Öffentliches Wirtschaftsrecht

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Verzeichnis der häufig zitierten Literatur

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Arndt/Fetzer Arndt/Fetzer, Wirtschaftsverwaltungsrecht, in: Steiner/Brinktrine, Besonderes Verwaltungsrecht, 9. Aufl., 2018
Fischer/Fetzer, Europarecht Fischer/Fetzer, Europarecht, 12. Aufl., 2019
Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, TKG Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, Telekommunikationsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., 2015
Huber/Unger Huber/Unger, Öffentliches Wirtschaftsrecht, in: Schoch, Besonderes Verwaltungsrecht, 2018
Beck’scher TKG-Kommentar Beck’scher Telekommunikationsgesetz Kommentar, 4. Aufl., 2013
v. Bogdandy/Bast v. Bogdandy/Bast, Europäisches Verfassungsrecht, 2. Aufl., 2009
Claussen, Bank- und Börsenrecht Claussen, Bank- und Börsenrecht, 5. Aufl., 2014
Dreier, GG Dreier, Grundgesetz, Band I, 3. Aufl., 2013
Erbs/Kohlhaas, GastG Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, GastG, Kommentar (Loseblatt)
Ehlers/Pünder, AVerwR Ehlers/Pünder, Allgemeines Verwaltungsrecht, 15. Aufl., 2016
Ehlers/Fehling/Pünder Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1 Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., 2019
Ehlers, Grundrechte und Grundfreiheiten Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl., 2015
Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG Ehricke/Ekkenga/Oechsler, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, Kommentar, 2013
Fehling/Kastner/Störmer, VerwR Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., 2020
Friauf Friauf, Gewerbeordnung, Kommentar (Loseblatt)
Frotscher/Kramer Frotscher/Kramer, Wirtschaftsverfassungs- und Wirtschaftsverwaltungsrecht, 7. Aufl., 2019
Gounalakis Gounalakis, Rechtshandbuch Electronic Business, 2003
Gurlit/Ruthig/Storr Gurlit/Ruthig/Storr, Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., 2017
Herdegen, Europarecht Herdegen, Europarecht, 21. Aufl., 2019
Hobe, Europarecht Hobe, Europarecht, 8. Aufl., 2014
Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht Holznagel/Enaux/Nienhaus, Telekommunikationsrecht, 2. Aufl., 2006
Honig/Knörr, HwO Honig/Knörr, Handwerksordnung, 4. Aufl., 2008
Huber, AVerwR Huber, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Aufl., 1997
Hufen, Verwaltungsprozessrecht Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 11. Aufl., 2019
Jarass Jarass, Wirtschaftsverwaltungsrecht mit Wirtschaftsverfassungsrecht, 3. Aufl., 1997
Jarass/Beljin Jarass/Beljin, Casebook Grundlagen des EG-Rechts, 2003
Jarass/Pieroth, GG Jarass/Pieroth, Grundgesetz, Kommentar, 16. Aufl., 2020
Knauff, Energierecht Knauff, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., 2020
Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht Koenig/Kühling/Rasbach, Energierecht, 3. Aufl., 2012
Kopp/Ramsauer, VwVfG Kopp/Ramsauer, VwVfG, 21. Aufl., 2020
Kopp/Schenke, VwGO Bearbeiter, in: Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., 2020
