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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Potpurri.
Ueber die Wohlfahrten in die Tiefe von Afrika, und ein Vorschlag, sich durch eine unerhörte Reise berühmt zu machen

Viele gern nachsinnende Männer haben sich schon oft gewundert, daß unsere Vorältern, statt in den entfernten beiden Indien Niederlassungen anzulegen, nicht lieber das nahe Afrika kolonisirten. Es scheint aber, der alte Respekt, den einst die Mauren einzuflößen wußten, sey noch in zu frischem Andenken gewesen, und wem ist nicht bekannt, daß es nur an einigen Umständen, an den, vielleicht zufälligen, Wendungen von ein Paar Gefechten hing, sonst wäre ganz Europa mit Moscheen bedeckt worden. Jubelt Wissenschaften und Künste, daß der Kelch vorüberging oder vielmehr blieb.

Gleichwohl darf nur erst Gibraltar in gewissen Händen seyn, und wir werden ganz andere Dinge erleben. Noch viel mehr unsre Kinder, denn ihnen muß der große Gang der Weltereignisse doch auch einen Stoff zum Erstaunen aufsparen. Nur einmal Hunderttausend Mann bei Zeuta ans Land gesetzt, und man wird Caffee und Gewürze auf näheren Wegen beziehen. Das Innere des ganzen Welttheils wird auch nicht lange mehr ein Geheimniß bleiben. Die Auswanderungen nach einem neuen Carthago können so frequent werden, wie einst die nach dem reichen Lande, das Columbus entdeckt hatte. Bis dahin ist anzurathen, daß Einzelne sich der Züge nach den Quellen des Nils und zu den Ufern des Niger enthalten. Sie dürften ohnehin gefährlicher wie jemals seyn.

Da übrigens der Einzelne immer den Ruhm ärndten will, der Erste an einem Punkt der Erde gewesen zu seyn, wohin noch kein Europäer drang, so mag hier ein Vorschlag Platz finden, nach welchem der Ruhmlustige an einen Ort gelangen kann, wohin noch kein Sterblicher den Fuß setzte. Wir meinen eine Reise zum Nordpol.

Ob dort Reichthümer zu finden seyn mögten, kann man billig in Zweifel ziehn, ob die Physik dort erhebliche Entdeckungen machen würde, steht dahin, daß aber die Geographie sich einen neuen, dem Anfertiger von Globen und Charten wichtigen Gewinn, zählte, läugnet doch wohl niemand. Welch ein originell astronomischer Genuß daneben, auf dem Achsenpunkte zu stehn, und die Himmelskörper eine vollkommene Runde um sich beschreiben zu lassen. Endlich wird die Weltannale, die Schreibekunst müßte denn verloren gehn, sicher nicht vergessen, immerfort den Geschlechtern zu erzählen: N.N. war der Erste der den Pol besuchte, und die Unsterblichkeit ist die Hauptsache.

Wer weiß ob diese Unsterblichkeit, gegen die sich der Neid gar nicht erheben, oder die er nur mit Ohnmacht bekämpfen würde, nicht ziemlich leicht zu erringen ist, dafern nur richtige Maasregeln getroffen werden.

Aber die furchtbaren Schollen des Eismeeres! fällt Jedermann ein, und beruft sich auf die Seefahrer, welche bei aller Kühnheit des Willens nicht über die Bollwerke vordringen konnten.

Wohl möglich, daß im Sommer an eine solche Unternehmung ganz und gar nicht zu denken seyn wird, aber wohl möglich wieder, daß die Mitte des Winters sich dazu eignet.

Man starre nicht schon in dem Gedanken an den Frost unter dem neunzigsten Grade, ermäßige den Schauer vor der halbjährigen Nacht, und höre erst weiter.

Entweder, von den letzten Wohnplätzen in Nordamerika aus, (oder in Grönland, was damit zusammenhängen mag) geht ein Strich Landes bis zur Erdachse, oder man trifft auf das Meer. Jenes wird im Anfang des Winters mit hohem Schnee überdeckt, dessen Rinde späterhin der starke und regelmäßig fortwährende Frost härtet, dieses friert durchaus, und trägt auch eine Decke von Schnee, die jener ähnlich ist. Auf Land oder Meer zu reisen, wird gleich seyn, außer wo Gebirge die Fläche unterbrechen, deren es aber gegen den Pol zu, wahrscheinlich keine hohe, und mächtige Hindernisse legende, giebt.

Mit Rennthieren ist die Reise über Land und Meer schnell zu machen.

