Haftungsrisiken des automatisierten und autonomen Fahrens

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Aus der Reihe: InTeR-Schriftenreihe #1
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B. Das Versicherungsprinzip

Die straßenverkehrsrechtliche Haftung ist in Deutschland traditionell an einen mittlerweile extrem ausgeprägten Haftpflichtversicherungsschutz gekoppelt.135 Nach § 1 PflVG ist jeder Halter eines Kfz zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet, die sämtliche durch den Gebrauch des Fahrzeugs verursachten Personen-, Sach- und Vermögensschäden abdeckt. Das Versicherungsprinzip wird durch automatisierte und autonome Fahrfunktionen nicht durchbrochen, ein „Gebrauch“ liegt mithin auch dann vor, wenn das Fahrzeug systemisch, d.h. nicht menschlich, gesteuert wird.136 Weil der Geschädigte die Versicherung des Halters gem. § 115 I VVG direkt in Anspruch nehmen kann, wird das eben dargestellte dreigliedrige Haftungssystem bei Vorliegen eines Versicherungsfalls um die Partei des Versicherungsträgers ergänzt. Im Innenverhältnis ist der Versicherer gegenüber dem Halter gem. § 116 I S. 1 VVG allein zur Schadenstragung verpflichtet; eine Regressmöglichkeit kann sich aber gleichwohl gegenüber dem Fahrer oder Hersteller aus § 86 I S. 1 VVG i.V.m. §§ 840 I, 426 BGB ergeben. Unter diesem Gesichtspunkt stellen sich die Fahrer- und Herstellerhaftung also eigentlich nicht einmal als Regressinstrument des Halters, sondern lediglich seiner Versicherung dar.137

Genauso wie auf Seiten des Regressgläubigers eine Versicherung auftritt, wird auch auf Seiten des Regressschuldners nicht der Hersteller persönlich, sondern im Regelfall seine Betriebs- oder Produkthaftpflichtversicherung für einen Schaden aufkommen.138 Schlussendlich wären in einem Haftpflichtprozess für fehlerhaft agierende Systeme weder der Halter noch der Hersteller direkt beteiligt. Soll ein Ausgleich zwischen zwei Versicherungsträgern stattfinden, ist es in der Praxis nicht unüblich, dass es überhaupt nicht zu einem Prozess kommt, sondern eine Einigung aufgrund eines sog. „Schadensteilungsabkommens“ erzielt wird.139 Dabei übernimmt die Haftpflichtversicherung einen vertraglich festgelegten, pauschalisierten Prozentsatz der Schadenskosten, der auf statistischen Erfahrungswerten basiert.140 Wesentlicher Vorteil eines solchen Rahmenvertrages ist es, dass die Rechtslage für eine bestimmte Art von Schadensfällen nicht in jedem Einzelfall neu geprüft und langwierig gerichtlich festgestellt werden muss.141 Da das automatisierte Fahren aber noch in den Kinderschuhen steckt und in Deutschland diesbezüglich noch keine gerichtliche Entscheidung, geschweige denn eine gefestigte gerichtliche Praxis zu einer relevanten Rechtsfrage existiert, anhand derer sich die Quoten eines Teilungsabkommens richten könnten, dürfte eine pauschalisierte Schadensabwicklung aktuell noch schwer durchzuführen sein.

Der Haftpflichtversicherungsschutz des Halters endet, sobald kein Versicherungsfall mehr vorliegt. Als Versicherung für Fremdschäden deckt eine Haftpflichtversicherung keine Schäden ab, die beim versicherten Kfz selbst eintreten.142 In einem solchen Fall bleibt dem geschädigten Halter dann nur – vom eventuellen Bestehen einer freiwilligen Kaskoversicherung einmal abgesehen – die direkte Inanspruchnahme des Fahrers oder Herstellers.143

