Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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[59]

Zum Umfang der Erkenntnisse oben Rn. 53 ff.

[60]

Gößmann/Wagner-Wieduwilt/Weber A. AGB der Banken, Rn. 1/56. Diese Einschätzung ist im Übrigen regelmäßig Gegenstand einer konkreten Anfrage, vgl. beispielhaft Claussen, in Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 20; zum Aufbau einer Bankauskunft Bruchner in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 40 Rn. 7.

[61]

Ausführlich Bruchner in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 40 Rn. 4. Gerade bei Auskünften zwischen Banken werden häufig „Schema-Auskünfte“, d.h. zum Zweck der Auskunftserteilung vorgedruckte Formulare verwendet, Geurts/Koch/Schebesta/Weber Bankgeheimnis und Bankauskunft, Rn. 113; Fischer/Klanten Bankrecht, Rn. 4.56.

[62]

„Werturteile“ sind durch Elemente subjektiven Dafürhaltens geprägt und im Grundsatz dem Nachweis objektiver Richtigkeit gerade nicht zugänglich.

[63]

Nr. II 3 des „Gemeinsamen Kommuniqués“ in Gößmann/Wagner-Wieduwilt/Weber A. AGB der Banken, Rn. 1/30; Bruchner, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 40 Rn. 5. Maßgeblich hierfür ist der (jeweils aktuelle) Erkenntnisstand, den die Bankverantwortlichen der laufenden Geschäftsbeziehung entnommen haben und auf den sie ihr „Urteil“ stützen wollen.

[64]

Nr. II 3 des „Gemeinsamen Kommuniqués“, in Gößmann/Wagner-Wieduwilt/Weber A. AGB der Banken, Rn. 1/30; sowie Nr. 7 der „Grundsätze“ in ZIP 1987, 608.

[65]

Obermüller Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.192.

[66]

Eine Verpflichtung zur „Nachtragsauskunft“ ergibt sich nicht bereits bei jeder Veränderung; auch nicht schon dann, wenn die Bank auf Grund späterer Information nachträglich erfährt, dass die Auskunft unzutreffend war. Die Verpflichtung besteht nur in „evidenten Ausnahmefällen“, Geurts/Koch/Schebesta/Weber Bankgeheimnis und Bankauskunft, Rn. 114; Bruchner in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechtshandbuch, § 40 Rn. 45, insbesondere, wenn die Auskunft schuldhaft fehlerhaft erteilt worden ist. Häufig wird vorsorglich in Bankauskünfte der Hinweis aufgenommen, dass Änderungen der Vermögensverhältnisse nur auf Grund neuer Anfrage mitgeteilt werden, Fischer/Klanten Bankrecht, Rn. 4.62.

[67]

Obermüller Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.193.

[68]

Zu den gebräuchlichen Auskunftsformularen Obermüller Insolvenzrecht in der Bankpraxis, Rn. 1.194.

Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › C. Kündigungsrecht der Banken in der Krise als Voraussetzung der Kreditrückführung

C. Kündigungsrecht der Banken in der Krise als Voraussetzung der Kreditrückführung

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Die Kreditentscheidung der Bank in der Krise des Bankkunden erfolgt in einem „Spannungsverhältnis“ abweichender wirtschaftlicher Interessen der Beteiligten.[1] Die Unternehmensleitung versucht im Interesse von Erhalt und Fortführung des Geschäftsbetriebs, eine Kreditkündigung zu vermeiden und die Bank darüber hinaus zu einer Beteiligung an einem Sanierungsversuch (ggf. zu einem Sanierungskredit) zu bewegen. Dagegen entspricht es dem wirtschaftlichen Interesse des Kreditinstituts, die Rückführung gewährter Kredite zu gewährleisten und das Kreditausfallrisiko zu begrenzen. Entschließen sich die Bankverantwortlichen aus diesem Grund zu einer vorzeitigen Darlehensrückführung, ist zivilrechtliche Voraussetzung, dass in dieser Situation ein Kündigungsrecht des Kreditinstituts besteht.[2] Sofern ein Kredit nicht von vornherein auf bestimmte Zeit (befristet) gewährt wurde,[3] ist die wirksame Kündigung des Darlehensvertrags erforderlich, um die vorzeitige „Fälligkeit“ des Rückzahlungsanspruchs zu bewirken. Neben den Voraussetzungen und möglichen Beschränkungen einer ordentlichen (sogleich Rn. 63 ff.) bzw. außerordentlichen Kündigung (unten Rn. 67 ff.) in der Krise des Bankkunden sind ebenfalls die Auswirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf das Kündigungsrecht (unten Rn. 75 ff.) zu untersuchen.

Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › C › I. Ordentliche Kündigung

I. Ordentliche Kündigung

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Das ordentliche Kündigungsrecht ist an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft.[4] Ein „ernstlicher Anlass“ oder besonderer Grund sind daher, sofern die Parteien keine abweichende vertragliche Vereinbarung getroffen haben, regelmäßig nicht erforderlich.[5] Die (dispositive) gesetzliche Kündigungsfrist beträgt drei Monate (§ 488 Abs. 3 S. 2 BGB).[6] Die Beteiligten haben die Möglichkeit, die Kündigungsfrist durch Vertrag oder AGB privatautonom zu gestalten.[7] Nr. 19 Abs. 2 S. 1 AGB-Banken sieht vor, dass „Kredite und Kreditzusagen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist“, durch die Bank „jederzeit ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist“ gekündigt werden können.[8] Die Kündigungsfrist des § 488 Abs. 3 S. 2 BGB ist daher rechtstatsächlich im Fall unbefristeter Kredite häufig abbedungen.[9] Allerdings haben die Bankmitarbeiter „bei Ausübung des Kündigungsrechts auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht zu nehmen“ (Nr. 19 Abs. 2 S. 2 AGB-Banken).[10] Betroffenen Bankkunden ist „im Falle einer Kündigung ohne Kündigungsfrist für die Abwicklung (insbesondere für die Rückzahlung eines Kredits) eine angemessene Frist einzuräumen, soweit nicht eine sofortige Erledigung erforderlich ist“.[11] Der Darlehensnehmer soll hierdurch Gelegenheit erhalten, sich nach einem neuen Darlehensgeber umzusehen.[12]

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Die ökonomische Krise des Kreditnehmers bewirkt grundsätzlich keine Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts. Zwar sei grundsätzlich zu berücksichtigen, dass ein wirtschaftlich angeschlagenes Unternehmen für die Folgen einer Kreditkündigung besonders „empfindlich“ ist. Allerdings bleibt das ordentliche Kündigungsrecht der Banken – sei es auch nur aus Gründen der Vorsicht – grundsätzlich unberührt, wenn Bankmitarbeiter eine negative wirtschaftliche Entwicklung bei ihrem Kunden feststellen oder eine solche auch nur vermuten. Hierfür spricht bereits, dass das Recht der Bank, ein Darlehen bei Fälligkeit zurückzuführen, auch im Falle eines befristeten Kredits durch den Eintritt einer wirtschaftlichen Krise des Darlehensnehmers nicht berührt wird.[13] Dies gilt auch in Fällen, in denen Bankmitarbeiter zuvor Gespräche über eine mögliche Prolongation des Darlehens (etwa als Sanierungsbeitrag) angeboten haben oder eine solche Verhandlung ergebnislos durchgeführt wurde.[14] Eine Anwendung der Grundsätze der „Kündigung zur Unzeit“ ist ebenfalls ungeeignet, eine Einschränkung des Kündigungsrechts der Bank zu bewirken. Rechtsfolge der „Unzeitigkeit“ ist allenfalls die Schadensersatzpflicht des Kündigenden, nicht aber die Unwirksamkeit der Kündigung.[15]

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Der Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung kann im Einzelfall der (allgemeine) Einwand missbräuchlicher Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenstehen.[16] Mitarbeiter des Kreditinstituts dürfen das Kündigungsrecht danach nicht willkürlich ausüben.[17] Dieser Hinweis ist in seiner Allgemeinheit zunächst wenig griffig. Die Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Rechtsinhaber ist vom Schutzbereich der Privatautonomie umfasst, d.h. der Berechtigte entscheidet über die Ausübung des Kündigungsrechts eigenverantwortlich.[18] In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass das Kündigungsrecht des Kreditinstituts, jedenfalls in „besonders gelagerten Ausnahmefällen“, zu beschränken sei.[19] Zunächst liege eine Verpflichtung der Bank vor, Bankkunden Kündigungsaufschub zu gewähren, sofern der Kredit vollständig durch nicht gefährdete Sicherheiten gesichert ist.[20] Andererseits dürfe der Kündigungsaufschub aber nicht zu einer unbefristeten Fortsetzung des Darlehensverhältnisses führen.[21] Der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts wird auch in Fällen diskutiert, in denen Bankmitarbeiter den Kreditkunden in eine besonders starke wirtschaftliche Abhängigkeit zu ihrem Institut geführt haben.[22] Darüber hinaus besteht allerdings keine Veranlassung, Kunden, die in eine wirtschaftliche Krise geraten sind, eine besonders lange Kündigungs- oder Rückzahlungsfrist einzuräumen. Dies gilt ausdrücklich auch in Ansehung des Umstands, dass es Kunden in dieser Situation häufig besonders schwer fällt, neue Kreditgeber zu gewinnen. Die Länge des Kündigungsaufschubs ist aus diesen Gründen (nur) anhand des Zeitraums zu bemessen, den die Entscheidung der Bankverantwortlichen über eine Kreditvergabe für gewöhnlich, d.h. außerhalb einer Krise, beansprucht.[23]

