Haftungsrisiken des automatisierten und autonomen Fahrens

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Aus der Reihe: InTeR-Schriftenreihe #1
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2. Verkehrseffizienz

Viele Menschen, viele Staus, wenig Platz: Die Verstopfung der Städte hat in den vergangenen Jahren massiv zugenommen. In Deutschland kommen auf 1.000 Einwohner 692 Fahrzeuge, über 57 Millionen insgesamt.101 Bauliche Maßnahmen wie die Erweiterung von Straßen und Parkflächen sind aus Platzgründen beschränkt und geraten in Konflikt mit Umweltbelangen und dem ebenfalls stetig wachsenden Bedürfnis nach städtischem Wohnraum. Vor allem unsere Großstädte tragen die Last eines Stadt- und Mobilitätskonzeptes, das längst nicht mehr im angemessenen Verhältnis zum Wachstum der Städte steht. Wir brauchen die „Mobilitätseffizienz-Revolution“.102 Weniger Fahrzeuge durch attraktive öffentliche Verkehrsmittel und ein intelligentes Car-Sharing Angebot, lautet hier der erste Ansatz. Gestaltet man etwa das Verkehrsaufkommen nachfrageorientiert, wären die Autos dort, wo sie gebraucht werden. Keine Wartezeiten, kein stundenlanges „Herumstehen“ der Fahrzeuge mehr. Die Autonomisierung des Straßenverkehrs nimmt bei dieser Idee eine Schlüsselrolle ein. „Robo-Taxis“ würden dabei ständig in Bewegung bleiben und wären nicht mehr an eine bestimmte Person oder Personengruppe gebunden, sondern dienten nur dem Zweck einer effektiven, punktgenauen Beförderung.103

Das Bild eines vollautonomen, rein zweckgebundenen Straßenverkehrs mag zwar als praktisch nicht umsetzbar erscheinen, der Grundgedanke lässt sich aber durchaus auf das Mobilitätskonzept von morgen übertragen. Autonome Fahrzeuge kennen die effektivste Route, können so Staus und anderen Verkehrsbehinderungen ausweichen, was zur Reduzierung ebendieser führt. Durch eine vernetzte Infrastruktur kommt es zu weniger Lücken zwischen den Fahrzeugen, wodurch der Straßenverkehr harmonisiert wird und so etwa mehr Fahrzeuge über eine grüne Ampel fahren können.104 Durch die effizientere Nutzung von Verkehrsräumen ist es ebenfalls denkbar, dass autonome Fahrzeuge weitaus weniger Fläche benötigen und so sogar ein Rückbau der Straßenflächen möglich wäre.105

3. Zeiteffizienz

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist der durch den Wegfall der Fahraufgabe entstehende erhebliche Zeitgewinn für den Fahrer, nämlich einerseits die Zeit, die er zur Bewältigung der Fahraufgabe aufwendet, in der er also aktiv Gas gibt, bremst und lenkt, um an sein Ziel zu gelangen. Hinzukommt andererseits diejenige Zeit, in der der Fahrer diesen Aufgaben nicht nachkommt, die er aber trotzdem in seinem Auto verbringen muss, weil er etwa an der Ampel oder im Stau steht. Hierzulande verbringt ein Autofahrer durchschnittlich 36 Stunden pro Jahr im Stau.106 Aber auch die Zeit, die wir nicht im Stau verbringen, wird nicht unbedingt effektiv zur Fortbewegung von A nach B genutzt: 41 Stunden im Jahr sind wir auf der Suche nach einem freien Parkplatz.107 Dementsprechend viel Potential bietet das autonome Fahren auch in Hinblick auf ein effektiveres Zeitmanagement.

