ein wenig.



Es ist mir um Wahrheit zu thun.



Der egyptische Kaufmann fuhr fort: Dann hätte ich gewünscht, diese Darkullaner mögten sich durch günstigere Urtheile über ihre edle Fürstin geehrt haben.



So sagte der berühmte Bülow, als sein Geist des neuen Kriegssystems in der allgemeinen deutschen Bibliothek scharf mitgenommen wurde: Wenn sich dieser Kritiker doch ehrte!



Flore drang mit der Miene des guten Bewußtseins weiter in Osmann. Wer entgeht dem Tadel, sagte sie, doch bin ich neugierig, den zu hören, der über mich ergossen wird. Uebrigens sind es weder die Besseren noch die Zahlreicheren im Lande, die ihn theilen, meine neuen Räthe beruhigten mich über jede Sorge, sollten sie auch zur Hälfte geschmeichelt haben.



Osmann zog bedenkliche Falten der Stirn.



Aus dem, was ich hörte, sprach er, läßt sich auf eine Unzufriedenheit schließen, die größer, viel größer sein mag, wie du fürchtest. Gestatte mir die Meinung zu wagen, du hast gefährlich mit deinen neuen Satzungen geeilt.



Die Sultanin fiel ein: Muth gab ihnen vielleicht in den Augen des Volkes einen höheren Werth, und die Sache an sich ist zu gut, als daß der Muth sich nicht gern für sie waffnen sollte.



Osmann versetzte: Diesen Gesinnungen ziemet hoher Ruhm, dennoch hätte mich der Himmel in deinen Divan berufen, ich würde – —



Würdest du mir anders gerathen haben?



Treue hätte mich so kühn gemacht, dir zu sagen: Gebiete nichts, überlasse was du willst, der Freiheit. Doch kleide sich dein Hof, nimmer wohne er einem gräßlichen Feste bei, der Titel, den du verachtest, werde dort nimmer gehört. Erst wird man im Volke Unmuth ahnen, er wird auch hie und da laut werden. Merke nicht darauf, aber lasse nicht ab, das Beispiel zu geben. Ueberall werden die Höfe nachgeahmt, denn vornehmer will der Mensch immer erscheinen, wie er ist. Bald werden die Mächtigen des Landes die Sitte des Oberhaupts verehren, und sie sich aneignen. Ihnen folgt der Mittelstand. Gegen diesen werden zuletzt auch die Knechte nicht zurück bleiben wollen. Einige Jahre, und das Ziel wird ohne Unruhe erreicht.



Flore dachte bei sich: dieser Moslem urtheilt, als ob er in Paris geboren wäre, doch hütete sie sich, das zu sagen, vertheidigte noch ihren regsameren Gang, und entließ den Kaufmann.



Unterdessen aber war, ihr unbewußt, der schon lange glimmende Funke der Empörung furchtbar aufgelodert. Dem Volke war Kukus Wille bekannt, denn er hatte ihn vor den Soldaten nicht geheim gehalten, und diese den Einwohnern wieder davon erzählt. Welch ein allgemeiner Unwille nun, da die, welche in den Kerker sollten, mit Ehre und Geschenken überhäuft wurden! Man haßte sie mehr noch als jene Gefangenen, denen die Sultanin, ungehorsam gegen Kuku, das Leben ließ. Denn man erblickte die Werkzeuge der völligen Unterdrückung der alten Freiheit in ihnen. Fertigen diese erst, rief man, die gehässigen Kleider, müssen wir uns damit peinigen und schänden. Aber noch, als berathet ward, ob man sie rebellisch aufgreifen und einkerkern sollte, trabte der Eilbote auf dem Esel ohne Schweif weinend ins Stadtthor. Kuku ist geschlagen, ihr Bürger! jammerte er.



Dann müssen die Caffern sterben, rief alles, sie, um derentwillen das Blut von Darkulla fließt. Ergreift sie, thut des Sultans Willen! Noch fanden sich einige ruhigere Gemüther in der Menge und man war in Darkulla noch mit dem Gedanken an Möglichkeit der Empörung nicht vertraut. Also noch einiges Zaudern. Noch einige Mahnung, zu erwarten, was die Sultanin nun thun würde.



Sie stand an einem Pallastfenster, hörte den wilden Lärmen erst in der Ferne, dann wälzte sich hinter den Eilboten her, des Pöbels Gewühl.



