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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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„O pfui, pfui! Gräßliche Politik von Afrika! Und ich kann mir denken, daß diese Weisen sich so patriotisch dünkten, als hätten sie in einem gewissen Parlament gesessen. Weiter!“



Bei dem allen dachte aber Tata doch auch an den Krieg, der ihm über den Hals kommen könne, und er wollte sich auf alle Fälle der Hülfe des Bruders versichern. Deshalb lief eine Anfrage bei dem Esel aller Esel ein, was man zu thun hätte?



„Nenne ihn Sultan Kuku, wenn du mit mir redest. Ich erlasse die überflüssige Artigkeit. Und welchen Rath empfing Tata?“



Sultan Kuku erwiederte: Wenn jene Caffern wirklich einem Lande Nutzen bringen könnten, so sey es zwar ein Thorenstreich, sie der Feindin zu überlassen, doch noch ein größerer, ihnen die Gurgeln zu durchschneiden. Man könne sie ja anhalten, im Lande selbst ihr kunstreich Gewerb zu üben.



„O ich sehe es, Kuku ist nicht nur gut, er hat auch Verstand, der nur seiner Bildung harret. Geduld, nur Geduld!“



Die Männer durften also nicht nach Darmi, wurden aber in Schutz genommen.



„Immer treulos gegen Gigi. Sie gehörten ihr an, man mußte sie ziehn lassen, dann einer so verständigen Monarchin Beispiel folgen, und sich auch geschickte Caffern verschreiben. Geduld, nur Geduld!“



Aber grimmig wie die Leopardin, die des Jägers Pfeil streifte, stand die Sultanin von Darmi auf. Viel waren der Gründe ihres Zornes, denn sie war selbst bis an die Gränze gekommen, die Caffern einzuholen, so viel lag ihr an dem Schmuck der Städte und Gärten; getäuscht mußte sie sich sehn, ihre Bitte mit Hohn, ihre Drohung mit Schmach vergolten, und schnell sammelte sie ein Heer, in des Nachbars Staaten zu brechen.



Flore fielen die Opern ein, die sie in Paris gesehn hatte, und sie rief: Eine Semiramis, eine Zenobia!



Lolo fuhr fort: So warm legte sich Gigi für das Schicksal der Männer ein, daß sie einen Fehdebrief erließ, verkündend: daß für jeden Kopf, der von ihren Caffern fehlen würde, Tausend Köpfe aus Darkulla auf Darmischen Spießen getragen werden sollten, und würde den Kaufleuten, welche ihre Caffern führten, nur ein Blick des Zornes, so sollten Flamme und Schwert eine ganze Provinz um dieses Blickes Willen verwüsten.



„Großherzige schreckliche Königin!“



Das alles wurde nun dem Sultan Kuku gemeldet, und er mußte dem Bruder beistehn. Vielleicht hätte er gar bei seinem friedlichen Herzen dem Bruder gerathen, die Caffern ziehn zu lassen, aber die beleidigende Sprache Gigis empörte ihn und jeden Darkullaner. Doch in so gerechtem Krieg wird die gute Sache nicht unterliegen. Gigi steht allein, die von Habesch sind ihre Verbündete nicht mehr, Kuku und Tata stellen ein mächtig Heer ins Feld.



„Gerechter Krieg, gute Sache, meinst du das?“



Ich meine wegen des kränkenden Fehdebriefes.



„Hätte man gleich das Rechte gethan, würde man weder den Zorn über den Fehdebrief gefühlt, noch den harten Kampf zu kämpfen gehabt haben. Ich schlage mich ins Mittel. Gleich einen Eilboten. Der Sultan wird meinen Rath, meine Bitte hören, und der Friede kehrt zurück.“



Sie entließ nun den Minister, und fertigte einen Courier an Kuku ab. In der Depesche beschwur sie ihn, sogleich die Männer an Gigi zu senden.



Zweites Kapitel.

Versuche mit der Entwicklung zu Darkulla

Am andern Tag ward der Divan berufen. Als sich alle hohe Staatsbeamten eingefunden hatten, erschien die Sultanin ohne weitere Anmeldung. Nur einige Mann der Eunuchengarde und wenige Frauen begleiteten sie.



