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Florens Abentheuer in Afrika, und ihre Heimkehr nach Paris. Erster Band

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Neuntes Kapitel.
Flora unter den Sklavenhändlern

Musa eilte nun, den großen Zug wieder zu erreichen, und das unbeholfene Traben des plumpen Dromedars fügte zu den Seelenleiden unsrer unglücklichen Abentheurerin noch körperliche. Wer beschreibt ihre Qual, ihre Angst, ihre Verzweiflung!

Musa erwies sich aber, wie die Mammelukken entfernt waren, ganz artig gegen sie, und trug Sorge, sie mit Nahrung zu versehn. Diese Sorge hatte freilich nicht mehr moralischen Werth, wie der Geitz eines Kaufmanns, der seine Waare nicht will verderben sehn, aber doch empfand Flore den augenblicklichen Vortheil davon. Und gab es einen Trost in dieser neuen peinlichen Lage, so war es der, daß Musa ein wenig arabisch sprach, Flore sich also mit ihm unterreden konnte.

Daß ihre Hauptfrage war: was er denn mit ihr zu beginnen gedächte? versteht sich von selbst. Musa erwiederte: An Niemand verkauf ich dich, wie an einen Sultan, und ich denke, du sollst mir meine vergebliche Reise bezahlt machen. Flora schwamm in Thränen. Musa wunderte sich gar sehr, und verhieß ihr goldne Berge. Ich weiß nicht, sprach er, ob der Sultan von Darfur dich kaufen wird, er besitzt schon viele weisse Frauen, aber der Sultan von Darkulla nimmt dich gewiß. Er hat neulich seine weisse Frauen alle ermordet, und nun braucht er deren wieder, und ließ schon bei den Dschelabs nachfragen. Preise dich, wenn du in den Pallast dieses großmüthigen Königs kömmst.

Die Nachricht konnte wenig freudige Hoffnung erwecken. Indessen, sollte es einmal Sklaverei sein, so war es immer als Sultansfavorite die bessere.

Während der ersten Tage dieser Reise, entwarf Flore noch manchen Plan zur Flucht. Sie sah wohl ein, daß sie gegen den Kaufmann sich nichts von ihren Juweelen und ihrem Gelde dürfe merken lassen, wenn sie nicht sogleich wollte beraubt sein. Es war sogar wie ein seltenes Glück anzusehn, daß noch keine Entdekkung statt gefunden hatte. Dagegen aber hielt es Flore für möglich, einen der Kameeltreiber zu bestechen. Sie meinte, ein solcher könne ihr wohl in der Nacht, wenn Musa schliefe, behülflich werden, davon zu kommen. Doch sah sie auch bald die Nichtigkeit dieses Gedankens ein. Denn der Dschelab war nicht nur sehr vorsichtig, sondern sie konnte auch mit keinem der Leute ein Gespräch anknüpfen, da jeder von ihnen nur seine Negersprache verstand. Es galt also vollkommene Ergebung.

Flore dachte, bin ich denn einmal zu den seltsamsten Begebenheiten ausersehn, so treffe mich was da wolle. Standhaftigkeit trägt alles, und Verstand lindert wenigstens viele Uebel, wenn er sie auch nicht zu heben weiß.

Von großer Wichtigkeit schien es ihr, etwas von der Sprache dieser Neger zu erlernen. Die raschen Fortschritte, welche sie vor kurzem in Cairo gemacht hatte, gaben ihr Muth, die neue Schwierigkeit zu bekämpfen, und die Langeweile in der Wüste wurde sowohl getödtet, wie ihr Schmerz übertäubt, wenn sie die meiste Zeit auf diese Beschäftigung verwandte.

Musa zeigte sich willig, ihr alle Worte, die sie auf arabisch nannte, in seine Mundart zu übersetzen. Sie schrieb sie in ihr Taschenbuch, und behielt bei ihrem glücklichen Gedächtniß bald eine Menge derselben. Dann merkte sie genau auf die Reden der Fremden, um die Wendungen und Fügungen aufzufassen und erbeutete sich so eine kleine Grammatik. Nicht lange, so versuchte sie selbst mehr und mehr Antheil an der Unterhaltung.