Sie erschrack bei dem Anblick des Eilboten, und wurde heftig entrüstet durch des Pöbels Betragen. Niemand sah sie darunter, der nur eine geflochtene Schürze getragen hätte.



Der Eilbote hatte kein Palmblatt. Zu niedergeworfen berichtete er, sei Kuku gewesen, um schreiben zu können. Er werde das Nähere berichten. Vorerst nur soviel, daß Gigi in einer großen Schlacht Siegerin geblieben sei, Kuku lasse seinen Gruß entbieten, und an sein Verlangen mahnen.



Während Flore mit dem Schwarzen sprach, tobte die Menge unten: die Caffern nieder! Mustaphas und Osmanns Köpfe ins Lager! Gehorsam dem Sultan!

 



Nie hatte sie dergleichen gehört. Sie rief einen Kammerherrn, dem die Knie schlotterten und die Hände flogen. Hinaus, sprach sie, und gebiete in meinem Namen dem Volke, schnell auseinander zu fliehn, und demüthig zu erwarten, was ich beschließen werde.



Sie rang die Hände. Osmanns Kopf! Der Mann war ihr so lieb geworden, und nun die ganze Abneigung ihres Herzens gegen Grausamkeit! Bedauern des guten Kuku! Hohn des Volkes! Viel lag in diesem Augenblicke auf ihr.



Größerer Tumult. Sie eilt ans Fenster. Der Kammerherr will ihren Befehl verkünden, wird aber nicht gehört, oder vielmehr er kann vor Zittern nicht sprechen.



Einer der Eunuchen muß hinaus. Dem war zwar die Hälfte seines Muthes genommen, doch aber hatte er mehr übrig, wie der Kammerherr. Er gebot, sich zu zerstreuen, aber die feine Stimme eines Eunuchen imponirt nicht genug. Das Volk gehorchte nicht.



Es waren viele vom Divan in den Pallast gekommen. Sie mißbilligten den Auflauf ernst und erinnerten die Sultanin, ihn nicht ungestraft zu lassen. Doch Kukus Befehl muß vollzogen werden, setzten sie hinzu.



In dem Augenblicke ward das Geschrei wilder als je. Flore sah, wie viele Caffern, die in den Pallasthof liefen, um dort Rettung zu finden, vor ihren Augen gemißhandelt wurden, ja man brachte Mustapha sammt Osmann bei den Haaren geschleppt, zog einen Henker, der das Schwert bei sich trug, herzu, und forderte einmüthig den Befehl zur Hinrichtung.



So viel konnte Flore nicht mehr unthätig ansehn. Ihr ganzer, seitdem sie Sultanin von Darkulla hieß, ziemlich angewachsener Stolz, ihre angeborne, mit einer ganz angemessenen Zugabe von Leichtsinn versehene, Kühnheit erwachte. Sie hörte der Räthe Warnung nicht, lief zur Eunuchenwache, die unter dem Gewehr stand, riß dem Obersten die Lanze aus der Hand, und befahl, ihr zu folgen. So stürmte sie unter die Menge, ließ zu Boden strecken was nicht floh, und drang noch eben bis an die beiden unglücklichen Kaufleute hervor, als der Henker schon auf den einen seinen Streich führen wollte. Erwarte mein Gebot! rief sie, und jagte ihm die Lanze durch die Brust.



Etwa Hundert Schwarze waren niedergemacht, als das Volksgewimmel den Platz gereinigt hatte. Nicht die Furcht vor dem Tode wirkte so auf die Darkullaner, wie die unbesiegbare Gewalt des Ansehens, womit Florens Entschlossenheit sich gewaffnet hatte. Die Caffern waren schlimm zugerichtet, doch noch sämmtlich am Leben. Flore trug Sorge für sie. Mustapha und Osmann wurden in den Pallast gebracht. Jenen hatte die Angst seiner Kräfte beraubt, und er mußte getragen werden, dieser aber rief lachend: Schon glaubt ich heute Mahomeds Paradies zu sehn, aber die Thür flog wieder zu.



Die muthige Sultanin glaubte noch nicht genug gethan zu haben. Sie wich nicht von dem Hofe, und schickte dem Volke die Eunuchen nach. Die Sultanin hat euch zerstreut, mußten sie entbieten, jetzt befiehlt sie, daß sich der Haufe schnell wieder zurückbegebe, weil der sechste Mann erwürgt werden soll. Es liegt in der Natur der Kühnheit, sie fluthet in der Uebung an, und dem warmen tapferen Herzen gefällt die Erneuung der Gefahr, um die Lust höheren Triumphs zu gewinnen.



