Aficionados - Der Zauber der Giacomettis

Text
Autor:
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Wieder in Berlin - Abnehmen

Berlin is ne Scheiß Stadt geblieben, das merke ich gleich, ich muss mich wieder daran gewöhnen beim Straßeüberqueren nach links und rechts zu schauen. Is eben kein Mittelalterkaff, wo man sein Fahrrad an nem Baum anlehnen kann. Hier in Berlin isses gleich weg. Der Baum ist dann übrigens auch weg. Wie ich feststellen muss, sägen sie hier neuerdings die Bäume ab, da muss man aufpassen dass man keinen Ast zwischen die Brillengläser gestemmt kriegt. „440.000 Bäume gibt’s an den Straßen von Berlin“, ruft mir über meinem Kopf der Mann mit der Kettensäge zu, als er da so in dem Astgestrüpp hängt, „und die Stadt ha kein Yeld um jefällte Bäume zum ersetzen!“ „Zum was?“ „Yeld, keen Yeld!“ Aber warum denn immer gleich alles weghauen? „Na damit nich wo uff de Jeparkten ruffknallt“, grinst der und wirft die Kettensäge an. Ich frag noch, wie ist denn das? So ne Säge? Schlägt die nicht aus? „Nee, wennste se mit beede Hände hälst...“ Aber geht das Ding nicht einfach von selber los? Da macht der große Augen, lacht ein kehliges „hoch hoch, hoch“ und steigt von der Leiter, schwenkt mit diesem Sägeblatt vor mir rum. Ich denke, jetzt kommt der auf mich zu mit dem Ding wie in nem Rob Zombie Film, „The Devil`s Rejects“, aber er zeigt mir einen kleinen Schalter an der Oberseite der Säge. „Das Ding hat nen Choke“, sagt er freundlich, selbst seine Stimme stinkt nach Benzin, seine schweren Sicherheitsschuhe mit den Metallplatten vorne in den Spitzen, stapft er die ganze Zeit auf der Stelle. „Wenn du diesen kleinen Sicherungshebel unter dem Hauptdrücker nicht löst, passiert gar nüscht.“ Ach? Wenn man das nicht weiß, sagen wir mal, das Ding partout nicht ankriegt, alle Hebel mal so, naja ausprobiert…? „Ha“, lacht er: „Vagiss it…gloob mir, dit brauchste fürt Lehm“ - und da weiß ich noch nicht, der Mann hat verdammt recht. -- Der steigt wieder auf seinen Ast, ruft noch: „05 bis 11 ham wa über 10.000 jeschafft13.“ Wie geschafft? „Na Bäume!“ Er winkt nochmal und versenkt die Säge im Baumstamm, als wär`s ne Pizza zum Kleinschneiden. Tatsächlich fährt mich dann hinterrücks fast n Fahrrad an. Seit die hier die Bürgersteige auf Straßenniveau tiefer legen versteht keiner mehr, nich Fußgänger, nich Radfahrer, wo er gehen oder fahren soll. Selbst auf der Moabiter Brücke mit den Bären drauf… Wann kapiert das endlich mal einer, dass wir die Städte neu einrichten müssen. Stadt heißt nicht Krach und Autos, Stadt bedeutet Menschen. Aus Frust geh ich los Bier kaufen, da läuft mir dieser Horst über den Weg, er trödelt so vor sich hin, ich näher mich von hinten, er erschrickt: „Mensch Leo!“ Mensch Horst. Ich war bei Carl. Horst lacht über das ganze Gesicht: „Und? Hat er dir wieder eine ausgespannt?“ Genau, sag ich, hab jetzt die Faxen dicke. „Komm, wir gehen einen trinken.