Zeit der Könige

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„Mein Herr, ich danke Euch.“ Nicolas verbeugte sich vor seinem Dienstherrn und verließ rasch dessen Gemächer. Unverzüglich eilte er in sein Zimmer, in der Hoffnung, Modorok dort zu finden.

„Du wirst es nicht glauben!“, rief er schon von der Tür aus. „Ab morgen sind wir die Leibwachen des Grafen!“

„Ach was“, sagte Modorok trocken. Ihm war es eigentlich gleich, welchen Dienst er zu versehen hatte, Hauptsache er stand in Lohn und Brot, da er ja bekanntlich nicht gerade gesegnet war mit Land und Vermögen. Aber Leibwache des Grafen von Weißenfels zu sein, bedeutete mit Sicherheit einen großen Schritt auf der Karriereleiter. Wenn auch der Dienst nicht leicht werden würde, denn der Graf war ein sehr anspruchsvoller Herr. Er verlangte von seinen Männern genauso viel, wie er selbst leistete.

Kapitel 14

Nicolas und Modorok hatten allerdings nicht gerade viel zu tun als Leibwachen des Grafen Dietrich, und so kam es, dass sie sich nach einiger Zeit schon langweilten.

„Wenn hier nicht bald etwas passiert, sterbe ich vor Langeweile“, beklagte sich Modorok. „Besser ein richtiger Kampf mit den Ungläubigen als hier ständig untätig rumzustehen“ Im Zimmer des Grafen polterte es gewaltig. Die Jungen waren starr vor Schreck. Sie entsannen sich aber sofort wieder ihrer Aufgabe, und schossen gleichzeitig zur Tür hinein, so dass sie sich um ein Haar mit ihren Schwertern verhakt hätten. Dietrich stand in der Mitte des Raumes, ein Schreiben in der Hand, der Stuhl hinter ihm umgeworfen. Vor wenigen Minuten hatte er einen Gesandten aus dem Reich empfangen. Die Jungen stürzten sofort auf diesen zu, in der Annahme, er würde ihren Herren bedrohen. Aber Dietrich hielt sie zurück.

„Haltet ein“, rief er etwas ungehalten. „Seht ihr nicht, dass ich unversehrt bin?“ Dietrich ging zum Stuhl und hob diesen mit einer schnellen kraftvollen Bewegung wieder auf. Den beiden Freunden gelang es endlich, sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Der Bote stand etwas abseits von Dietrich und blickte diesen erstaunt an. Wahrscheinlich hatte er auch nicht mit dieser heftigen Reaktion des Grafen gerechnet. Sicher wusste er nicht, was in seiner Botschaft stand. Dann schielte er ängstlich zu den beiden Edelknechten, die ihm um ein Haar den Garaus gemacht hätten.

„Ein Bote aus Deutschland“, sagte Dietrich und wies mit der Hand auf den Mann. „Dieser elende Hurensohn hat es doch tatsächlich gewagt, mir mein Erbe vorzuenthalten!“, spie er so aufgebraucht hervor, dass ihm die Stimme zu versagen drohte.

„Euer Erbe? Wer?“, wagte Nicolas zu fragen, als Dietrich nicht weitersprach.

Der atmete tief durch. „Geh“, wandte er sich an den Boten, „ich werde dich rufen lassen, wenn ich eine Antwort habe. Hol meinen Diener Veyt, Modorok“, wies Dietrich an. „Er soll sich um den Boten kümmern.“ Modorok forderte den Mann auf, ihm zu folgen und ging hinaus, nicht ohne hinter sich die Tür zu schließen.

„Da hab ich euch einen ganz schönen Schrecken eingejagt, was?“ Die Frage klang eher grimmig als lustig. „Kaiser Heinrich hat das Reichslehen Meißen eingezogen. Mein Bruder ist bereits im Sommer des vorigen Jahres gestorben. Wahrscheinlich hat einer diesen hinterhältigen Hund vergiftet.“ Dietrich grinste böse. „Ich muss zurück in die Heimat. Ich muss meine Rechte geltend machen, solange der Kaiser noch im Reich verweilt. Er ist bereits im letzten August nach Deutschland zurückgekehrt, die Adligen um Unterstützung für seinen Kreuzzug anzuflehen. Garantiert will er auch sicherstellen, dass die Fürsten des Reiches ihm in Hinblick auf seine Absichten, jeden in der Erbfolge zuzulassen, also auch Weiber, keinen Strich durch die Rechnung machen, falls er irgendwann mal ins Gras beißen sollte.“ Dietrich redete sich regelrecht in Rage und sein Gesicht nahm bereits eine bedenkliche rote Farbe an, dass Nicolas um die Gesundheit seines Dienstherrn bangte.