Die Caravane zog nun in der großen Wüste, durch die der Weg nach dem Negerkönigreiche Darfur geht. Gewöhnlich lagerte man in einem großen Haufen. Das gab dann ein Schauspiel bunter Art. Hunderte von Kameelen und Dromedaren, ihrer Ladung entbürdet, die sich in den Sand niedergelegt hatten, und ihr dürftig Futter käuten. Einige wenige aufgeschlagene Zelte, desto mehr auf die Erde gebreitete Teppiche. Die Dschelabs gravitätisch ihre Pfeifen schmauchend, die Sklaven mit Steinen in der Hand, auf welchen sie etwas Getreide zerrieben, um sich eine Art Kuchen daraus zu bereiten. Auch die Kaufleute führten nur schlechte Lebensmittel bei sich, und Musa legte einen Werth darauf, daß Flore mit etwas Caffee bewirthet wurde. Oft dachte sie an die Fülle in jenem Mammelukkenlager, noch öfter an die Villa ihres reichen Beis zurück. Bei dem allen gewährten ihr die vielen neuen Gegenstände Unterhaltung, und sie dachte: überstände ich das alles nur, und könnte einst meinen Freunden in Paris davon erzählen, so würde mir es dann gewiß lieb sein, so Vielerlei gesehn zu haben.

Denselben Gedanken hat ein Passagier, der zum Erstenmale über See fährt, und gefährlichen Sturm erlebt. Bin ich nur erst wieder an der heimathlichen Küste, will ich mich der Erinnerung an diese Schrecken wohl erfreun.

Bei einer solchen Rast erblickte Flore, mächtig befremdet, unter dem schwarzen Gewimmel, ein bräunliches und ein weißes Antlitz. Das letztere fesselte um so mehr ihre Aufmerksamkeit, weil sie einen Landsmann vermuthete. In der Tiefe Afrikas ist der Europäer schon ein willkommener Landsmann. Und einen solchen glaubte sie im Betragen des Weissen zu erkennen.

Sie bat Musa, ihn doch zu sich zu rufen. Er versagte es nicht, und der Weisse kam. In französischer Sprache wurde er angeredet, und antwortete auch darin. Flore fragte: ob er auch so unglücklich wäre, zur Sklaverei verkauft zu sein? Keineswegs, entgegnete der Andere, ich reise mit guten Pässen, und kräftigen Empfehlungen.

Um des Himmels Willen, rief Flore, wie kann sich ein Europäer entschließen, freiwillig diese Gegenden zu durchziehn?

Dazu spornen mich viele Ursachen, war die Antwort.

„Die wär ich in der That begierig zu hören. Theilt sie mir mit, ihr sollt wieder mit meinen Lebensverkettungen bekannt werden.“

Warum nicht? Erstens ist mir meine Geliebte entrissen worden, und wie ich sicher weiß, durch Oberegypten gebracht. Diese muß ich wieder finden, und hausete sie am Ende der Welt. Dann läßt sich vielleicht bei der Gelegenheit durch Handel etwas erwerben. Und einmal auf diesem Wege kann ich mich ja auch wohl in der kultivirten Welt berühmt machen, wenn ich endlich das Innre von Afrika besuche. Bruce, Sonnini, Mungo Parc, und wer weiß wie viele Andere versuchten es umsonst. Mir soll es nicht mißlingen, denn ich füge mich in die Weise jeder Nation. Vor allen Dingen hab ich den muselmännischen Glauben angenommen, sonst gäbe es keine Sicherheit für mich. Komme ich zu einem Heidenvolk, weiß ich was ich thue, und was geschehen wird, wenn ich einst in die Christenheit heimgekehrt bin, läßt sich errathen. Der thörigte Eigensinn jener Reisenden, sich nicht einer Ceremonie unterziehn, nicht einen unbedeutenden Schmerz dulden zu wollen, hat ihre Pläne rückgängig gemacht.

Flore versetzte: Am meisten interessirt mich euer Handel. Werdet ihr auch Geschäfte mit Sklaven machen?

„Eher mit Seltenheiten des Landes. Doch winkte ein ansehnlicher Gewinn, warum nicht?“

Wie wäre es, wenn ich euch einen Vorschlag machte? Kaufet mich von meinem Sklavenhändler. Bringt mich nach Cairo, und ich verspreche euch Tausend Piaster über das Kaufgeld.

„Auf meiner Rückreise begriffen, würde ich vielleicht einschlagen, wenn Sicherheit wegen der Summe nachgewiesen werden könnte.“

Unfehlbar, rief Flore, und stand schon im Begriff, ihm zu sagen, sie trage weit mehr bei sich, doch die Physiognomie des Mannes war nicht geeignet, Vertrauen einzuflößen, sie hörte daher erst, was er weiter sagen wollte.

Er fuhr fort: Jetzt kann ich mich aber nicht damit einlassen, und mögten auch Zehntausend Piaster die Prämie sein. Ich muß vorwärts, die Zeit ist kostbar.

Flore überlegte, daß sie ihn ja wohl auf seiner Reise begleiten könnte. Wie lange sie auch währte, so bestände doch eher Hoffnung, einst wieder nach Egypten zu kommen, als wenn sie erst in einem Harem eingekerkert wäre. Sie sprach auch davon, fand aber kein geneigt Ohr.