135 Dazu ausführlich Barner, Die Einführung der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. 136 Notthoff, r+s 2019, 496 (498); Singler, NZV 2017, 353 (354); Greger, NZV 2018, 1 (5); vgl. schon für Fahrerassistenzsysteme Walter, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 7 StVG Rn. 291; Hammel, Haftung und Versicherung bei Personenkraftwagen mit Fahrerassistenzsystemen, S. 242. 137 Greger, NZV 2018, 1 (5); Kreutz, in: Oppermann/Stender-Vorwachs, Autonomes Fahren, 2. Auflage, S. 192. 138 Wagner, AcP 2017, 707 (760). 139 Wagner, AcP 2017, 707 (761); Grundmann, in: MüKo BGB, § 276 BGB Rn. 148. 140 Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1034; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn. 786. 141 Wandt, Versicherungsrecht, Rn. 1034; Schimikowski, Versicherungsvertragsrecht, Rn. 367. 142 Walter, in: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, BeckOGK, § 7 StVG Rn. 291. 143 Wagner, AcP 2017, 707 (761).

§ 5 Haftungsrisiken de lege lata für Halter und Fahrer

Beginnen soll die Untersuchung mit der derzeitigen Haftungssituation für Fahrer und Halter, die sich primär aus dem Straßenverkehrsrecht, sekundär aus dem allgemeinen Deliktsrecht ergibt.

A. Haftung von Fahrer und Halter nach dem StVG
I. Anwendbarkeit des StVG auf nicht-öffentlichen Flächen

Bedingt durch die vielfältigen Einsatzgebiete automatisierter und autonomer Systeme kann bereits fraglich sein, ob Fahrer und Halter überhaupt nach dem StVG zur Verantwortung gezogen werden können, wenn sich der Unfall etwa auf privaten Betriebsgeländen oder Parkplätzen ereignet. Gerade zum jetzigen Zeitpunkt werden autonome Fahrzeuge häufig noch innerhalb von geschlossenen Verkehrssystemen (z.B. in Parkhäusern oder an Flughäfen) getestet.144 Auch in der Logistik gibt es Fahrzeuge, deren Anwendungsbereich offensichtlich nicht auf einem öffentlichen Verkehrsraum liegt, etwa bei autonomen Gabelstaplern auf geschlossenen Betriebsgeländen.145

Auch wenn Rechtsprechung und Literatur teilweise die Anwendbarkeit des StVG bei Fahrzeugen ablehnen, die auf privaten Geländen geparkt sind,146 so kann daraus nicht pauschal die Unanwendbarkeit der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften geschlussfolgert werden.147 Maßgebend ist allein, ob sich der Unfall i.S.d. § 7 I StVG „bei dem Betrieb“ des Kraftfahrzeugs ereignet hat; auf die Öffentlichkeit der Verkehrsfläche kommt es gerade nicht an.148 Anders als die StVO oder die StVZO verweist das StVG nicht auf den öffentlichen Verkehrsraum.149 Schutzzweck der Haftungsnormen des StVG ist die Kompensierung der den Fahrzeugen innewohnenden Betriebsgefahr,150 die sich auf privaten und öffentlichen Geländen gleichermaßen realisieren kann.151 Eine Haftungslücke für Unfälle auf nicht-öffentlichen Flächen besteht somit nicht.152

II. Halterhaftung, § 7 I StVG

Halter ist, wer das Kfz im eigenen Namen nicht nur ganz vorübergehend für eigene Rechnung gebraucht und die Verfügungsgewalt über das Kfz ausübt.153 Die Verfügungsgewalt hat derjenige inne, der Anlass, Ziel und Zeit der Fahrt selbst bestimmen kann.154 Auf Eigentum am Fahrzeug oder die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil 2 kommt es nicht an,155 sodass etwa auch der Leasingnehmer Halter sein kann.156

Nach § 7 I StVG haftet der Halter während des Betriebs des Fahrzeugs für Unfälle, bei denen der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt wird. Zwischen Betrieb und Schaden muss dabei ein adäquater Kausalzusammenhang bestehen.157 Ferner muss der Schaden dem Halter nach dem Schutzzweck der Norm zurechenbar sein.158 Gem. § 7 II, III StVG ist die Haftung ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht oder das Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Halters verwendet wurde und dieser die Verwendung nicht verschuldet hat. Gem. § 8 Nr. 1 StVG findet § 7 I StVG ferner keine Anwendung, wenn das unfallverursachende Fahrzeug bauartbedingt weniger als 20 km/h fahren kann.

