Öffentliches Wirtschaftsrecht

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5. Der Gleichheitssatz



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Art. 3 Abs. 1 GG

 verbietet wesentlich Gleiches ungleich, und gebietet, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart ungleich zu behandeln. Grundsätzlich ist die Auswahl der Sachverhalte Sache des Gesetzgebers. Er muss aber eine sachgerechte Auswahl treffen. Sein Spielraum ist abhängig von „der Eigenart des konkreten Sachverhalts, der geregelt werden soll“. Daraus folgt aber weder ein genereller Anspruch auf Chancengleichheit noch auf schematische Gleichbehandlung.






a) Anforderungen an den Gesetzgeber: Kohärenzgebot und Systemgerechtigkeit



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Eine Ausprägung des

Art. 3 GG

 ist der

Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit

. Dieser wird verstanden als Ausprägung der im Gleichheitssatz enthaltenen Verpflichtung auf Konsequenz, Folgerichtigkeit und Regelhaftigkeit einer vom Gesetzgeber getroffenen Regelung. Ausgangspunkt der verfassungsrechtlichen Beurteilung ist schon wegen den

funktionellen Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit

 das

vom Gesetzgeber gewählte (und innerhalb der verfassungsrechtlichen Wertungen frei wählbare) System

. Auf dieser Grundlage ist zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung in einem inneren Widerspruch zu der Gesamtkonzeption des Regelungssystems steht, dem sie angehört. Grundsätzlich hat der Gesetzgeber bei der Auswahl der Sachverhalte, an die er unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, einen großen Spielraum. Der Gesetzgeber kann also durch eine Regelung bestimmte Unterschiede erst schaffen. Hat er sich aber für ein bestimmtes System entschieden, wird die Kontrolle innerhalb des vom Gesetzgeber gewählten Systems intensiver. Vor allem wird der Gesetzgeber verpflichtet, diejenigen Sachverhalte gleich zu behandeln, die sich nach den

Wertungen der betreffenden Grundkonzeption

 als gleich darstellen, dh er muss innerhalb dieses Systems konsequent regeln und Abweichungen jedenfalls sachlich begründen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht Untersysteme auf ihre Wertungskonsistenz mit einem Obersystem überprüft werden sollen und die Verfassungsgerichtsbarkeit zwangsläufig an ihre funktionellen Grenzen stößt, sondern wenn es sich um

„kleinräumige Binnenkritik“

 handelt (vgl auch

▸ Klausurenkurs Fall Nr 2

).





Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das BVerfG hat mehrfach betont, dass eine solche Systemwidrigkeit als Durchbrechung des vom Gesetzgeber selbst statuierten Regelungssystems einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz indizieren könne. In der Entscheidung zum Rauchverbot in Gaststätten hat es die Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der Regelung zu den Diskotheken in BW, die von der Lockerung des gaststättenrechtlichen Rauchverbotes ausgenommen waren, ausdrücklich auf

Art. 3 GG

 gestützt. In anderen Entscheidungen hat das BVerfG zwar nicht allein die Systemwidrigkeit als Indiz ausreichen lassen, aber jedenfalls verlangt, dass für die Durchbrechung des vom Gesetzgeber gewählten Systems plausible Gründe sprechen müssen bzw dass ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung besteht.



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Ein gutes

Beispiel

 zur Illustration liefert das novellierte

Handwerksrecht

. Der Gesetzgeber hat von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und den Schutzzweck des Handwerksrechts erheblich modifiziert (s. bereits

Rn 125

), muss sich jetzt aber an diesem selbstgewählten System festhalten lassen. Werden die Zulassungsbeschränkungen nunmehr vor allem mit den Gefahren für Dritte gerechtfertigt, müssen sich auch die einzelnen Regelungen an dieser Grundentscheidung messen lassen. Dies führt gleich in mehrfacher Hinsicht zu verfassungsrechtlichen Bedenken.