Auf einer anderen Reise, wurde ihr erwiedert, dürfte mir eine solche Gesellschaft ganz angenehm sein, (hier maaß sein Blick Floren vom Scheitel niederwärts) allein jetzt muß ich, außer meinem Diener dort, dem Araber, allein gehn. Habe ich aber meine Geliebte erst entdeckt, und führe sie zurück, dann ist eher daran zu denken. Sucht mich in dem Fall auf.

Dies war eine Aussicht ins Weite. Flore unzufrieden mit dem Fremden, sagte etwas spöttisch: Eure Geliebte muß die Anhänglichkeit rühmen. In einem Alter, das der Weisheit nur geheiligt sein sollte, unternehmet ihr, was sonst der romantische Frühling nur wagt.

„Ob ich achtzehn Jahre, oder funfzig zähle, das Mädchen ist mein, denn ich kaufte sie in Cairo auf dem Markte, und habe ich sie nur erst wiedergefunden, werde ich mir durch Strenge Liebe zu verschaffen wissen. Sicher steckt sie in einem der Harems. Ich besuche alle Höfe der afrikanischen Könige, da wird sie ja wohl auszumitteln sein. Und dann darf ich meiner Verschlagenheit zutrauen, daß sie das Unmögliche geglaubte möglich macht.“

Flore wurde aufmerksamer während dieser Rede. Schnell fiel sie ein: Sagt mir aus welchem Lande in Europa ihr seid?

„Italien ist meine Heimath.“

Italien, Italien? Und eure Geliebte, ist sie nicht – eine Spanierin?

Eine Spanierin, versetzte der Andere mit staunendem Blick.

Wollt ihr wetten, ich nenne euren Namen?

„Das wäre drollig genug.“

Signor Perotti.

„Ists möglich? Ich entsinne mich doch nicht, euch jemals gesehn zu haben.“

O ich sah euch auch nie.

„Sicher kennt ihr Isabellen, wißt ihren Aufenthalt. Entdeckt mir alles, ich beschwöre euch. und zählt auf Erkenntlichkeit.“

So wenig als euch, sah ich Isabellen, nur eure Geschichte kam mir zu Ohren. Sagt mir doch, ob ihr nie erfuhrt, wer euch in dem Keller ergriff und binden ließ, da ihr Isabellen aus des Consuls Hause so listig gebracht hattet.

„Mich ergriff? Mich binden ließ? ha ha ha!“

Und dann Isabellen wegführte.

„Isabellen wegführte? ha ha ha! Das that ich selbst.“

 

Wie, ihr?

„Oder mein Diener. Es war beschlossen, Isabellen nicht wieder zum Vater zu lassen, weil der Franzose mir doch alles verdarb. Sie sollte gleich von Cairo hinweg. Um aber wenigstens vierundzwanzig Stunden voraus zu haben, und außer der Stadt nicht mehr verfolgt zu sein, ließ ich mich binden, und in den Keller legen. Man glaubte das Mährchen, war überzeugt, Isabelle stekke in Cairo, und forschte dort, so viel es möglich war nach. Unterdessen war mein Diener schon mit dem Mädchen nach Damiette unterwegs, und alle Anstalten waren so getroffen, daß nichts verrathen werden konnte. Ich wurde auf einem Landhause zwei Meilen von jenem Orte erwartet, kam bald da an, und setzte meinen Weg fort.“

Ich bin auch nicht ohne Intrigue, merkte Flore an, doch wahrlich diese List hätte ich nicht geargwohnt.

Was half sie mir bei dem allen, sprach Perotti seufzend, List muß der Gewalt weichen. Nur noch eine Meile von Damiette entfernt, fiel ein Trupp Beduinen uns an, raubte die Spanierin, prügelte mich tüchtig durch, und schwand wieder aus dem Gesichte. Seltsam war es, daß mir sonst nichts entwandt wurde. Nun verstrichen schon einige Jahre, während welchen ich mich kein Suchen verdrießen ließ, ich machte sogar eine Reise nach Mecca, weil es möglich war, daß die Beduinen Isabellen nach Arabien geschleppt hatten, umsonst. Erst seit kurzem weiß ich nun, daß sie diesen Weg genommen hat, und destoweniger gebe ich mein Vorhaben auf.

„Man nahm euch sonst nichts, sagt ihr, das klingt, als ob Coutances bei den Beduinen im Spiel gewesen wäre.“

Das kann nicht sein, denn ich sahe ihn noch ein Jahr darauf in Cairo, von Gram gebeugt mit Isabellens Vater gehn.

