Öffentliches Wirtschaftsrecht

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c) Erlöschen der Erlaubnis, insbesondere durch Widerruf

314

Als Verwaltungsakt ist die Erlaubnis so lange die Grundlage für die Ausübung des Gewerbes, bis sie erloschen ist oder widerrufen wurde. Eine Gewerbeerlaubnis ist regelmäßig personengebunden. Daraus folgt, dass die Erlaubnis nicht übertragbar ist, sondern mit dem Tod des Inhabers bzw der Auflösung der juristischen Person[368] erlischt. Weitere Erlöschensgründe sind Rücknahme und Widerruf sowie Verzicht[369]. Raumgebundene Erlaubnisse (wie etwa die Spielhallenerlaubnis) erlöschen auch bei wesentlichen Veränderungen der genehmigten Räumlichkeiten oder einem Wechsel der Betriebsstätte. Für den Widerruf gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 48 f VwVfG. Der Widerruf der Erlaubnis ist als solcher nicht vollstreckungsbedürftig, sondern verlangt vom Gewerbetreibenden die Einstellung seines nicht (mehr) genehmigten Betriebes. Er ist allerdings auch nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar, sondern ermächtigt die Behörde dazu, einen Gewerbebetrieb, der dann ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wird, auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 GewO zu schließen (s. Rn 315).

Beispiel:

Betreibt A mit der erforderlichen Erlaubnis nach § 33i GewO eine Spielhalle und duldet er in seinen Räumen den Vertrieb von Betäubungsmitteln, kann eine Untersagung nicht auf § 35 GewO gestützt werden, s. § 35 Abs. 8 S. 1 GewO. Die Behörde muss vielmehr die Spielhallenerlaubnis widerrufen. Da es in § 33i GewO keine Spezialregelung gibt, sind die allgemeinen Vorschriften anwendbar, konkret der Widerrufsgrund des § 49 Abs. 2 S. 1 Nr 3 VwVfG[370]; gem. § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG gilt auch die Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG[371]. Die Behörde entzieht die Genehmigung, wenn sie diese nach der jetzigen Sachlage gem. § 33i Abs. 2 Nr 1 iVm § 33c Abs. 2 GewO wegen Unzuverlässigkeit des A nicht hätte erteilen dürfen. Ein Widerruf der Erlaubnis ist nur möglich, wenn mildere Mittel wie Auflagen nicht ausreichen. Gegen einzelne Verstöße, etwa die Duldung Jugendlicher unter Verstoß gegen § 6 Abs. 1 JuSchG, kann auf der Grundlage des POG eingeschritten werden (s. unten Rn 321).

d) Einschreiten gegen nicht erlaubte (aber erlaubnispflichtige) Betriebe

315

Wird ein Gewerbe ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben, kann die Fortsetzung des Betriebes gem. § 15 Abs. 2 GewO untersagt werden[372]. Die Vorschrift setzt also die Genehmigungsbedürftigkeit des ausgeübten Gewerbes voraus; bei bloß anzeigepflichtigen Gewerben kommt eine Verhinderung der Fortsetzung des Betriebes nach § 15 Abs. 2 GewO nicht in Betracht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Einschreitens gem. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ist die letzte mündliche Tatsachenverhandlung und nicht die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung[373] (zu den Gründen für die Abweichung von § 35 GewO s. Rn 292 ff).

§ 15 Abs. 2 GewO ist nicht nur auf das nach der GewO genehmigungsbedürftige (stehende) Gewerbe anwendbar[374], sondern auch in allen Fällen, in denen Spezialgesetze keine Vorschriften zur Gewerbeuntersagung enthalten. Dies betrifft verschiedenste Spezialmaterien[375] und vor allem auch das GastG, so dass im Anwendungsbereich des Bundesgesetzes die Fortsetzung des Betriebes gem. § 31 GastG iVm § 15 Abs. 2 GewO verhindert werden kann (s. Rn 453). Allerdings setzt dies voraus, dass es sich überhaupt um eine (gewerbliche) Tätigkeit handelt, die nicht vom Anwendungsbereich der GewO ausgenommen ist, wie es insbes für heilberufliche Tätigkeiten der Fall ist. Damit kann zB gegen das Piercen unter Betäubung nicht auf der Grundlage des § 15 Abs. 2 GewO eingeschritten werden[376]. Im Zusammenhang mit der Prostitution ist zu unterscheiden: Während das Gewerberecht auf die persönliche Ausübung der Prostitution nach § 6 Abs. 1 S. 1 GewO keine Anwendung findet, kann gegen sog. Prostitutionsstätten nach dem ProstSchG nach § 15 Abs. 2 GewO eingeschritten werden[377]. Besondere Schwierigkeiten stellen sich an der Schnittstelle zwischen Bundes- und Landeskompetenzen, insbes Glückspielrecht. Es ist umstritten, aber im Ergebnis nur auf der Grundlage des jeweiligen Landesrechts zu entscheiden, inwieweit § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr 3 GlüStV als Rechtsgrundlage für ein Einschreiten in Betracht kommt[378]; andernfalls greift § 15 Abs. 2 GewO[379]. Eigene Vorschriften enthalten nicht nur die HwO, sondern auch das – aus der GewO „herausgewanderte“ – BImSchG in § 20. Ein Einschreiten auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 GewO scheidet immer auch dann aus, wenn die Erlaubnispflicht im konkreten Fall aus unionsrechtlichen Gründen entfällt (vgl zum Bewachungsbewerbe ▸ Klausurenkurs Fall Nr 5).