 

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Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein rechtlicher Grundsatz, der das ordentliche Kündigungsrecht der Bank in der Krise des Bankkunden generell beschränkt oder ausschließt, nicht existiert.[24] Andernfalls würde das Kreditinstitut, wirtschaftlich gesehen, das unternehmerische Risiko ihres Kunden allein durch die Kreditvergabe (mit-)übernehmen. Diese Folge wird von den Beteiligten bei Abschluss des Kreditvertrags, insbesondere von den Vertretern der Bank, nicht beabsichtigt, dementsprechend auch nicht konkludent erklärt. Ein hiervon abweichender Ansatz verlagerte das wirtschaftliche (unternehmerische) Risiko zu weitgehend (auch) auf die „finanzierende“ Bank. Das als Fremdkapital gewährte Darlehen würde hierdurch faktisch haftendem Eigenkapital gleichgestellt. In der wirtschaftlichen Krise des Bankkunden besteht zudem keine Verpflichtung der Bank, mit der Rückführung einen besonders langen Zeitraum zuzuwarten.[25]

Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › C › II. Außerordentliche Kündigung

II. Außerordentliche Kündigung

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Das Recht zu außerordentlicher Kündigung soll den Vertragsparteien, insbesondere den beteiligten Kreditinstituten, über das ordentliche Kündigungsrecht hinaus eine kurzfristige Lösung von dem Vertragsverhältnis ermöglichen, sofern sich typische Risiken des Darlehensvertrags[26] zu realisieren drohen. Vermögenseinbußen des Kreditgebers sowie weitergehender Schaden sollen hierdurch vermieden werden.[27]

1. Gesetzliches Kündigungsrecht

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Der Darlehensgeber ist zu einer fristlosen Kündigung des Darlehensvertrags berechtigt, sofern „in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückerstattung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet wird“ (§ 490 Abs. 1 BGB).[28] Das außerordentliche Kündigungsrecht erfordert danach die Prognose, dass die Pflicht zur Rückerstattung des Darlehens bei Fälligkeit, auch unter Verwertung bestellter Sicherheiten, durch den Darlehensnehmer nicht oder nur teilweise erfüllt werden kann.[29] Die Gefährdung muss, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart ist,[30] objektiv auf einer eingetretenen oder drohenden Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers oder der Werthaltigkeit der Sicherheiten beruhen,[31] die nach Vertragsschluss eingetreten ist.[32] Es genügt, dass eine Verschlechterung „droht“, d.h. anhand objektiv verifizierbarer Indizien[33] mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.[34] Ein bloßer „Verdacht“ genügt dementsprechend nicht.[35] Zu berücksichtigen ist sämtliches, der Zwangsvollstreckung unterliegendes Vermögen des Darlehensnehmers.[36] Ob die Verschlechterung der Vermögensverhältnisse auf einem Verschulden des Darlehensnehmers beruht, ist gleichgültig.[37] Die negative Entwicklung ist anhand einer Gesamtschau der maßgeblichen wirtschaftlichen Umstände konkret festzustellen.[38] Eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse liegt etwa vor, wenn Absatz- und Gewinnchancen dauerhaft ausfallen oder sich die Eigenkapitalquote bzw. Liquiditätslage nicht nur vorübergehend verschlechtern.[39] Gleiches gilt, sofern Kreditgesuche abgelehnt[40] oder eingeräumte Kreditlinien dauerhaft und erheblich „überzogen“ werden.[41] Die Parallele der letztgenannten Beispiele zu den Indizien,[42] die auf eine (drohende) Zahlungsunfähigkeit hindeuten, liegt deutlich zu Tage.