1. Verantwortlichkeit des Halters

§ 7 I StVG ist als verschuldensunabhängiger Tatbestand konzipiert. Eine Haftung folgt allein aus der Inbetriebnahme eines – wenn auch nur potenziell – gefährlichen Fahrzeugs. Das Gefährdungsprinzip beruht dabei auf dem Gedanken, dass derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, zwangsläufig auch bei Einhaltung größter Sorgfalt für die dabei eintretenden Schädigungen einzustehen hat.159 Wer das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalles steuert, ist für die Haftung des Halters daher irrelevant.160 Gleiches gilt, wenn nicht ein Mensch, sondern ein System die Steuerung übernommen hat.161 Für das automatisierte und autonome Fahren ergeben sich insofern keine Besonderheiten.162

2. Höhere Gewalt, § 7 II StVG

Die Haftung nach § 7 I StVG ist ausgeschlossen, wenn der Unfall auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, § 7 II StVG. Unter höherer Gewalt wird in Anlehnung an § 1 II S. 1 HaftPflG ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen Dritter (betriebsfremder Personen) herbeigeführtes Ereignis verstanden, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.163 Im Wesentlichen lassen sich dieser Definition drei Kernelemente entnehmen. Notwendig sind ein von außen einwirkendem Ereignis, die Unvorhersehbarkeit und die Unabwendbarkeit dieses Ereignisses.164 Nach den Grundsätzen des BGH ist höhere Gewalt dennoch ein wertender Begriff, nach dem diejenigen Risiken von einer Haftung ausgeschlossen werden sollen, die bei einer rechtlichen Bewertung nicht mehr dem gefährlichen Unternehmen (hier: das Autofahren), sondern alleine dem Drittereignis zugerechnet werden können.165

 

Beim Versagen technischer Einrichtungen wurde das Vorliegen von höherer Gewalt bislang rigoros verneint.166 Ob an dieser Linie unter Anbetracht neuer technischer Dimensionen festgehalten werden kann, muss diskutiert werden. Sowohl bei automatisierten als auch bei autonomen Fahrzeugen sind diesbezüglich zwei Unfallszenarien denkbar:

 – die Unfallursache liegt im System selbst, also durch Programmierung oder selbstständige Aneignung fehlerhaften Verhaltens;

 – die Unfallursache liegt in der Übernahme der Steuerung oder anderen Eingriffen von außen (insbesondere Hacker-Angriffe).

Im ersten Fall liegt keine höhere Gewalt vor. Wenn das System selbst Fehler begeht, dann mangelt es bereits an einem von außen einwirkenden Ereignis.167 Ein solches liegt nämlich nur dann vor, wenn das Ereignis mit dem Fahrzeugbetrieb nicht in einem ursächlichen Zusammenhang steht.168 Die Situation stellt sich bei fehlerhaft agierenden Systemen aber nicht anders da als bei menschlichen Fahrfehlern. Ursächlich für den Unfall ist jeweils derjenige, der das Fahrzeug von innen steuert. Des Weiteren wurde das Ereignis in diesem Fall nicht durch Naturkräfte oder durch Handlungen einer betriebsfremden Person herbeigeführt.