“ In der Kneipe schick ich Carl eine Sms, dass ich wieder da bin. Er zurück, ich hätte nicht zu fahren brauchen, wär schön ich vertrüge mich wieder mit Alex. Ich denk, die Schlampe seh ich nie wieder. Aber vielleicht, weil die Autofahrt zu lang war oder das Wiedersehen mit dem fröhlichen, immer in seiner Welt wandelnden Horst ein Labsal ist, vielleicht, weil ich mit nem Bier dasitze, entschließe ich mich, eine liebe Sms an Alex über Carls Nummer zu senden: Sei nicht böse Alex, ich kann nicht anders, bist ne Liebe, bitte weiterleiten. Carl schickt ein okay und wenigstens die haben jetzt ihre Ruhe. Horst lacht sich kaputt: „Jaja, du und der Carl…“ „Dieser Idiot hat gerade nen Totalschaden verursacht, sage ich, den lass ich am höchsten Mast baumeln, bis er mal von seinem Carl-der-Gönner-Kurs wieder runter kommt. „Eu jeu jeu“, macht Horst und arrangiert seine drei Biere für den Abend zum Dreieck. Dann nippt er von jedem den Schaum ab. „Hach, dit is ne Wohltat, aber jetzt mal ehrlich Leo, der Carl is ja ooch n Pfiffikus. Weeste noch? Mit die Apfelbäume wo wa ruff sollten? Keenen von uns hat die Frau da uff de Leiter jekricht. Dit war der Carl.“ Ja, ja, sage ich. „Und dit mit die Stühle?“ Jetzt romantisier mal nicht auf alte Zeiten. „Mensch, ne Frau ausjespannt, Leo, dazu jehörn immer zwei.“ Was? frage ich, hab dir doch gar nichts erzählt. „Leo, Leo. Ick kenne dein Gesicht, jetzt haste gerade dein Ick-bin-ausgespannt-Gesicht. Die Kleene hat dit eben spitz jekricht, der Carl prahlt ihr den Carl.“ Sagt die Schnalle auch noch in der Fußgängerzone, hi, hi, der Carl hat doch Geld, das soll er mal schön für uns ausgeben, als ob ich kein Geld hätte. „Mensch Leo, du baust ja hier ne richtige Konkurrenz uff.“ Mensch Horst, der Carl weckt in mir Gefühle, die ich nicht mehr haben will – versteh doch. „Wie? Ick wär dankbar wenn der in mir Gefühle wecken würde, die ick haben will.“ Nein, Horst, Nein. Gier, Neid, Competition, das war alles so schön weg und, scheiße Horst – hier werde ich weinerlich - jetzt sind sie alle wieder da. „Wie, Leo, weinst du jetzt um den Carl? Is ja niedlich. Is bei mir ooch so. Denkste die schnieken Kellnermädchen in meinen Steakhäusern machen mir Dickem schöne Oogen, weil ich nett bin? Mensch die riechen dit doch, der Horst, dem jehört dit janze, der hat die janze Kette. Da machen die uff Klette, den schnall ick mir uffs Bette. Naja, nur dit der Horst nich blöde is. Denk mal, mit die Stühle, im Umweltgarten und dit war doch immer so heiß da. Wir stehen wie die Angewurzelten zu acht, stell dir mal vor, acht Gehirne ohne Planung. Vor der offenen Garage und die Stühle sind bis zur Decke gestapelt eingeklemmt. Und keiner kommt drauf wie wir die da rauskriegen, nur der Carl.“ „Was hat er denn gemacht? Ich war nich dabei!" „Na klar warst du dabei, du wärst da auch nicht drauf gekommen. Der Carl geht rein in die Garage, sieht dit halb offene Garagentor, misst dit mit m Ellenbogen aus und sagt: Ich hab`s, wir machen das Garagentor zu. Dann entsteht Platz, genau der Platz, den das unters Dach geschobene Tor den Stühlen raubt, und wir räumen die Stühle von oben ab, da aus dem Stapel. Oder der Kleinbus. Da hat der Carl alles wieder rausgenommen und noch mal von vorne reingestapelt, so viel haben die noch nie mit einer Fuhre transportiert, ne, ne, Leo, der Carl is n pfiffiger. Musste schon mal zugeben.