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Eine außerordentliche Kreditkündigung allein gestützt auf die wesentliche Verschlechterung der Werthaltigkeit von Kreditsicherheiten (vgl. § 490 Abs. 1 Alt. 2 BGB) ist dagegen rechtstatsächlich eine seltene Ausnahme.[43] Bei der Prüfung, ob eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs vorliegt, sind, wie gesehen, die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers insgesamt einzubeziehen (Gesamtschau). Die Vorschrift gewährt ein außerordentliches Kündigungsrecht nur bei „akuter Ausfallgefährdung“.[44] Im Ergebnis ist daher regelmäßig eine kumulative Prüfung der Vermögensverhältnisse sowie die Werthaltigkeit von Sicherheiten vorzunehmen.[45] Eine ausreichende „Kreditgefährdung“ fehlt insbesondere, wenn ausreichend werthaltige Sicherheiten des Darlehensnehmers (oder von dritter Seite) zur Verfügung stehen.[46] Für die Beurteilung der Werthaltigkeit von Vermögensgegenständen sind in einer wirtschaftlichen Krise grundsätzlich Liquidationswerte maßgeblich.[47] Nur sofern die Bankverantwortlichen mit großer Wahrscheinlichkeit eine Überwindung der Krise, etwa durch eine erfolgreiche Sanierung, prognostizieren können, sind die regelmäßig höheren Fortführungswerte („going-concern-Werte“) in Ansatz zu bringen.[48]

70

Bankangestellte werden im Fall einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Bankkunden nicht selten im ersten Schritt den Anspruch auf Nachbesicherung verbunden mit der Ankündigung geltend machen[49] und zunächst nur androhen, andernfalls zu kündigen.[50] Der Nachbesicherungsanspruch setzt eine Gefährdung des Rückerstattungsanspruchs nicht voraus.[51] Dagegen wird eine außerordentliche Kündigung häufig erst erwogen, wenn erkennbar wird, dass der Bankkunde wirtschaftlich außer Stande ist, den Nachbesicherungsanspruch in angemessener Frist zu erfüllen.[52]

71

Neben § 490 BGB bleibt das Recht, Dauerschuldverhältnisse aus „wichtigem Grund“ nach § 314 BGB außerordentlich zu kündigen, unberührt (§ 490 Abs. 3 BGB). Nach § 314 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund vor, „wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann“.[53] Besteht der Kündigungsgrund in der Verletzung einer Vertragspflicht, ist die Kündigung grundsätzlich erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist bzw. nach erfolgloser Abmahnung zulässig (§ 314 Abs. 2 S. 1 BGB).[54] Ein Rückgriff auf § 314 BGB ist nur statthaft, wenn die außerordentliche Kündigung aus Gründen erfolgen soll, die von § 490 Abs. 1 BGB nicht erfasst werden.[55] Ist dagegen § 490 Abs. 1 BGB einschlägig, geht diese Vorschrift als lex specialis vor.[56] Eine Kündigung durch Bankverantwortliche auf Grundlage der §§ 490 Abs. 3, 314 BGB erfolgt insbesondere in Fällen anhaltenden Schuldnerverzugs.[57] Erforderlich ist Verzug mit (wenigstens) zwei vollen, aufeinander folgenden Zins- und Tilgungsraten.[58] Die nur einmalige Nichtzahlung berechtigt nur in Ausnahmefällen zu außerordentlicher Kündigung.[59] Ein wichtiger Grund liegt auch im Falle (drohender) Zahlungsunfähigkeit[60] des Darlehensnehmers oder bei falscher Darstellung wesentlicher Tatsachen zwischen Vertragsschluss und Valutierung des Darlehens durch den Bankkunden vor.[61]