316

Bei der Schließungsverfügung ist vor allem der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, so dass eine völlige Schließung nur als ultima ratio in Betracht kommt. Milderes Mittel kann eine Teilschließung sein, die ebenfalls auf § 15 Abs. 2 S. 1 GewO gestützt werden kann. Beide setzen voraus, dass Auflagen nicht ausreichen. Eine Betriebsuntersagung wäre unter diesen Umständen nur dann rechtmäßig, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass Auflagen nicht ausreichend sind, zB weil der Antragsteller angekündigt hat, sie nicht einzuhalten.

317

Die Entscheidung nach § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ist ein Verwaltungsakt. § 15 Abs. 2 GewO ist allerdings nur die Rechtsgrundlage für die Schließungsverfügung, nicht für anschließende Vollstreckungsmaßnahmen[380]. Wird der auf § 15 Abs. 2 GewO gestützte Verwaltungsakt nicht befolgt, kann er auf der Grundlage des LVwVG vollstreckt werden (dazu Rn 324 ff).

Da die Schließungsverfügung keine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung ist, haben Widerspruch und Anfechtungsklage gem. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung[381]. Ein Anspruch Dritter auf Einschreiten bzw jedenfalls eine fehlerfreie Ermessensentscheidung über ein Einschreiten ist nur im Zusammenhang mit drittschützenden Vorschriften denkbar. Drittschutz vermitteln Erlaubnispflichten, die tatbestandlich an den Schutz der Nachbarschaft anknüpfen (zB §§ 33a Abs. 2 Nr 2; 33i Abs. 1 GewO)[382].

e) Sonderfall: Zulässigkeit einer Maßnahme nach § 15 Abs. 2 GewO bei bloß formeller Illegalität?

318

Häufig stellt sich auch in der Praxis das Problem, ob es für das behördliche Vorgehen eine Rolle spielt, wenn ein Gewerbe zwar ohne die erforderliche Erlaubnis betrieben wird (also formell illegal ist), die materiellen Genehmigungsvoraussetzungen aber vorliegen[383]. Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 2 S. 1 GewO ist einzige Voraussetzung der Betrieb eines zulassungspflichtigen Gewerbes ohne die erforderliche Zulassung. Allerdings handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, bei der insbes der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Die Lösung dieses Problems ist deswegen umstritten. Nach einer Ansicht genügt die formelle Illegalität für ein auf § 15 Abs. 2 GewO gestütztes Einschreiten[384]. Die wohl überwiegende Rechtsprechung und Literatur halten bei der nur formalen Rechtswidrigkeit eine Stilllegungsverfügung jedenfalls dann für unzulässig, wenn die Genehmigung entweder schon beantragt ist oder alsbald beantragt werden wird und ausreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorliegen bzw dem Antrag mit Sicherheit stattgegeben werden müsste[385]. Entsprechendes soll gelten, wenn der Gewerbetreibende einen Antrag auf Genehmigung gestellt hatte, dieser aber nicht beschieden oder erkennbar zu Unrecht abgelehnt wurde[386]. Wenn ein Gewerbetreibender sich allerdings dauerhaft weigert, eine nach Ansicht der Behörde erforderliche Genehmigung zu beantragen, ist die Schließungsverfügung die einzige Möglichkeit der Behörde, eine Klärung des Sachverhaltes zu erreichen[387]. In einem solchen Fall kann eine Schließungsverfügung also auch dann ergehen, wenn es sich um ein nur formell illegales Gewerbe handelt. Im Übrigen wären Schließungsverfügungen bei bloß formeller Illegalität jedoch unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