“ Mir reicht Horstens Geseiere. Ich sehe dem jetzt nicht weiter den ganzen Abend zu, wie er jedes der drei Gläser immer im gleichen Höhenspiegel abtrinkt, klopfe ihm auf die Schulter, war gut mit dir zu reden, Horst. „Ja, Leo, kühl dich ab, isses doch nicht Wert in unserer kleinen Schlampenwelt den Beleidigten zu spielen.“ Nach dem Bier geh ich noch mal los, kauf dann aber trockenen Weißwein, und beschließe: Mit Bier ist Schluss, weniger Kalorien, wenn schon saufen, dann eben dieses geschmacklose Zeug, du bist zu fett. Trotzdem stehe ich am nächsten Morgen sehr, sehr früh auf und wandele mit Donald Duck durch den Tiergarten. Beim anschließenden Kaffeetrinken denke ich: Was ist nur mit mir los? Stimmt es wirklich, dass die Einen die ganze Zeit nur an Sex denken und die Anderen nicht? Und die Anderen bin ich? Und weil die das alle so machen, isses gut und ich bin der Idiot? Verdammt, die ganze Welt jammert, erst recht in Berlin, jammer, jammer, jammer, alle sind so kalt, so schroff, so unnahbar - aber da draußen sitzen sie wie die gekrönten, als würd nur ich das merken. Habe ich mir das geil sein auf der Straße etwa abgewöhnt? Um nicht von den wesentlichen Dingen abgelenkt zu sein? Das muss doch furchtbar sein, nur noch auf den Kontakt mit anderen Weibchen zu lauern, seine ganze Zeit danach auszurichten, statt mal den Himmel betrachten, die Fassaden der Häuser, Krähen beim Ausräumen der Mülleimer. Aber noch mehr Kopfzerbrechen bereitet mir das Grübeln. Dieses nicht aufhören wollende Nachdenken über diesen einen Abend, diesen Vorfall. Diese Idioten haben mich blockiert, immer wieder sehe ich dieses Bild vor mir, wie die zwei da seelenruhig im Bett nebeneinander liegen. Ich werde tagelang, wochenlang, keinen klaren Gedanken mehr fassen können, vielleicht jahrelang, das darf nicht geschehen. Ich steigere mich da noch rein, und langsam denke ich: Ich will das auch, aber warum nur? Dann kommt schon wieder Horst vorbei: „Du Leo, der Michi macht Wohnungsauflösung, dem helfen wa jetzt und stauben da wat ab.“ „Aber Horst, du besitzt ne Restaurantkette, du bist schon wieder drauf wie im Umweltgarten!“ „ Ach, dit macht doch so nen Spaß“, klagt Horst, „kaufen kann doch jeder Arsch.“ Also ziehen wir los. Ich kenn diesen Michi gar nicht. „Is genau so n kleiner wie du.“ „Danke, Horst.“ „Bitte, Leo. Einmal am Tach muss ma ooch ehrlich sein.“ Aber doch nicht zu mir. „Na klar Leo, gerade zu dir, ick spann dir keinen aus, bin doch dein Freund.“ Dieser Michi räumt seinen Kleiderschrank leer, lauter Hemden. Achtlos fetzt er jedes vom Bügel, nie getragen, immer nur gekauft, wirft sie auf’s Bett, schimpft in tiefer Brummestimme: „Ick hau ab hier, hab die Schnauze voll von die Berliner, diese Brennnesseln: kann ick ooch, kann ick besser, die spinnen doch. Hier Leo, nimmste - allet Markenware, Himmelblau, Seidenschwarz.“ „Mir stehen keine Hemden.“ „Stell dich nich quer, du ziehst n T-Shirt an und Hemd offen drüber, gleich isser schick.“ Genauso mach ich’s. Da Schwarz keine Farbe ist, nehme ich Weiß, dazu Hosen in beige, gehe noch zum Frisör für Kurzhaar und siehe da, Leo sieht schick aus. Und wenn außen gut ist, sortiert man sich auch von Innen wieder. Und plötzlich weiß ich, was ich will, das hau ich denen jetzt vor den Kopf, alles nur ficki ficki, die spinnen wohl.

