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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Drittes Kapitel.
Fortsetzung

Flore war abwechselnd bleich und roth geworden, während die Opponenten redeten. Hätte sie wieder gewußt, jene in die Enge zu treiben, so wäre wenigstens der Vortheil auf der Schwarzen Seite gewesen, daß ihre Farbe sich nicht änderte. Doch sie war wohl auf rohen Eigensinn, starres Vorurtheil gefaßt, nicht aber auf Gründe, und so war ihre Verlegenheit in der That nicht klein. Die Kernsprüche der französischen Literatur von der allgemeinen Art, (sie hat deren weit mehr, wie die sich gern über sie erhebende deutsche) sind fast Jedermann in Frankreich bekannt, darum fiel auch Fontenelle’s Wort: Chacun a raison, Floren mehr als Einmal in dieser Verlegenheit bei. Doch ließ ihr feiner Takt sie zugleich begreifen, daß sie ohne Gefahr des Ansehens, nichts einräumen dürfe; und mogte gleich ein geheimer Verdruß in ihr erwachen, die Hand an die Aufklärung von Darkulla gelegt zu haben, so meinte sie nun doch, der eingeschlagene Pfad sei nicht mehr zu verlassen. Eine solche Festigkeit des Regierungssistems ist schon oft von der Menschenkunde empfohlen worden. Giebt man im Gefühl des Unrechtes nach, wird auch nächstens bei vollem Recht der Geist der Schwierigkeit aufwachen.

Flore sagte nichts, als: Ich werde in meinem Cabinette weiter beschließen, und entfernte sich mit einer etwas kühlen Verbeugung.

Die Glieder des Divans sahen einander bei diesem Zeichen von Unzufriedenheit bekümmert an, doch das Bewußtsein, der Pflichten Stimme gehorcht zu haben, richtete sie wieder auf.

Man kann vermuthen, daß der Rath gefügiger erfunden wäre, hätte er Jünglinge in seiner Mitte gezählt. Allein es durfte in Darkulla Niemand vor dem sechzigsten Jahre in den Divan treten, und das ist freilich eine vortreffliche Einrichtung, wo man nicht von der Stelle will.

Da nun aber Flore nach ihrem Kabinette ging, sahe sie zu ihrer großen Verwunderung, daß alle ihre zurückgebliebenen Dienerinnen sich mit mächtigen Feigenblättern versehn hatten. Der Ruf von dem Willen der Sultanin war schon zu ihnen gedrungen, und mit höchster Eile hatte man zu gefallen gesucht. Die Kammerherren staken vom Haupt bis zum Fuß in Ziegenhäuten, etwas andres war so schnell nicht herbeizuschaffen gewesen. Man kann also denken, wie diese Kammerherren nicht erst Floren würden wegen ihrer weisen Befehle geschmeichelt haben, wenn die Darkullanische Weisheit ihnen nicht die Zungen genommen hätte.

Der Eunuchoberst fragte gehorsam an: ob seine Soldaten auch gekleidet erscheinen sollten? ohne besondre Ordre that der pünktliche Mann nichts. Flore glaubte Ja antworten zu müssen, und nun richtete er für sich ein Tygerfell, und für die übrigen Schaafshäute zu, doch alle von Einer Farbe, der Geist der Uniform fuhr wunderbarlich in ihn.

Flore überlegte hin und her. Lasse ich, dachte sie, die Geheimschreiber kommen, Edikte ausfertigen, und an die Ecken schlagen, so muß das Volk thun, was ich begehre. Daß nicht überall Neigung zum Widerstande vorhanden ist, beweisen die Hofleute, die gefällig erfüllen, was die grämlichen Räthe mit weitläuftiger, schwülstiger Beredsamkeit umwerfen wollen. Aber wenn ich bedenkliche Gährungen ins Leben rief? Nun da könnte sich Entschlossenheit bewähren. Doch zu rasch ist so was nicht zu wagen, aber man darf jenen Räthen auch keine Schwäche verrathen.