Hier könnte man bereits die Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen den besonders gefahrgeneigten Handwerken in Anlage A und den sonstigen Handwerken als eine unzulässige Typisierung ansehen, soweit bestimmte (ebenfalls gefahrgeneigte) Tätigkeiten in die Anlage B1 aufgenommen wurden. Auch die Rückführung bestimmter Handwerke in die Anlage A (dazu

Rn 458

) ist an

Art. 3 Abs. 1 GG

 zu messen. Allerdings steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dieser ist auch insoweit nicht überschritten, als der Gesetzgeber auch am Ausbildungspotential des Handwerks als Rechtfertigungsgrund für subjektive Zulassungsvoraussetzungen grundsätzlich festgehalten und deswegen bestimmte Handwerke unabhängig von ihrer Gefährlichkeit als zulassungspflichtige Handwerke ausgestaltet hat.



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Innerhalb des vom Gesetzgeber gewählten Systems, also hinsichtlich der Regelungen für das (weiterhin der Meisterpflicht unterfallende) gefahrgeneigte Handwerk, steigen die Anforderungen an die Kohärenz. Einerseits hält der Gesetzgeber wegen der Gefährlichkeit dieser Handwerke am Meisterzwang fest, andererseits hat er diese Regelung durch Ausnahmen verwässert. Erst recht steigen die Anforderungen an die Begründung, wenn – wie bei der letzten Novelle (dazu

Rn 457

) – die Meisterpflicht wieder ausgeweitet wird.





Verwässert wird der Regelungsansatz durch die sog. Altgesellenregelung in § 7b HwO. Diese hebt in der Ausgestaltung, die sie im Gesetzgebungsverfahren gefunden hat, für die meisten Handwerke den eigentlich vom Gesetzgeber weiterhin für erforderlich gehaltenen Meisterzwang faktisch auf, was nicht nur die Geeignetheit der Regelung zur Erreichung der vom Gesetzgeber erstrebten Zwecke insgesamt in Frage stellt, sondern zusätzlich die Frage aufwirft, was es dann überhaupt rechtfertigt, bestimmte Handwerke wiederum aus der Altgesellenregelung auszunehmen (zu den Einzelheiten s.

Rn 473 f

). Soweit der Gesetzgeber (auch) auf die Ausbildungsleistung abgestellt hat, liegt ein Systembruch darin, dass Altgesellen zwar ein Handwerk betreiben, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen ausbilden dürfen. Vor allem aber ist die Beibehaltung einiger bisheriger Regelungen systemwidrig, da sie sich nur als Vorschriften zum Schutz des Berufsstandes der Handwerker verstehen lassen und damit im Widerspruch zu den veränderten Zielen des Gesetzgebers (insbesondere Kundenschutz) stehen. Dies gilt für die Freistellung bestimmter Nebenbetriebe (die bisher nur als unwesentliche Beeinträchtigung des Berufsstandes angesehen wurden) und vor allem für die Beschränkung der Vorschriften auf das stehende Gewerbe, also die Freistellung vom Meisterzwang bei der Erbringung entsprechender Leistungen im Reisegewerbe. Hier führt die Beschränkung der HwO auf das stehende Gewerbe angesichts der großzügigen Auslegung des

§ 55 Abs. 1 Nr 1 GewO

 durch die Rechtsprechung (s. unten

Rn 461

) dazu, dass praktisch jedes Handwerk ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden kann, wenn nur bestimmte Modalitäten der Vertragsanbahnung berücksichtigt werden. Diese Differenzierung ist mit dem primären Zweck der Handwerksordnung, die seit der Novellierung in erster Linie der Gefahrenabwehr dienen soll, nicht mehr zu vereinbaren.