Denken wir uns nun einen beherzten jungen Mann, dem Zeit und Vermögen nicht fehlen, und der die kekke Unternehmung wagen mag, oder besser eine Gesellschaft solcher Männer, so hätte die Theorie ihrer Reise ausfindig zu machen:

Erstens: den dienlichen Schutz gegen die Einwirkung der Kälte.

Zweitens: den Nahrungsvorrath.

Drittens: die Vertheidigung wider reissende Thiere.

Viertens: Die Mittel, auch in fortwährender Dunkelheit, die wahre Richtung nicht zu verlieren.

Was den ersten Punkt anlangt, so wäre nöthig, bei Zeiten nach Grönland zu gehn, und sich vorerst so viel als möglich an heftige Kälte zu gewöhnen. Der Grad davon, welchen der Mensch ertragen kann, wurde noch nicht ausgemittelt; daß man aber in jugendlicher Gesundheit lange bei einer Temperatur von 20 Grad unter 0 Reaumur ausdauert, und sich mehr und mehr dazu gewöhnt, leidet keinen Zweifel. Blagden hielt in einer Hitze von 92 Grad Reaum. folglich 12 Grad über den Siedepunkt des Wassers aus. Zwar nur sieben Minuten, aber fortgesetzte Proben würden den Zeitraum verlängert haben, und sein Versuch beweiset nur, zu welchen Ertragungen außer der Regel, unser Körper geeignet ist. Nach Verhältniß müssen mit der Kälte eben solche Extreme zu erreichen sein. Und man denke nur an die holländischen Matrosen, die auf Spitzbergen Schiffbruch gelitten hatten, und dort mehrere Jahre, aller Bequemlichkeit ermangelnd, zubrachten.

Es ist kein Grund vorhanden, daß man annehmen sollte, es würde in der Nähe des Polpunktes, ein ganz und gar mit allem Leben unverträglicher Kältegrad herrschen. Die nämliche Kälte, welche im äußersten Lappland fühlbar ist, wird bisweilen auch in Petersburg empfunden, die von Petersburg nimmt man auch in Berlin wahr, nur was höher gegen die gemäßigte Zone hin, seltener wird, ist dort beständiger. Der Kältegrad, welchen man auf hohen Bergen, selbst im Süden empfindet, ist dem im Norden gleich, die Mönche auf dem großen St. Bernard leben acht Monate im Jahr, wie im nördlichen Canada, oder im Samojedenland, und eine strengere Temperatur wie auf den schweitzerischen Gletschern ist wohl auch auf der Erdachse nicht vorauszusetzen.

In Grönland kleiden sich die Einwohner vom Haupte bis zum Fuß, in Seehundsfelle, die vor allem Pelzwerk die Kälte abwehren sollen, folglich vorzüglich schlechte Wärmeableiter sind. Wer aber dreißig bis vierzig Tage (so lange kann die Reise dauern, wie wir weiterhin sehen werden) in jener Region bleiben will, ohne unter dichtes Obdach zu kommen, muß noch mehrere Pelze hinzufügen, und wäre anzurathen, sich nach Fußsäkken und Wildschuren von weissen Bären umzusehn. Denn da die Natur dieses Thier bestimmt hat, im höchsten Norden zu leben, so wird seine Haut auch am vollkommensten den thierischen Wärmestoff eindichten.

Das Rennthier bleibt, wo es einheimisch ist, unter freiem Himmel, und die Gewalt des Frostes kann ihm nichts anhaben, warum sollte es nicht einen Schlitten bis zum Eispole ziehen können.

Was hindert aber die Reisenden, es noch mit einer Pelzdekke zu versehn, ja wohl selbst mit einer Art Bekleidung, die ihm mindestens wohlthätig wird, wenn man Rast hält?

Man denke sich nun einen Schlitten von leichtem Holz, aber geräumig und dauerhaft. Inwendig mit dikken Pelzgattungen gefüttert, und von Aussen mit einem Baldachin von Seehundshäuten versehn. Unter diesem dichten Ueberwurf steht ein Ofen von dünnem Blech, eingerichtet wie die neuerfundenen chemischen Küchen, in denen man bei der Glut eines – Bogens Papier ein Essen zubereitet. Es ist zu vermuthen, daß man bald kein Holz mehr antreffen wird, um es zu einer Feuerung zu gebrauchen, doch einige Rieß Papier sind auf den Schlitten zu laden. Erhält man das Blech des Ofens nun immer mäßig warm, was in Vierundzwanzig Stunden vielleicht zwei bis drei Buch Papier erfordert, so geschieht bei der übrigen Verhüllung genug. Der lächerliche Anschein der papiernen Heitzung verschwindet, wenn der enge Raum des Schlittens beachtet wird, und wenn man sich dagegen ein großes Seeschiff denkt, das, wenn gleich das Meer offen ist, doch in einer Kälte von 12 oder 16 Grad unter 0 umherschwimmt, ohne daß die Matrosen ein ander Feuer erwärmt, wie die sparsamen Kohlen des nur bei den Mahlzeiten lodernden Küchenheerdes. Wer auf dem Verdekke arbeitet, muß so aushalten, wobei ihm freilich die Bewegung nützlich ist. Die Bewegung muß sich aber der Polarpilgrim geben, wenn angehalten wird, und mit Fleiß und Anstrengung, da regen sich die inneren Lebenskräfte, und mit ihnen der thierische Wärmestoff auf, und desto eher wird er hernach in ruhiger Lage zwischen seinen Pelzen und neben seinem kleinen Blechofen aushalten. Es wäre vielleicht auch durch die Spirituslampe etwas auszurichten, aber die dazu nöthige Materie ist zu schwer.