Problematischer ist der zweite Fall. Erfolgt ein externer Zugriff auf das fehlerfrei arbeitende System, so könnte ein von außen herbeigeführtes Ereignis vorliegen. Teilweise wird die Äußerlichkeit mit dem Argument verneint, dass auch bei Hackerangriffen der Unfall nicht durch einen außenstehenden Dritten, sondern immer noch durch das Fahrzeug selbst – wenn auch durch Manipulation – verursacht worden ist.169 Würde man aber dieser Argumentation konsequent folgen, wären kaum noch Fälle höherer Gewalt denkbar; schließlich ist es letztendlich immer das Fahrzeug, das den Unfall unmittelbar verursacht. Auch bei einem Erdbeben kommt es im Ergebnis zu einem Zusammenstoß zweier Fahrzeuge, entscheidend ist aber die Ursächlichkeit der Naturkraft. Ein Hackerangriff ist daher als externes Ereignis zu betrachten.170

Der von außen kommende Eingriff müsste nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar gewesen sein. Dies ist in der Regel bei extremen Ausnahmesituationen anzunehmen, auf die man sich nicht einstellen oder vorbereiten kann.171 Hammel führt dazu an, dass mit Eingriffen Dritter gerechnet werden muss und ein erfolgreicher Hackerangriff insofern Beleg für eine unzureichende Vorbereitung sei.172 Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als Sicherheitsmaßnahmen zur Abwehr von externen Angriffen erforderlich sind. Dennoch kann im Normalfall nicht mit einer Attacke gerechnet werden. Jedenfalls ist ein Cyberangriff nicht grundsätzlich als wahrscheinlicher zu betrachten als etwa der Wurf von Steinen von einer Autobahnbrücke, der unbestritten als höhere Gewalt zu qualifizieren ist.173 Auch die Unabwendbarkeit des Angriffs kann nicht per se ausgeschlossen werden.

Grundsätzlich sind an den Halter zwar hohe Anforderungen bzgl. der Sicherung des Fahrzeugs zu stellen.174 Trotzdem hat auch der Halter nur begrenzte Möglichkeiten, das System vor Cyberangriffen zu schützen; es kann lediglich von ihm verlangt werden, das System auf dem neuesten Stand zu halten. Auch der sorgfältigste Halter wird einen erfolgreichen Angriff dadurch nicht immer verhindern können.

Es bleibt im Ergebnis abzuwarten, welche Rolle Hackerangriffe tatsächlich für einen automatisierten oder autonomen Verkehr spielen. Aus heutiger Sicht jedenfalls sind die Parallelen zwischen dem auf einem Naturereignis und dem auf einem Hackerangriff beruhenden Straßenverkehrsunfall unverkennbar. Bei äußeren Eingriffen in das System des Fahrzeugs ist der Haftungsausschluss des § 7 II StVG daher anzuwenden.175

3. Schwarzfahrt, § 7 III StVG

Die Übernahme der Steuerung durch Dritte oder anderweitiges Manipulieren der Systemsoftware könnte zudem auch einen Fall der Schwarzfahrt gem. § 7 III S. 1 StVG darstellen. Ob eine solche vorliegt, ist nach dem Gesamtcharakter der Fahrt zu beurteilen.176 Wenn der Halter bereits mit dem Motorstart und dem Losfahren nicht einverstanden ist und sich das Fahrzeug dann etwa ohne Insassen (teleportiert) fortbewegt, dann liegt eine Fahrt ohne Wissen und Wollen des Halters vor.177 Es ist dann eine Frage des Einzelfalls, inwieweit der Halter diese Fahrt schuldhaft ermöglicht hat. Die begrenzten technischen Sicherungsmöglichkeiten geben aber auch hier wiederum wenig Spielraum für eine Sorgfaltspflichtverletzung. Wenn der Halter alles ihm Zumutbare getan hat, wird seine Haftung in der Regel entfallen.178