Kölner Kommentar zum WpÜG Hirte/v. Bülow, Kölner Kommentar zum WpÜG, 2. Aufl., 2010
Krümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht Krümpel/Wittig, Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., 2011
Landmann/Rohmer Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Bd. I, Kommentar (Loseblatt)
Maurer/Waldhoff, AVerwR Maurer/Waldhoff, Allgemeines Verwaltungsrecht, 20. Aufl., 2020
MDHS Maunz/Dürig/Herzog/Scholz/Herdegen/Klein, Grundgesetz (Loseblatt)
Metzner, GastG Metzner, Gaststättengesetz, Kommentar, 6. Aufl., 2001
Michel/Kienzle/Pauly Michel/Kienzle/Pauly, Das Gaststättengesetz, Kommentar, 14. Aufl., 2003
MKS v. Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Bd. 1, 6. Aufl., 2010
MünchKomm(BGB) Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 10 u. 11, 6. Aufl., 2015
Pöltl, GastG Pöltl, Gaststättenrecht, Kommentar zum Gaststättengesetz, 5. Aufl., 2003
Rittner/Dreher Rittner/Dreher, Europäisches und deutsches Wirtschaftsrecht, 3. Aufl., 2007
Robinski Robinski/Sprenger-Richter, Gewerberecht, 2. Aufl., 2002
Ruthig Ruthig, § 4 Polizei- und Ordnungsrecht, § 6 Öffentliches Wirtschaftsrecht, in: Hufen/Jutzi/Proelß, Landesrecht Rheinland-Pfalz, 8. Aufl., 2018
Sachs, GG Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl., 2018
Säcker, TKG Säcker, TKG, 3. Aufl., 2013
SBS, VwVfG Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl., 2018
Salje, EnWG Salje, Energiewirtschaftsgesetz, 2006
Schenke, Verwaltungsprozessrecht Schenke, Verwaltungsprozessrecht, 16. Aufl., 2019
Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., 2018
Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., 2011
Schliesky Schliesky, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 4. Aufl., 2014
Schmidt/Wollenschläger Schmidt/Wollenschläger, Kompendium Öffentliches Wirtschaftsrecht, 5. Aufl., 2019
Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl., 2010
Schwerdtfeger/Schwerdtfeger Schwerdtfeger/Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 15. Aufl., 2018
Stober, HdBWUR Stober, Handbuch des Wirtschaftsverwaltungs- und Umweltrechts, 1989
Stober, AT Stober, Allgemeines Wirtschaftsverwaltungsrecht, 18. Aufl., 2014
Streinz, Europarecht Streinz, Europarecht, 11. Aufl., 2019
Streinz, EUV/AEUV Streinz, EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl., 2012
Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO Tettinger/Wank/Ennuschat, Gewerbeordnung, Kommentar, 8. Aufl., 2011
Theobald/Theobald, Energiewirtschaftsrecht Theobald/Theobald, Grundzüge des Energiewirtschaftsrechts, 3. Aufl., 2013
Trute/Spoerr/Bosch, TKG Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 2001
Ule/Laubinger, VerwVerfR Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, 4. Aufl., 1995
Umbach/Clemens Umbach/Clemens, Grundgesetz, Mitarbeiterkommentar und Handbuch, 2 Bde., 2002
v. d. Groeben/Schwarze v. d. Groeben/Schwarze, EUV/EG-Vertrag, Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., 2004
Ziekow Ziekow, Öffentliches Wirtschaftsrecht, 5. Aufl., 2020

