Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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Anmerkungen

[1]

BGHSt 55, 107 (115); 28, 371 (373); BGH NStZ 2008, 401 (402); 2001, 485 (486); differenzierend Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 155 ff.; Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 121; Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 13 ff.; Lackner/Kühl § 283 Rn. 1; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 45; NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 23, 29; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 3; Fischer Vor § 283 Rn. 2; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 8; SSW-StGB-Bosch Vor §§ 283 ff. Rn. 1; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 36; Wegner in: Achenbach/Ransiek, 7. Teil, 1 Rn. 3; Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 94. Dies gilt ebenfalls, wenn im Einzelfall nur ein (Insolvenz-)Gläubiger Forderungen gegen den Schuldner geltend macht, BGH NStZ 2001, 485; bereits RGSt 41, 310 (314, zu den §§ 239 ff. KO a.F.).

[2]

Schönke/Schröder-Heine Vorbem. §§ 283 ff. Rn. 2; ähnlich MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 8.

[3]

OLG Frankfurt a.M. NStZ 1997, 551 (552); Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 121; Schönke/Schröder-Heine Vorbem. §§ 283 ff. Rn. 2; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 8; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 3.

[4]

Fischer Vor § 283 Rn. 2; Bittmann in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 25.

[5]

Lackner/Kühl § 283 Rn. 1.

[6]

Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 27; Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 129; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 48, 88; Lackner/Kühl § 283 Rn. 1; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 4; Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 13; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 39.

[7]

Mit einer Darstellung der gegenüber der alten Rechtslage (Konkursordnung) erweiterten Gestaltungsbefugnisse der Gläubiger nach Einführung der Insolvenzordnung Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 23 ff.

[8]

Zur Argumentation der Gegenansicht: NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 18; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 12; Köhler in: Wabnitz/Janovsky, 7. Kap. Rn. 90; ausführlich Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 156 ff.

[9]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 48; Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2.

[10]

Siehe oben Rn. 12 ff.

[11]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 3, 48; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 4; Schönke/Schröder-Heine Vorbem. §§ 283 ff. Rn. 2; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 13; Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 95a; im Ergebnis ebenfalls Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 162 f.: „dass die insolvenzrechtlichen Gestaltungs- und Verwertungsrechte der Gläubiger am schuldnerischen Vermögen, im Folgenden zusammengefasst als Insolvenzinteressen der Gläubiger, geschützt werden. Diese Interessen bilden einen Teil des Vermögens der Gläubiger“ (Hervorhebung nicht im Original); ähnlich Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 28; Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 124, 129.

[12]

Insoweit unklar BGHSt 55, 107 (115); 28, 371 (373); den Schutz der (potentiellen) Insolvenzmasse betonend: Fischer Vor § 283 Rn. 3; Gallandi wistra 1992, 10; Krause NStZ 1999, 161 (162).

[13]

BGHSt 55, 107 (115); ähnlich zuvor BGHSt 28, 371 (373), Sicherung der Konkursmasse im Interesse der gesamten Gläubigerschaft.

[14]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 46, mit dem Hinweis, dass der Schutz der potentiellen Insolvenzmasse mit dem Schutz der Vermögensinteressen der Gläubiger „im wesentlichen gleichbedeutend sein dürfte“; Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 94; MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 10; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2; Wegner in: Achenbach/Ransiek, 7. Teil, VII 1 Rn. 3; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 37.

[15]

SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 3; Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2; Wegner in: Achenbach/Ransiek, 7. Teil, 1 Rn. 3.

[16]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283 ff. Rn. 30.

[17]

MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 10; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 37.

[18]

BGHSt 55, 107 (115); BGH NJW 2003, 974; NJW 2001, 1874; bereits zuvor Schlüchter JR 1979, 513 (515); Fischer Vor § 283 Rn. 3: „Schutz des gesamtwirtschaftlichen Systems [Nachweise], nicht speziell die Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft“; Lackner/Kühl § 283 Rn. 1; Wegner in: Achenbach/Ransiek, 7. Teil, 1 Rn. 3: „Funktionsfähigkeit der Volkswirtschaft“; Bittmann in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 25: „Sicherung des Wirtschaftsverkehrs“; offen gelassen Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 96; ohne diesen überindividuellen Bezug dagegen BGH NStZ 2012, 89 (91); NStZ 2008, 401 (402); BGHSt 28, 371 (373).