Flore war ausnehmend verwundert über alles was sie gehört hatte, und im weiteren Nachdenken über die Geschichte Isabellens verlor sie einen Theil ihrer Leiden aus dem Auge. Mögt ich doch diese Isabelle einmal sehn, das war nur ein erneueter, schon früher empfundener Wunsch.

Perotti ging nun zurück, zu seinen Kameelen, versprach öfter bei Floren zu sein, und empfahl ihr, dem Sklavenhändler von ihm zu sagen: er sei ein Arzt aus Constantinopel, vom Großherrn einem kranken Sultan in Afrika zugeschickt.

Zehntes Kapitel.
Fortsetzung

Musa fragte Floren gleich, wer der Kaffer4 sei, (denn wie im Orient jeder Europäer ein Frank heißt, nennt man wieder unter den Negern jeden Weissen Kaffer.) und sie antwortete, wie Perotti es gewünscht hatte.

Flore fragte den Neger Musa: Wie, wenn Jemand mich zu kaufen begehrte, und dir den Preis, den du für mich zahltest, verdoppelte, würdest du losschlagen? Er besann sich einen Augenblick, und erwiederte dann: Nein, ich hoffe, du sollst einem der Sultane besonders gefallen, da kann ich nicht nur eine größere Summe hoffen, sondern mir werden auch wohl noch wichtige Freiheiten bewilligt.

„Und welche etwa?“

In Darfur muß ich von zehn Sklaven, die ich durchführe, zwei als Abgabe an den Regenten erlegen, in Darkulla drei; so ich einem der Sultane durch dich eine Freude mache, erläßt er mir wohl den Zoll.

„Aber sage mir nur, warum ließ der Sultan von Darkulla die weissen Weiber morden, wie du vorhin erzähltest?“

Er hatte Krieg mit einem Fürsten in Habesch, der ein Nazaräer ist. Seine Krieger wurden geschlagen, und der Feind nahte der Hauptstadt. Damit nun ein ungläubiger Hund sich nicht seiner Weiber erfreuen sollte, ließ er sie sterben. Kurz darauf aber wurden die von Habesch zurückgedrängt, und dem Sultan reute, was er gethan.

„O weh, giebt es in dem Lande oft Krieg?“

Immer. Mit einem Nachbar hört er auf, mit dem andern fängt er an.

„Verkaufe mich wohin du willst; nur nicht nach Darkulla.“

Das wird sich finden.

Signor Perotti ließ nun seine Kameele dicht hinter Musas Zuge folgen, und ging oft neben dem Dromedare her, worauf Flore saß. Da gabs nun Unterredung genug über das herrliche Vaterland Europa.

Perotti forderte die Französin auf, überall wo sie hinkäme, nach Isabellen zu forschen. Sollte sie etwas von ihr in Erfahrung bringen, so mögte sie nach einer von den Städten, wohin Caravanen gehen, Nachricht davon geben, er werde sodann durch Kaufleute es schon wieder erfahren.

Flore sagte: Heucheln kann ich nicht. Gesetzt ich träfe Isabellen, und ich, eine eingekerkerte Sklavin vermögte etwas, so sollte Coutances sie zurück erhalten, aber nicht ihr.

Perotti rollte die Augen. Warum nicht ich?

Flore sagte: Weil Coutances einmal Franzos ist, und ihr ein Italiener. Zweitens, weil er nach allem was ich erfuhr, ein liebenswürdiger junger Mann sein soll, ich aber in euch einen närrischen alten Pantalon sehe.

Perotti schäumte vor Zorn, ballte die rechte Faust, murmelte ein paar italienische Flüche, und schwur, den Schimpf wolle er rächen. Doch that er gleich darauf wieder freundlich, und unsre Heldin meinte, er würde ihre Offenheit wieder vergessen haben. Das thut aber ein Italiener so leicht nicht.

Man kam nun dem Königreiche Darfur näher, und Florens Furcht ward größer. Sie beschwur den Italiener aufs Neue sie loszukaufen. In Mannskleidern, setzte sie hinzu, werde ich euch begleiten, vielleicht auch in euren Absichten nützlich seyn, und was ich verhieß, soll euch in Cairo werden. Sie bot mehr wie vorher, aber konnte ihn nicht erweichen. Endlich, da man an der Gränze des Landes war, vertraute sie sich ihm in der Angst näher. Ich will euch selbst das Geld zu meiner Loskaufung geben, sagte sie.

„Wie, ihr besitzet Geld?“

In den Kleidungsstücken verborgen, Geld und Edelsteine, aber verrathet mich nicht.

Um des Himmels Willen, versetzte Perotti, steckt mir alles zu, was ihr habt. Denn auf dem Markte müßt ihr alle eure Habseligkeiten in des Kaufmanns Händen zurücklassen, wenn ihr verkauft werdet. Nackt übergiebt man euch dem Käufer. So ist die Sitte. Dankt dem Glücke, das mich hieher führte, ich kann das Eure retten und aufbewahren.