Die letzte Betrachtung überwog, Flore gerieth in eine edle muthige Hitze, die Geheimschreiber erhielten sogleich Befehl, in den Pallast zu kommen. Noch aber waren die ausgefertigten Edikte nicht unterschrieben, als sich der älteste von den Räthen melden ließ, und nochmals, Treue und Liebe in Blick, Sprache und Geberde, warnte. Er hatte die Berufung der Geheimschreiber erfahren, und dies ihn zu dem gegenwärtigen Schritte bewogen.

Flore war sehr verdrießlich, gab ihm bald zu verstehn, er sei die überzählige Person im Cabinette, zauderte aber dennoch mit der Unterschrift. Es ging ihr wie Elisabeth von England, mit dem Unterschiede, daß jene bei einem grausamen Befehl nicht zum Entschluß gelangen konnte, Flore aber nicht, wo sie von der Trefflichkeit desselben überzeugt war.

Viertes Kapitel.
Nachrichten aus dem Felde

Es waren einige Wochen hingegangen, und in der Zeit hatte Flore auch wohl zuweilen bedacht: Was geht mich die Aufklärung der Darkullaner wohl an? Wenn ich des Volkes Meinungen nicht feindlich berühre, welch herrlich Loos erwartet hier die Sultanin? Ich ärnte keinen Dank für meinen Willen, die Unwissenheit auf eine höhere Stufe der Bildung zu erheben.

Darüber verzog sich die Unterschrift je länger und länger. Aber Flore zeigte sich nicht wieder im Divan, sie wollte nicht als die Nachgiebige dastehn.

Jetzt langte aber ein Eilbote vom Heere an, und überbrachte Briefe von Kuku. Die Sultanin zitterte bei ihrer Erbrechung, als wenn sie den feurigen Schwarzen schon liebte, und es keinen Ring mehr in der Welt gäbe.

Der erste Brief bestand in Herzensergießungen. Nach einem Eingange voll Schwüre der Liebe, so heiß, und mit Bildersprache und Dichtung verwebt, wie ihn je eine Prinzessin Afrikas empfangen hat, schrieb Kuku auch: er müsse wahrlich den ihm ertheilten Rath, Gigi die Männer von Caffernland auszuliefern, wohl überlegt finden. Auch würde er ihn vielleicht noch befolgt, und sogar über der Beduinenkönigin Fehdebrief hinweggesehen haben, wenn sich unterdessen die Umstände nicht noch beträchtlich geändert hätten. Aber bei seiner Ankunft im Lager sei Tatas Vortrab bereits durch Gigi aufs Haupt geschlagen gewesen, und da unglücklicher Weise das empörte Volk in des Bruders Hauptstadt, die Männer mit lauten Schmähworten gekränkt hätte, und das der zornigen Feindin hinterbracht worden sey, habe sie einen Theil ihrer Drohungen fürchterlich erfüllt, und den besetzten Landstrich mit Feuer und Waffen verwüstet. Das fordre nun Rache, und der Krieg müsse auf das nachdrücklichste fortgesetzt werden. Er sey auch schon so glücklich gewesen, mehrere Truppenabtheilungen der Beduinen aufzureiben, und die großen Heere rückten nunmehr gegen Einander. Eine Hauptschlacht müsse entscheiden, doch schien diese noch nicht so nahe zu sein, da die Regenzeit Hindernisse lege, und beide Theile auf reiche Vorräthe an Lebensmitteln Bedacht nehmen müßten, um mit den großen Heeren durch die Wüste zu ziehn, die sie noch zwischen sich hätten.

Nun kamen wieder Zärtlichkeiten an die Reihe, und zwar im ächten altdarkullanischen Geschmack. Kuku meldete: er habe bereits Tausend Köpfe von Erschlagenen gesammelt, die er ihr in Säkken von Kameelhaut schicke. Sie wären schon unterwegs, nur würde der Eilbote allerdings früher eintreffen. Nächstdem würden Tausend lebendige Gefangene anlangen. So sei er ihrer werth, und nach der Heimkehr sollte ganz Darkulla des Beilagers wegen, vier Wochen lang trunken sein, ob es gleich Mahomed untersagte, dem bei diesem Verbot, sein Volk noch nicht zu gehorchen erlernt habe.