[19]

Der Gesetzgeber hat in Kenntnis des Theorienstreits auf Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren verzichtet, BT-Drucks. 7/3441, 14 ff., 19 ff., 33 ff.; hierzu Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 31. Dies gilt insbesondere im Unterschied zu § 265b StGB, LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[20]

Tiedemann ZRP 1975, 129 (133); Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 133.

[21]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[22]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[23]

SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54; zustimmend Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 135; hierzu Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 176; bereits Cohn GA 1893, 198 (199): „Unser Wirtschaftsleben ist so sehr auf Kredit besirt und die einzelnen Theile desselben sind so eng mit einander verknüpft, daß ein einzelner Konkurs, wie ein in das Wasser geworfener Stein immer größere Kreise um sich zieht, die Veranlassung zu neuen Konkursen un zu weit wirkenden Störungen des Kredits werden kann“.

[24]

Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 43 f.; hierzu kritisch Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 176 f.

[25]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 55.

[26]

SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54; Schlüchter JR 1979, 513 (515); Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 135; Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 96; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 44.

[27]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 175: „Unschärfe des Begriffs“.

[28]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 56: „Zusammenfassung höchst unterschiedlicher und konträrer Ziele und Zwecke“; ebenso Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 175: „Kollision der in der Gesamtwirtschaft vorhandenen Einzelinteressen“.

 

[29]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 175: „wundersame Ausweitung des Normgegenstands“.

[30]

Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 131; NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 32.

[31]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 175.

[32]

Siehe hierzu oben Rn. 12 ff.

[33]

Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 132.

[34]

Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51, mit dem zutreffenden Argument, dass aus strafrechtlicher Sicht keine „Sonder- und Vorrangstellung“ der Arbeitnehmer gegenüber anderen Gläubigern besteht und dass die Insolvenzordnung insbesondere keinen Bestandsschutz hinsichtlich bestehender Arbeitsverträge vorsieht (vgl. § 113 InsO); MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 9; Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 32; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 40.

[35]

Allgemein Volk JZ 1982, 85 (87 f.); NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 32.

[36]

NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

[37]

Die Insolvenz- bzw. Konkursquote für nicht aus- oder absonderungsberechtigte Gläubiger beträgt seit 1970 durchschnittlich 3 bis 5 %, LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 12; Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 35 f. und Pick NJW 1995, 992 (993), 4 bis 6 %.

[38]

Zu den Auswirkungen von Insolvenzen LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 12; Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 39 ff.

[39]

Lackner/Kühl § 283 Rn. 2; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 11; NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 39; SSW-StGB-Bosch Vor §§ 283 ff. Rn. 3; ausführlich Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 25 ff.

[40]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[41]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 55; ähnlich NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

[42]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 177.

[43]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 177; NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

[44]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 55; zustimmend Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 173; Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 131.

[45]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 56: „Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft als Teil der Gesamtwirtschaft“; Schönke/Schröder-Heine Vorbem §§ 283 ff. Rn. 2 m.w.N.: „Schutz der Funktionsbedingungen der Kreditwirtschaft als Teil der Gesamtwirtschaft“; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5 f.; Lackner/Kühl § 283 Rn. 1; Wegner in: Achenbach/Ransiek, 7. Teil, 1 Rn. 3; ähnlich auch BGH NStZ 2001, 485 (486), allgemein „überindividuelle Interessen“; BGH NJW 2003, 974: „Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft insgesamt“; Bittmann in: Bittmann, Insolvenzstrafrecht, § 12 Rn. 25: „schwerpunktmäßig der Kreditwirtschaft“; Bieneck in: Müller-Gugenberger/Bieneck, § 75 Rn. 96; offen gelassen SSW-StGB-Bosch Vor §§ 283 ff. Rn. 1.

[46]

Wegen der allgemein üblichen Fremdfinanzierung, SSW-StGB-Bosch Vor §§ 283 ff. Rn. 1; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 55 ff.; Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 134.

[47]

Tiedemann ZRP 1975, 129 (133); ders. ZIP 1983, 513 (520); zur Frage der Methodik der Rechtsgutsbestimmung LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[48]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54; kritisch hierzu Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 32.

[49]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 57.

[50]

Im Einzelnen LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 57.

[51]

Zu dem wirtschaftlichen Zusammenhang siehe oben Rn. 38 ff.

[52]

Anders Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 134.

[53]

Mit diesem zutreffenden weiten Kreditverständnis unter Einschluss des „Waren- und Dienstleistungskredits“ LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[54]

Zu diesem Zusammenhang Moosmayer Auswirkungen der Insolvenzordnung 1999, S. 134.

[55]

Krause Ordnungsgemäßes Wirtschaften, S. 178.