13 Abschied von den Bäumen – Berliner Morgenpost, 26. Oktober 2012. Seite 13, Rubrik Berlin: Kein Geld , kein Baum. Der Artikel zählt auf: Beliebteste Bäume: Linde. Spitzahorn, Kastanie. 440.000 Bäume säumen die Straßen, jährlich werden durchschnittlich 1500 entfernt. Hundeurin, Streusalz, Klimawandel, schädigen die Bäume, auch Autofahrer beim Einparken, Radfahrer die mit ihrem Rad die Rinde ritzen. Jede Schadstelle ist eine Einfallspforte für Pilze. Auch für Unterhalt und Pflege fehle das Geld. Von 2005 bis 2011 wurden nur in Kreuzberg und Friedrichshain mehr Bäume gepflanzt als gefällt. Zwischen 2005 und 2010/11 wird der Verlust auf 10.359 Bäume beziffert.

 

Die Forderung

„Ich will meine vier Tage zurück!“, brülle ich ins Telefon. Leo der Löwe. „Jetzt reg dich mal ab“, ist Carl ganz ruhig. „Meine vier Tage mit Alex will ich wiederhaben!“ Carl stellt sich blöde: „Soll die jetzt noch mal mit dir einkaufen gehen?“ „Nein, nein, so einfach kommt ihr mir nicht davon. Die fährt gefälligst nach Berlin und dann wird Alex-Mäuschen in meiner Wohnung mit mir kuscheln, einschlafen, aufwachen, Sex haben und eben alles vier Tage lang, damit ich das Bild aus meinem Kopf kriege, wie ihr da im Bettchen liegt, nachts um vier, damit ich endlich in meinem Kopf Ruhe habe, dann bin ich reingewaschen und wir können diesen blöden Film drehen.“ „Mach was du willst“, ist Carl nun sogar gelangweilt. „Die Welt dreht sich nicht immer, wie du willst.“ Das macht mich noch wütender und ich brülle weiter: „Danach ist sie für mich ein gebrauchtes Stück, fauche ich, dann interessiert sie mich nicht mehr. Ich schreib das jetzt alles auf, aus euch mach ich Comic–Figuren, Ihr Idioten, jeden Donnerstag schick ich euch meine Schreibe, alles schön chronologisch, und denk dran, Carl, der Leo kann den letzten Dreck veröffentlichen, die kaufen den Scheiß. Ich lege auf, bin sauer. Dann sauer, dass ich sauer bin und Carl meine verwundbare Stelle verraten habe. Was kann der Carl dafür dass er den Sex – Protz – Auto – Porno – Ich kenn den Berli – Angeber spielt? Porno macht doch Spaß, ist doch schön mal anzugeben. Was stört mich jetzt wieder daran? Und was heißt hier, ich schreib das auf? Nix hab ich aufgeschrieben. Warum eigentlich nicht? Wenn mich auf der Landstraße mit Alex das Quatschen gerettet hat – und jetzt habe ich keine Landstraße und keine Alex mehr – dann rettet mich vielleicht jetzt das Schreiben. Und schreiben kann doch jeder. Jetzt mach ich mal, was jeder kann. Schreiben ist Schwerstarbeit, stelle ich fest. Das anfängliche Saufen von Wein führt zu Tippfehlern, das Korrigieren hemmt meine Denkmaschine. Daher saufe ich wieder Wein, noch mehr Fehler. Ich gehe jeden Morgen spazieren und bleibe fit, denn nach sechs Stunden Sitzen tut einem schon der Rücken weh. Ich laufe sogar etwas, versuche es auf dem Rasen, meine Beine fühlen sich die ersten Tage an wie Beton, aber das regelmäßige Aufstehen lässt mich in eine Art Kampfeshaltung geraten, ich steuere schon immer mit ausgestreckten Armen auf meine Haustür zu, bringe die Kampfgreifer beim Treppensteigen in Stellung wie Greifarme, damit ich gleich am Rechner die Tastatur bearbeiten kann. Die Schuhe schaben die Treppenstufen