Hier ließ Flore den Brief auf ihren Schooß sinken, und dachte nach: – Sultanin, nun wirkliche Sultanin? Darf ich es, wie auch Hoheit und Freude mich anlocken? Wenn nun Ring lebt, und was sollte er nicht? Muß ich nicht wie Gigi handeln, die Kräftige? Aber ich besitze den Trank nicht, und Ring selbst würde es verdammen, wenn ich den Trank schlürfte. O daß mir doch eine Nachricht über ihn zukäme, nun, da sich Kukus Krieg in die Länge ziehn wird, erscheint Musa vielleicht eher wieder.

Sie las fort, warf aber den Brief unwillig zur Erde, denn was noch folgte, empörte sie mehr, als das ihr zugedachte gräßliche Geschenk. Kuku endete den Brief damit, daß er die Hoffnung äußerte, die Feindin werde durch die Tapferkeit der Söhne Darkullas völlig überwunden werden, ja selbst gefangen in seine Hände gerathen. Ist ihr dann das Kleinod zu rechter Zeit zu entwinden, welches das geheime Gift verbirgt, o dann soll die, welche ich zur Sultanin, zur einzigen Sultanin von Darkulla erheben wollte, mir fröhnen wie die gemeinste Buhldirne, und wenn meine Lust gebüßt wurde, den Knechten preisgegeben werden. – „Das werd ich verbitten, unzarter Afrikaner!“ rief Flore bei dieser Stelle aus. – Und, hieß es schauderhaft weiter, mordet sie ihr Trank, soll auch ihr Leichnam der Entweihung nicht entgehn, und sollte der Tod viele Knechte – — —

Den Rest las Flore gar nicht, sondern rief Abscheu über den Sultan. Doch setzte sie hinzu: die Hoffnung ihn zu bessern, geb ich immer nicht auf.

Der zweite Brief wurde erbrochen. Er war offiziell, und so angethan, daß die Sultanin ihn im Divan vorlesen sollte.

Erst fand man eine Reihe von Berichten, über die Kriegsvorfälle, welche schon Statt gehabt hatten, Listen von Todten und Verwundeten, ehrenvolle Erwähnungen muthiger Thaten, Angaben über den Verlust der Feinde, und was sonst aus dem Kriege berichtet zu werden pflegt. Worin aber Sultan Kuku von der vielbefolgten Regel abwich, das war der Punkt der Richtigkeit.

Noch mehr: Sultan Kuku konnte die ungemeine Tapferkeit und Geschicklichkeit der Beduinen nicht genug erheben, die alle, welche schon mit ihnen im Kampf gewesen waren, ihm bezeugt hätten. Er schrieb, es wären gar die ältern Beduinen nicht mehr. Ihre Sultanin hätte einen Kriegesgeist, eine Kunstfertigkeit ihnen anzueignen gewußt, welche Afrika noch nimmer gesehen habe, und sollte die Tapferkeit der Darkullaner, (welche er zwar nicht aufhörte, als die erste in der Welt zu erkennen) Gigis Heer überwinden, so schiene es durchaus nöthig, einige der Stellungskünste und Angriffskünste von drüben nachzuahmen. Tata wäre ganz mit ihm hier einverstanden, und die Truppen würden in dem Betrachte schon geübt. Er empföhle also dem Divan die Verstärkung, welche er auszuheben hätte, auch bald auf diese Weise zu unterrichten. Zu dem Ende lagen genaue Beschreibungen jener Bewegungen bei, und es würden auch Offiziere ankommen, die sich dem Geschäfte widmen sollten. Besonders war dabei der Sultanin empfohlen, ernst durchzugreifen, wenn etwa die Graubärte im Divan, nach ihrer gewohnten Art mit veralteter Weisheit widerständen. Das Nothwendige müsse geschehn, und der Einwurf verstummen.

 

Die letzten Weisungen enthielten gleichsam einen Triumph für Floren. Sie war entzückt über Kukus Klugheit, das Gute auch vom Feinde lernen zu wollen. Die Weisungen des Divans halber, berechtigten sie zu Schritten, die jenen Widerspruch rächen konnten.