 

Diese differenzierte Sicht verdient angesichts des Art. 12 GG Zustimmung. Daher dürfen auch die Anforderungen an die materielle Prüfung nicht überspannt werden[388]. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt außerdem ein gestuftes Vorgehen: Zunächst ist der Gewerbetreibende dazu aufzufordern, einen Antrag zu stellen. Erst wenn dieser weiterhin ausbleibt, ist die Behörde als ultima ratio zum Einschreiten nach § 15 Abs. 2 GewO berechtigt. Zu weitgehend erscheint es allerdings, von der Behörde zu verlangen, dass sie sogar mit einem Bußgeldverfahren auf das Stellen eines Genehmigungsantrags hinwirkt[389]. Nicht überzeugend ist es in diesem Zusammenhang, wenn das BVerwG bei Klagen gegen erledigte Untersagungen das Fortsetzungsfeststellungsinteresse verneint[390].

f) Feststellende Verwaltungsakte

319

Im Zusammenhang mit dem Streit um die gewerberechtliche Genehmigungspflicht bedienen sich die Behörden häufig auch des feststellenden Verwaltungsakts. Auch dieser bedarf einer Rechtsgrundlage[391]. Angesichts der nur rudimentären Regelung des Verwaltungsverfahrens im Zusammenhang mit dem genehmigungsbedürftigen Gewerbe sieht die Rechtsprechung in den Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit zugleich die gesetzliche Grundlage für einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts, dass eine konkrete Tätigkeit genehmigungsbedürftig ist.

4. Gewerberecht und allgemeines Polizeirecht am Beispiel des genehmigungsbedürftigen Gewerbes

a) Einschreiten gegen einzelne Formen der Gewerbeausübung

320

Das Verhältnis von Gewerberecht und allg. Ordnungsrecht wird bei der Fallbearbeitung in mehrfacher Hinsicht relevant und hat einen verfassungsrechtlichen Hintergrund. Zunächst handelt es sich um ein Problem der Gesetzgebungszuständigkeit[392]. Eine Auslegung des Polizei- und Ordnungsrechts als generelle Zulassungsschranke verstieße gegen die bundesrechtliche Regelung des § 1 GewO[393]; soweit auch das Gewerberecht in die Kompetenz der Länder fällt, ist zu differenzieren (s. schon Rn 168), Schranken ergeben sich aber auch aus dem grundrechtlichen Gesetzesvorbehalt. Durch die Anwendung der Generalklausel auf Einzelfälle darf daher nicht „der Sache nach das getan werden, was der Gesetzgeber hätte tun müssen, nämlich eine verbreitete neue Erscheinungsform der Berufsausübung zu regeln“[394]. Damit kann die Ausübung eines (erlaubten) Gewerbes nicht auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel untersagt werden (zum Einschreiten gegen gewerberechtlich unzulässige Tätigkeiten s. Rn 323 ff).

321

Ohne Verstoß gegen § 1 GewO kann auf der Grundlage des Polizei- und Ordnungsrechts gegen einzelne Erscheinungsformen der Gewerbeausübung vorgegangen werden, solange diese nicht die Ausübung des Gewerbes als solche in Frage stellen, sondern lediglich die Art und Weise der Gewerbeausübung beschränken[395]. Entsprechend steht das Gewerberecht einem Einschreiten gegen Dritte auf polizeilicher Grundlage (zB Personenkontrolle in den Geschäftsräumen) nicht entgegen[396].