„Aber nicht genug, dass Albrecht tot ist. Nein, der Kaiser hat sich den fetten Brocken, der Meißen ist, selbst einbehalten und lässt es von seinen Beamten verwalten.“

Nicolas sah Dietrich entsetzt an. „Was wird denn nun aus uns, wenn Ihr nicht zurückkönnt nach Meißen? Geht Ihr nach Weißenfels?“

„Ich denke nicht daran!“, rief der Graf erbost. “Glaubst du, ich gebe so einfach kampflos auf. Sicher liegt dem Kaiser nichts ferner als meine Belehnung mit der Mark. Zu verlockend sind die reichen Silberbergwerke meiner Familie, welche bald die Schatzkammern des Kaisers auffüllen werden, um seine Macht im Reich zu festigen. Auch muss er die Kirche milde stimmen, da der Kölner Erzbischof ihm die Krönung seines Sohnes Friedrich zum deutschen König verwehrt hat. Wie praktisch, gerade jetzt ohne jede Waffengewalt so ein reiches Lehen einzustreichen, wie die Mark es ist.“

Dietrich setzte sich auf den Stuhl und atmete tief durch.

„Ich muss jetzt einen kühlen Kopf bewahren. Es darf Heinrich nicht gelingen, seinen Erbreichsplan durchzusetzen. Die Fürsten zögern, auch wenn er sie mit seinem Aufruf zu einem erneuten Kreuzzug im letzten Dezember umzustimmen versuchte. Sie wollen ihr Recht auf die Königswahl nicht so einfach aus den Händen geben.“

Dietrich schaute eine Weile stumm vor sich hin. Dann straffte er die Schultern und stand auf. Er sah Nicolas bedeutungsvoll an.

„Sage meinem Diener, dass er packen soll, wir werden mit dem nächsten Schiff aufbrechen, was Richtung Italien segelt.“

Nicolas zögerte.

“Nun geh schon, was soll mir hier jetzt passieren. Schlimmer kann es ja gar nicht kommen.“

„Gut Herr, ich werde alles veranlassen. Aber was ist, wenn es kein Schiff gibt?“, fragte er bang, denn auch er wollte endlich wieder nach Hause zurück. Auch wenn ihn dort nicht gerade viel erwartete, so war es doch seine Heimat. Und außerdem, so schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf, wenn jetzt Albrecht tot war, und es Dietrich gelingen würde, sein Lehen wiederzuerhalten, dann hätte er vielleicht die Chance, auch selbst wieder sein Land zurückzubekommen.

„Wir werden sehen. Auf jeden Fall müssen wir vorbereitet sein. Und wenn ich auf dem Landweg nach Deutschland ziehe.“

Nicolas eilte den Gang hinunter, in der Hoffnung, Modorok draußen anzutreffen. Der stand in der Tat in der Halle des Ordenshauses und gab Veyt Anweisungen.

Gerade wollte sich der Diener mit dem Boten auf den Weg machen, da rief ihm Nicolas zu: “Veyt, warte! Du sollst dann zum Grafen kommen. Es gibt Arbeit für dich.“ Er grinste den Diener an. Der nickte nur mit dem Kopf. Irgendwie war er neidisch auf die Jungen, die so hoch in der Gunst Dietrichs standen.

„Komm“, sagte Nicolas. „Lass uns nach draußen gehen, hier sind zu viele Ohren.“ Modorok am Arm hinter sich herziehend, eilte Nicolas auf die Tür zu, die in den Innenhof des Ordenshauses führte. Draußen angekommen, sah er seinen Freund bedeutungsvoll an. „Wenn du hörst, was ich dir jetzt erzähle, wirst du vor Staunen blass werden“, begann er seine Rede.

Modorok zog die Augenbraue kaum merklich höher, so dass nur sein Freund wusste, dass er gespannt war, was jetzt käme.

„Markgraf Albrecht ist bereits im letzten Sommer gestorben. Vergiftet worden.“ Nicolas machte eine theatralische Pause.