So hatte sie in Fesseln geschlagen, so unterwürfig war das gebändigte Volk, daß sich gleich der Pallasthof wieder anfüllte. In tiefer Stille, mit gebeugtem Haupte erwartete jeder den Wurf der Loose. Es schien kein Einziger zu fehlen da nicht mehr leerer Raum bestand, als zuvor.



Mit Hoheit trat die Sultanin vor den Haufen, und milderte die Strafe der Meuterei. Wer sind die Anstifter? fragte sie. Zwanzig bis dreißig Männer traten hervor. Nicht der Caffern Häupter sende ich dem Sultan, aber die eurigen. Eilt in sein Lager, sie selbst zu überbringen.



Die Männer gingen auf der Stelle ab, und die Uebrigen mußten nach Hause. Die Leichname der Getödteten wurden still verscharrt.



Herrliche Fassung! Schöner Glaube an Eigenkraft und Glück der Verwegenheit! Wie groß sind eure Triumphe! Nicht in Afrika, aber in einer namhaften deutschen Stadt sahe der Verfasser dieses Büchleins, die recht kecke That eines Befehlshabers, und auch sie errang ihren Preis.



Die Gesellen einer sicheren Zunft, weigerten sich bei der zunehmenden Theurung, noch um den auf wohlfeile Zeit gewürdigten Lohn zu arbeiten. Daß viel Recht auf ihrer Seite seyn mogte, fühlt man, ein Jurist beweiset aber: nein! Es giebt da auch das allgemeine Argument: sie müssen ihre Beschwerde dem Richterstuhl vortragen, nicht aber durch Tumult die öffentliche Ordnung stören. Nun liegt zwar am Tage, daß der Richterstuhl nicht wohl helfen kann. (denn den Geldwerth zum Staatsverhältniß im Gleichgewicht zu erhalten, dazu gehört eine höhere Weisheit, wie die der Justiz, wiewohl eigentlich die Justiz diese Weisheit besitzen und üben, vielleicht auch weil, Justiz, Weisheit, Regierung, dasselbe seyn sollte, aber die Nothwendigkeit des zweiten Satzes wird jedermann einräumen.) Genug, diese Gesellen wurden vom Gefühl ihres Rechtes, jugendlichen unüberlegten Eifer für dasselbe angetrieben, statt der Arbeit, das Trinkhaus zu besuchen, um dort in Versammlung aller Glieder Abreden für die gemeine Sache zu nehmen. Hier wurden die Jünglinge noch mehr erhitzt, es kam dahin, daß Soldaten gegen sie gebraucht wurden, sie meinten, sich widersetzen zu müssen, so wurde es schlimmer und mehrere blieben auf dem Platz.



Bei dem Tumult, der sich dadurch verbreitete und wobei die größeren Bewegungen nur Neugier oder Furcht zur Ursache hatten, meinte aber ein hoher bürgerlicher Beamter in dem Orte, es liefe auf Staatsumwälzung hinaus, und bat den Befehlshaber der Besatzung dringend, von allen Gewaltmaasregeln abzulassen. Dieser willigte ein. Aber sehr natürlich wurde nun das Uebel größer. Da ließ man denn unterhandeln, gab übereilt mehr nach, als zufolge der Umstände thunlich war, ja bewirthete die jungen Handwerker mehrere Tage auf öffentliche Kosten. Diese erklärten endlich, sie wollten ihre getödteten Brüder ehrenvoll beerdigen. Man ließ es zu, und jene richteten nach ihrer Weise einen stattlichen Pomp an. Endlich forderten sie noch die Erlaubniß, alljährlich am Todestage der Gefallenen, einen Aufzug zu ihrem Andenken halten zu dürfen. Um den Preis der öffentlichen Ruhe fanden sie auch hier keine abschlägige Antwort.