Flore würde in Europa dem Signor Perotti vielleicht nicht gern einen Dukaten anvertraut haben, aber hier war es ein anderes. Bei dem Sklavenhändler ging ihr Habe gewiß verloren. Daß sie sie noch besaß, war blos der Vermuthung Musas zuzuschreiben, jene Mammelukken würden sie durchsucht, und geplündert haben. Gab sie dagegen die Kostbarkeiten und das Geld dem Italiener, so konnte er doch nur in einem Anfalle der schwärzesten Bosheit etwas davon veruntreuen, und die glaubt man in der Fremde um so weniger von einem Landsmanne, als man sich selbst wärmer zu ihm hingezogen fühlt.

In einem Augenblicke also, wo Musa schlief, und die Kameeltreiber ihr Mahl zurichteten, übergab Flore dem Italiener ihr Vermögen. Gern, sagte er, stellte ich darüber eine Handschrift aus, aber ich habe keine Schreiberfordernisse zur Hand. Hier ist ein Taschenbuch und ein Bleistift. Um Leben und Todes Willen —

Perotti bescheinigte den Empfang und Flore fragte nun: wann denkt ihr um mich zu feilschen? Perotti erwiederte: Wenn wir in die Residenz des Sultans von Darfur kommen. Dort findet der Handel Schutz. Wer steht dafür, wenn ich euch unterwegs kaufte, daß nicht ein anderer Neger euch wieder gewaltsam entriß. Welche Hülfe könnten wir anflehen?

Flore fand die Bedenklichkeit gegründet, forderte aber, Perotti sollte sich ja beim Eintritt in die Stadt einfinden, auf dem Markte könne sonst der Sultan den Vorkauf haben.

Dem Sklavenhändler sagte sie: Der Arzt aus Constantinopel würde sie vielleicht kaufen, denn er kenne ihre Verwandten in Europa, und wisse, sein Geld werde nicht verloren sein. Sie bat, doch diesem Vorhaben nicht zu widerstreben, und setzte hinzu: der Arzt brächte treffliche Empfehlungen an den Sultan mit, und so könnte er ihm vielleicht auch dort nützlich seyn.

Musa erwiederte: Giebt man mir den dreifachen Kaufpreis, und zahlt die Lebensmittel, womit ich dich auf der Reise ernährte, so gehe ich alles ein. Schon wieder zogen bei Floren, am Horizont der Wünsche und Hoffnungen, die lieblichsten Gebilde herauf.

Die Caravane erreichte das Land Darfur. Ein Melek (Offizier des Monarchen), der die Gränze zu bewachen hatte, untersuchte die Caravane, und erhob den Zoll der Dschelabs. Flore galt, wie sich von selbst versteht, eine Waare.

Signor Perotti wurde nach dem Zweck seiner Reise befragt. Er führte als Mahomedaner den Namen Mehemed, und nannte sich Eswan el Sultan5, ein Titel, unter welchem Sonnini und Brown auch reiseten und von dem man gestehen muß, daß selbst im Herzogthume *** in Deutschland kein ähnlicher besteht. Seine Pässe wurden richtig befunden, und die Reise ging weiter.

Elftes Kapitel.
Flore in Darfur

Das Land war mit Gesträuchen und Früchten bedeckt, die unsrer Heldin noch weit fremder waren, wie jene in Egypten. Rechts sah man eine große Ebne, aber die Dörfer und Städtchen wurden blos durch die um sie gepflanzten Bäume bezeichnet, die die niedrigen Häuser versteckten. Von höheren hervorragenden Gebäuden, wie in der Christenheit die Kirchthürme, in der kultivirten Türkei (es giebt auch eine unkultivirte) die Moscheen mit Domen und Minarets, die einer Landschaft den Charakter des Lebens und der Kunst geben, war die Rede nicht. Dagegen gab es Gegenstände anderer Art, die wahrlich auch imponirten. Denn links hin dehnte sich ein Gebürgsrücken, aus dessen Gebüschen wiederholentlich das majestätische Brüllen der Löwen ertönte, nicht selten ließ sich auch wohl ein bunter Panther oder gesprenkelter Leopard sehen, der mit weniger Furcht nach Beute umherschaute, denn so furchtsam wie in Europa, sind die Thiere dort noch nicht durch Menschengrausamkeit gemacht worden. Wir nennen es Weisheit, die schädlichen Bestien auszurotten, und wirklich sind die Bären und Wölfe schon mit vielem Glücke aus Gegenden vertrieben, wo sie zu den Zeiten des Tacitus noch fröhlich hausten, aber in Vertilgung moralischer Schädlichkeiten, gegen die Bär und Wolf Lämmer wären, treten wir mit sehr unvollkommener Weisheit auf. – Noch sehnswürdiger erschienen im Lande Darfur die Elephantenheerden, welche auf den Ebenen umherschwärmten. Diese Giganten unter den Thieren laufen dort in Rudeln von mehreren Hunderten zusammen, und die Einwohner fangen sie entweder lebendig in Fallgruben, oder tödten sie mit der Wurflanze. Auf ihren Gebrauch im Kriege fiel man aber noch nicht, und sie werden überhaupt nicht zur Dienstbarkeit bei dem Menschengeschlechte angehalten, wie in Indien.