Darüber steckten die vornehmen Neger die Wollköpfe nicht wenig zusammen. Eine Sultanin, und umgiebt sich nicht mehr mit Schimmer? Was muß das Volk denken. Es wird sich erfrechen zu glauben, sie sei vom gewöhnlichen Geschlecht der Menschen.



Flore stieg nicht die Stufen zum Throne hinauf, deren Hundert vorhanden waren, sondern blieb auf der zweiten oder dritten stehn. Hier glaubte sie von allen gesehn und verstanden zu werden, und darum war es ihr zu thun.



Auch dies gab Anlaß zum Kopfschütteln. Wenn sich sonst die Sultaninen von Darkulla öffentlich zeigten, so waren sie so dicht von Garden und Höflingen umringt, daß man sie nicht sah und auf dem Hundert Stufen hohen Thron verkleinerten sie sich so, daß sie wie Kinder erschienen.



Flore, die ein leises Gehör hatte, vernahm das Geflüster, und sagte: Darkullaner, wer faßt euch? Den unnützesten Prunk wollt ihr an euren Monarchen glänzen sehn, und doch tragt ihr, wie er, keine Kleidung. Doch hört nur, was ich euch alles zu sagen habe.



Hier auf der Erhöhung wurde sie erst der Menge recht sichtbar, und nie hatte man wohl den Divan von Darkulla so bewegt gesehn, wie in diesem Augenblick. Denn konnte die allgemeine Befremdung größer sein? Flore trug ein Hemd von Musselin.



Bisher hatte sie sich, wie wir schon gesehen haben, zwar durchaus der Landessitte anbequemen müssen, allein da sie immer ein Schweistuch und einen Sonnenfächer in den Händen führte, so wußte sie einen so geschickten Gebrauch davon zu machen, daß ihr europäisches Gefühl wenigstens einigermaßen beruhigt war. Wie aber Kuku abreisete, ließ sie sogleich von einer wollartigen Pflanze ein Gewebe fertigen, und schnitt es sich selbst zu einer Chemise zu. Es ließ sich sonst in Darkulla auch nicht das geringste von einer Ellenwaare finden.



Man muß glauben, daß wenn Flore nicht so schön gewesen wäre, und durch die Anmuth in ihrem Betragen, schon Nachsicht geboten und Unmuth getilgt hätte, der Divan auf der Stelle würde auseinander geflohn seyn. Denn grade den Eindruck, den es machen würde, wenn eine vornehme Dame, in Europa nach der Mode von Darkulla erschien, brachte dort der europäische Gebrauch hervor.



Aber Flore fing an zu reden, man hörte, wunderte sich, daß man nicht aufhörte zu hören, und hörte dennoch.



Weise Männer von Darkulla, hub Flore an: Der Sultan euer Beherrscher hat mir das Regiment während seiner Abwesenheit übertragen. Je weniger ich hoffen kann, einer so unerwarteten Ehre würdig zu sein, je mehr wird es mir Pflicht, den Erwartungen, welche Kuku von mir hegt, nach aller Kraft zu entsprechen, daß nimmer ihn seine Wahl reuen möge, und Freude bei der Wiederkehr sein Herz durchglühe.



Darkullaner, ich bin in einem Lande geboren, wo die Menschen weiter in Künsten und Erfahrungen sind, wie ihr. Auch was Recht und Sitte als das Beste empfehlen, wurde dort genauer ausgemittelt wie hier. Fern sei es von mir, wegen dieses Zurückbleibens auf dem Pfade der Bildung, ein ganzes Volk zu tadeln. Vieles, was der Einzelne thut, hängt von Zufälligkeiten ab, und das gilt auch bei Nationen. Wären eure Väter durch solche Weltereignisse berührt worden, wie die unsrigen, ihr ständet heute auf der Stufe, welche meine Landsleute ehrt. Und hätten unsere Voreltern nur einen Lebenskampf gefunden, wie die eurigen, so besteht gar kein Zweifel, ihre Kinder würden nicht weiter vorgerückt sein, wie ihr. Dies schicke ich voran, um jeden Verdacht der Anmaßung von mir zu entfernen.