§ 1 Wirtschaft und Verwaltung

 

§ 1 Wirtschaft und Verwaltung

Inhaltsverzeichnis

I. Gegenstand und Entwicklung des öffentlichen Wirtschaftsrechts

II. Öffentliches Wirtschafts- bzw Wirtschaftsverwaltungsrecht

III. Öffentliches Wirtschaftsrecht als Referenzgebiet des (allgemeinen) Verwaltungsrechts

1

Fall 1:

Angesichts der ihrer Auffassung nach als Folge der Corona-Epidemie zu erwartenden Finanzkrise fürchtet die Bundesregierung um die Stabilität des Finanzplatzes Deutschland und prüft Gegenmaßnahmen. Was halten Sie von folgenden Vorschlägen?


Verstaatlichung/Gründung öffentlichrechtlicher Institute/Verweigerung weiterer Erlaubnisse für private Banken
Verbot/Genehmigungspflicht für ausländische Kapitalbeteiligungen an deutschen Banken
Gesetzliche Maßnahmen: Verbot der Kreditvergabe ins Ausland/Verschärfung der Prüfpflichten der Banken, insbesondere bei der Kreditvergabe
Erweiterung der behördlichen Kontrollbefugnisse
Einsetzung einer Kommission zur Erarbeitung verschärfter Verhaltenskodizes/Erarbeitung einer Selbstverpflichtungserklärung der deutschen Banken

2

Fall 2:

A betreibt, ohne die handwerksrechtlichen Voraussetzungen zu erfüllen, eine Autoreparaturwerkstatt. Konkurrent K will ihm sowohl die Tätigkeit wie die Werbung für seinen Betrieb in der örtlichen Tageszeitung verbieten lassen.


a) Stehen ihm wettbewerbsrechtliche Ansprüche zu? Ändert sich an der Beurteilung etwas, wenn die Praxis der zuständigen Behörden und ihre Auslegung der HwO divergieren?
b) Sind die zwischen A und seinen Kunden geschlossenen Verträge nach § 134 BGB nichtig?

§ 1 Wirtschaft und Verwaltung › I. Gegenstand und Entwicklung des öffentlichen Wirtschaftsrechts

I. Gegenstand und Entwicklung des öffentlichen Wirtschaftsrechts

1. „Wirtschaftsordnung“ im Unions- und Verfassungsrecht

3

Verwaltung und Verwaltungsrecht liegen „im Koordinatensystem von determinierender Verfassung und prägender Umwelt“[1]. Dies gilt in besonderer Weise für das Verhältnis von Staat und Wirtschaft[2]. Die Frage nach dem Gegenstand des öffentlichen Wirtschaftsrechts, also der Summe der staatsgerichteten Normen mit Wirtschaftsbezug, kann folglich nur vor dem Hintergrund dieser einerseits ökonomischen, andererseits verfassungs- und europarechtlichen Determinanten beantwortet werden. Sie sind gleichzeitig das Produkt einer historischen Entwicklung. Das Koordinatensystem hängt entscheidend davon ab, inwieweit Unions- oder Verfassungsrecht eine Wirtschaftsordnung vorgeben[3], die angesichts der Normenhierarchie sowohl den Gesetzgeber wie die Verwaltung binden, als auch unmittelbar die Normauslegung determinieren würde[4]. Beide haben allerdings bei näherer Betrachtung keine derartige „wirtschaftssystemkonstituierende Gesamtentscheidung“[5] getroffen.

a) Die wirtschaftspolitische Neutralität des Grundgesetzes

4

Für das GG manifestierte sich dieser Standpunkt schon 1954 im sog. Investitionshilfe-Urteil des BVerfG[6]. Das BVerfG trat der damals in der Literatur insbesondere von Nipperdey[7] vertretenen These entgegen, das GG lasse nur eine Wirtschaftsordnung, die soziale Marktwirtschaft, zu und sah in der Frage nach der Wirtschaftsordnung keine (verfassungs-)rechtliche, sondern eine politische Entscheidung. Die derzeitige Wirtschaftsordnung sei „zwar eine nach dem Grundgesetz mögliche Ordnung, keineswegs aber die allein mögliche. Sie beruht auf einer vom Willen des Gesetzgebers getragenen wirtschafts- und sozialpolitischen Entscheidung, die durch eine andere Entscheidung ersetzt oder durchbrochen werden kann“[8]. Mit dieser später wiederholt aufgegriffenen Formel von der wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes[9] ließ das BVerfG dem Gesetzgeber weitgehend freie Hand und ermöglichte den bisherigen Regierungen eine durchaus unterschiedliche Wirtschaftspolitik. Die „verfassungsrechtlichen Koordinaten“[10] schließen zwar extreme Wirtschaftsmodelle und vor allem eine Planwirtschaft nach kommunistischem Vorbild[11] aus, gewähren aber weite Spielräume und verlangen insbesondere keine Wirtschaftspolitik „aus einem Guss“[12]. Man kann diese Aussage gerade auch als bewusste Absage an ökonomische Theorien als Grundlage verfassungsgerichtlicher Beurteilung interpretieren[13]. Die entscheidende Aufgabe, so das BVerfG im Mitbestimmungs-Urteil[14], besteht darin, „die grundsätzliche Freiheit wirtschafts- und sozialpolitischer Gestaltung, die dem Gesetzgeber gewahrt bleiben muss, mit dem Freiheitsschutz zu vereinen, auf den der einzelne Bürger gerade auch dem Gesetzgeber gegenüber einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat“. Auch mit einer ausdrücklichen Entscheidung für „eine“ soziale Marktwirtschaft, wie sie sich nicht nur im Einigungsvertrag, sondern auch in den Verfassungen von Rheinland-Pfalz (Art. 51 Verf. RP) und Thüringen (Art. 38 ThürVerf) findet (s. Rn 682), ist daher nicht viel gewonnen[15].