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Dennoch müssen, anders als es erste Stellungnahmen zur novellierten Handwerksordnung und die ersten Urteile zum Nichtraucherschutz nahelegten, solche

Systembrüche

 keineswegs zwangsläufig zur Verfassungswidrigkeit führen. Angesichts des von der Rechtsprechung zu respektierenden Gestaltungsspielraums ist es dem Gesetzgeber nicht ohne weiteres verwehrt, von einem selbst normierten System abzuweichen. Andernfalls zwänge man den Gesetzgeber zu einem „Alles oder nichts“ und verhinderte differenzierte Lösungen. Allerdings bleiben dem Gesetzgeber regelmäßig mehrere Möglichkeiten, um auf einen Gleichheitsverstoß zu reagieren. Das BVerfG beschränkt sich auf die Feststellung des Verfassungsverstoßes und verpflichtet den Gesetzgeber, diesen innerhalb einer gewissen Frist zu beseitigen.



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Allerdings führt nach zutreffender Ansicht der Aspekt der Systemgerechtigkeit jedenfalls zu einer

Begründungspflicht

 und daher im Ergebnis zur Umkehr der Argumentationslast. Das Begründungsgebot ist nach der Rechtsprechung des BVerfG besonders gewichtig, wenn der Gesetzgeber von einem selbst gewählten Grundsatz abweicht.





Diesen Anforderungen hat er im Handwerksrecht nicht genügt. Jedenfalls aber können die vom Gesetzgeber angeführten Begründungen in tatsächlicher Hinsicht überprüft werden, was vor allem den Ausschluss des „Reisehandwerks“ betrifft. Diesen hatte die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zu den Vorschlägen des Bundesrates damit begründet, dass im Reisegewerbe nur handwerklich wenig aufwendige Tätigkeiten ausgeübt würden, was aber nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht.






b) Besonderheiten bei Unionsrechtsbezug: Die sog. Inländerdiskriminierung



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Die Einwirkungen des Unionsrechts auf das öffentliche Wirtschaftsrecht führen zu verfassungsrechtlichen Folgeproblemen, wenn sie sich auf binnenmarktbezogene Sachverhalte beschränken. Im Ergebnis werden dann Inländer strengeren Vorschriften unterworfen als EU-Ausländer (sog. Inländerdiskriminierung). Das

Primärrecht

 erfasst diese Fälle nicht. Es kommt auch nicht zu einer mittelbaren Erstreckung der unionsrechtlichen Maßstäbe, da die Unionsrechtswidrigkeit nicht zur Nichtigkeit der entsprechenden Vorschriften des nationalen Rechts, sondern lediglich zu deren Nichtanwendbarkeit in Fällen mit Unionsrechtsbezug führt, sie im Übrigen also unverändert bestehen lässt (s. oben

Rn 41

). Soweit das Unionsrecht Inlandssachverhalte nicht erfasst, verlagert sich das Problem also in das nationale Recht.

 



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Es stellt sich die Frage der Vereinbarkeit der

Inländerdiskriminierung

 mit dem nationalen Verfassungsrecht, insbesondere dem

Diskriminierungsverbot des

Art. 3 Abs. 1 GG

. Allerdings prüft die Rechtsprechung zunächst alternative Lösungen. So hat das BVerwG, sicherlich unter dem Eindruck der EuGH-Rechtsprechung zum Reinheitsgebot, eine weite Auslegung der Ausnahmevorschriften verlangt.



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Den Verstoß gegen

Art. 3 Abs. 1 GG

 könnte man darin sehen, dass die exakt gleichen Tätigkeiten ausgeübt, vom Gesetzgeber jedoch unterschiedlich behandelt werden. Schon früh wurde diese Frage im Wettbewerbsrecht gestellt, sie betrifft aber gerade auch das Öffentliche Wirtschaftsrecht, soweit dessen Anforderungen, insbesondere die Erlaubnispflicht, auf Inländer beschränkt werden. Die hM in Deutschland lehnt dies ab, da man hinsichtlich des Vergleichsmaßstabes nur Vorschriften desselben Normgebers heranziehen könne. Dieser – etwa im Verhältnis einzelner Landesgesetzgeber zueinander – allgemein anerkannte Grundsatz sei auf den Fall übertragbar, dass derselbe Normgeber im einen Fall „fremdbestimmt“ handele, also nur Europäisches Recht umsetze, wozu er unionsrechtlich verpflichtet ist. Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Andernfalls räumt man im Ergebnis dem europäischen Normgeber eine Angleichungskompetenz ein, die weit über die vertraglich eingeräumten Kompetenzen der Union hinausreicht und erstreckt auch die Kognitionsbefugnis des EuGH – bzw spiegelbildlich die Vorlageverpflichtung nach