Allein ich glaube, ich kann gegen das Vertrauen eines Königs, der mir liebend entgegen kam, und mich neben sich stellte, gegen den freundlichen Empfang und willigen Gehorsam eines guten Volkes, nicht dankbarer mich beweisen, als wenn ich von den Vortheilen, die mein Vaterland vor euch genießt, Darkulla so viel zuzuwenden strebe, als es selbst schon aufzunehmen fähig ist. Und da bring ich eure Empfänglichkeit für das Gute in keinen geringen Anschlag, denn ich habe bereits Zeichen wahrgenommen, die den Morgen der Hoffnung lieblich rötheten.



Es ist der schönste Traum dieser Tage gewesen, den Sultan Kuku bei seiner Wiederkehr mit Einrichtungen zu überraschen, die ihm, wie dem Volke, Segen und Wonne bringen könnten, und mein Herz drängt mich, dem Traume Wirklichkeit zu geben. Euer Beistand ist es, worauf ich dabei zähle, und weiser Sinn, wie das lebendige Gefühl für das Bessere, werden mir ihn nicht versagen.



Es sind vorerst drei Gesetze, die ich zu erlassen gedenke, nachdem sie eurer reiflichen Prüfung vorgelegt sind.



Das erste betrifft die Kleidung.



Anstößig, eckelhaft, anstößig ist es, Darkullaner, daß ihr die Sitte auch der letzten unter den gebildeten Nationen nicht nachahmt, und ärgerlich eure Blöße zur Schau tragt. Wohl muß ich erkennen, daß euer Himmelsstrich hierin andere Gewohnheiten vorschreibt, wie Zonen, in denen das Wasser in Flüssen zum Stein erstarrt, und aus den Gewölken zu Staub gefroren niedersinkt. Allein was nicht die Nothwendigkeit der Erwärmung fordert, ist man der guten Sitte schuldig. Gewöhnt euch daran, ein dünnes Gewand zu tragen, und bald werdet ihr empfinden, daß das Achtungsgefühl für jeden Einzelnen zunimmt, es wird euch Freude sein, auch andern es wieder zuzugestehn, und ein wichtiger Schritt der Veredlung ist gethan. Ich spräche nicht davon, um nicht die Zurückhaltung aufzugeben, die der Weiblichkeit immer wohl steht, aber ich muß euch doch alles sagen, was zur Sache gehört, so darf ich um so eher hoffen, euch zu bewegen. Wisset, dasjenige Entzükken, wodurch die Natur der Menschen Herzen am innigsten rühren wollte, ich meine die Liebe, wird euch mit reinerem, hellerem Stralenschein umfließen, wenn ihr dem Geheimnisse Tempel erbaut, und es gab vielleicht weniger das Bedürfniß, wie der Liebe Sehnsucht nach ausgewählten Genüssen, Gelegenheit zu Erfindung des Kleides. Denkt nach über diese wichtige Angelegenheit, Männer von Darkulla, nennt mir eure Bemerkungen darüber und helft dann redlich und eilig das Gesetz vollziehn, indem ihr die Ersten seid, die dem Willen der Regentin mit Unterwürfigkeit begegnen.