ab, ich kann gar nicht schnell genug hoch, wie ich hinauf will. Wer im vierten Stock wohnt, merkt natürlich erst auf der untersten Treppenstufe, dass er was vergessen hat. Dann muss man noch mal hoch. Mit der Zeit merke ich: das macht fit und vergesse absichtlich was. Am frühen Vormittag trinke ich draußen meinen Kaffee, dann schreibe ich, gehe erst wieder um 19.30 Uhr runter, pendele erneut beim Café vorbei, hole liegengelassene Zeitungen, das ist mein ganzer Kontakte mit der Außenwelt in den nächsten Wochen: „Kann ich die haben?“, mehr rede ich nicht14. Oliven, schwarz, das knabber ich den ganzen Tag, sonst nichts. Sonst nichts wird mein bestimmender Gedanke. Schaufel die Oliven nur so in mich rein. Diese Selbstkasteiung macht zunehmend süchtig, weil man endlich mal wirklich loskommt von allem, man fühlt sich wie Lawrence von Arabien, ein Peter O`Toole in Reinkultur und will noch besser werden als er, ihn übertreffen. Das geht natürlich nicht, aber irgendeinen Maßstab muss man ja haben. Alle zwei Tage esse ich gar nichts, der eigene Körper wird sozusagen zum Empty Room, alles Völlende lasse ich weg, kommt wirklich mal so etwas wie ein Hungergefühl auf, dann ist das ja gar kein richtiger Hunger15, „it`s all in your Head“, dann zerbeiß ich eine rote Peperoni, das Zeug is so scharf, dass die Zunge erstmal durchs Zimmer tanzt, aber da vergeht einem der Appetit und man fängt an zu schwitzen. Dann merkt man, dass die rote Peperoni eigentlich eine Chili ist und ihr Inhaltsstoff, Capsaicin, den Körper regelrecht von innen auffrisst. Das gleiche gilt für Knoblauch, man spürt förmlich wie er durch die Gefäße rennt und allen Dreck einsammelt damit er sich nicht an den Thrombozyten festsaugt. Wer beim Reinbeißen in die rohe Zehe nicht mindestens ein Gefühl für den eigenen Mundraum entwickelt, sollte die Marke wechseln, das Zeug muss brennen, verbrennen. „In unserer Gesellschaft werden die Leute zu sehr verhätschelt, deshalb sind sie so gelangweilt“ plärren mir irgendwelche Metal–Buben 16 auf arte vor, das kann ich mit jedem Bissen nur unterschreiben. Abnehmen funktioniert von innen. Schwitzen ist Wasserverlust und daraus bestehen wir nun mal hauptsächlich. In ne blöde Sauna gehen ist mir zu eklig, kann nackte Menschen nicht ausstehen, da zieh ich mir lieber nen Winterpullover an im Hochsommer, aus Schafswolle, darüber ne Thermojacke, da schwitzt die Haut zu Zwiebelpapier, bis der Schweiß Pfützen hinterher schleppt wie Linus17 seine Schmusedecke. Winterpullover mit Brustreißverschluss vertikal, darunter T-Shirt, V-Ausschnitt, dunkel, keine Jacke, das kommt sexy. Is ne alberne Annahme, alles was glänzt oder glatt daherkommt mache von alleine sexy. Der fellige Pullover lässt einen bei hohen Temperaturen gemütlich schwitzen, man badet in der eigenen Suppe, die einem vom Kopf hinter den Ohren am Hals herunterläuft. Die Nässe der Nackenhaare lässt einen jede leichte Brise fühlen. Der Reißverschluss dient zur Betonung des Halsansatzes. So jogge ich nicht nur täglich bei 35 Grad durch den Tiergarten, ich behalte das Ding einfach den ganzen Tag an, in meiner Dachkammer. -- Peperoni machen süchtig, Schmerz macht süchtig. Nach ein paar Tagen gewöhnt man