Die Städte fand unsre Pariserin elend, nach heimathlichem Maasstabe, denn die Baukunst beschränkte sich auf Lehmwände und platte Dächer, mit Kameeldünger überworfen, doch nach den Bedürfnissen des Klimas leisteten diese Häuser was man fordern konnte. Mit den darum gepflanzten Bäumen viel Schutz gegen die Sonne, und gegen die Kälte wenig, da überall absichtlich Zuglöcher zur Erfrischung gelassen worden. Bei dem allen gab es in denselben eine Art Fabriken, die wohl in Europa zu wünschen wären, die eine Art lederner Säcke für Mehl und Wasser verfertigten, welche beides vollkommen dicht bewahrten. Letztere sind auf den Reisen durch die Wüsten unentbehrlich. Verstände man bei uns diese Bereitung des Leders, so wäre es rathsam, den Soldaten statt der Feldflaschen aus Blech, solche kleine lederne Schläuche zu geben.

Eine Hauptstadt hat das Reich Darfur nicht. Der Sultan hält bald hier bald da Hof, wie Carl der Große es zu thun pflegte. An mehreren Orten stehen aber Palläste, die ihn mit seinem Gefolge erwarten. Mit Versailles oder Caserta werden sie aber nicht wetteifern wollen.

 

Gegenwärtig wohnte der Sultan Abdelrachmann zu Ril. Es war der Lieblingsaufenthalt seines Vorgängers Teraub gewesen, doch Abdelrachmann, ein Usurpator, fürchtete dort für sein Leben, und brachte mehrere Zeit in anderen Orten zu. Endlich hatte ihn aber der bequeme Wohnsitz, von Teraub erbaut, wieder für ein Jahr nach Ril gelockt.

Musa kannte den Melek der Dschelabs, d. i. das Oberhaupt der Kaufleute, und trat in dessen Wohnung ab.

Perotti wohnte bei einem Copten, der ihm Gastfreiheit angeboten hatte, denn von einem Hôtel garni weiß man dort noch nichts. Er ließ sich gleich bei des Sultans Hofbedienten anmelden, und gelangte zur Audienz. Abdelrachmann war froh, einen Arzt aus Constantinopel bei sich zu sehn, und erklärte die seinigen für Unwissende. Perotti hatte es gleich gescheuter angefangen, wie andere Reisende vor ihm, die zur Unzeit Stolz zeigten, ein Fehler, durch welchen auch Lord Macartney die Angelegenheiten der Engländer in China bekanntlich schlecht förderte. Nicht so der geschmeidige Italiener. Wie sich des Oberhaupts Unterthanen, auch zitternd, gekrümmt, und den Staub küssend, auf den Boden warfen, sein Gruß ließ jene noch um ein weites zurück, und ein Liebhaber neuer Worte, hätte dies Heranwinden auf Händen und Füssen Hündigkeit nennen können. Natürlich fanden die Höflinge dies das Muster feiner Lebensart, und Abdelrachmanns Gnade war auf der Stelle gewonnen. Noch höher stieg Perotti in seiner Gunst, da er sicher zusagte, ihn von seinem Uebel zu befreien, dafern der gewaltige unüberwindliche Sohn des Propheten, es nur entdecken wollte. Ein dornichtes Unternehmen, da afrikanische Fürsten, einen Heilkünstler der nicht heilt, von allen Schmerzen der Erde heilen, weshalb sogar der Scharfrichter schon dabei stehn muß, wenn die Majestät den verordneten Trank nimmt.

Abdelrachmann, ein Siebzigjähriger etwa, entdeckte dem Italiener, wie er Zweihundert Weiber besäße, aber sie alle überflüssig fände, was ganz gegen seinen Willen sei. Perotti sagte: Um zu untersuchen, ob vielleicht Zauberei an den Sultaninnen hafte, müsse er bitten, sie sämmtlich sehn zu dürfen. Er wollte ohne Zweifel spähen, ob vielleicht Isabelle in diesem Harem verborgen sey. Der Monarch willigte ein, und sechs Eunuchen mußten den vermeintlichen Arzt begleiten. Er kam zurück, und erklärte, aller Zauber sei getilgt. Nun reichte er aber dem gekrönten Alten eine überaus hitzige Arzenei, von lauter Dingen zusammengemischt, die Feuer im Blute entzündeten. Der Leidende spürte davon große Wirkungen, und war herzlich froh. Perotti hingegen, der vorher sich schon mit neuen Pässen versehen hatte, eilte sogleich davon.