Bald darauf ging der Gebieter der Besatzung ab, und ein anderer trat in seine Stelle. Er hatte gehört, was vorgegangen war, und fühlte durchaus verschieden mit seinem Vorgänger. Wird dieser Aufzug künftig gestattet, sagte er, so ist er jedesmal nicht nur Hohn der Obrigkeit, sondern auch neue gefährliche Auftritte sind zu besorgen, die Uebermuth und Trunkenheit erzeugen können, und wie ihn auch der bürgerliche Staatsbeamte anlag, so erklärte er rund und nett, es sey mit seiner Ehre unverträglich, das Vorhaben zuzugeben. Der Tag kam heran, die jungen Leute hatten beschlossen, ihn vom frühen Morgen auf der Herberge zu feiern, und Nachmittag die Prozession zu vollziehn. Es wurde ihnen gesagt, daß es Herkommen sey, dem Befehlshaber des Orts, von allen zahlreichen Versammlungen auf den Gassen Nachricht zu geben. Es wurden also die drei ältesten mit der Meldung beauftragt. Sie langten bei dem General an, und sagten ihm kurz hin: Wir halten heute den Umzug. Kalt erwiederte dieser: Ihr haltet ihn weder heute noch jemals, und nach einer Erklärung seiner Gründe, mahnte er sie freundlich ab. Aber gestützt auf die vorjährige Nachgiebigkeit, versicherten sie mit lachendem Trotz: es würde dennoch geschehn. Nun machte der Befehlshaber Ernst. Wo sind Eure Kameraden? – Sie nannten das Wirthshaus. – Gut, jetzt ist es neun Uhr, mit dem Schlag zehne bin ich dort, und sind dann nicht alle an ihre Arbeit, würfelt ihr drei, und der das mindeste zählt, hängt noch Vormittag. Darauf meine Ehre!



Er schickte nur gegen die bestimmte Zeit, und man fand leere Zimmer.



Neuntes Kapitel.

Fortsetzung

Nene eilte auf ihr Cabinet, dem Sultan zu schreiben. Menschlich dein und des Volkes Heil fördernd, will ich gern Dein Reich verwesen. Doch rohe Grausamkeit muthe mir nimmer zu, oder suche Jemand, in dessen Herzen die Stimme des Gefühls, in dessen Verstande das gesunde Urtheil nie gehört wurde. Auch kann nur Unklugheit das rechte Gefühl verleugnen. Es werden Männer zu dir kommen, denen ich gebieten mußte, ihre Köpfe zu deinem Richtplatz zu tragen. Sie werden dir erzählen: warum? doch bitte ich, begnadige sie. – Dies war des Briefes Hauptinhalt.



Da sie den Eilboten abgefertigt hatte, ließ sie Osmann rufen. Er stürzte der großmüthigen hochherzigen Lebensretterin zu Füßen. Jedermann hebt in solchem Falle auf, folglich auch unsre Heldin. Dann sah sie aber den Egyptischen Kaufmann mit einem langen Blicke an, und fragte nach einer Pause: Wie ist dein Name, Egypter?



Er nannte den nämlichen, welchen er schon angegeben hatte, doch diesmal mit einigem Stottern.



Flore.

 Vorhin, als der Mann den Todesstreich nach dir richten wollte, sanken ergeben deine Knie in den Staub, und von deiner Lippe entfloh ein Name – ein weiblicher Name – ein Name, nicht gewöhnlich in der Türkei.




Osmann.

 Ich – wähnte den Augenblick des Sterbens nah. Ohne deine himmelgesandte Rettung —



Flore.

 Osmann, du magst ein Renegat sein, doch ein Türk bist du nicht. Schon die Kraft, mit der du den Tod erwartetest, die leichte Freude hernach – so sieht man den Muselmann nicht in dem ernsten Momente. Glaube an Bestimmung kann ihm Muth zu sterben geben, doch nennt er Mahomed zuletzt, kein Mädchen.



Osmann.

 Sultanin – du bist keine Cirkasserin, keine Türkin —



Flore.

 Und du wagst —



Osmann.

 Großmüthig, tapfer könnte eine Türkin sein, doch

dieser

 Edelmuth,

diese

 Tugend konnten nur in einer christlichen Europäerin wohnen.



Flore.

 Du nanntest den Namen eines Mädchens – fast mögt ich sagen, einer Spanierin.



Osmann.

 Nene – Nene! Du bist eine Französin!



Flore.

 Traf ich es, wackerer – Coutances?



Osmann.

 Aber heldenmüthige – Flore, woher weißt du, daß ich Coutances bin?