Hatte sie schon oft über die romanhafte gefürchtete Gigi nachgedacht, ja wohl eine Sehnsucht empfunden, die Heroin einmal zu sehn, so versank sie daneben in Bewunderung. Wie, rief sie aus, diese Gigi stellt sich an die Spitze eines rohen Haufens, macht sich zur Herrin, lenkt ihn nach Gefallen, und legt ihm sogar schnelle Riesenschritte der Entwicklung auf? Und ich, hier mit Ansehn gerüstet, muß, da ich das Gute will, Ausflüchte hören, die zwar im ersten Augenblick manches für sich zu haben scheinen, aber von der Höhe des Strebens angesehen, doch elend sind. Aber mein Wille ist nicht heftig genug. Ich zaudre klügelnd, wo die That vorangehn sollte. Nein, nicht länger! Kuku soll eine andere Gigi anstaunen.

Die Palmblätter, rief sie (in Darkulla baut der Kunstfleiß noch keine Papiermühlen) den Griffel! und im Nu waren die Unterschriften fertig. Die Boten mußten fort.

Fünftes Kapitel.
Gährung

Der Divan wurde berufen, Kukus Brief gelesen. Mit niedergesenktem Blick hörten die Räthe. Endlich stand der vorsitzende Greis auf, legte die Hände auf die Brust, und sprach: Erhabene Sultanin, wir dürfen rathen, aber müssen gehorchen. Den Ausgang zum besten kehren, das wollen wir, für ihn einstehn, das können wir nicht.

Flore hatte wohl eine andre Antwort gewünscht, doch allenfalls ließ sich mit dieser schon zufrieden seyn, und sie beurlaubte die Räthe.

Jetzt schrieb sie dem Sultan. Nichts weniger als Zärtlichkeit, nichts weniger als Kälte, viel aufmunterndes Lob, und eine räthselhafte Hoffnung auf Glück bei der Heimkehr, die Kuku vielleicht beim Empfang anders gedeutet hat, wie Flore es meinte. Denn sie hatte nur ihre Umwandlung des Volkes von Darkulla im Auge.

Flore gab den alten Kammerherrn ihr inniges Bedauern über ihre unglückliche Verstümmung zu erkennen, äußerte aber aber dabei, daß eine Bedienung von stummen Männern, sowohl freudenlose Eindrücke auf sie mache, als ihr abgeschmackt dünke. Sie bekamen doppelt Gnadengehalt, und statt ihrer wurden andre mit gesunder Sprache angenommen.

In diese fuhr sogleich die Kammerherrn-Natur. Sie erhuben die Weisheit der neuen Einrichtungen über die letzten Sterne des siebenten Wonnehimmels, und schwuren: ganz Darkulla sey aus Entzücken über die letzten Befehle ohnmächtig geworden. —

Das beruhigte Floren, wiewohl es anders klang, wie der ehrliche Eunuchenoberst gemeldet hatte. Dieser war, gleich nachdem das Militär die Uniform von Thierhäuten angelegt hatte, von der Sultanin befragt worden: wie das Volk sich bei dieser Erscheinung äußere, und seine Antwort gewesen: ältere Männer pflegten bei dem Anblick sich still umzuwenden, jüngere aber liefen im Scherz, wie vor dem Thiere, von dessen Haut das Soldatenkleid gemacht sey. Im Pallast wurde aber eine Manufakturenkommission niedergesetzt, die über die Mittel zu berichten hatte, auf das schnellste allerhand Zeuge fertigen zu lassen.

Der Divan fragte durch eine Sendung an: wie er sich für die nächste Versammlung zu kleiden habe? Die Sultanin wollte den alten Männern keine peinliche Beschwerde auferlegen, sie stellte es also in dem Belieben eines jeden, und setzte hinzu: wegen des noch bestehenden Mangels an Stoffen, sei es vorerst an einem Feigenblatte genug.