Ferner komme ich auf die widernatürliche, grausame, unerhörte Gewohnheit, manchen aus Kurzweil zu morden, zu verstümmeln. Der Vornehme unter euch, der sich, wie er es nennt, eine heilsame Bewegung machen, oder sich am Gräßlichen eine Augenweide verschaffen will, ruft nur seinen Sklaven hervor, wenn er will, und stillt sein wildes Vergnügen. Der Sultan, dessen Sklaven ihr alle seid, kann auch den, der ihm am nächsten steht, zum Opfer auswählen. Hier, Darkullaner, vertheidigt euch auch der Väter Beispiel nicht. Jeder Erdensohn muß nach dem Triebe, das seinige zu erhalten, den Werth des fremden Lebens wägen. Es muß ihm heilig sein, damit ihn selbst nicht grause Furcht quäle. Eine unerbittliche Satzung, daß des Blutvergießers Blut die Schuld sühnen solle, wird bald ein so freventliches Gelüst austilgen. Die Menschen sind sich gleich, und welche bürgerliche Abstufungen auch in eurem Lande vorhanden sind, so darf auch der Niedrigste nicht so erniedrigt werden, daß sein Leben von der Willkühr abhängig sei. Begebt euch aus guter Ueberzeugung eines schändlichen Rechtes, und ich verheiße euch, den Sultan Kuku zu einem gleichen Entschlusse zu vermögen. Auch Mahomeds Religion verbietet solche ungemessene Greuelthat. Aber ihr versteht wenig mehr davon, wie die Erlaubniß, viele Weiber zu frein, und die Aussicht auf ein phantastisches Paradies, das ihr noch mit Heidenaberglauben schmückt. Davon künftig mehr, vorerst macht nur dem ärgsten Mißbrauch, der je eine Völkerschaft entehrte, ein Ende.

 



Noch muß ich über den Titel reden, den ihr euren Oberhäuptern beilegt. Durch manches Land kam ich auf meinen Reisen, aber einen so lächerlichen Verstoß gegen Ehrfurcht und Schicklichkeit nahm ich an keinem Orte wahr. In Darfur grüßt das Volk seinen König: Büffel der Büffel, in Darkulla gar Esel der Esel. Wie nützlich, kräftig oder stattlich euch ein Thier erscheinen mag, so ist es unwürdig, nur den geringsten Menschen damit zu vergleichen, da er an Schönheit der Gestalt, Vortheil der Glieder, und dem entwickelten Geist so weit emporragt. Der Mensch ist so trefflich dargestellt, daß man eher ihn mit dem Göttlichen vergleichen mögte. Dies ziemte aber wieder nicht. Also kein Vergleich, eine Benennung nur, die Liebe, Vertrauen und Gehorsam ausdrückt, aber durchaus menschlich ist.



Hier endete Flore. Es war ihr keineswegs entgangen, daß während ihrer ganzen Rede, viele leidenschaftliche Aufwallungen ihre Hörer bewegt hatten. Zugleich war ihr aber auch der Kampf sichtbar geworden, den die Mitglieder des Divans im Innern gegen ihren erregten Unwillen bestanden, und sie schrieb diese Erscheinung der eindringenden siegreichen Kraft ihrer Gründe zu.



Irthum! Man hatte sich nur angefeuert, die verderblichen Grundsätze der Liebenswürdigkeit der Rednerin zu verzeihen.



Der älteste unter den Räthen bat um die Erlaubniß, seine bescheidenen Anmerkungen über die weise Rede an den Tag zu legen, und sie wurde ihm gewährt, so wie jedem, der etwas darüber zu sagen hatte.



Eselin der Eselinnen, Tochter einer Eselin, und Mutter vieler Esel, erhabene Sultanin Nene, höre mich.



Hier biß Flore vor Aerger in die Lippen, der gute Alte fuhr aber fort:



Laß dich einen Greis beschwören, der der Grube zuwankt, und das Bewußtsein mit keiner Falschheit beladen wird, laß dich beschwören, deine Irthümer zu meiden. Dein Tadel straft das Volk von Darkulla, weil es nicht den Leib mit eitlem Gewande überhängt, und du nennest diese Sitte unanständig und sündlich. Sprich, wie kann es unanständig sein, den Leib, den Gott so schön, so kunstvoll bildete, frei zu zeigen. Ließ er nicht das Kind in Nacktheit geboren werden? Mißfiel ihm der Mensch ohne Hülle, würde er ihn nicht gleich mit einer Bedekkung versehn haben? Aber nicht einmal Schaalen, wie der Schildkröte, oder dem Krebse, nicht einmal ein Haus, wie der Schnecke und Muschel gab er ihm, und winkt also deutlich genug seinen Willen herab. Klüger müßten wir uns dünken, wie der Weiseste, tugendhafter wie der Vollkommenste, wenn wir besser verstehn wollten, wie der Mensch das Leben zu durchwandeln hat. Nein, glaube mir, du hegst Irrthümer, noch mehr, du sündigst gegen den Herrn der Himmel, und wirst seinen Zorn auf dich laden. Wirf sie weg, diese frechen Gewebe, die die Schönheit, welche dir gegeben ward, den Blicken entziehn, ja selbst verkündigen du schämest dich der Glieder, die der Herr schuf. Eben darum nehmen wir nicht alle Lehren Mahomeds an, weil sie gebieten, das Weib zu verschleiern, ein Frevel, zu dem sich unsre Ehrfurcht vor Gott nie verstehn wird. Schreibe in dein Herz, was ich dir sagte, ich bin zu bewegt, und muß schweigen.