Insbes fungiert das Polizeirecht als „verlängerter Arm“ solcher öffentlichrechtlichen Vorschriften, die keine eigenständigen Befugnisse zum Einschreiten vermitteln. Dies gilt insbes für den Jugendschutz. Gem. § 6 Abs. 1 JuSchG darf Personen unter 18 Jahren die Anwesenheit in öffentlichen Spielhallen oder ähnlichen, vorwiegend dem Spielbetrieb dienenden Räumen nicht gestattet werden[397]. Hier kann zunächst auch auf der Grundlage des POG (Verstoß gegen JuSchG als Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit) gegen einzelne Verstöße vorgegangen, aber die Spielhalle nicht geschlossen werden. Dies würde zunächst einen Widerruf der Spielhallenerlaubnis nach der GewO voraussetzen (s. Rn 314). Die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung lässt ein Einschreiten auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel auch dann zu, wenn das entsprechende Verhalten zum Gegenstand von Auflagen gemacht werden kann[398]. Demgegenüber wird (im gaststättenrechtlichen Kontext) die Durchsetzung von Rauchverboten nach Landesnichtraucherschutzgesetzen mit der polizeirechtlichen Generalklausel abgelehnt. Dem Betreiber könnten auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 S. 1 Nr 1 GastG nachträgliche Auflagen erteilt werden, was den Rückgriff auf die polizeirechtliche Generalklausel versperre[399]. Hier ist daher zu differenzieren. Der Polizei sind lediglich vorläufige Maßnahmen zu gestatten, wenn sie etwa bei einer Kontrolle auf Verstöße gegen die entsprechenden Vorschriften stößt. Diese kann nicht nur die konkreten Verstöße abstellen, sondern (soweit dies erforderlich ist) auch eine vorläufige Schließung anordnen[400]. Endgültige Maßnahmen können demgegenüber nur auf der Grundlage des Gewerberechts getroffen werden.

322

Auch in diesen Konstellationen sind die Grenzen der Anwendbarkeit der polizeirechtlichen Generalklausel, vor allem hinsichtlich des Tatbestandes der öffentlichen Ordnung, zu beachten (s. dazu ausführlicher im Zusammenhang mit dem Gaststättenrecht Rn 436).

b) Einschreiten gegen gewerberechtlich unzulässige Tätigkeiten

323

Die kompetenzrechtlichen Bedenken stellen sich nicht beim Einschreiten gegen solche Tätigkeiten, die aus dem Anwendungsbereich des Gewerberechts herausfallen, weil sie „schlechthin verboten“ sind (dazu Rn 216 ff). Gegen diese kann daher auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel eingeschritten werden.

Dies gilt nach der Rechtsprechung zB für die Laserdrome[401]. Bejaht man hier einen Menschenwürdeverstoß (s. Rn 216) und nimmt man außerdem an, dass Art. 1 Abs. 1 GG unmittelbare Drittwirkung zukommt, verstößt der Betrieb gegen die öffentliche Sicherheit (Art. 1 Abs. 1 GG als Teil der Rechtsordnung)[402]. Der Anwendung der Generalklausel steht hier auch nicht der Gesetzesvorbehalt entgegen, weil der Gesetzgeber bei Verstößen gegen Art. 1 Abs. 1 GG keinen Gestaltungsspielraum hätte. Sofern die gewerberechtlich unzulässige Tätigkeit allerdings nicht die gesamte Tätigkeit ausmacht, sich beispielsweise die Zurschaustellung von Personen nicht auf den „Zwergenweitwurf“ beschränkt, muss hiergegen auf gewerberechtlicher Grundlage vorgegangen werden[403]. Gegenüber der kommerziellen Suizidbegleitung ist ein polizeirechtliches Einschreiten infolge der Nichtigkeit der entsprechenden Strafvorschrift aber nunmehr ausgeschlossen (s. schon Rn 116, 216).

5. Die Vollstreckung gewerberechtlicher Verwaltungsakte

324

Fall 26:

Nachdem am Tag zuvor ein polizeibekannter Dealer mit 40g Heroin auf dem Weg in die Spielhalle des K festgenommen worden war, wurde bei der anschließenden Durchsuchung durch Beamte des zuständigen Gewerbeaufsichtsamts auf der Toilette der Spielhalle ein 23jähriger Deutscher angetroffen, der sich gerade eine Heroinspritze setzen wollte. Er gab an, in den letzten 3 Wochen mehrfach Heroin in den Geschäftsräumen des K gekauft zu haben, wobei die Übergabe des Rauschgifts überwiegend in der Toilette erfolgt sei. Die Bediensteten widerriefen daraufhin mündlich die Spielhallenerlaubnis des K. Als dieser sie beschimpfte und zu erkennen gab, dass er sich nicht um den Widerruf kümmern werde, ließen die Beamten das Schloss der Eingangstür durch einen Schlüsseldienst auswechseln. War dies rechtmäßig?