sich an die Schärfe und kann selbst Knoblauchzehen roh essen, bis man täglich ne Knolle verdrückt. Dann merkt man erst, was für ne Lullersoße Hefeweizen Bier war, das soll mal schön dieser Waldi18 saufen, dem steht wenigstens auch das Fettsein. Der trockene Weißwein kitzelt den Magen, man fühlt sich schlecht, es schmeckt nach gar nichts - also beste Voraussetzung zum Schreiben. Ich habe mich auf nen Kalifornischen Chardonnay festgelegt, schneide Limetten in Scheiben, die schwimmen in meinem Weinglas als Geschmacksirgendwas. Kombiniert man Krautsalat mit Weißwein, springt einem der Magen im Dreieck, weil Säure und Essig sich überhaupt nicht vertragen, merke ich. Wieder steigt diese Wärme im Körper auf, man denkt, genau, jetzt musst du dir was Gutes tun und beginnt zu schreiben. Ich nutze das wieder aufgenommene Weingesaufe und die Übermüdung als meine Droge. Selbst wenn ich um 1.30 Uhr ins Bett gehe, stehe ich um 4.45 Uhr wieder auf, ziehe meine Turnschuhe an und los. Das Spazierengehen dient zum Entzug der Droge. Einlassen, Ablassen, neu aufbauen, sonst kommt man in diesen Kick-Kreislauf und da passiert dann gar nichts mehr. Das scheiß Buch wird mir den Sommer rauben, den Sommer 2012, stelle ich fest, schon wieder. Während die anderen am See liegen, macht der Leo Kunst, diesmal schreibt er einen Porno-Roman. Aber die Vorstellung treibt mich an, ich erhöhe mein Schreibtempo fast täglich. Die Vorstellung macht mich kirre, dass die beiden, Carl und Alex, am See liegen, er sich in sie reindrückt, tiefer und immer öfter, und schließlich beide anfangen zu lachen: Der Leo is doch `n Dummkopf, und Alex sagt: „Noch ein Stößerchen für Leo, Carl, ist es nicht wunderschön hier?“ „Bringt mir das kleine Arschloch her“, schimpft der Produzent, „bevor ich hier in Mitleid ersaufe!“ Er steigert seine Stimmlautstärke bis zu einem hochroten Kopf. Auf seiner Bettdecke thront sein wieder aufgetauchter Laptop. „Ich sage dir Carl, die stecken dich in den Knast, so völlig humorlos, und dann wird’s kein lustiges Klaviervorspielen mit Berlusconi mehr geben!“ „Wir tun ja was wir können“, versucht Carl zu beschwichtigen. „Leo stellt eben Bedingungen.“ „Was denn für Bedingungen? Ich bin der Produzent, ich bin die einzige Bedingung. Ist der bekloppt geworden? Der soll seinen Text lernen, der kleine Blödmann!“ „Er will, dass ich vier Tage mit ihm schlafe“, purzelt es Alex heraus. Der verfettete Produzent sieht die dünne Alex an, zupft an seinem Hosenträger und fragt: „Dich dürres Gestell? Mit was denn? Der kommt doch bei dir hinten wieder raus.“ „Jetzt werd mal nicht frech, du Fettsack“, poltert Alex zurück. „Ihr meint, der kleine Spinner hat sich in deine dürre Freundin verkuckt, Carl?“ „Na ganz so wissen wir`s nich, aber müssen wa doch hier nicht alles ausarbeiten oder?“ „Müssen wa sehr wohl“, schreit der Produzent, Krümel spuckend. Carl merkt, da zeigt sich ihm einer, der die ganze Last eines Studiosystems auf sich trägt. Der Produzent wird leise, fasst sich: „Eure Kinderkacke kostest nur 200 Millionen, is aber gekoppelt in nem Paket, da hängt halb China dran, und“, weint er nun fast, „die Kanadier sind auch mit drin.“ „Kanadier?