[56]

Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 34 f.

[57]

Zum Sonderdeliktscharakter siehe ausführlich unten Rn. 115 ff.

[58]

Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 43 f.: insbesondere „Sog- und Spiralwirkungen“.

[59]

NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33: „schuldrelevanter Bezug zum Täter unklar“.

[60]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283 ff. Rn. 19, 33; offen gelassen Dannecker/Hagemeier in: Dannecker/Knierim/Hagemeier, Insolvenzstrafrecht, Rn. 43 f.

[61]

MK-StGB-Radtke Vor §§ 283 ff. Rn. 15; ähnlich kritisch SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 6.

[62]

Penzlin Strafrechtliche Auswirkungen der Insolvenzordnung, S. 37.

[63]

NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

[64]

Hierzu ausführlich unten Rn. 438 ff.

[65]

NK-StGB-Kindhäuser Vor § 283 ff. Rn. 33.

[66]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 57, mit der Einschränkung, dass ein Verstoß gegen die Anforderungen ordnungsgemäßer Wirtschaft nicht vorliegen dürfe. In diesem Fall wäre allerdings bereits aus diesem Grund die Strafbarkeit ausgeschlossen.

Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale › B. Krise des Bankkunden – bankrottstrafrechtliche Einordnung

B. Krise des Bankkunden – bankrottstrafrechtliche Einordnung

93

Insolvenzdelikte im engeren Sinn erfassen (ganz überwiegend)[1] Tathandlungen während einer wirtschaftlichen Krise des betroffenen Unternehmens. Bankrott wird dementsprechend als „krisenbezogenes“ Delikt bezeichnet.[2] Der Begriff „Krise“ bildet im strafrechtlichen Zusammenhang[3] einen Oberbegriff für die in § 283 Abs. 1 StGB genannten Tatbestandsmerkmale: Überschuldung sowie eingetretene oder drohende Zahlungsunfähigkeit.[4] Eine Strafbarkeit wegen Bankrotts setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Tathandlung eines der alternativ benannten Krisenmerkmale vorliegt.[5] Erst nach Eintritt einer ökonomischen Krise, die den Grad eines der genannten Merkmale erreicht, erscheinen die vom Tatbestand geschützten Vermögensinteressen der Gesamtgläubigerschaft (in Zusammenschau mit der jeweils verwirklichten Bankrotthandlung) in einer Weise gefährdet, die Strafwürdigkeit begründet, damit eine strafrechtliche Sanktionierung rechtfertigt.[6]

94

Der Wortlaut von § 283 Abs. 1 StGB verwendet die Terminologie der Insolvenzeröffnungsgründe (§§ 17–19 InsO).[7] Es besteht insofern eine deutliche sprachliche Parallele. Dieser Umstand führt zu der Frage, ob die Identität der Begriffe ebenfalls zu einer übereinstimmenden – ggf. insolvenzrechtsakzessorischen – Auslegung Anlass gibt oder ob der abweichende sachliche Regelungszusammenhang von Insolvenz- und Strafrecht vielmehr zu einer abweichenden Begriffsausfüllung zwingt (unten Rn. 95 ff.). Im Anschluss werden die rechtlichen Anforderungen der Krisenmerkmale im strafrechtlichen Kontext von § 283 Abs. 1 StGB im Einzelnen untersucht (unten Rn. 100 ff.).

Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale › B › I. Auslegung der bankrottstrafrechtlichen Krisenbegriffe

I. Auslegung der bankrottstrafrechtlichen Krisenbegriffe

95

Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren zur Insolvenzordnung (in Kraft getreten zum 1.1.1999)[8] mögliche Auswirkungen der Reform auf die Insolvenzdelikte im engeren Sinn (bzw. deren Auslegung) allein im Zusammenhang mit der Einführung des Insolvenzgrundes drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO), auch hier nur fragmentarisch, berücksichtigt.[9] Namentlich Art. 60 EGInsO[10] beinhaltet nur eine terminologische Anpassung. Darüber hinaus wurden mögliche Konsequenzen für das Insolvenzstrafrecht nicht in die Überlegungen einbezogen.[11] Der historische Auslegungsansatz führt insoweit mit Blick auf die Bankrottdelikte kaum weiter. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Novellierung des Insolvenzrechts vorrangig das Ziel, durch Ausweitung und Ergänzung der Eröffnungsgründe eine zeitliche Vorverlagerung der Insolvenzverfahrenseröffnung zu bewirken, insbesondere um (auch im Interesse der Gläubigerschaft) die Chancen einer Sanierung und Fortführung des betroffenen Unternehmens zu erhöhen.[12] Danach treten die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens früher ein und sind an geringere Voraussetzungen geknüpft als noch von der Konkursordnung vorgesehen.[13] Die mögliche Folge, zugleich eine Ausweitung und Verschärfung der Insolvenzdelikte zu realisieren, hat der Gesetzgeber dagegen nicht erwogen. Dennoch befürworten ein Teil des Schrifttums[14] sowie die Rechtsprechung[15] eine (strenge) insolvenzrechtsakzessorische Auslegung der strafrechtlichen Krisenmerkmale.