Ein andrer stand nun auf, und nach der gewöhnlichen Höflichkeitsanrede, kam er zur Sache:



Wie, Königinn, wir sollten der leichten, freien Bewegung unseres Leibes ein Hinderniß setzen, uns steif und ungelenk machen? Wir sollten die Glieder verwöhnen, von der Luft gestärkt und erfrischet, die jedem Sonnenstrahl trotzten, und mit einer empfindlichen Haut, die Krankheiten auf uns laden, von denen man in Egypten so viel hört, wie die Gereiseten sagen? Sind Gelenkigkeit und Kraft nicht schätzbarere Güter, wie einige bunte Lappen, die, hätte sie auch der erste Künstler unter den kunstreichen Caffern gefertigt, doch nimmer dem Gefieder eines Papagoyen gleichen. Darum, wenn wir uns ja mit etwas schmücken, so sind es Federn im Haar, oder Muscheln am Halse, beides von dem höchsten Künstler hervorgebracht.



Noch ein andrer setzte hinzu: Und woher sollten wir doch Kleider bekommen? gesetzt wir wären auch so ruchlos, deren anlegen zu wollen? In Darkulla giebt es dazu kein Werkzeug, keine Arbeiter. Sollen wir den Fremden dafür von unserm Reichthum geben, wird Darkulla bald arm seyn. Sollen die Männer von Darkulla selbst die verdrießliche mühvolle Arbeit unternehmen, den nichtigen Tand zu bereiten, so müssen sie einer der holdesten Süssigkeiten des Lebens entsagen, der lieblichen Geschäftlosigkeit. Diese Gewerbe würden die Arbeiter verkrüppeln, man würde bald Siechlinge erblicken, wo jetzt nur nervigte Kernmänner vorhanden sind. Bald würde auch eitler Stolz einreissen, jeder sein Kleid besser wollen, wie der Nachbar. Neid und Mißgunst, Abhängigkeit und Hundert andre Uebel, die wir zum Glück unsrer Unschuld noch gar nicht kennen, von denen wir nur hier und da reden hörten, würden im Gefolge der Kleider nahen.



Der Alte hatte sich in etwas erholt, und fügte noch einige Worte hinzu. Sultanin, sprach er, du nanntest auch eine Erhöhung der Freude im Liebesgenuß, zu den Vortheilen, welche mit den Kleidern über Darkulla kommen würden. Wie, ist man in deinem Vaterlande so entmarkt, daß es erkünstelte Reize gilt, um Reiz zu empfinden, davon weiß Darkulla noch nichts, und seine starke Bevölkerung mag für mich zeugen. Soll aber Zügellosigkeit an die Stelle der Freude treten, o dann flehen unsere Väter, flehen unsere Mütter: Erbarme dich der Kinder, und lasse die Kleider weg!



Ferner, o Eselin der Eselinnen! verwirfst du das Recht über Leben und Tod, das bei uns dem Herrn gegen seine Knechte zusteht, wie die Pflicht der letzteren, freudig der Lust des Herrn, Kopf und Brust darzubieten. Bedachtest du aber auch, wie dadurch bei uns eine Herrschaft über die Gemüther, eine Leichtigkeit der Ordnung entstehn, die man vergebens bei allen Völkern der Erde suchen würde?