“ stutzt Alex, die jetzt an den Schuhladen denken muss, die Lunge, dieses Gefühl an ihrer Wade, die kleine Frau. „Ja, die sind von stupender Gelehrsamkeit, erstaunliches Wissen. Da reden alle von den Deutschen, aber die Kanadier, da bringt jeder Typ quasi sein eigenes Labor mit, das sind wandelnde Analytiker, die Bäume fällen können, ne ganz gefährliche Kombination. Und der Chinese, na viel Spaß, Carl, euch beide möchte ich sehen in Gefängniskleidung. Die kommen alle zum Treffen nach Berlin, da habt ihr, Du und Leo, gefälligst freudige Pfannekuchen zu mimen, wir präparieren schließlich jetzt schon an der Preview-Party rum, in zwei Monaten, ein Riesending!“ Alex´ und Carls Augen weiten sich. „Zwei Monate? Wir haben doch noch gar nichts gedreht.“ „Is doch scheißegal“, raunzt der Produzent, „ihr seid ne Marke, da braucht man kein Produkt, mit was für Hirnakrobaten habe ich`s hier eigentlich zu tun?“ Dann Stirnfalten: „Stellt der das Geschreibe etwa ins Internet? Dann bin ich erledigt!“ „Nein, der Leo hat doch kein Internet. Kennste nich sein berühmtes Bild? `Seit Februar 08 kein Internet´?“ „Nee, Bilder kucke ich mir nur beim Film an.“ Und nach einer Pause: „Na dann fährt die Kleine da eben hin, wenn er sonst nicht drehen will. Soll er vier Tage in ihr rumbohren und dann ab mit dem Leo - hierher. Wo is das Problem?“ „Wo das Problem liegt?“ schimpft Alex später in der Kneipe. „Das fette Produzentenarschloch hat wohl vergessen, dass der Leo schon gar nicht mehr weiß, wie sich ne Frau anfühlt. Vielleicht bricht der mir da noch irgendwas ab mit seinen Turnübungen. Ich schlaf nicht mit Männern, die kleiner sind als ich, schon aus Prinzip nicht! Könnt ihr den Produzenten nicht rausschmeißen? Dann dreht ihr den Film eben nicht.“ „Ach Lexi“, stöhnt Carl, „wir haben den Film doch fett verkauft.“ „An den Fetten? Wie blöd muss man denn sein, seinen eigenen Film zu verkaufen?“ „Wir dachten, wir brauchen Geld.“ „Geld? Du kaufst doch hier die Theater und machst daraus ne Rollerbahn!“ „Na immerhin kann Mücke uns aus Dankbarkeit nicht auch noch abhandenkommen. Du siehst ja, du hast den eingewickelt wie ne kleine Circe, also hast du schon was gut zu machen.“ Alex aufbrausend: „Gutmachen? Dankbarkeit? Sind das deine kleinen Abhängigkeitsverhältnisse, die du hier jedem aufdrückst? So läuft das also. Du schickst die in Schuldgefühle, und dafür… Ich versteh bald gar nix mehr, Carl, ich frag mich, ob der Leo mir langsam leid tut, oder ob ihr beide ne Macke habt.“ „Tut uns leid wir ham ne Macke.“

14 Nu ein einziges Mal fragt mich eine, ob ich das ernst meine, im dicken Pullover unterm Fleece im Hochsommer rumzulaufen. Ich denk, reagierste gar nich, will dann aber nicht arrogant erscheinen. Als ich ihr erkläre, ja ich will mein Restfett wegkriegen durch Schwitzen lacht sie, is ne Polin, schüttelt den Kopf. Das sei doch aber… Nein, sage ich, das ist herrlich wenn dir so die Suppe runterläuft, im Nacken, auf dem Rücken, du schwitzt wie wahnsinnig… machste doch beim Sex auch? Da beschwert sich keiner… sie lacht und lacht… komisch, denk ich, die Polinnen kennen sich doch mit allem aus. Wollen die nich schwitzen? Danach hat nie wieder eine in dem Café gefragt und ich hab auch nie wieder geantwortet.