Art. 267 Abs. 3 AEUV

 – auf diese Sachverhalte. In einem solchen Fall liegt also auch darin kein Gleichheitsverstoß, dass Deutsche in Sachverhalten mit Unionsrechtsbezug anders behandelt werden als in rein nationalen Sachverhalten.



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Allerdings können unabhängig von

Art. 3 GG

 die

tatsächlichen Erfahrungen mit dem Schutzniveau des Unionsrechts

 dazu führen, dass Einschätzungsspielräume des Gesetzgebers sich verringern, weil auch für die rein nationalen Sachverhalte die Erforderlichkeit einer Regelung zweifelhaft wird. Dies gilt insbesondere dort, wo das BVerfG dem Gesetzgeber die Pflicht auferlegt, eine gesetzliche Regelung nach einem gewissen Zeitraum zu überprüfen. In diesem Zusammenhang spielt auch der

Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit

 eine Rolle (dazu oben

Rn 146 ff

). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Gesetzgeber das System nicht mehr autonom, sondern unter Einbeziehung des Unionsrechts entwickelt. Bei einem solchen Ansatz ändert sich der Prüfungsmaßstab, es erhöht sich die Darlegungslast des Gesetzgebers, wenn er eine Ungleichbehandlung rechtfertigen will. Allerdings verlagert sich die Argumentation dabei stärker auf

Art. 12 GG

. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme wird angesichts der hohen Anforderungen an die Rechtfertigung subjektiver Zulassungsschranken dann fraglich, wenn sich die unionsrechtlich vorgegebene Regelung auch in der Praxis bewährt und sich die strengere Regelung der Binnensachverhalte als möglicherweise nicht erforderlich herausstellt.





Besonders deutlich zeigt sich dies am Recht der

Sportwetten

, wo das BVerfG einen zudem strafbewehrten Ausschluss gewerblicher Wettangebote durch private Wettanbieter nur dann als zumutbar ansah, wenn das bestehende Wettmonopol auch in seiner konkreten Ausgestaltung der Vermeidung und Abwehr von Spielsucht und problematischen Spielverhalten dient. Allein die Etablierung eines staatlichen Wettmonopols sichert die Bekämpfung der Wettsucht und problematischer Spielverhalten dann nicht, wenn das tatsächliche Erscheinungsbild vielmehr dem der wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen Freizeitbeschäftigung gleicht. Die breit angelegte Werbung und die über den Deutschen Lotto- und Totoblock bundesweit koordinierten Veranstaltungen von „Oddset“ wurden den eigentlichen Zielvorgaben des staatlichen Wettmonopols daher nicht gerecht. Im Ergebnis prüfte das BVerfG also das Gesamtkonzept des Gesetzgebers auf seine Stimmigkeit bzw Systemgerechtigkeit. Ein weiteres Beispiel findet sich im

Handwerksrecht

. Je weiter aus unionsrechtlichen Gründen Ausbildung und Berufserfahrung im Ausland anerkannt wurden, desto häufiger wurde die Frage aufgeworfen, ob allein der Ausbildungsort eine solche Ungleichbehandlung rechtfertige. Nachdem das BVerfG diese Frage in seiner Entscheidung von 2001 noch ausdrücklich offengelassen hatte, benannte es das seines Erachtens bestehende Problem in der Entscheidung von 2005 mit aller Deutlichkeit. „Die spürbare Konkurrenz aus dem EU-Ausland“ lasse bereits an der Eignung der Maßnahme zweifeln, jedenfalls aber stehe die Zumutbarkeit der Maßnahme in Zweifel. Mit dieser Aussage freilich ging es über den vorgestellten Ansatz hinaus. Hier ging es nicht um eine Binnenkritik des gesetzgeberischen Modells unter Einbeziehung der Erfahrungen mit unionsrechtlich überformten Sachverhalten, sondern um die Frage, ob sich der Sonderweg des nationalen Gesetzgebers angesichts der ausländischen Konkurrenz noch aufrechterhalten lasse. Das BVerfG lehnte zwar eine gesonderte Prüfung des