5

Dies wird besonders deutlich an Fall 1 (Rn 1). Selbst eine Verstaatlichung von Unternehmen scheidet nicht von vornherein aus. Allerdings wird Art. 15 GG von der hM so verstanden, dass er sich auf industrielle Anlagen beschränkt, also eine Verstaatlichung von Banken oder Versicherungen nicht zuließe[16]. Andererseits schließen die Grundrechte eine Bedürfnisprüfung grundsätzlich aus (s. Rn 39, 121, 410) und nehmen daher auch der Genehmigungspflicht für die Aufnahme eines Gewerbes die ihr klassisch zukommende steuernde Funktion. Eine Beschränkung der Zahl der Banklizenzen wäre daher verfassungswidrig (s. aber die Anfänge des Regulierungsrechts, Rn 534). Innerhalb dieses Rahmens bleibt es aber zunächst einmal dem Gesetzgeber überlassen, inwieweit er stärker auf die Kräfte des Marktes oder stärker auf die staatliche Überwachung der Wirtschaft vertraut. Sowohl die Verschärfung der Aufsicht wie das Hinwirken auf Selbstverpflichtungserklärungen wären daher mit der Verfassung vereinbar.

b) Das offene Prinzip des Unionsrechts

6

 

Für das Unionsrecht gilt nichts anderes. Der bisherige Art. 4 Abs. 1 EG-Vertrag forderte eine Wirtschaftspolitik, die „dem Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb verpflichtet ist“. Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 EUV, der an dessen Stelle trat, spricht nun von einer „in hohem Maße wettbewerbsfähige[n] soziale[n] Marktwirtschaft, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt […]“ und scheint genauso wie die Formulierungen in den weiteren UAbs. und Abs. 5 eine Verschiebung hin zur sozialen Marktwirtschaft zu signalisieren. Dennoch bleibt die rechtliche Bedeutung der neuen Formulierung zweifelhaft[17]. Der EuGH hat es jedenfalls bisher ausdrücklich abgelehnt, diesen Grundsatz als rechtsverbindlichen Maßstab zu verstehen. Es seien „keine Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten klare und unbedingte Verpflichtungen auferlegen, auf die sich die Einzelnen vor den nationalen Gerichten berufen können“. Es handele sich vielmehr „nur um einen Grundsatz, dessen Anwendung komplexe wirtschaftliche Beurteilungen fordert“, die jedenfalls nicht Sache der Rechtsprechung seien[18].

Trotz dieses eher präambelhaften Bekenntnisses zur Marktwirtschaft orientiert sich das Unionsrecht keinesfalls in allen Bereichen an diesem Modell, so dass nicht von „der“ europäischen Wirtschaftsordnung gesprochen werden kann[19]. Zentrale wirtschaftspolitische Felder (insbes Landwirtschaft, Fischerei und Verkehrswesen) wurden einer ungleich stärkeren Kontrolle und Lenkung durch die Unionsorgane unterworfen, um (vermeintliche oder tatsächliche) Existenzprobleme für die heimische Wirtschaft zu vermeiden. Die einzelnen Marktordnungen unterscheiden sich erheblich, vor allem am Agrarmarkt zeigen sich alle Vor- und Nachteile eines Marktordnungsmodells[20].