15 Hunger. Es ist niedlich in einem Land wie Deutschland, einer Industrienation, von Hunger zu sprechen. Den Gebrauch dieses Wortes sollte man hier verbieten. Menschen, die sich öfter als dreimal am Tag was in den Mund stopfen, plärren ich hab Hunger. das ist höchstens Fressgeilheit. Weil die ganzen artifiziellen Stoffe in der Nahrung natürlich im Hirn andocken, man hat genau um 22.12 Uhr Appetit auf einen Burger, weil man einen Abend zuvor zu genau dieser Uhrzeit einen gegessen hat, wer das nicht rafft hat sich nicht im Griff, sollte erstmal n Monat auf ner Müllverbrennungsanlage giftige Gase einfauchen. Familien jammern, die verfettet auf ihren Sofas sitzen, dass sie sich jeden Café und Kuchenbesuch gut überlegen müssen, da will man in sie hineinschreien: Nein, wir machen jetzt für euch alle Supermärkte einen Monat lang zu. Und dann seid ihr immer noch zu fett. Ihr müsst nicht 3 Kilometer bis is zum nächsten Wasserloch laufen, und dabei schon euer nächstes Kind austragen, weil das, das ihr an eurer Hand führt, jeden Moment umkippt und unter der gleißenden Sonne ausgemergelt verdorrt. Euch sollte man die Toiletten sperren, in der Wildnis kacken lassen, viel zu schade, öffentlich in der Fußgängerzone, damit ihr euch jeden Bissen vorher genau überlegt, statt Kuchen kriegt ihr Sauerkraut zwischen die Zähne geschossen und wenn ihr euch nochmal beschweren wollt, schicken wir kein Kamerateam zu euch. sondern ihr müsst dann zu denen und zwar mindestens 30 Kilometer laufen zu Fuß und jedem der in diesem Land noch einmal sagt. ich habe Hunger, werde ich mit einem abschließend säubernden Zahnstocher... also haltet die Klappe, Leute, und hungert um Hunger zu haben.

 

16 Buben – die Heavy Metal Jungs auf arte, die da endlich mal was intelligentes aus dieser Richtung sagen ‘schaltet das Radio aus und den Scheiß Typen ab’, nennen sich ‘Black Rain’. Arte – Tracks – 17. November 2012, 22:35 – 23:30 h, Samstag.

17 Linus - Charles Monroe Schulz hat mit Charlie Brown, Snoopy, Lucy, Linus und Schröder wunderbare Figuren in einfachem Strich voller emotionaler Regungen erschaffen. Als das farbig wurde langweilte es mich. Auf dem Flohmarkt erwische ich ab und an noch die ersten kleinen Taschenbücher, in Englisch, das kann man immer wieder durchblättern.

18 Waldi – Waldemar Hartmann – bayrischer Sportmoderator, früher noch mit Schnurbart, der beleidigt eine Ein Jahres Verlängerung seines Vertrags für seine Waldi’s Klub Macho-Verblödungszeitverschwendungssendung abgelehnt hat. Den wollten sie schon jahrelang aus dem Fernsehen drängen, drückte sich da mit Führsprechern aber immer wieder rein, wahrscheinlich hat er die kästenweise mit Weißbier abgefüllt. Sein historischer Nachspielbetrachtungsstreit mit dem deutschen Fußballnationaltrainer Rudi Völler nach einem grottenschlechten Islandländerspiel ist ihm aber herzlichst zu verdanken, als dieser Trainer Völler ihn an mault, er stelle hier Fragen als trinke er zuviel Weizenbier, antwortet der Waldi reaktionsschnell: „Auf Island gibt’s kein Weizenbier.“ Jetzt isser weg, man sieht, Fußball is ne Geldmaschine, wo’s um Geld gibt, wird der Humor nicht verlängert.