Wie tief ist die Liebe zu einem Herrn, für den man jeden Augenblick bereit ist, zu sterben. Was kann ein Herr, den die Knechte so lieben, nicht unter dem Werth des Lebens fordern. Wie gewiß, wie willig werden nicht alle seine Winke erfüllt? Statt anderwärts mit großer Mühe, und dennoch lückenhaft und unvollkommen die Gesetze erlassen werden, bedarf es deren bei uns gar nicht, der Geist des unbedingten Gehorchens geht schon in den Knaben über, wenn der Säugling entwöhnt wird, und stirbt erst mit dem Greise. Denkst du eine so herrliche Zusammenstimmung des Willens zu stören?



Ein andrer nahm das Wort. Wir sind ein Volk von Kriegern. Zwar dürften wir in der felsenbewachten Provinz ruhig gegen alle Angriffe seyn, und eine geringe Zahl ausgenommen, die den Eingang zu vertheidigen hätte, die Schwerter zerbrechen, aber die Darkullaner, welche draußen wohnen, sind auch unsere Brüder, wir wollen sie nicht der Feinde Sklaverei preisgeben, oder schimpflich große Lande meiden. Und einem Kerker gliche dann das Darkulla zwischen den Bergen, Niemand dürfte es mehr verlassen. Wo kann es aber wohl furchtbarere Krieger geben, wie da, wo niemand das Leben achtet? Das haben unsere Feinde oft gefühlt. Daß auch der Anblick des Blutes, der Todesmartern, nach langem Frieden, nicht den Anführern, nicht den geringen Kriegern ungewohnt sey, und Muth und Besonnenheit störe, ist es vortrefflich, von Zeit zu Zeit das Schauspiel des Mordes zu wiederholen. Männlicher Sinn, Gleichgültigkeit gegen fremde und eigne Qual, weichen so nimmer aus unsern Gemüthern.



Ein Dritter fügte noch hinzu: Wir hassen Anstrengung, Mühe, Fleiß, die doch, wie jeder gesteht, den Menschen peinigen. Anderwärts müssen die Feldherrn den Krieg wie eine beschwerliche Kunst erlernen. Einen großen Theil seiner Zeit ängstet sich der Bei in Egypten ab, wie er am besten begreife, die Truppen gegen den Feind zu stellen, mit Vortheil auf Feindes Reihen zu führen. Der arabische Reuter tummelt sich und sein Roß bis zum Ermatten, der Fußkrieger übt im Schweis des Angesichts, das Zielen seines Geschosses. Das alles darf der kühne Sohn Darkullas nicht. In dichten Haufen, mit Keulen oder Schwerdt gewaffnet, wälzt sich Darkullas Heer vorwärts. Zurück begehrt Niemand mehr, der im Tode kein Uebel zu sehn gewohnt ist. Mögen sie kunstreich schießen, nur Tausend Mann darauf losgestürmt. Was nicht fiel, erwürgt die Feinde. Stolze Gegner haben uns mit abgerichteten Elephanten bekriegt. Da warfen sich gleich ein zwanzig Mann in den Staub, ließen sich lachend zerstampfen, während andere dem Thier die Speere in den Leib senkten, oder hinaufklimmten, die Führer herabzuschleudern. Sogar einen der ehernen Feuerrachen, wie man sie im fernsten Caffernlande hat, wo gewiß die Menschen ihre eigne Kraft schon lange einbüßten, hat der Sultan von Darfur gegen uns gebraucht. Wie spotteten Darkullas Krieger der eitlen Bosheit! Es kostete einen Anlauf. Kaum hundert wurden zerrissen, da gehörte das plumpe Werkzeug uns, wir zwangen seine Schützen, ihre eigenen Brüder damit zu erlegen, und bewahren es noch auf. Soll diese Heldengewalt unserer Krieger, die seit Jahrtausenden unsre Haabe, unsre Freiheit so kräftig beschützt, in Darkulla untergehn? Nein, erhabne Sultanin, das wirst du nicht wollen.