Art. 3 Abs. 1 GG

 ausdrücklich ab, kam aber im Ergebnis zu exakt denselben Ergebnissen wie bei einer Anwendung des

Art. 3 Abs. 1 GG

 auf die sogenannte Inländerdiskriminierung: Überall dort nämlich, wo es für Sachverhalte mit Binnenmarktrelevanz weniger belastende Regeln gibt, sind strengere nationale Anforderungen im Ergebnis unzumutbar; dass es jedenfalls nicht wirklich auf die tatsächlichen Auswirkungen der Konkurrenz ankommt, belegen die vagen Ausführungen, es stünden „zumindest in den grenznahen Gebieten deutsche Handwerker in ernsthafter Konkurrenz mit Handwerkern aus anderen EU-Staaten“. Würde man diesen Ansatz konsequent weiterverfolgen, bliebe von den bisher zu Recht betonten Gestaltungsspielräumen des nationalen Gesetzgebers nichts mehr übrig. Eine solche Homogenisierung der rechtlichen Verhältnisse ist aber nicht Aufgabe des BVerfG. Selbstverständlich steht es dem Gesetzgeber aber frei, eine „Inländerdiskriminierung“ zum

Anlass für Gesetzesänderungen

 zu nehmen.



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Zumeist reicht es aber schon aus, wenn das BVerfG sich wie die europäischen Gerichte stärker mit den

tatsächlichen Verhältnissen und den Auswirkungen einer Regelung

 als mit den in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gebrachten Regelungsabsichten des Gesetzgebers beschäftigt. Der bislang deutlichste Fall ist die Entscheidung des BVerfG zu den Sportwetten, in der das BVerfG bis in die Einzelheiten der vom EuGH vorgezeichneten Argumentationslinie folgte.





Das BVerfG stellte im Zusammenhang mit den Sportwetten weniger auf die gesetzgeberischen Intentionen als darauf ab, inwieweit die gesetzlichen Regelungen tatsächlich zu einer Eindämmung der Spielsucht führten. Diese Entwicklung hin zu einer stärkeren Einbeziehung der tatsächlichen Verhältnisse ist keineswegs neu. Ein frühes, auf die EMRK bezogenes Beispiel stellt der Umgang des BVerfG mit der Feuerwehrabgabe Baden-Württemberg (der höchstwahrscheinlich einzigen männerdiskriminierenden Vorschrift) dar. Um einen Widerspruch zwischen GG und EMRK zu vermeiden, folgte das BVerfG in seiner Argumentation und vor allem hinsichtlich der Einbeziehung statistischen Materials zur Überprüfung der Tatsachengrundlagen des gesetzgeberischen Konzepts der Entscheidung des EGMR und gab gleichzeitig eine jahrzehntelange Praxis der Vorprüfungsausschüsse auf. Spätere Fälle betreffen die faktische Diskriminierung von Frauen durch prima facie geschlechtsneutrale Regelungen. Außerdem zieht das BVerfG die EMRK und die dazu ergangenen Entscheidungen des EGMR zur Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips oder Willkürverbotes heran. Der Rekurs auf die EGMR-Rechtsprechung im Rahmen verfassungsrechtlicher Überlegungen wird allerdings überall dort entbehrlich, wo diese Maßstäbe auf die Ebene der GRCh verlagert werden.






c) Anforderungen an das Verwaltungsverfahren



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Die zentralen Aspekte der Anwendung des

Art. 3 Abs. 1