„Ach was?“ Modorok wartete, dass sein Freund weitersprach. Als dieser die Spannung weiter steigern wollte, nickte er ihm mit einem finsteren Blick auffordernd zu.

„Ja, schon gut“, verteidigte sich Nicolas. „Aber das Schlimmste ist, dass der Kaiser die Mark Meißen als Lehen eingezogen hat. Wahrscheinlich hat er darauf gehofft, dass Dietrich seine Ansprüche aufgibt oder hier im Heiligen Land verrottet.“

„Und was wird jetzt?“, fragte Modorok mit banger Stimme.

„Dietrich will mit dem nächsten Schiff zurück. Nun hofft er, dass bald eins im Hafen vor Anker geht. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich auch gern zurück. Jetzt, wo Albrecht tot ist, hab ich vielleicht auch Aussichten, mein Lehen zurückzuerhalten. Was meinst du, Modorok, würdest du dann bei mir bleiben?“ Er schaute seinen Freund mit einem schiefen Lächeln an.

„Natürlich“, sagte dieser ohne Umschweife. „Wo sollte ich auch hin. Du weißt, dass ich dich nicht im Stich lassen würde. Wo du hingehst, gehe auch ich hin. Ob du das willst oder nicht.“ Er schob trotzig das Kinn nach vorn.

Nicolas legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich weiß, mein Freund, ich weiß“, sagte er schlicht.

Obwohl der Graf praktisch auf gepackten Koffern saß, verliefen die nächsten Wochen recht gleichförmig. Tagsüber taten Nicolas und Modorok gemeinsam Dienst, was ihnen auch die Zeit nicht lang werden ließ, denn sie unterhielten sich viel darüber, was ihnen die Zukunft bringen würde. Außerdem war im Ordenshaus ein ständiges Kommen und Gehen und sie mussten den Grafen überall hinbegleiten.

An einem heißen Tag Anfang September erschien im Hafen von Akkon ein Schiff, das die genuesische Flagge trug.

Nicolas und Modorok waren am Morgen zu Dietrich gerufen worden. Im Haus herrschte helle Aufregung. Die Kunde davon, dass der Thüringer Landgraf, Hermann I., nach Akkon kommen sollte, war schon vor einigen Tagen bis in die Quartiere gedrungen. So hatten die jungen Männer gespannt darauf gewartet, wann denn der Landgraf endlich eintreffen würde. Man erzählte sich, dass Hermann ein sehr gebildeter Mann sein sollte, der in seiner Jugend die Universität von Paris besucht hatte. Auch galt er als Förderer der schönen Künste an seinem Hof und seine hübsche junge Frau Sophie war nicht selten Gegenstand höfischer Minnedichtung. Es wurde auch erzählt, dass der Landgraf mit Walter von der Vogelweide befreundet sei, ein Poet, dessen Bekanntheit weit im christlichen Abendland verbreitet war, und der des Öfteren am thüringischen Hofe weilte. Letzteres hatte Nicolas von Jutta erfahren, die vor zwei Jahren die kindliche Braut von Dietrich geworden war. Vor ihrer Vermählung war sie nach Meißen gekommen, da die alte Markgräfin Hedwig darauf bestanden hatte, dass Mädchen kennenzulernen. Obwohl Jutta erst zehn Jahre zählte, war sie schon ausgesprochen klug gewesen für ihr Alter. Sie erzählte Nicolas von ihrem bunten Leben auf der Wartburg und wie traurig sie sei, dass sie jetzt auf der Burg Beichlingen ausharren musste, bis sie das Alter erreicht hatte, um Dietrich beiliegen zu können. Doch auch hier ging ihre Ausbildung weiter, denn Hermann hatte darauf bestanden, dass die Lehrer und Hofdamen seine Tochter begleiteten.