Uebrigens wird man, so lange der Landstrich währt, doch etwas Gesträuch finden, und dann bisweilen sich eines glühenderen Feuers erfreuen können, in dem äußersten Falle muß nur der chemische Blechofen Hülfe leisten. Vielleicht schmilzt sich durch ihn auch Schnee in Wärmeflaschen, wodurch die Hülfe vermehrt wird.

Ob leichte brennbare Fossilien anwendbar wären, als Schwefel, Erdpech, bituminöses Holz, wagt man nicht zu entscheiden. Warum aber nicht? Die Vorrichtung müßte nur ihre Wärme spärlich sammeln, und den schädlichen Dampf abführen.

Eine Maske vor dem Gesichte, die aber die Dünste beim Athmen nicht verschlösse, ein großer Muff über jede an sich schon verwahrte Hand, in welchen die Zügel des Rennthiers gingen, die ganz besondere Vorsorge für den Untertheil des Leibes, wären noch zu empfehlen. In allen diesen Hülfsmitteln, könnte der Reisende dann aber vollkommenen Schutz gegen die Polkälte finden.

Der Punkt der Nahrung ist aber schwieriger. Proviant für einen Mann und ein Rennthier auf dreißig bis vierzig Tage. Und in so geringer Masse, daß er in den (freilich auf der harten Schneerinde leicht hingleitenden) Schlitten geladen werden kann. Gewiß keine unbedeutende Aufgabe.

Daß auf Tafelfreuden verzichtet werden muß, liegt wohl am Tage. Erhaltung der Lebenskraft ist alles woran man zu denken hat.

 

Der vin cuite in der Provence, der eingekochte spanische Wein, und der in ähnlicher Art auf einigen Inseln des Archipelagus zubereitete, sind sehr nährend. Vom Safte des Palmbaums wird behauptet, ein Löffel davon soll (freilich in seinem Clima) den Menschen auf einen Tag erhalten können.

Dem sei wie ihm wolle, ein konzentrirtes geistiges Getränk wird vor allen Dingen nöthig. Gute Rhein- oder spanische Weine durch Sieden auf den sechsten, zehnten, zwölften Theil gebracht, mit kräftigen Gewürzen versetzt, werden dem Zwekke entsprechen. Eben so ist guter Rum möglichst einzukochen.

Ein mäßig Glas von jenem Getränke muß für den Tag ausreichen, von diesem schon ein Theelöffel den gehörigen Anreiz bewirken. Fünf bis sechs Quart bringen sich denn wohl fort.

Gallerte würde die passendste Speise liefern. Einen wohlbeleibten Ochsen geschlachtet, das Fleisch zerschnitten, die Knochen zermalmt, und die ganze animalische Essenz in Gallerte oder Suppentafeln gebracht, so werden vielleicht kaum Sechs Pfunde bleiben. Davon drei vier Loth in Schneewasser gethan, auf dem chemischen Ofen gekocht, und die Kraftsuppe ist da. Statt Brot gepülverten Schiffzwieback, zum Genusse angefeuchtet.

Sucht man auch bei der Medizin noch Rath, und legt etwa ein Hundert Gran Opium zu dem Vorrath, so wird der Lebensprozeß flüchtig und anhaltend zu erregen seyn. Das Opium wird auch vorzüglich die Kälte bekämpfen helfen, und noch mehr, wenn ein Zusatz der Tinctura aromatica nicht fehlt.

Der ganze Proviant für den Mann, sammt den Papieren zur Feuerung, muß nicht viel über hundert Pfund wiegen.

Doch die Rationen des Rennthieres, was fangen wir damit an? Es ist zwar sehr genügsam, und sucht sich in der Regel nur ein wenig Moos, aber das kann unterwegs fehlen.