325

Gewerbeuntersagung (§ 35 Abs. 1 GewO) und Stilllegungsverfügung nach § 15 Abs. 2 GewO, aber auch die Aufforderung zur Abgabe einer Gewerbeanzeige (dazu Rn 276) sind Verwaltungsakte, die bei Nichtbefolgung grundsätzlich vollstreckt werden können[404]. Unter dem Gesichtspunkt des Verhältnismäßigkeitsprinzips bestünden Bedenken, den Gewerbetreibenden in all diesen Fällen durch die unvermittelte Betriebsschließung vor vollendete Tatsachen zu stellen. Andererseits kann der Schutz der Allgemeinheit eine solche Maßnahme erfordern. Die Austarierung dieser Belange wird nicht im Gewerberecht vorgenommen, sondern im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung auf der Grundlage des jeweiligen Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes (LVwVG).

a) Die einzelnen Zwangsmittel

326

Zwangsmittel sind nach den LVwVGen Zwangsgeld (mit evtl. anschließender Zwangshaft), Ersatzvornahme und unmittelbarer Zwang; die Gesetze regeln auch mit Unterschieden im Detail die Anforderungen an das Vollstreckungsverfahren. Zwangsgeld, die im Gewerberecht häufigste Form der Vollstreckung, ist die Auferlegung einer Zahlungsverpflichtung, um den Vollstreckungsschuldner zu dem gewünschten Verhalten zu bewegen[405]. Die Verhängung eines Zwangsgeldes bedarf nach den meisten LVwVGen (zB § 64 Abs. 2 rh.-pf. LVwVG) einer (ausdrücklichen) schriftlichen Festsetzung als gesonderter Vollstreckungsakt (mit Einräumung einer Zahlungsfrist). In die Bemessung der konkreten Höhe fließen die Wichtigkeit des von der Verwaltung verfolgten Zweckes, die Intensität des Widerstandes des Betroffenen und seine wirtschaftliche Lage bzw seine wirtschaftlichen Interessen an einem rechtswidrigen Zustand ein[406]. Die Möglichkeit zur Verhängung von Zwangsgeldern und Bußgeldern aufgrund der Ordnungswidrigkeitentatbestände stehen unabhängig nebeneinander. Ersatzvornahme ist die Vornahme einer vertretbaren Handlung durch die Behörde (sog. Selbstvornahme) oder durch einen mit der Ausführung Beauftragten (sog. Fremdvornahme) anstelle und auf Kosten des an sich zur Vornahme der Handlung Verpflichteten[407]. Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, sonstige Hilfsmittel oder auch Waffen. Die Anwendung von unmittelbarem Zwang setzt voraus, dass Ersatzvornahme oder Zwangsgeld nicht zum Ziel führen oder untunlich sind, § 65 Abs. 1 rh.-pf. LVwVG. Schon deswegen scheidet diese Form der Vollstreckung im Wirtschaftsverwaltungsrecht regelmäßig aus[408].

327

Die Vollstreckung erfolgt regelmäßig in einem mehraktigen (gestreckten) Vollstreckungsverfahren. Dem vollstreckbaren Grundverwaltungsakt folgt die Androhung eines Zwangsmittels[409], seine Festsetzung[410] und abschließend seine Anwendung. Die Androhung eines Zwangsmittels ist Verwaltungsakt[411] und damit mit den allgemeinen Rechtsmitteln angreifbar[412]. Widerspruch und Anfechtungsklage haben auch bei der Androhung keine aufschiebende Wirkung[413]. Damit kommt für den Rechtsschutz regelmäßig ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 S. 1 VwGO) in Betracht.

b) Das Verhältnis von Zwangsvollstreckung und Grundverfügung

328

 

Die Vollstreckung bedarf grundsätzlich einer (vollstreckungsfähigen) Grundverfügung. Nach allgemeinen Grundsätzen des Vollstreckungsrechts[414] kann ein Verwaltungsakt nur dann zwangsweise durchgesetzt werden, wenn er unanfechtbar ist, ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat oder wenn die sofortige Vollziehung angeordnet ist.

Die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes ist damit keine Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Zwangsmittels. Es können im Vollstreckungsrechtsschutz nur solche Einwendungen berücksichtigt werden, die sich gegen die Art und Weise der Vollstreckung richten. Einwendungen, die die Grundverfügung betreffen, können nur im direkten (Anfechtungs-)Verfahren gegen diese geltend gemacht werden. Andernfalls könnte auch eine bestandskräftige Grundverfügung vom Vollstreckungsschuldner immer wieder zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens gemacht werden. Dieser Grundsatz des Verwaltungsvollstreckungsrechts hat Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit des Grundverwaltungsaktes. Rechtswidrig ist die Verwaltungsvollstreckung nicht schon dann, wenn die Grundverfügung rechtswidrig ist, sondern erst, wenn diese Grundverfügung rückwirkend gemäß § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO aufgehoben wurde. Damit liegt in der Vollstreckung eines Verwaltungsaktes keine Erledigung des Grundverwaltungsakts.

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