 

Nun standen die Freunde am Kai und beobachteten, wie man sich auf dem Schiff bereit machte, eine Stiege herabzulassen. An der Reling hatten sich bewaffnete Männer aufgereiht. Mitten unter ihnen sahen sie den Landgrafen, wie er ungeduldig in Richtung des Kais blickte. Hermann war eine imposante Erscheinung. Er war jetzt 41 Jahre alt, und damit nur 6 Jahre älter als Dietrich. Das Alter schien ihm noch keinerlei Schwierigkeiten zu bereiten. Erst im Frühjahr hatte er seine zweite Frau, Sophie von Wittelsbach, geheiratet, die Tochter des Bayernherzogs Otto. Ein weiter Umhang verhüllte die Gestalt Hermanns fast bis zum Boden, so dass er noch stattlicher als ohnehin schon erschien. Unwillkürlich kam Nicolas der Gedanke, dass dieser Mann einen mächtigen Verbündeten abgab, wenn es für Dietrich darum ging, die Markgrafenwürde zurückzuerobern. Hatte die Vergangenheit nicht gezeigt, dass sich Dietrich auf Hermann verlassen konnte, zumindest, solange dessen Interessen nicht in Gefahr waren. Denn schon oft hatte der Thüringer die Seiten gewechselt, war einmal der welfischen, ein andermal der staufischen Sache zugetan gewesen. Doch jetzt war er im Auftrage des Kaisers hier, um Vorbereitungen für den nächsten Kreuzzug zu treffen. Dazu gehörte auch, die Umwandlung des Samariterordens in eine kämpfende Truppe voranzutreiben. Der Kaiser wollte mit ihrer Hilfe seine Interessen in Palästina wahren, denn die Templer, die Eliteeinheit unter den Kämpfenden, waren zu sehr vom französischen König beeinflusst.

Endlich kam Bewegung in die Sache. Umgeben von seinen Männern verließ Hermann das Schiff. Dietrich kam ihm fast bis an den Rand der Kaimauer entgegen, links und rechts seine beiden Leibwachen, ohne die er keinen Schritt außerhalb des Ordenshauses tat.

„Ich grüße Euch, verehrter Herr Schwiegervater“, empfing er den Landgrafen. „Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, hier in Akkon endlich ein vertrautes Gesicht zu sehen, inmitten der burgundischen und französischen Heerscharen, von denen es hier in der Stadt nur so wimmelt. Ich hoffe, die Reise war nicht allzu beschwerlich und Ihr seid von schweren Stürmen verschont geblieben.“

„Auch Euch Gott zum Gruße, lieber Schwiegersohn. Ich freue mich, Euch hier bei guter Gesundheit anzutreffen.“ Hermann sah seinen Schwiegersohn mit einem langen Blick forschend in die Augen. Also wusste er, dass Dietrichs Lehen eingezogen war und er selbst möglicherweise sogar in Gefahr schwebte, sein Leben zu verlieren. Denn auch der Kaiser wusste, dass der Wettiner nicht so leicht seinen Erbanspruch aufgeben würde, zumal ja nun auch sein Erbreichsplan in Kraft treten sollte.

„Ich habe Euch Gemächer im Ordenshaus der Deutschherren bereiten lassen“, sagte Dietrich. „Gern hätten natürlich die Johanniter die Ehre für sich beanspruchen wollen, dass Ihr bei ihnen unterkommt. Aber ich denke, so wird es auch Euch lieber sein.“

„Ja schon. Ich danke Euch. Doch nun bin ich erst einmal froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Und vor allem das Essen, das mich hier erwarten wird, nach diesem elenden Fraß an Bord. Einzig der Gedanke daran, hat mich diese schreckliche Reise durchstehen lassen.“ Hermann lachte, und Dietrich lud ihn mit einer weit ausholenden Geste zu sich in das Ordenshaus ein.

„Es wird mir eine Ehre sein, alles was Küche und Keller herzugeben haben, zu kredenzen. Es ist in der Tat bemerkenswert, was diese Ungläubigen an schmackhaften gewürzten Speisen zu sich nehmen. Nur mit dem Wein haben sie es nicht so.“ Der Graf schmunzelte. Er dachte oft wehmütig an die edlen Tropfen aus den Weinbergen der Mark Meißen, die sein Großvater bereits hatte anlegen lassen.

So fand am Abend ein großes Gelage zu Ehren des Thüringer Landgrafen statt. Dietrich hatte dazu eigens Köche aus Akkon kommen lassen, denn er war sich nicht sicher, ob die Köche der Ordensherren sich so genau auskannten, was ein verwöhnter fürstlicher Gaumen bevorzugte.