Da wird es also nöthig, auszumitteln, wieviel von dem Moose das Thier täglich bedarf, und ob bei der Leichtigkeit dieser Nahrung daran zu denken seyn mag, sie auf eine solche Zeit mitzuführen. Bedenkt man, daß wohl drei vier Lappländer von einem Rennthiere gezogen werden, so bringt das seine Kraft in einen ziemlichen Anschlag, oder noch mehr die wenig schwierige Fortbewegung einer ziemlichen Last, unter solchen Umständen. Scherzlustige könnten anmerken, daß die Lappländer von Person sehr klein, folglich leicht sind, aber es ist ihnen zu erwiedern, daß ja auch eben kein Pendant zum verstorbenen Rath Schmidts in Berlin, die Polarwallfahrt anzutreten braucht.

Genug, man erprobt, ob das Moos, (wenigstens zum Theil, da doch unterwegs etwas davon anzutreffen seyn wird) mitgeführt werden kann. Das ausgesuchte Rennthier wird daneben auch an anderes und nahrhafteres Futter gewöhnt. Kraftmehl, gepulvert Brot, würden sich vielleicht eignen, und diese Dinge nehmen dann wenig Raum ein. Vielleicht versteht sich das Thier auch dazu, etwas von dem zubereiteten Rum im Schneewasser zu schlürfen.

Mögten aber die Künsteleien bei dem Thiere nicht zusagen, so genießt es doch nach allem, was die Naturgeschichte davon sagt, schwerlich mehr wie zwei bis drei Pfund Moos. Gut, so nehme man Hundertundfunfzig Pfund mit, die in und um den Schlitten noch die Kälte abwehren helfen. Dazu Hundert Pfund für den Mann, der mit seinen Pelzen Hundertfunfzig wiegen mag, so hat man Vierhundert Pfund, die ein Rennthier bequem ziehet, wobei nicht außer Acht zu lassen ist, daß im Verfolg der Reise das Gewicht sich täglich mindert.

Die als nöthig angenommene Zeit von dreißig bis vierzig Tagen beruht auf folgender Rechnung.

Bis zum 80sten Grade Norder Breite ist man gekommen. Nova Zembla reicht ziemlich dahin, und ein Theil des durchwanderten Grönlands, wenn gleich keinen Grad über den arktischen Polar-Zirkel hinaus menschenbewohnte Ortschaften zu finden sind. Es wird hier aber vorausgesetzt, daß die Reise vom 80sten Grade angetreten werden müsse. Auf dieser Station (in Grönland oder Canada, wo man es am bequemsten findet7), muß schon im Sommer vorher ein Haus erbaut werden, wohin man die Nothwendigkeiten, und noch Lebensunterhalt für die Zeit bis zum folgenden Sommer, in dem Hause selbst, schafft. Denn zu wohlfeil ist die Unsterblichkeit auch nicht zu verlangen. An diesem Orte richtet der Reisende, und seine Freunde oder Dienerschaft, alles ein, stählt seinen Körper gegen die Kälte, und wartet den entschiedenen Winter ab.

Nach diesem Orte kehrt er vom Pole wieder zurück, und findet Erholung.

Man hat dann noch zehn Grade oder Hundertundfunfzig geographische Meilen zurückzulegen. Ein Rennthier läuft zwölf Meilen hintereinander, die Lappländer machen oft zwanzig an einem Tage mit diesem schnellen Thiere. Doch wollen wir nur zehn Meilen in vierundzwanzig Stunden hoffen, um den Schein der Uebertreibung zu vermeiden. Das giebt also funfzehn Tage bis zum Pol, und zehne mögen zugegeben seyn, nicht als Aufenthalt an Ort und Stelle, wozu wohl Achtundvierzig Stunden ausreichen, (späteren Reisenden, die das Werk vervollkommnen, mag die längere Frist, zu vollständigern Beobachtungen, vorbehalten bleiben) sondern für unerwartete Hindernisse. Das giebt zusammen vierzig Tage. Laufen aber die Thiere schneller, und es giebt keinen Kampf mit besondern Schwierigkeiten, kann man wohl schon nach dreißig oder gar nach zwanzig Tagen wieder unter dem 80sten Grade anlangen.