Flore taumelte einige Schritte vor Befremdung zurück, dann antwortete sie, die wortarme Negersprache mit der ausdruckreichen französischen wechselnd. Sie nannten Isabelle, ich hatte von ihrem Roman in Cairo gehört, ihre Gewandtheit, ihr schlauer Sinn, ihr Humor trafen mit der Beschreibung zusammen. So errieth ich – und sie, woher ist ihnen bekannt —



Osmann.

 Ich sah vor kurzem in Cairo einen Commissair der französischen Armee, meine Freude war groß, denn schon auf meiner Reise in Deutschland hatte ich den muntern Ring kennen lernen, und manche Aehnlichkeit in Sinn und Gefühl kettete uns aneinander.



Flore.

 Wundervolle unbegreifliche Verkettung.



Osmann.

 Er klagte mir das Unglück, seine geliebte Flore, bei jenem Aufstand zu Cairo, da er grade die Pyramiden von Gizah besucht hatte, verloren zu haben.



Flore.

 Ich Unglückselige, daß ich ihm nicht zu den Pyramiden folgte? Doch weiter, mein Herr.



Osmann.

 Da ich ihm sagte: ich würde eine Reise in entlegene Länder von Afrika antreten, beschwur er mich, überall nach ihnen zu forschen, und beschrieb sie genau – o Himmel wer hätte gedacht, daß tausend Meilen weit —



Flore.

 Wie geht es Ring?



Osmann.

 Da ich abreisete, glaubte er, nächstens den Zug nach Syrien begleiten zu müssen.



Flore.

 So ist er doch gesund, wohl —



Osmann.

 Wie man es sein kann, bei einem so theuren Verlust im Schmerz der liebenden Sehnsucht – Freilich ahnt er ihr Glück, sein Unglück nicht, daß Darkulla Floren seine Sultanin grüßt.



Flore.

 Sultanin von Darkulla! Nun ja, man nennt mich so – bin ichs aber? Wollte der Himmel ich hätte dies Land nimmer gesehn. Alle seine Schönheiten werden durch so viele Plagen – Doch wie kommen sie hieher, Coutances! Unglücklicher Liebhaber! ohne Zweifel suchen sie Isabellen? Schöne Treue! rühmliches Streben!



Osmann.

 Ach Isabelle ist nicht mehr. Hätte ich keine Nachricht von ihrem Tode, würde der meinige mich erschreckt haben. Ich rief Isabelle, im Gedanken an das Wiedersehn, denn ich glaube eine andre Welt.



Flore.

 Wenn, wo starb denn Isabelle?



Osmann.

 Ich muß weit ausholen, jeden Umstand zu berichten.



Flore.

 O das wird mich höchlich freun. Fangen sie auf der Stelle an.




Osmann.

 Von Ring weiß ich, daß der Sklave Coraim schon auf der Seefahrt mein Abentheuer erzählte, und daß sie alles wissen, bis auf den Augenblick, wo Isabelle aus dem Hause des Vaters entführt wurde.



Flore.

 Auch ist mir wohl bekannt, daß es der Italiener Perotti selbst war, in dessen Besitz nachher das Mädchen gelangte.



Osmann.

 Daß sie das wissen, setzt mich in hohe Verwunderung, ich ahnete es selbst nicht, erfuhr es erst spät und auf einem sonderbaren Wege —

 



Flore.

 Wie es mir zu Ohren kam, sollen sie hernach erfahren. Unterbrechen sie sich nicht.



Osmann.

 Aber ehe ich Isabellen sah, gleich nachdem ich des Handels wegen nach Egypten gekommen war, widerfuhr mir folgende Begebenheit. Ich war in Cosseir gewesen, dort ein Geschäft mit Moccakaffee abzuschließen, und kehrte durch die Wüste zurück. Etwa auf der Mitte des Weges treffe ich zwei Beduinen, die in der furchtbaren Sonnenhitze auf den Sand hingestreckt liegen. Bei genauer Besichtigung fand ich beide verwundet. Es waren ein Jüngling und ein Greis. Jener, wiewohl selbst hülflos, hielt diesen sorgsam umfaßt.