Flore wartete unterdessen vergebens auf den Loskauf, und gerieth außer sich vor Zorn und Bestürzung, da sie von Perottis Abreise hörte. Ihr schien es nunmehro ausgemacht, daß das Schicksal überall Unfälle für sie bestimmt habe.

Bald meldete das Gerücht in der Stadt: der Sultan habe einen Heiltrank empfangen, der sich ihm zwar anfänglich vollkommen hülfreich erwiesen hätte, doch unmittelbar darauf sei er in einen Zustand von Kraftlosigkeit gesunken, der für sein Leben fürchten ließ. Musa schüttelte den Kopf bei dieser Nachricht, und schöpfte wenig Hoffnung, hier loszuschlagen. Indessen putzte er Floren niedlich heraus, das heißt ziemlich in dem Geschmack, wie Eva mag gegangen sein, da sie eben den paradiesischen Garten verlassen hatte. Bei einer öffentlichen Audienz, wo Verkäufer auch Zutritt hatten, führte er nun Floren nach dem Pallast.

Dieser war in mehrere Höfe abgetheilt. Im ersten standen die gesattelten Pferde des Sultans und seiner Begleitung, denn nach der Audienz wollte er ausreiten. Im zweiten wurde man einen Theil der Leibwache gewahr. Die Uniform war Nacktheit, bis auf eine rothe Schürze, und eine Pikkelhaube. Die Kerle waren bei gutem Humor, soffen viel von dem Hanfabsud, der hier verkauft wird, und gewaltig rauscht, und spielten mit einigen Löwen, die zum Vergnügen des Sultans gezähmt worden waren. Im dritten Hof befanden sich die Minister im Gallaanzug, der in einem wollnen Hemd bestand. Mit gesenktem Haupte weilten sie um den Sitz des Monarchen, während dieser Klagen schlichtete. Er selbst trug, ein bewundertes Zeichen der Größe, Hosen, sonst war er den anderen Männern in allem gleich ausgerüstet. Während er geschäftig war, rief der Hofredner (eine Charge, deren es in Europa nicht bedarf, da wir Poeten und Historiographen besitzen) mit lauter Stimme: Seht den Büffel, den Sohn eines Büffels, den Stier der Stiere, den Elephanten von gewaltiger Stärke, den mächtigen Sultan Abdelrachmannelraschid! Gott verleihe dir langes Leben! O Herr! Gott stehe dir bei, und mache dich siegreich!6 Es störte die Bescheidenheit des schwarzen Königs gar nicht, diesen Hymnus immer wiederholen zu hören, und er machte während der Zeit seine Regierungsgeschäfte ab, die hauptsächlich darin bestanden, die Geschenke seiner Unterthanen und der Fremden im Empfang zu nehmen; denn niemand durfte seinem Throne mit leeren Händen nahn, und diese direkten Einkünfte verdienen doch vor den gepriesenen indirekten, darum den Vorzug, weil sie keine Erhebungskosten schmälern.

Nachdem Musa an die Reihe kam, vorgelassen zu werden, rutschte er nach Gebühr auf den Knien gegen den Regenten, übergab einem Melek sein Geschenk, und hörte dafür die gnädigen Worte Barak ulla fi! (Gott segne ihn.) Hierauf senkte er das Antlitz tief in den Staub, und nachdem es reichlich damit bedeckt, wieder emporgehoben war, berichtete er: wie eine Cafferin, glänzend wie die Sonne, lieblich wie der Mond, und freundlich wie die Sterne, durch ihn nach Ril gebracht worden sey, um dem unüberwindlichen, weisen, tugendhaften, tapferen Büffel, dem Sohn eines Büffels, dem Stier der Stiere, dem Elephanten von gewaltiger Stärke, dem mächtigen Sultan Abdelrachmannelraschid zum Kauf ausgestellt zu werden. Der Sultan rümpfte die kohlenfarbene Nase, strich mit der Hand über die dem Ebenholz gleichende Stirn, und kämmte den dicken rothgebeizten Bart mit den Fingern durch. Gähnend fragte er: wo die Sklavin sey? Auf den Wink Musas wurde Flore, die ein langer Schleier bedeckte, vorgeführt, auf einen andern sank dieser Schleier, und Sultan Abdelrachmann prüfte die enthüllten Reize mit Kennermiene. Doch einem Kritiker gleich, der sich überlas, dem Gefühl und Einbildungsflug nicht mehr erregt werden können, und der daher überall nur zu tadeln weiß, breitete er sich über die Schönheiten der Cafferin aus. Nichts war ihm recht. Das Auge nicht munter genug, die Nase zu klein, die Lippen zu dünn, der Busen zu voll und so weiter. Flore schon außer sich, vor einer Versammlung von mehr als Tausend Menschen dastehn zu müssen, wie Sklavinnen in Afrika dastehn, ärgerte sich um so mehr bei einer Kritik, die im eigentlichen Verstande voll Persönlichkeiten war. Herr Sultan, sagte sie keck, die Schönheit ist in eurem innern Auge nicht mehr zu finden. Daran gebrach es euch! Getroffen drehte sich der König um, und sagte: die Freche würde alle Weiber meines Harems verderben. Hinweg mit ihr!