Von reissenden Thieren ist der weisse Bär zu zu fürchten, den die Beschreibung sehr keck macht, es müßten denn weiterhin noch ganz unbekannte Ungeheuer wohnen. Im Feuergewehr giebt es ja aber ein fast immer bewährtes Mittel, gegen die ungeschliffene Bestialität. Trifft der Schütze nicht, so schreckt er wenigstens. Zum Ueberfluß noch einige Knallraketen, um sie desto gewisser scheu zu machen, und davon zu jagen, denn allerdings müßte das Rennthier mit vertheidigt werden. Weil sich nun aber von selbst versteht, daß nicht Ein Reisender sich auf den Weg machen wird, sondern zwei, drei, vier Schlitten, wenn nicht von Freunden, von seinen Dienern nachgeführt werden, so giebt das neben anderweitig wechselseitiger Unterstützung, auch desto kräftigern Widerstand bei solchen Angriffen, wovon wir eben redeten.

Nun kömmt das richtige Treffen des Weges, und das in lauter Nächten von vierundzwanzig Stunden Länge.

Indessen hat es je höher hinauf, je weniger mit der Dunkelheit zu sagen. Der Himmel ist meistens klar, die Luft rein, das Sternenlicht fällt auf den leuchtenden Schnee, wenn wir es auch übersehn, daß sich häufige Nordlichter ins Mittel schlagen, die fast Tageshelle niederglänzen. Die Einrichtung muß übrigens so getroffen werden, daß man einige Tage vor dem Neumond abreiset, so daß ohngefähr für die Tage, wo man an der Achse ist, auf den Vollmond gerechnet wird. So hat man denn die Fülle des Scheins, und bei der Mondhöhe im Winter, ihn überdem immer am Himmel.

Die beste unfehlbare Richtung giebt der angelfeste Polarstern, und wenn je der Horizont umwölkt wäre, nützt der Magnet. Doch ist es freilich nicht zu wissen, welche Veränderungen er am Pol erleiden wird, daher müssen besonders gegen das Ende der Reise, die der perpendikuläre Stand des Polarsternes angiebt, mancherlei Vorsorgen genommen werden, daß vom Anfang an die Spur des Rückweges kenntlich sey. Denn gesetzt man schritte um den Mittelpunkt des Pols, und die Nadel des Compasses drehte sich mit, so könnte die Orientirung verloren gehn. Vom Polarstern abwärts wäre es überall südlich, und statt wieder nach Grönland umzukehren, ginge es auf die aleutischen Eilande. Aber einige aufgethürmte Schneehaufen und präcis gehende Uhren, die den Stand der Gestirne als richtiges Merkmal zulassen, und nur erst eine mäßige Strecke in der nöthigen Richtung gefunden, so ist der Compaß wieder ein untrüglicher Wegweiser.

Soweit die Theorie der Polreise; an die Ausführung mag ein wohlhabender kräftiger sehensneugieriger und löblich eitler Jüngling denken. Viele opfern Tausende auf eine unwürdige Art hin, andre wenden Vermögen auf, stürzen sich in Gefahren zu Wasser und Lande, um die Cordilleras zu besuchen. Der Pol ist gewiß interessanter für den Ruhm, und wenn es gleich nicht den Schein hat, so könnten doch unerwarteter Weise ganz unschätzbare Entdeckungen dort gemacht werden.

Schwerfällige schwunglose Gemüther haben nicht nur Recht, wenn sie den Vorschlag tapfer bespötteln, sondern dies wird dem Urheber auch das Criterium seines Werthes seyn.

Nachdem der Leser aus dem heissen Aethiopien willig sein Einbildungsvermögen in die kälteste der kalten Regionen gesendet hat, wird er wieder zu der muthwilligen Pariserin zurückgeführt.

Viertes Buch

Erstes Kapitel.
Flore tritt die Reichsverwesung an

Man hat Bücher verfertigt, in denen die Kunst gelehrt wird, ad libitum einen Sohn oder eine Tochter zu zeugen. Bei einst höherer Vollkommenheit derselben, wird es auch vielleicht Unterweisungen geben, wie gleich dies oder jene Schädelorgan mit anzubringen ist. Dies kann den Genuß der Vaterfreuden nicht wenig erhöhen, und jeder wird nach seinen Geschlechtsverhältnissen, und den Zeitumständen handeln. Die, deren Kinder einst weit reisen dürften, thun gewiß wohl, ihnen einen tüchtigen Sprachsinn zu besorgen. Die Vortheile davon sind in der Fremde unermeßlich, und ehe die Welt so klug wird, Ueberall eine und dieselbe Sprache zu reden, vergehn gewiß noch Zehn Napoleonsepochen, oder Zehntausend Jahre, denn alle Tausend Jahre bringt die Natur nur ein Genie hervor, das die Gestalt der Welt zu ändern vermag.

Wie wohl befand sich Flore in Darkulla mit dem köstlichen Sprachsinn! Unterwegs hatte sie spielend das Idiom der Neger begriffen, das überdem an Worten keinen Ueberfluß zählt. Die abweichende Mundart in Darkulla hatte wenig Belang, und Flore konnte nach einigen Wochen nicht nur vollständige Unterredungen, sondern auch vollständige Reden halten.