 

96

Für eine „strikte“ Insolvenzrechtsakzessorietät spricht, neben der terminologischen Identität und dem Postulat der Einheit der Rechtsordnung,[16] die Vergleichbarkeit der Schutzziele des Insolvenzverfahrens und des Bankrotttatbestands. § 283 StGB schützt die individuellen Vermögensinteressen der Gesamtgläubigerschaft.[17] Das Insolvenzverfahren soll – in Parallele hierzu – primär eine möglichst auskömmliche (quotenmäßige) Befriedigung der Gläubigerschaft bewirken. Das Insolvenzrecht dient insofern ebenfalls den Vermögensinteressen des betroffenen Gläubigerkreises.[18] Dennoch rechtfertigt dieser scheinbare „Gleichklang“ keine identische Begriffsauslegung. Trotz des vergleichbaren Regelungszwecks bleiben die „unterschiedlichen Wege seiner Verwirklichung zu beachten“.[19] Das Insolvenzstrafrecht schützt nicht das Insolvenzverfahren mit „sämtlichen Regelungseffekten“.[20] Zudem bestehen auch darüber hinaus inhaltliche Unterschiede. Etwa differenziert § 283 Abs. 1 StGB im Gegensatz zu den Insolvenzeröffnungstatbeständen nicht hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der Krisenmerkmale.[21] Die Vorschrift knüpft auch – anders als die Tatbestände der Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO) – ebenfalls nicht an dem Unterlassen der Initiative, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, an,[22] die zugleich Regelungsgegenstand der §§ 17–19 InsO sind. [23] Der Regelungsinhalt der im Katalog des § 283 Abs. 1 StGB genannten Bankrotthandlungen weicht hiervon vielmehr deutlich ab.

97

Anlass für eine abweichende Auslegung ist jedoch in erster Linie der divergierende Telos von Insolvenzrecht und einer strafrechtlichen Sanktionierung. Die Verwirklichung von Bankrotthandlungen in der Krise einerseits und von Insolvenzeröffnungstatbeständen andererseits begründen gänzlich abweichende Rechtsfolgen. Dementsprechend sind die Funktionen der Rechtsbegriffe in den unterschiedlichen Regelungszusammenhängen nicht identisch.[24] Die Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens ist primär auf Seiten des Gemeinschuldners, aber, wie gezeigt, auch auf Seiten der Gläubigerschaft mit erheblichen Rechtseingriffen verbunden. Die Insolvenztatbestände wägen diese Folgen gegeneinander. Die Voraussetzungen der Insolvenzgründe dokumentieren (in individuell unterschiedlicher Weise) die Anforderungen an eine wirtschaftliche Krise des Schuldners, die geeignet und erforderlich sind, die mit der Insolvenzverfahrenseröffnung verbundenen (auch grundrechtsrelevanten) Eingriffe, zugleich den „Übergang“ vom Einzel- in ein Gesamtvollstreckungsverfahren, zu rechtfertigen.[25] Beispielsweise sind die Rechtsfolgen eines Insolvenzverfahrens schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit (als frühzeitigem Krisenstadium vergleichsweise geringer Intensität) nur gerechtfertigt, wenn der Schuldner selbst über deren Auslösung (durch Eigenantrag) disponieren kann.[26] In diesem Fall besteht dementsprechend auch keine Insolvenzantragspflicht.[27] Überschuldung löst ein Insolvenzverfahren allein bei Betroffenheit einer juristischen Person aus, da nur in diesen Fällen eine spezifische Gefährdungslage (keine natürliche Person als persönlich haftender Schuldner) besteht.[28]