Auf einem erhöhen Podest stand der Tisch für die edlen Herren, die Sessel mit seidenen Kissen bestückt. Die Tafel bedeckte ein großes weißes Tuch aus Leinen. An jedem Platz stand ein silberner Teller mit einer Vertiefung. So etwas hatte Hermann noch nie gesehen, und er war gespannt, wie diese Teller zum Einsatz kommen sollten. In der Mitte des Tisches standen große Tafelaufsätze mit einer Fülle von exotischen Früchten. Datteln, Feigen, Orangen, Melonen, Trauben, Nüsse und noch viele andere Früchte, die weder Dietrich noch Hermann jemals gesehen hatten, ließen schon allein beim Anblick das Wasser im Munde zusammenlaufen. Die Tafel der anderen edlen Herren schloss sich unterhalb des Podestes an. Auch hier bedeckten leinene Tücher die Tische, waren Schalen mit Früchten und Kannen mit Wasser bereitgestellt. Nicolas und Modorok hatten den Befehl erhalten, hinter den beiden Grafen Aufstellung zu nehmen. Dietrich hatte ihnen versichert, dass genügend der Speisen übrigbleiben würde, damit auch sie ihren Anteil an dem ungewöhnlichen und beileibe nicht alltäglichen Festschmaus erhielten.

Die Speisen wurden einzeln hereingetragen. Zuerst kamen Diener in weiten Pluderhosen, welche große Kessel mit Suppe trugen. Zunächst fragte sich der Landgraf allerdings, wie diese Suppe zu essen sei. Doch ein Blick auf den vor ihm stehenden Teller und den Löffel beantwortete diese Frage. Die Diener schöpften mit einer langen Kelle die herrlich nach Zimt und Kardamom duftende Suppe in die Gefäße. Nach einer leichten Verbeugung begaben sie sich zum nächsten Platz. Zu der Suppe wurde mit Kreuzkümmel gewürztes Fladenbrot gereicht. Mit großem Vergnügen nahm Hermann seinen Löffel zur Hand. Im Anschluss brachten die Diener silberne Platten, auf denen sich Berge von Couscous türmten, verfeinert mit Datteln und Feigen und übergossen von einer hellen, köstlichen Soße, die stark nach Minze schmeckte. Einige andere Bedienstete folgte mit weiteren Platten, auf denen saftige Stücke vom Lamm angerichtet waren. Schüsseln mit scharf gewürzten Fleischbällchen in Honig und mit Geflügel, das in Vanillesoße lag, folgten. Auf die Tafel wurden außerdem Schalen mit fruchtigem, grünem Olivenöl und mit einer äußerst scharfen roten Paste gestellt, die man hier als Harissa bezeichnete. Es seinem Schwiegersohn nachahmend, tauchte Hermann sein Brot hinein, verzog allerdings angesichts der extremen Schärfe der Tunke das Gesicht schmerzlich. „Esst ein Stückchen Brot, das Ihr in das Öl tunkt, das nimmt die Schärfe. Diese feurige Paste soll auch verhindern, dass man durch das üppige Essen Verdauungsprobleme bekommt“, scherzte Dietrich.

Gerade als Hermann dachte, er würde kein Krümelchen mehr hinunter bekommen, wurden silberne Schüsseln mit kühlem, erfrischendem Joghurt gereicht, der nach Zitronenmelisse duftete. Den Abschluss des Mahles bildete ein Gebäck, dass wohl seinesgleichen suchte in Europa. Unzählige Fäden von Teig, der von Honig und Rosenwasser nur so troff, ummantelt mit geröstetem Sesam, ergaben ein wunderbares Backwerk, von dem der Landgraf nicht genug bekommen konnte. Sein Schwiegersohn hatte nicht gelogen, das Mahl war überaus köstlich. Aber leider behielt er auch darin Recht, was die Getränke anging. Da zog Hermann dem seltsamen heißen Gebräu, was hier Schay oder Tschai genannt wurde und auffallend frisch nach seltsamen Kräutern schmeckte, eher noch das kühle, leicht mit Rosenessenz versetzte Wasser vor. Doch ein wunderbares kühles Bier, gebraut in den Klöstern seiner Heimat oder der Wein seines Schwiegersohnes wären ihm definitiv lieber gewesen. Aber wollte er sich nicht beklagen, denn selten hatte er so königlich gegessen.

Nach dem Mahl zog sich Dietrich mit seinem Schwiegervater in sein Gemach zurück.

„Vielleicht ist es Euch schon zu Ohren gekommen. Aber es wird gemunkelt, dass Euer Bruder eines gewaltsamen Todes gestorben ist.“ Hermann schaute seinem Schwiegersohn forschend ins Gesicht.