Da sie nun am folgenden Tage die Räthe über den Pallasthof zur Sitzung gehen sah, bemerkte sie, daß alle das Feigenblatt in der Hand trugen, gleichsam als spielten sie nur damit, oder wollten sich seiner als eines Schirms bedienen, oben im Saale war es aber durch die Ranken einer Epheu befestigt. Dies Betragen verdroß Floren, doch war ihre Meinung: dem hohen Alter sei einiges zu übersehn.

Uebrigens hatte die Sultanin manche Genugthuung. Viele Palmblätter wurden eingesandt, auf denen Danksagungen der Knechte eingegraben waren, vor dem Pallaste ließen sich viele Menschen sehn, die artige geflochtene Schürzen trugen, und Niemand brauchte die verhaßte Anrede mehr. Alles das war jedoch Schein, durch die Plane der Schmeichelei veranstaltet. Falsch waren die Danksagungsschreiben, die Leute, welche sich gekleidet zeigten, erkauft, während heimlich ausgestellte Wachen keinen dem Pallast nahen ließen, der an der Nationalnacktheit noch mit Vorliebe hing. Adressen, welche mit der Courtoisie: Eselin! anhuben, und deren manche einlief, wurden unterschlagen.

In der Wirklichkeit stand es nur zu bedenklich. Das Volk sah Schande, Beschwerde und Noth in der gebotenen Kleidung. Die Vornehmen geriethen außer sich, daß die Willkühr über der Knechte Leben verfallen sollte, diese wurden trotzig und nun schlechter genährt, durch die Herren, daß sie dennoch den alten Zustand zurückwünschten. In Verächtlichkeit sank eine Sultanin, ohne den edlen Ehrgeiz, den Titel der Landeshoheit führen zu wollen. Doch die Ausbrüche heilloser Szenen wurden noch durch Vermittlung des Divan niedergehalten.

Auch war bei der tiefen Ehrfurcht, womit man in Darkulla sonst den Gebietern und ihren Gemahlinnen huldigte, nimmer die Stimme der Verläumdung gehört worden. Man hätte Afterrede über den Hof, gleich nach der Gotteslästerung gestellt. Jetzt ward das anders. Man flüsterte sich so manches über Nene ins Ohr. Ihr freies Betragen erweckte Muthmassungen, die man freilich noch nicht aussprach, aber einander auf den Gesichtern las. Auch kam, was in Darkulla, wo blindes Gehorchen mit Sitte und Gefühl so genau zusammenhing, unerhört war, die Fremdheit der Sultanin, unter mißbilligenden Wendungen zur Sprache, und im Verdruß, über das, was sie that, wollte sich immer schon die Frage hervorwagen: Ist es recht, dieser Sultanin, die Schändliches und Ungerechtes will, Folge zu leisten?

Sechstes Kapitel.
Die Köpfe und Gefangenen

Nun langte die vom Sultan abgeschickte Bedeckung an, und brachte sowohl afrikanische Trophäen, nehmlich Köpfe, als auch lebendige Gegenstände der Volkskurzweil, nehmlich Gefangene.

Unter kriegerischer Musik, von den Einwohnern mit tausendfachem Jubelschrei empfangen, nahte der Zug dem Stadtthore. Hier wurden die Köpfe aus den kameelhäutenen Säcken genommen, und auf Lanzen gesteckt; die Gefangenen je zwei und zwei zusammengeschlossen, die Hände auf den Rücken gebunden folgten, vom Pöbel verhöhnt, beschimpft, mit Steinen geworfen, oder mit Stäben gequält, woran spitzige Fischgräten hervorragten.

Nach alter Sitte von Darkulla, wurde von den Köpfen, am Eingang des Pallastes, eine Pyramide aufgerichtet, um welche die trunknen Darkullaner tanzten, wohl in phrenetischer Raserei oft ihr Fleisch herunter rissen, und verschlangen. Dann gab man die Feinde Preis, welche das Kriegsglück lebend in der Sieger Hände geliefert hatte. Nationalhaß und Rache wegen gebliebener Verwandten in diesem Kriege, machten sich schrecklich Luft, und es ist zu ärgerlich grausend, um es nachzuerzählen, was dann alles geschah. Nicht wich die Menge von dem Platze, bis auch der letzte zerrissen war.