Jetzt bat jener Alte wieder um das Wort: Eselin der Eselinnen! am tiefsten hast du unsere treuedurchglühten Herzen verwundet, da das Verlangen laut wurde, unsern uralten ehrwürdigen Königstitel zu ändern. Ich flehe dich an, erhabene Sultanin, erwäge, welchen schlimmen Eindruck es auf die Menge hervorbringen würde, wenn ihr gestattet seyn sollte, dem Oberhaupte, die ihm von den weisen Vätern erzeigte, ihm immer gebührende, von dem Vater auf den Sohn fortgepflanzte, Ehrenbezeugung zu entziehn. Alterthum allein heiligt schon Gebräuche, man darf nur mit Vorsicht daran rühren. Viel gewöhnlicher, viel leichter würde der Darkullaner von seinem Könige denken, über ihn fühlen, das Verhältniß der Unterthanen zu dem Gewalthaber betrachten, wenn es ein so wenig bedeutender Gegenstand wäre, das Bild, wodurch er die Herzen rührt, zu zerschlagen. Es wäre der erste Schritt einer gefährlichen Verminderung des ehrfürchtend, zutraulichen, kindlichen Sinnes.



Der zweite Rath warf ein: Du sagtest, erhabene Sultanin Nene, wohl mit dem Göttlichen wäre eher der Mensch zu vergleichen, als mit dem Thier. Nach dem Ebenbilde Gottes sei er gemacht. Verzeihe mir, ich begreife nicht, wie irgend eine Religion sich vermessen kann, einen so anmaßenden Stolz zu lehren. Was würde gar aus dem Sultan werden, dessen Macht auf Erden so groß ist, so groß sein muß, wenn ihn seine Diener einen Gott nennten? Grade, weil sie ihn so hoch stellten, muß er sich fleißiger erinnern, daß er bei aller Erdengewalt dennoch nur ein Wurm im Staube ist. Nein, Sultanin, laß uns das Herz unserer Könige nicht verderben, indem Wahn der göttlichen Natur über die Betrogenen kömmt.



Der dritte trug noch folgende Einwendungen vor:



In Afrika ist es Gewohnheit, die Rede mit Bildern zu schmücken. Der Vergleich ist anmuthig, übt spielend den Scharfsinn. Oft enthält er eine Lehre, die sich ohne Mühe einprägt. Vergleichen wir nun unsern König mit einem Esel, so wird nicht nur der Scharfsinn dadurch aufgefordert, die Aehnlichkeiten zu suchen, sondern auch heilsam an die in dem Witze enthaltene Lehre gemahnt, was grade dem Könige selbst am nützlichsten werden kann. Andre Völker haben Thiere gewählt, die in ihrem Lande vielleicht vortheilhafter zu brauchen waren, bei uns ist aber der Esel Alles in Allem. In Darfur nennen sie den Sultan: Büffel der Büffel, Elephanten von gewaltiger Stärke; in Bornu: Löwen der Löwen, Tyger von wüthendem Grimm. Sollte unsre Wahl nicht edler sein? Jene Thiere fürchtet der Mensch mehr, als er sie liebt, sie machen von ihrer Kraft häufig einen schlimmen Gebrauch, und derjenige, dem man ihre Namen zutheilt, kann auch leicht zu einem ähnlichen Mißgriff verführt werden. Aber man blicke auf die Esel in Darkulla. Wie zart gebaut, wie reinlich, weich, und von glänzender Haut sind sie. Wie sicher ihr leichter Tritt. Mit welcher Geduld tragen sie große Lasten. Von dem reichsten Vorrath an Sesam oder Mais umgeben, schwelgen sie nimmer, genießen nur das Nöthige; beim Mangel der Wüste behelfen sie sich mit schlechter karger Kost. Sie sind sanftmüthig, greifen niemand an, nur heftig gereizt beißen sie, oder schlagen hinten aus. Nun sage selbst, o Sultanin, mit welchem Thiere wäre Darkullas Sultan sinnvoller zu gleichen? Mögte nicht jedes Reich gern einem durch die äußere Form schon einnehmenden Herrscher gehorchen? Sind es nicht köst