2. Kündigungsrecht nach den AGB-Banken

72

Das gesetzliche Recht, Kredite außerordentlich zu kündigen, ist ebenfalls dispositiv. Es kann durch Individualvereinbarung oder Allgemeine Geschäftsbedingungen modifiziert werden.[62] Soweit abweichende individualvertragliche Vereinbarungen zwischen Bank und Bankkunden fehlen, sind in der Regel die AGB-Banken[63] wirksam einbezogen. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken beinhaltet das Recht der Banken, die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen aus „wichtigem Grund“ ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Ein wichtiger Grund liegt danach vor, wenn „der Bank, auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Kunden“ eine Fortsetzung etwa des Kreditvertrags „unzumutbar“ ist.[64] Nr. 19 Abs. 3 S. 2 AGB-Banken enthält eine näher konkretisierende, exemplarische Aufzählung entsprechender, praktisch bedeutsamer Fallbeispiele.[65] Danach besteht ein Kündigungsrecht, „wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Kunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt oder einzutreten droht und dadurch die Rückzahlung des Darlehens […] – auch unter Verwertung einer hierfür bestehenden Sicherheit – gefährdet ist, oder wenn der Kunde seiner Verpflichtung zur Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten nach Nr. 13 Abs. 2 dieser Geschäftsbedingungen oder aufgrund einer sonstigen Vereinbarung nicht innerhalb der von der Bank gesetzten angemessenen Frist nachkommt“.[66]

3. Restriktion durch die wirtschaftliche Krise

73

Sowohl das (dispositive) Bürgerliche Recht als auch die AGB-Banken bestimmen ein außerordentliches Kündigungsrecht der Bank, wenn eine wesentliche Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Bankkunden oder der Werthaltigkeit einer Sicherheit eintritt (bzw. einzutreten droht) und dadurch die Rückzahlung des Darlehens (unter Berücksichtigung bestehender Kreditsicherheiten) gefährdet ist.[67] Es liegt deutlich zu Tage, dass diese Voraussetzungen regelmäßig in einer wirtschaftlichen Krisensituation des Bankkunden vorliegen. Dieser Umstand belegt und untermauert das Ergebnis, dass jedenfalls eine generelle Kündigungsbeschränkung in der wirtschaftlichen Krise des Bankkunden nicht besteht.[68]

74

Der BGH in Zivilsachen nimmt ergänzend eine Interessenabwägung vor, um die Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls zu ermöglichen. Danach sei erforderlich, dass (entsprechend dem Rechtsgedanken des § 626 BGB) Tatsachen vorliegen, die eine Fortsetzung des Vertrags selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (bzw. bis zum vereinbarten Vertragsende) für den Kündigenden unzumutbar machen. Diese ergänzende Prüfung soll in erster Linie die besondere Bedeutung einer „Hausbank“ sowie der Kreditentscheidung für die weitere Entwicklung der wirtschaftlichen Krise des Bankkunden berücksichtigen und gewichten.[69] In den Fällen des § 490 Abs. 1 BGB bzw. Nr. 19 Abs. 3 AGB-Banken ist der Bank die Fortsetzung der Geschäftsverbindung allerdings bereits wegen der Gefährdung der Kreditrückzahlung regelmäßig unzumutbar.[70] Eine Restriktion des außerordentlichen Kündigungsrechts scheidet häufig ebenfalls aus, da dem Bankkunden in aller Regel eine Vertragspflichtverletzung (etwa Zahlungsverzug[71] oder unrichtige Angaben über dessen Vermögensverhältnisse[72]) zur Last liegt, so dass die Grundsätze von Treu und Glauben nicht eingreifen, das Kündigungsrecht daher nicht beschränken.[73] Ein unbeschränktes Kündigungsrecht besteht grundsätzlich auch, wenn durch die fristlose Kündigung „besondere Härten“ eintreten. Das Kündigungsrecht wird dementsprechend nicht durch den Umstand eingeschränkt, dass ein Verlust der wirtschaftlichen Existenz des Bankkunden droht. Diese für den Betroffenen „schmerzhafte“ Folge beruht zudem nur prima facie auf der Kündigung. Regelmäßig ist die Kündigung Konsequenz des zwischenzeitlich eingetretenen Verlusts der Kreditwürdigkeit des Bankkunden, den nicht die Bankverantwortlichen zu vertreten haben.[74] Das Festhalten an einem derartigen Engagement, verbunden mit einer weitgehenden Übernahme des wirtschaftlichen Risikos des Bankkunden, ist dem betroffenen Kreditinstitut vielmehr nicht zumutbar. Die Bank ist in dieser Situation ebenfalls nicht verpflichtet, mit der außerordentlichen Kündigung i. S. eines Kündigungsaufschubs zuzuwarten.[75]

Teil 2 Bankgeschäft und Insolvenz – zivil- und insolvenzrechtliche Grundlagen, wirtschaftliche Zusammenhänge › C › III. Kündigung im Insolvenzverfahren

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