Flore hatte den Divan berufen lassen, da der Zug eintraf. Ich erfahre, sprach sie, welchen kannibalischen Lusttaumel sich heute der Pöbel verspricht. Aber eher wollte ich gleich die mir anvertraute Gewalt hinwerfen, ehe ich die Menschheit unter meinen Augen so niedrig entweihen ließ. Gleich sammle man die Reste der Getödteten, und lasse sie in der Stille zur Erde bestatten, denn unwürdig ist hier jedes frohlokkende Spiel. Die Gefangenen sind nicht mehr unsere Feinde; die Geburt in ihrem Vaterlande, ihre Pflicht gab ihnen das Schwert wider Darkulla in die Hand, wir konnten sie entwaffnen und sind versöhnt. Man gebe ihnen unter Aufsicht Beschäftigung, und reiche ihnen den Sold unserer Krieger.

Alle Glieder des Divans fingen zugleich an zu reden. Wie nöthig es sein würde, hier nachzugeben; von der Gefahr, das Volk zum Aufstand zu bringen, u. s. w., aber Flore entließ sie mit einem kurzen: Ihr wißt meinen Befehl.

Es wurde vollzogen, was Flore geboten hatte. Das Volk lief mit Wehgeheul durch die Straßen, raufte das Haar aus, geberdete sich fast wahnsinnig, daß seine Lust untergraben wurde; nahe drohte die Meuterei, doch noch gelang es dem Divan die Leidenschaften niederzuhalten.

Die Kammerherrn erklärten der Sultanin, die das Wehgeheul vernahm, sie höre Freudenruf über die Abschaffung der Mißbräuche. Auch redeten sie sehr laut von angenehmen Gegenständen, und bestellten in aller Eile ein Concert, daß Nene ja nicht der Wahrheit auf die Spur käme.

Es ist eine große Gefahr, der die Vornehmen blosgestellt sind, die, daß man ihnen die Gefahr verhehlt.

Viele Zügellosigkeiten wurden in Darkulla begangen, von denen Flore nichts erfuhr. Man grub die verscharrten Köpfe wieder aus, die Gefangenen, welche bauen, Gärten pflanzen, und bei den neuen Zeugfabriken arbeiten sollten, mordete der Pöbel, wo sie sich vereinzelt zeigten. Flore dagegen meinte auf dem Wege zu sein, alle Genugthuung für ihre Plane zu umarmen. Sie beging den Fehler, nicht genug mit eignen Augen zu sehn, und entfernte sich wenig von ihrem Pallaste. Geschah es einmal, so erblickte sie, was sie wünschte. Das Lebehoch ward gerufen durch geschürzte Darkullaner, die selbst nichts eiligers zu thun hatten, als die Bürde von sich zu werfen, sobald nur Nene vorüber war.

So machte einst eine hohe Fürstin der Christenheit Reisen in noch unangebaute Provinzen. Wie erfreute es sie, in einem der entlegensten Winkel durch schöne junge Alleen zu fahren, Dörfer und Städte voll fröhlicher Menschen zu finden. Aber die Alleen waren nur eingesteckte Baumzweige, nach einigen Tagen dürr, die Dörfer Dekorationen, in den Städten nur die Straße, wodurch man zog, mit Vorderfacaden geschmückt, und Menschen weit und breit herbeigetrieben, Bevölkerung zu lügen.

Mit dem Divan berathete Flore wenig mehr, da seine Schwierigkeiten sie längst ermüdeten, dagegen bildeten ihre Kammerherrn einen engeren Cabinetsrath, wo kein Widerspruch, wohl aber die angenehmsten Hymnen gehört wurden.

Siebentes Kapitel.
Wieder Nachrichten von Kuku

Durch Eilboten, welche vom Heere kamen, erfuhr Flore, wie sich die beiderseitige Hauptmacht nun Einander beträchtlich genähert habe, und in einiger Zeit der Wurf einer entscheidenden Schlacht fallen werde.