98

Die Auslegung des Bankrotttatbestands als materielle Strafnorm ist dagegen an einem abweichenden Maßstab orientiert. Im Kontext von § 283 Abs. 1 StGB ist die Krisensituation konstitutives Element des Unrechts der Tat.[29] Die Gefahr, dass ein Geschäftspartner – ebenfalls ein Kreditnehmer der Bank – in eine wirtschaftliche Krise gerät, ist (jenseits von § 283 Abs. 1 StGB) das wirtschaftliche Risiko des Gläubigers. Das Adressatenausfallrisiko ist dementsprechend ein wesentliches wirtschaftliches Risiko der Bank. Der Krisenbegriff des § 283 Abs. 1 StGB begründet insoweit eine normative Zäsur dieser Risikozuordnung, da nach Eintritt (drohender) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung das Vermögen des Schuldners den vollständigen Ausgleich sämtlicher Verbindlichkeiten nicht mehr gewährleistet. In dieser Situation verbietet § 283 Abs. 1 StGB dem Schuldner, bestimmte vermögensmindernde Dispositionen oder informationsbezogene Handlungen, die die wirtschaftlichen Interessen der Gesamtgläubigerschaft gefährden.[30] Maßgeblich ist danach, ob die Krise in Kombination mit der Bankrotthandlung zu einer derart gewichtigen Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen der Gesamtgläubigerschaft führt, die (im Lichte des verfassungsrechtlich verbürgten Übermaßverbots) einen Unrechtsgehalt begründet, der eine Sanktionierung durch Kriminalstrafe rechtfertigt. Die Funktion des Krisenmerkmals besteht also nicht darin, eine wirtschaftliche Krise des Schuldners zu umschreiben, die eine Insolvenzeröffnung rechtfertigt (§§ 17–19 InsO) oder den Schuldner hierzu zwingt (§ 15a Abs. 4 und 5 InsO). Sie liegt vielmehr darin, die Voraussetzungen festzulegen, unter denen die im Katalog des § 283 Abs. 1 StGB genannten Bankrotthandlungen eine strafrechtliche Sanktion rechtfertigen. Für diese Frage besitzen die Insolvenztatbestände allenfalls indiziellen Charakter.[31]

99

Überdies ist zu bedenken, dass die Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten des Insolvenzverfahrensrechts, die insbesondere mit Blick auf eine Verbesserung der Sanierungschancen erfolgte, gleichzeitig die Eingriffsschwelle für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens senkt. Das Insolvenzverfahren ist danach für den Schuldner nicht mehr „die Katastrophe schlechthin“, sondern begründet „eine Möglichkeit zur Lösung seiner wirtschaftlichen Probleme mit einer Reihe von Chancen“.[32] Die insolvenzrechtliche Relativierung der Eingriffsintensität rechtfertigt zugleich, die Voraussetzungen der Insolvenztatbestände auszuweiten. Die Rechtsfolge des § 283 Abs. 1 StGB ist dagegen durch die Insolvenzrechtsreform unverändert. Die verfassungsrechtliche „Schranke“ des Übermaßverbots liegt damit im strafrechtlichen Kontext unverändert hoch. Die erforderliche autonom strafrechtliche Auslegung der Krisenmerkmale kann danach allenfalls orientiert an der insolvenzrechtlichen Begriffsausfüllung erfolgen.[33] Diese bilden dementsprechend (nur) den Ausgangspunkt – nicht aber das Ergebnis – einer strafrechtlichen Begriffsbestimmung.[34] Eine abweichende strafrechtliche Definition (drohender) Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ist dementsprechend in Bereichen veranlasst, in denen eine unveränderte Übertragung der insolvenzrechtlichen „Vorgaben“ zu einer unverhältnismäßigen Ausweitung der Strafbarkeit führen würde.[35] Im Ergebnis besteht aus diesen Gründen nur eine funktionale Insolvenzrechtsakzessorietät der Krisenmerkmale.[36] Die „Komplikationen“, die eine Spaltung der straf- und insolvenzrechtlichen Voraussetzungen der Krisenmerkmale, ebenfalls die weitere Differenzierung innerhalb des Insolvenzstrafrechts (zwischen den Bankrottdelikten und dem Tatbestand Insolvenzverschleppung), bewirkt, sind aufgrund des abweichenden Regelungszusammenhangs und der damit verbundenen Relativität der Rechtsbegriffe sowie der deutlich divergierenden Zielrichtungen der betroffenen Normen nicht vermeidbar.

Teil 3 Anwendungsbereich des Bankrotts in der Krise des Bankkunden – Schutzzweck und Reichweite der Krisenmerkmale › B › II. Zahlungsunfähigkeit

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