Der Schleier sank wieder über Floren, und Musa kehrte mit ihr zurück nach seiner Wohnung.

Wo geht es nun hin? fragte sie.

Nach Darkulla, war die Antwort.

„O weh, wo der grausame Fürst hauset.“

Er ist der zärtlichste unter allen schwarzen Königen, nirgends führen die Weiber ein so köstliches Leben, die liebste unter ihnen theilt seine Macht. Juble wenn er dich kauft, ich werde mich dann freuen, daß hier nichts aus dem Handel wurde.

Nun immerhin, rief Flore, ich bin ein Ball des Schicksals, seitdem der ruchlose Mehemed mich um mein Vermögen betrog, ist mir alles gleich.

Um dein Vermögen?

Wisse ich hatte Edelsteine im Turban, und, Goldmünzen im Gürtel. Ich wurde nicht durchsucht, und vertraute ihm alles, mich loszukaufen.

Musa wüthete. Das hätte mir gehört!

Flore sprach: Wer kann mir verargen, wenn ich mein Eigenthum nicht entdeckte.

Musa versetzte wieder: Hättest du mir die Hälfte gegeben, wärst du frei gewesen, und sicher nach Cairo geleitet.

O weh, ich Unglückliche! Nein laß mich nicht glauben, daß du so großmüthig gewesen wärest, ich müßte ganz und gar verzweifeln, und das will ich nun einmal nicht, vielmehr künftig jedes Unglück mit Lachen ansehn.

„Ich will ihm nach, ihm den Raub wieder abzunehmen.“

Wahrlich ich gönnte dir ihn lieber. Und willst du mich dann freigeben?

„Nun nicht, du mußt nach Darkulla, zur Strafe. Ich muß auch zuvor entschädigt sein. – Wer weiß wann ich Mehemed finde.“

Das gelingt dir wohl nie. Er ist gewandt wie eine Schlange, voll List und Tükke. Er hat auch den Sultan von Darfur betrogen, und sich aus dem Staube gemacht. Brachten seine Späher ihn nicht zurück, was werden die deinigen ausrichten?

„Der Sultan von Darfur kennt nur sein Land, meine Knechte Hundert Länder.“

O ich mögte ihn gern durch dich gestraft sehn, denn wakker hast du mich gehalten Sklavenhändler. Noch Eins. Er sucht ein europäisches Mädchen, Isabelle genannt. Hörst du je von dieser, so laß sie vor den Mehemed warnen, und thue ihr kund, Mehemed heisse auch Perotti.

„Wohl, so sende ich einige Getreuen aus, und eile dann mit dir nach Darkulla.“

4Die Unrichtigkeit, mit welcher der Name Europäer auch unterscheidend gebraucht wird, wenn die Rede von der europäischen Türkei ist, scheint ernst darauf hinzuwinken, daß die Türken nicht nach Europa gehören. Die Christen, welche es schon seit 1453 ansehen müssen, daß das reizend gelegene Constantinopel ihre Hauptstadt ist, könnten die Theorie des Herrn von Bülow wohl gegen sie prüfen. Die Türken müssen gegen das Abendland alle Kriege exzentrisch führen, und werden, wie daraus folgt, conzentrisch angegriffen. Sie haben (immer die Sprache der Bülowschen Lehre zu reden) die erbärmlichste Basis, und ihren Feinden stehn überall basirende Gegenstände zu Gebot. Nach der Theorie müssen die Türken fallen. Nach einer Erfahrung von Vierhundert Jahren fallen sie aber nicht.
5Fremder des Sultans.
6S. Browne’s Reisen in Afrika, Aegypten und Syrien, in den Jahren 1792 bis 1798. Aus dem Englischen. Leipzig und Gera bei Heinsius 1800.