Kuku schrieb ihr dabei, nach den gewöhnlichen afrikanischen Galanterien, viel Rohes und Gescheutes. Darin blieb er sich gleich. Hauptsächlich ließ er sich über die Caffern aus, um welche sich der Krieg entsponnen hatte. Gigi, schrieb er, hat das Verwüsten eingestellt, sogar Schadenersatz angeboten, und noch einen ziemlichen Landstrich, den sie Tata abtreten wollen, dafern ihr die Caffern ausgeliefert würden. Es wäre also ein leichter und vortheilhafter Friede zu erringen. Allein die Verwüstung muß schmachvoller gerächt seyn, so will es Darkullas Ehre. Dann scheint auch die Veränderung im Betragen, auf einen Unfall zu deuten, der ihr widerfuhr, oder droht. Vielleicht will auch ein anderer Nachbar ihr Land mit Krieg überziehn. Das Gerücht sagt ohnehin lange: Habesch sei mit ihr zerfallen, und schon vor meiner Ankunft beim Heere hatte Tata sich um ein Bündnis mit diesem Reiche bemüht, wozu sich jetzt einige Hoffnungen zeigten. Es wäre also thörigt, um ein wenig Land den Frieden einzugehn, wenn es vielleicht ganz wieder zu erobern ist. Und dann fällt auch Gigi lebend oder todt in meine Hände, eine Lust, die hunderttausend Köpfe spottwohlfeil erkaufen. Der Caffern wegen habe ich einen Entschluß genommen, mit dem du Eselin der Eselinnen, (Kuku hatte Wichtigeres zu thun, als die Titulaturen zu verbessern) zufrieden seyn wirst. Schon oft blitzte der Säbel über die Häupter derselben, doch aus den Gründen, die dir schon bekannt sind, wurden sie immer noch der Volkswuth entzogen. Jetzt sind sie aber auf dem Wege zur Hauptstadt des Felsenlandes. Bald werden sie bei dir ankommen, Sonne von Darkulla, liebliche Sultanin Nene. Lasse sie in engen Gewahrsam bringen. Gewinnt mein Schwert in dem großem Kampfe, der uns bevorsteht, so mögen sie leben, und ihre Geschicklichkeit Darkulla Nutzen bringen. Und etwas Erhebliches muß es ja darum seyn, weil Gigi sogar um den Besitz der Männer sich demüthigt. Ein Bote, dessen Esel mit Mandelblüthe geschmückt ist, wird dir den Sieg verkündigen. Verliere ich aber die Schlacht, dann lasse mir gleich die Caffern tödten. Besiegt zeig ich Gigi den grimmigsten Trotz. So ziemt es dem Sultan von Darkulla. Desto eher wird sie auch den Krieg enden, und hab ich doch das Felsenland, wohin ich mich mit Tata zurückziehe, das jetzt klüger bewacht wird, wie im vorigen Kriege. Die Köpfe der egyptischen Kaufleute sende mir, ich will sie Gigi übermachen. Dieser beiden Männer wegen, unterhandelte Gigi am eifrigsten. Den Verlust der Schlacht meldet dir ein Bote auf einem Esel ohne Schweif. Das ist das Zeichen der Klage, des Trotzes und der Caffern Todesspruch. Du kannst die Kaufleute erst über manches befragen.

 

Diese Köpfe werde ich nicht senden, dachte Flore bei sich, wenn sie schon empfand, daß einige Größe in der Barbarei lag.

So stand Claudius Nero, dem listigen und kräftigen Punier gegenüber, der so oft Roms Legionen überwunden hatte. Asdrubal kam über die Alpen gezogen, den Bruder zu verstärken, und nur eine geringe Macht konnte ihm unter dem Consul Livius Salinator entgegenrücken. Da entschlich Claudius mit des Heeres größter Hälfte, während täuschende Zeichen Hannibal seine fortdauernde Gegenwart vermuthen ließen. Mit Eilmärschen erreichte er den andern Feldherrn, ihm Hülfe zu leisten. Vereint griffen die Helden an, funfzigtausend Feinde sanken. Nach sechs Tagen war Claudius schon zurückgekehrt, und in Hannibals Lager flog – Asdrubals Haupt.