Dietrich stieß ein raues Lachen aus. „Wie auch immer. Albrecht ist vor seinen Schöpfer getreten. Was der Kaiser mit Sicherheit mit großer Genugtuung zur Kenntnis genommen hat. Ihm stachen die reichen Vorkommen an Silber und Erzen in der Mark Meißen schon lange ins Auge. Nun hat er ja, wonach es ihm immer gelüstete.“ Verbittert stieß Dietrich mit dem Fuß gegen den vor ihm stehenden Stuhl, dass dieser mit einem lauten Poltern umfiel.

Hermann zuckte erschrocken zusammen, nicht auf den Zornesausbruch des jüngeren vorbereitet.

„Beruhigt Euch, Dietrich“, ermahnte er ihn. „Wut wird Euch jetzt auch nichts nützen. Vielleicht lässt der Kaiser sich ja doch noch umstimmen. Er braucht einen starken Mann in der Mark.“

Dietrich schnaubte abfällig. „Da ich beim Ableben meines Bruders bei Heinrich in Ungnade lag – woran sich bis jetzt nicht wirklich etwas geändert hat – bot sich ihm doch ein hervorragender Vorwand, sich mein Erbe anzueignen. Und ich kann Euch jetzt schon sagen, womit er diesen Akt der Willkür begründet. Nicht dass er eine Rechtfertigung bräuchte...“ Der Zorn ließ seine Stimme erzittern.

Hermann sah ihn ratlos an und zuckte bedauernd mit den Achseln. „Ihr mögt Recht haben. Fuchs, der er ist, hat er sich einen günstigen Zeitpunkt ausgesucht, schnell noch seine Pfründe zu erweitern. Denn ist der umstrittene Erbreichsplan erst einmal in Kraft getreten, würde Eure minderjährige Nichte Christina die nächste Markgräfin von Meißen...“

„...und ich ihr Vormund bis zu ihrer Volljährigkeit“, vollendete Dietrich den Gedanken des Thüringers. „Ganz klar, ein starker Territorialfürst ist ganz und gar nicht in seinem Sinn.“ Dietrich hob den malträtierten Stuhl vom Boden auf und setzte sich umständlich hin.

„Soll ich versuchen, den Kaiser umzustimmen? Vielleicht hört er ja auf mich, er braucht mich, um die Fürsten im Reich bei der Stange zu halten“, bot Hermann seinem Schwiegersohn an.

„Ich glaube nicht, dass Ihr damit großen Erfolg haben werdet. Ich höre schon jetzt, wie er mit einem eiskalten Lächeln sagen wird, dass es unumgänglich sei, die Mark einzubehalten, da ja ich, der potentielle Markgraf, im Heiligen Land weile und es ungewiss ist, ob ich jemals wieder heimkehre.“ Dietrich lachte bitter auf. „Doch er soll sich verrechnet haben. Ich werde mich nicht kampflos geschlagen geben“, fügte er trotzig hinzu.

„Und was habt Ihr jetzt vor?“, fragte Hermann.

„Ich versuche zum Kaiser zu gelangen. Wie Ihr schon sagtet, er braucht die Unterstützung der Fürsten im Reich. Wenn sie sehen, mit welchen Mitteln ihr Herrscher versucht, sich Reichtum und Macht anzueignen, werden sie vielleicht vorsichtig.“

Hermann grinste. „Und werden den Erbreichsplan zum Scheitern bringen“, ergänzte er und schlug Dietrich verschwörerisch auf die Schulter.

Endlich ergab sich für Dietrich die lang ersehnte und für längere Zeit wahrscheinlich auch einzige Gelegenheit, aus Akkon fortzukommen.

Und so veranlasste Hermann, der seinen Schwiegersohn unterstützte, dass Dietrich einen Platz auf dem Schiff erhielt und nach Italien zurücksegeln konnte. Der Kapitän erhielt einen ordentliche Batzen Münzen. Die Identität Dietrichs sollte allerdings geheim gehalten werden, damit der Kaiser seine Rückkehr nicht vereiteln konnte.

Der Genueser beabsichtigte in Neapel anzulegen, um dort Olivenöl an Bord zu nehmen. Hier wollte Dietrich an Land gehen, um auf dem Landweg zurückzureisen.

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