Erfolgt die Übernahme der Steuerung dagegen erst während der Fahrt, muss differenziert werden: Bei „leichten“ Eingriffen, die etwa die Lenkung oder die Bremse betreffen, liegt keine Schwarzfahrt vor, weil der Halter hier mit der Benutzung des Kfz grundsätzlich einverstanden ist, mithin mit seinem Wissen und Wollen erfolgt. Geringfügige Abweichungen von seinen Weisungen begründen dann noch keine Schwarzfahrt.179 Problematisch wird es erst dann, wenn das Fahrzeug z.B. plötzlich ein völlig anderes Ziel anfährt.180 In diesem Fall erfolgt die Nutzung nicht mehr mit dem Willen des Halters; es ist dann auch unerheblich, dass ihm der unbefugte Gebrauch bekannt ist.181 Aus dem gleichen Grund ist der Haftungsausschluss des Benutzers gem. § 7 III S. 2 StVG nicht einschlägig. Für eine „Überlassung“ des Fahrzeugs ist eine willentliche Einräumung der Benutzungsmöglichkeit seitens des Halters erforderlich.182 Bei erheblichen externen Eingriffen, die die Fahrtwege des Fahrzeugs betreffen, könnte der Haftungsausschluss des Halters gem. § 7 III S. 1 StVG also durchaus Bedeutung haben.183

4. Langsame Fahrzeuge, § 8 Nr. 1 StVG

Die Gefährdungshaftung des Halters ist ferner nach § 8 Nr. 1 StVG bei Kraftfahrzeugen ausgeschlossen, die bauartbedingt oder durch technische Vorrichtungen eine Geschwindigkeit von 20 km/h nicht überschreiten können. Bereits seit vielen Jahren stößt die Vorschrift angesichts der hohen Gefährlichkeit auch von langsamen Fahrzeugen (etwa Baumaschinen oder Mähdrescher) auf Kritik.184 Wegen der aber immer noch geltenden Gesetzeslage von 1909185 bleibt auch der Halter von langsamen automatisierten und autonomen Fahrzeugen von der Haftung nach § 7 I StVG befreit,186 obwohl die Fülle an möglichen Einsatzgebieten trotz der reduzierten Geschwindigkeit nicht zu unterschätzen ist187 und sich das Gefahrenpotential somit mit zunehmender Automatisierung weiter erhöht. Die Vereinbarkeit von § 8 Nr. 1 StVG mit dem Sinn und Zweck von § 7 I StVG als Gefährdungshaftung ist daher erheblich in Frage gestellt. Aktuell verbleibt für die Opfer nur ein Rückgriff auf allgemeines Deliktsrecht nach §§ 823ff. BGB, um gegen den Halter vorzugehen.

5. Zwischenergebnis: Rechtssicherheit für den Halter?

Automatisierte Fahrfunktionen ändern am Haftungsregime des Halters in Form der Gefährdungshaftung zunächst nichts. Der Gesetzgeber hat diesen Bereich bislang nicht angetastet,188 was in Anbetracht der unveränderten Stellung des Halters und des Sinns und Zwecks seiner Haftbarkeit für das Inverkehrbringen einer potenziellen Gefahr auch sinnvoll ist.189 Dennoch ist im Rahmen des Haftungsausschlusses wegen höherer Gewalt nicht ganz von der Hand zu weisen, dass Angriffe von außen auf das technische System durchaus Parallelen zu Fällen aufweisen, die heute bereits als höhere Gewalt anerkannt sind. Für diesen begrenzten Risikobereich könnte die Halterhaftung in Zukunft entfallen. Der Haftungssauschluss der Schwarzfahrt dürfte dagegen nur dann Bedeutung erlangen, wenn die Fahrzeugbewegung selbst nicht mehr dem Willen des Halters entspricht, was wohl nur in den seltensten Fällen gegeben sein wird. Praktisch bedeutsamer dürften Unfälle mit langsamen, vornehmlich autonomen Fahrzeugen sein; weil ein Haftungsausschluss in solchen Fällen nicht gerechtfertigt ist, sollte § 8 Nr. 1 StVG gestrichen werden.