Die ersten Tage nach Kukus Abreise stellte sie sich geflissentlich krank, es schien ihr, der Gram müsse sie zieren, dann wollte sie auch selbst erst recht zur Besonnenheit kommen, und endlich trieb sie in dieser Zeit noch Tag und Nacht das emsigste Sprachstudium.

Während dessen hatte der Divan die innern Geschäfte zu besorgen.

Wie sich Flore wieder gesund machte, ließ sie von allen Räthen zuerst den Minister der auswärtigen Affären, Lolo genannt, rufen. Noch wußte sie die eigentliche Ursache des Krieges nicht, welche den Sultan bewogen hätte, sogar die Liebe zu fliehen, und als gute Landesmutter wollte sie sich doch so gut davon, wie über alle Angelegenheiten in Darkulla unterrichten.

Lolo befriedigte sie auf folgende Weise: Eselin aller Eselinnen, mächtige Sultanin Nene!

Es ist etwa ein Jahr vergangen, seitdem der vorige Sultan Tilili in das Land ging, wo die gläubigen Seelen auf lauter goldenen Eseln reiten werden.

Flore unterbrach ihn hier: es gefällt mir gar nicht, daß ihr so vielen Aberglauben unter Mahomeds Lehre mengt. Haltet euch an den Coran, oder vielmehr reinigt selbst den Coran noch, und laßt Vernunft und Moral eure höchsten Göttinnen sein. Doch fahre nur fort.

Lolo runzelte die Stirn und berichtete weiter: Nach einem uralten weisen Gesetze, greifen die Söhne des Sultans in dem Augenblicke seines Todes zu den Waffen, und der so glücklich ist, die andern zu erschlagen, besteigt den Thron.

So ist kein innerer Krieg zu befürchten, und der neue Regent erspart die Unterhaltung der Prinzen.

Pfui welche Barbarei! fiel Flore abermals ein.

Jener nahm wieder das Wort. Statt sonst die Könige bei uns zwanzig, dreißig Söhne zu haben pflegen, hinterließ Tilili nur zwei, Kuku und Tata. Tata sprach, ich will nicht um die Regierung kämpfen, lasse sie Kuku freiwillig. Kuku ließ ihn aus Dankbarkeit leben, und setzte ihm einen Jahrgehalt aus, obgleich die alten Räthe darauf drangen, ihm wenigstens die Augen oder Hände zu rauben.

„Gesegnet sei Kuku. O ich sehe, ihr seid schon reif, der Barbarei entzogen zu werden. Nur ein alter Rest von Vorurtheil pflegt ihrer noch, doch ich hoffe ihn zu tilgen. Weiter!“

Kuku ließ nun den Sklavenhändlern in allen Landen entbieten, er sei gewilligt, Weiber für seinen Harem zu kaufen. Man mögte also die schönsten von den Märkten in seine Hauptstadt liefern. Dazu suchte er selbst Hundert der lieblichsten Mädchen in Darkulla aus.

 

Die Dschelabs fanden sich ein, mit schwarzen, dunkelbraunen und gelben Schönheiten, und Kuku gab bald zweihunderten von ihnen die frohe Hoffnung, Mutter zu werden.

Flore hustete hier.

Allein immer war er noch nicht zufrieden mit seinem Harem. Er hatte gehört, daß es weit hinaus über Darfur an einem fernen Lande, Egypten genannt, ein breites Meer gäbe, und drüben über dem breiten Meere sollten Mädchen wohnen, weiß wie die Milch einer jungen Eselin, und roth wie der Blutstrom eines Enthaupteten.

„Welche abscheuliche Bilder! Euch umgiebt eine so schöne Natur, und doch so roher Sinn. Aber Kuku verglich doch schon mit mehrerem Geschmack. Kannst du nicht sagen, Mädchen, weiß wie das Gefieder der Turteltauben, und roth wie die frühen Boten der Morgensonne?“

Von solchen wollte er die Blumensäle des Weiberpallastes gefüllt sehn. Lange aber währte es, bis seine Wünsche erfüllt wurden. Die Sklavenhändler mußten durch viele Königreiche ziehn, eh sie nach Darkulla gelangten. Allen Königen wurden ihre Schätze ausgestellt und sie lasen das Beste aus. Am meisten Abdelrachmann, Sultan in Darfur.

„O es scheint, er wird die Kaufgier wohl ablegen.“

Kuku sammelte zwar gegen Hundert weisse Weiber, doch sie waren meistens alt oder ungestaltet.