7

Es bestätigt sich daher auch im Unionsrecht, dass sich „die“ Wirtschaftsordnung weniger in derartigen Formeln als in den konkreten Regelungen für die wirtschaftliche Tätigkeit zeigt. Dies gilt für die Marktfreiheiten (s. Rn 45 ff), aber insbesondere auch für die Vorschriften, welche die staatliche Einflussnahme auf den Wettbewerb begrenzen, sei es, dass die staatliche Subventionierung wirtschaftlicher Betätigung geregelt wird (s. Rn 897 ff), sei es, dass auch öffentliche Unternehmen in Art. 106 AEUV grundsätzlich den Regeln des Wettbewerbsrechts unterworfen werden (s. Rn 649 ff). Darüber hinaus hat das sekundäre Unionsrecht bereichsspezifische Entscheidungen für bestimmte Wirtschaftszweige geschaffen (zu Finanzmarkt, Telekommunikation und Energie s. unten Rn 495 ff). Wenn dabei beispielsweise die Privatisierung bisheriger Staatsmonopole durchgesetzt wird, hat dies größere Auswirkungen als die konkretisierungsbedürftige Grundsatzentscheidung für die Marktwirtschaft. Damit wurde der nationale „wirtschaftspolitische“ Spielraum immer mehr zu einem europäisch geprägten und schließlich gesamteuropäischen.

Der europäische Einfluss äußerte sich zunächst im Abbau nationaler Vorschriften (s. als besonders deutliches Beispiel das Handwerksrecht und dessen stark von Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit geprägte Entwicklung bis hin zur faktischen Aufgabe des Meisterzwanges durch die Handwerksnovelle 2004, dazu Rn 125, 147, 458), aber zunehmend auch in der aktiven Gestaltung ganzer Wirtschaftszweige durch Richtlinien (s. zum Telekommunikations-, Energiewirtschafts- und Finanzdienstleistungsaufsichtsrecht Rn 495 ff). In Fall 1 etwa ist das Bankrecht in einem Umfang harmonisiert, der eine nationale Verschärfung der Prüfpflichten ausschließen dürfte. In Europa hat man die Entscheidung zwischen Vertrauen in die Selbstregulierung des Marktes und staatlicher Aufsicht zugunsten der Letzteren entschieden und das öffentlichrechtliche Instrumentarium kontinuierlich ausgeweitet, so dass man von einer „Publifizierung“ des europäischen Wirtschaftsrechts sprechen könnte (s. Rn 498). Gerade das europäische Bankrecht wurde schon früh als „Bankenaufsichtsrecht“ bezeichnet[21]. Seit der Finanzkrise und vor allem mit dem Inkrafttreten der Bankenunion (vgl dazu Rn 182, 191 ff) verdient es diesen Namen erst recht. Europäisch hat man sich auf die Hochzonung zentraler Aufgaben zur EZB entschieden, was ohne die Finanzkrise sicherlich nicht denkbar gewesen wäre, denn vorher lehnten die Mitgliedstaaten entsprechende Kommissionsvorstöße ab. Insoweit wiederholt sich auch bei der daran geäußerten, tlw heftigen Kritik eine Diskussion, wie wir sie in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg geführt hatten, wo die Installation einer Bundesbehörde für die Bankenaufsicht im föderalen System der jungen Bundesrepublik alles andere als selbstverständlich war. Erst als das BVerfG die verfassungsrechtlichen Fragen geklärt hatte, war der Weg zu einer bundeseinheitlichen Finanzmarktaufsicht frei. Auch in den USA waren die Entscheidungen des Supreme Court zum New Deal auch solche zu den Bundeskompetenzen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts[22].