Ich fragte nach ihrem Unfall, und erhielt die Antwort: streitende Wechabiten hätten sie niedergeworfen, ausgeplündert und gemißhandelt. Ich that, was das natürliche Mitleid gebot, was jeder Europäer würde gethan haben. Die Unglücklichen wurden auf eins meiner Kameele geladen, und so mit nach Cairo geschafft. Da sie dort nicht unterzukommen wußten, fand sich denn leicht ein Kämmerlein bei mir, und ein Arzt, den ich eben wegen eines Augenübels brauchte, versorgte sie mit Arzenei. Daß sie gar nicht begreifen konnten, wie ein Christ, gegen einen fremden Religionsverwandten so zu handeln im Stande war, darum bedauerte ich sie, und hatte zu mancherlei Verrichtungen, mich weiter viel um sie zu bekümmern. Da sie nun hergestellt waren, konnte besonders der Jüngling kein Ende für seinen Dank finden, daß ich ihn und seinen alten Vater – sie wissen ja wie das ist, ich sagte denn, sie sollten nur machen, daß sie aus dem Hause kämen.



Der junge Araber aber rief: Frank, ich heiße Imar, und sollten funfzig Jahre vergehn, ich ruhe nicht, bis ich dir deinen Edelmuth bezahlte.



Ich gab natürlich auf diese Rede nichts. Doch nachdem es mir widerfuhr, daß ich mich in Isabellen verliebte, und sie dem Italiener Perotti, von dem sie werden gehört haben, streitig machte, fand sich dieser Imar wieder bei mir ein, Hülfe zu leisten. Er hatte, ohne daß ich es wußte, beobachtet, was mich beschäftigte. Ich brauchte Leute zur Ausführung meines Vorhabens, ließ mir also seinen Beistand gefallen, bot ihm ein Geschenk, wie Isabelle zu ihrem Vater gebracht war, und erklärte, daß ich seiner nicht mehr bedürfe.



Wer weiß, rief er, und sprang zur Thür hinaus.



Bald darauf verschwand Isabelle wieder, ich fand den Italiener, der sie aus des Consuls Wohnung geraubt hatte, gebunden im Keller, und fühlte selbst Mitleid bei seinem kläglichen Zustand. Die Mühe, Isabellen auszuforschen, war umsonst. Der Gram warf mich und ihren Vater aufs Krankenlager.



Wohl ein halbes Jahr darauf kam Imar wieder zu mir. Frank, sagte er, du bist nichtswürdig betrogen worden, ich dachte dir Freude zu bringen, aber der Prophet wollte nicht. Weine!



Da ich Erklärung verlangte, fuhr der Araber fort: Der ungläubige Hund, den du gebunden fandest, hat die schöne Sklavin selbst geraubt, ich ließ ihn mit meinen Freunden nicht aus den Augen, und nahm sie ihm bei Raschid wieder ab. Nun wollte ich sie dir bringen, denn immer bezahlte ich dir noch nicht, was, du in der Wüste an mir gethan hast. Aber die Begleiter, welche ich mir zu meiner That gewählt hatte, waren Schurken, sie wollten keinem Franken hold sein, und da ich bei der Rast ein wenig schlummerte, verkauften sie das Mädchen vorüberziehenden Sklavenhändlern.



Sie können denken, wie gespannt ich bei dieser Erzählung horchte, und wie gerührt ich bei dem dankbaren Sinn des Arabers war.



Er berichtete weiter: Da ich erwachte, waren die Begleiter entflohn, das Mädchen sah ich nicht mehr, wohl aber von fern den Staub von Kameelen. Ich ritt nach, fand eine kleine Caravane von Schwarzen und die Sklavin auf einem Kameele sitzend, hatte aber kein Geld, sie wieder loszukaufen. Ich eilte zum Vater. Du mußt mit der Caravane, sprach ich, verdinge dich als Knecht, damit du siehst, wo die Sklavin bleibt, und in allen Städten lasse bei dem Kiaschef Nachricht von dem Wege. Ich werde folgen, so bald ich Reisende niederwarf, und so viel Geld plünderte, um sie zu meinem Eigenthum zu machen. Der Alte, eingedenk deiner, war willig mitzugehn, und wären es Tausend Meilen. Ich legte mich denn in der Wüste auf die Lauer. Doch das Glück wollte mir nicht. Mehrere Monate vergingen, bis ich einen Wallfahrer, der nach Mecca gedachte, antraf, und der sich von seiner Begleitung entfernt hatte, um in einem Dorfe Früchte zu kaufen. Diesem raubte ich so viel ich brauchte, und schlug nun den Weg über Assiut ein, wo ich in den Ortschaften und bei den streifenden Beduinen immer Kundschaft vom Vater fand. Aber in Darfur hörte ich mit Entsetzen, die Sklavin sei ermordet. Ich kehrte zur