Endlich aber wurde ihm eine Schönheit zugeführt, die er mit dem halben Reiche bezahlt hätte, wenn der Dschelab sie nicht anders hätte losschlagen wollen. Dies war die reitzende Gigi. Ihr Fuß hinterließ keine Spur im Sande, man konnte eher in die Sonne sehen, wie in ihr Auge, und wenn sie lächelte, schossen neue Blüthen aus den Zweigen des Mandelbaumes empor.

„So! Du besserst deinen Vortrag.“

Der Sultan rief: Eh ich diese Blume berühre, muß mein Ruhm bis hinter Monomotapa ertönen. Er hatte grade Krieg, mit einem Fürsten von Habesch, um das Land Darmi, was in der Mitte von Darkulla und Habesch liegt. Er zog ihm entgegen, aber traurig beim Abschied, denn Gigi, die Strahlende im Harem, wie die leuchtenden Wangen des Mondes unter den Sternen, die sich meistens schamhaft verbergen, wenn er am blauen Himmel heraufzieht; hatte ihm verwegen erklärt: Und so du auch siegreich heimkehrst aus deinem Kriege, und so dein Ruhm bis hinter Monomotapa ertönt, ich werde dennoch deine Sultanin nicht. Du bist nur Herr meines Lebens, nicht meiner Liebe. Sieh diesen Ring, den mir eine Zauberin in Senimar schenkte. Ein einziger Tropfen Gift, fließt in seinem hohlen Diamanten, aber so wirksam, daß ich, wie er die Lippe berührt, todt hinsinke; ja wer noch meinem Leichnam naht, muß plötzlich sterben. Diesen Ring entwindet mir keine Kraft, denn schon früher werde ich den Tropfen schlürfen.

Kuku hoffte aber, Gigi würde den Sinn noch ändern, und schrieb ihr aus dem Lager: Sie sollte künftig gegen den Landesgebrauch nur die einzige Sultanin sein, wenn sie ihn liebte.

O, unterbrach Flore den schwarzen Minister wieder, dieser Kuku ist zur Hälfte schon gut, und die andre Hälfte kann gut werden. Zu strenge Gigi!

Den Sultan traf Unglück, fuhr Lolo fort. Er wurde geschlagen und ein streifender Trupp Beduinen, der denen von Habesch beistand, schlich in seinem Rükken durch, um den Paß des Felsenlandes zu besetzen, der von den Vätern zu einer Zuflucht in Kriegsnoth eingerichtet war. Kuku fürchtete, seine Weiber mögten den Feinden in die Hände fallen, und sandte Befehl, sie sollten lieber alle sterben.

„O von der grausamen Geschichte vernahm ich schon.“

Die schwarzen Weiber kamen tanzend und reichten das Haupt dar, denn der geliebte Sultan hatte geboten. Die braunen und gelben erschienen auch, doch zitternd und leisklagend. Die Weissen erhuben ein lautes Jammergeschrei, und Gewalt mußte sie nach dem Richtplatz führen. Doch Gigi —

„Nun Gigi?“

Gigi fand unbegreiflicher Weise Mittel zu fliehn. Ein Beduine hatte sich bei Nacht durch die Wachen des Pallastes geschlichen, und sie gerettet. Bald führte Gigi selbst ein Heer von Beduinen an, und half Kuku bekriegen, der sie hatte morden lassen wollen. Kuku schlug die von Habesch, aber jene Beduinen vermogte er nicht zu überwinden. Er ließ Gigi Friedensvorschläge thun, die Stolze verwarf sie. Es gab endlich keinen Ausweg, als der tapfern Cafferin das streitige Land zu überlassen, was die von Habesch und die von Darkulla zufrieden waren. Sie wurde nun selbst Herrscherin.

„Also ist es doch nicht ohne Beispiel, daß Weiber in diesen Gegenden regieren?“

Kuku war des Krieges müde, und beschloß in das feste Land zu ziehn. Seinem Bruder Tata übergab er alle Provinzen, die außer der Felsenkette lagen, und dachte nur daran, andre Weiber zu kaufen. Viele wurden nach Darkulla gebracht, doch alle entließ er wieder. Er hatte Gigi gesehn, und keine andre Schönheit konnte ihn mehr rühren. In Gram und Trübsinn schwanden seine Tage. Endlich kamst du Eselin der Eselinnen, erhabene Sultanin Nene, seine Heiterkeit kehrte zurück, und bald wird er auch Gigi vergessen.

Flore dachte einen Augenblick darüber nach, wie doch ihre Schönheit, einst vielleicht mit Recht gepriesen, aber dann die Wonne so vieler Glücklichen, noch in der Tiefe von Afrika die wundervolle Wirkung hervorbringen könne? Sie war aber keineswegs unzufrieden damit, und erinnerte Lolo fortzufahren.