III. Fahrerhaftung, § 18 I StVG

Neben dem Halter haftet nach § 18 I StVG auch der Führer eines Kraftfahrzeugs für Personen- oder Sachschäden. Anders als die Halterhaftung ist die Fahrerhaftung eine Verschuldenshaftung, wenn auch mit umgekehrter Beweislast, wie sich aus § 18 I S. 2 StVG ergibt. Es liegt am Fahrer darzulegen, dass er die nach § 276 II BGB gewöhnliche verkehrserforderliche Sorgfalt angewandt hat.190 Für den Fahrer eines Kraftfahrzeugs gelten dabei die besonders hohen, von der Rechtsprechung entwickelten Sorgfaltsanforderungen eines „besonnenen und gewissenhaften“ Kraftfahrers.191 Dabei muss er sich nicht an einem „Idealfahrer“, sondern lediglich an einem durchschnittlich geübten Fahrer messen lassen.192 Die Anforderungen können bei unterschiedlichen Menschen- und Berufsgruppen variieren,193 sind aber grundsätzlich unabhängig von persönlichen Fähigkeiten anhand eines objektiven Sorgfaltsmaßstabs zu beurteilen.194

1. Automatisiertes Fahren

Im Zusammenhang mit automatisierten Fahrfunktionen stellt sich allerdings die Frage, welchen Sorgfaltsanforderungen der Fahrer während der automatisierten Fahrt nachkommen muss. Ein klassischer Fahrfehler kann ihm schließlich nicht zur Last gelegt werden, wenn das System zum Zeitpunkt des Unfalls die Steuerung übernommen hat. Es verbleiben dann nur besondere Überwachungs- und Kontrollpflichten bezüglich der Funktionsweise des Systems und der Geschehnisse im Straßenverkehr. Bereits vor Verabschiedung des 8. StVG-Änderungsgesetzes hat die Rechtsprechung umfangreiche Überwachungspflichten bei der Nutzung technischer Hilfssysteme formuliert. Im Jahr 2007 entschied das AG München, dass sich der Nutzer einer elektronischen Einparkhilfe (PDC) nicht alleine auf die Signale und Anzeigen des Systems verlassen darf, sondern sich durch eigene Beobachtungen selbst vergewissern muss, ob sich ein Hindernis hinter dem Fahrzeug befindet.195 Vergleichbar ist auch eine Entscheidung des OLG Hamm, nach der sich ein Fahrer bei Überschreiten der Höchstgeschwindigkeit nicht auf einen defekten Tempomaten berufen kann.196

Die Rechtsprechung bestätigt damit die für viele als selbstverständlich betrachteten Grenzen menschlichen Vertrauens in die Technik.197 Auf der anderen Seite muss sich der erwartete Komfortgewinn aber auch in einer sukzessiven Reduzierung menschlicher Sorgfaltspflichten widerspiegeln. Der Gesetzgeber stand deshalb vor der Aufgabe, das Komfortbedürfnis und sicherheitsrelevante Überwachungspflichten bestmöglich miteinander zu vereinbaren.

a. Das 8. StVG-Änderungsgesetz

Das achte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 16.06.2017 sieht u.a. die gesetzliche Normierung der an Fahrer und System zu stellenden Verhaltensanforderungen vor. Zur rechtlichen Umklammerung der Stufen 3 und 4 des automatisierten Fahrens wurden dazu fünf neue Paragrafen in das StVG eingefügt, die die Regelungsfelder Zulassung, Fahrerhaftung und Datenschutz betreffen. Das autonome Fahren der Stufe 5 ist ausdrücklich nicht Gegenstand des Änderungsgesetzes.198 Seit seiner Verabschiedung (und teilweise auch schon vorher) sieht sich das Gesetz allerdings deutlicher Kritik bezüglich seines Umfangs und seiner Bestimmtheit ausgesetzt.199 Ausgehend von den Anfängen des Gesetzesentwurfes soll dieser Kritik nachgegangen und untersucht werden, inwieweit die neuen Regelungen der vom Staat selbstauferlegten Vorreiterrolle bei der Mobilität 4.0200 gerecht werden können.