Ein Jahr ist es nun bald, seitdem Gigi den Thron in Darmir bestieg. Viele schöne und edelgebürtige arabische Jünglinge langten an, zeigten sich auf Rossen, die die älteste Ahnentafel aufweisen konnten, suchten Gigis Herz zu gewinnen, und den Thron mit ihr zu theilen. Nie sah man gewaltigere Kraft, kühnere Geschicklichkeit. Einer stritt siegreich mit Löwen und Tigern, ein anderer setzte in Ströme, und bekämpfte das Krokodill, noch ein anderer schwamm mit seinem Hengste einen Wasserfall hinunter. Umsonst! Gigi ließ ihnen Geschenke reichen, und gab ihnen sicheres Geleit in die Heimath.

„Beim Himmel! ich mögte diese Gigi kennen!“

Die Häupter des Volks baten sie, sich zu vermählen. Sie sprach: Nur noch einige Geduld, und ich schenke euch einen König.

Einstweilen ließ sie Kanäle graben, Städte bauen, Wüsten in Gärten umwandeln.

„Sicher ist Gigi aus Europa, einer Türkin Trägheit würde nicht so schöne Plane entwerfen.“

Wie man spricht, soll sie aus dem kleinen Ländchen stammen, das du nanntest. Die Beduinen wunderten sich um so mehr, Gigi so gut zu sehn, da ganz Afrika weiß, daß die Caffern aus dem Ländchen Europa boshaft, geizig und treulos sind.

„O es giebt viele Ausnahmen, glaube mir.“

Um aber ihre Städte, ihre Gärten schneller emporsteigen, emporblühen zu sehn, begehrte sie hundert Caffersklaven zu kaufen, die künstlich Geräth zu fertigen wüßten. Sie sollten in Darmi freie Leute seyn und geehrt. Da die Sklavenhändler aber nicht verstanden, solche Sklaven auszuwählen, und ihrer überhaupt wenige fanden, so empfingen zwei Kaufleute in Egypten durch die Königin Gigi den Auftrag, freie Männer der Art zu werben, die sich mit Weib und Kind bei ihr ansiedelten. Die Kaufleute sollten sie selbst bringen, und mit Reichthum gesegnet werden. Es fanden sich auch zwei Egypter willig, ein alter und ein junger Mann. Mit einer Caravane kamen sie samt den geschickten Männern bis Darfur, dessen Sultan sie bis zur Gränze geleiten ließ, denn Gigi hatte deshalb unterhandelt, und viel Gold dafür erlegt. Nun langten sie in Tatas Reich an, meldeten sich bei dem Melek, und sagten: Königin Gigi habe ihnen hier auch den Durchzug bewirkt, wie sie wohl wüßten. Tata war auch dieserhalb angegangen worden, hatte aber der alten Feindin wenig Gehör geliehn, sie drohte darauf heftig, und meinte dann, Tatas Furcht vor ihren Waffen werde nicht zugeben, daß er die Männer zurückhielt.

Tata aber verdrossen die Drohworte der Nachbarin. Er überlegte auch mit seinen Räthen, ob es gut gethan sey, Gigi die Männer zukommen zu lassen. Es sind ihrer Hundert nur, hieß es, aber sie führen Kinder mit sich, die wieder deren zeugen, wozu sollen wir behülflich seyn, daß unsre Feinde sich mehren, und die Nachkommen mit zahlreicheren Heeren zu kämpfen haben. Lassen wir diese durch, werden noch mehrere nachziehen. Sie bringen Gigi Freude und Nutzen, das zu fördern, verdiente sie um Darkulla nicht.

Kurz, die weisesten Weisen Darkullas entschieden, daß es unumgängliche Klugheit sey, jene Männer samt ihren Geschlechtern zu vertilgen. Tata meinte auch, daß es keine glänzendere Antwort auf Gigis vermessene Drohworte gäbe, als wenn ihr die Köpfe allein zugeschickt würden.

7Wäre es mit Verjüngung der Massen von Lebensnahrung noch weiter zu treiben, daß man auf sechzig siebzig Tage versorgt seyn könnte, so dürfte es räthlich werden, von der Mündung des Jenisei oder des Lena aus, über das Eismeer zu reisen. Desto weniger hätte man das Fortkommen erschwerende, oder gar hemmende Gebirge zu befürchten, vielleicht die wesentlichste Schwierigkeit. Und in Siberien wären die Erfordernisse immer noch mehr auf der Nähe, wie in Grönland oder auch in Canada.