Natürlich sind die Möglichkeiten, die gewonnene Zeit anderweitig zu nutzen, limitiert. Trotzdem erscheint der neue Freiraum durchaus attraktiv: So könnte das autonome Fahrzeug als „mobile Office“ oder als Erholungs- und Schlafmöglichkeit dienen. Die neuen Nutzungsmöglichkeiten könnten zudem auch einen positiven Effekt auf die räumliche Stadtentwicklung haben. So wäre es zum Beispiel nicht mehr zwingend erforderlich, in der näheren Umgebung des Arbeitsplatzes zu wohnen, wenn die Fahrtzeit bereits zur Erledigung der Arbeit genutzt werden könnte. Die Folge wäre eine Verbesserung der Wohnraumsituation in den Innenstädten und eine gleichzeitige Aufwertung ländlicher Regionen.108

4. Mobilität für alle

Durch niedrige Geburtenraten und steigende Lebenserwartungen wird die Anzahl älterer Menschen in den nächsten Jahrzehnten stark anwachsen. Schon bis 2030 soll sich der Anteil der über 65-Jährigen um ein Drittel erhöhen und dann 28 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen.109 Viele dieser Menschen sind physisch nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Eine schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr gerade in den ländlichen Regionen reduziert zusätzlich die Mobilität und die Teilhabe am öffentlichen Leben insgesamt. Ein Großteil unserer Bevölkerung sieht das autonome Fahren als mögliche Lösung dieses Problems an.110 Aber nicht nur ältere Menschen können profitieren. Jegliche Personengruppen, die heute aus physischen oder psychischen Gründen nicht am Straßenverkehr teilnehmen können, werden (wieder) mobil. Zu denken ist hier an Kinder und Jugendliche ebenso wie an Kranke oder Personen mit einer Behinderung.

5. Umweltschutz

Die Faktoren der verkehrsbedingten Umwelteinflüsse sind vielfältig. Als primäre Maßnahme gegen die fortschreitende Umweltverschmutzung durch Kraftfahrzeuge gilt in erster Linie der Umstieg auf die Elektromobilität.111 Aber auch ein Elektrofahrzeug fährt nicht völlig klimaneutral, sondern ist nur so grün wie der Strom, der zum Betrieb, zur Produktion und zur Entsorgung des Fahrzeugs benötigt wird.112 Elektromobilität ist deshalb zumindest in absehbarer Zeit nicht gleichbedeutend mit Klimaneutralität; sogar unter der Prämisse, dass wir in Zukunft vollständig auf Verbrennungsmotoren verzichten. Aus diesem Grund können und müssen auch andere Faktoren einen positiven Einfluss auf die Klimabilanz des Straßenverkehrs nehmen. Das automatisierte und insbesondere das autonome Fahren kann daran insofern teilhaben, als sich die Anzahl der auf der Straße befindlichen Fahrzeuge voraussichtlich reduzieren lässt.113 Zusätzlich wird die effiziente Fahrweise den heutigen fahrerbedingten Schwankungen des Kraftstoffverbrauches114 ein Ende bereiten. Auf der anderen Seite jedoch könnten der neue Komfortgewinn und der geringe Zeitverlust durch den Transport dazu führen, dass das Auto – mehr als ohnehin schon – vermehrt auch auf Kurzstrecken zum Einsatz kommt.115 Hinzukommt die Nutzung derjenigen Personen, die heute alters- oder krankheitsbedingt auf ein Fahrzeug verzichten müssen. Im Zuge des demografischen Wandels wird sich dieser Personenkreis in Zukunft weiter vergrößern.

Der Einfluss des autonomen Fahrens ist im Ergebnis folglich schwer zu prognostizieren. Entscheidend wird die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende sein, von der es letztlich abhängt, ob elektrische Fahrzeuge klimaneutral fahren können oder nicht. Werden weiterhin fossile Energien genutzt, so eröffnet sich zwar Energiesparpotential durch die Effizienz der Fahrzeuge und der gesamten Verkehrsinfrastruktur, die neue Bequemlichkeit des Fahrens und der erweiterte Nutzerkreis können die Bilanz aber stark trüben.

II. Risiken
1. Verlust an Fahrfertigkeiten

Der Feierabendverkehr zur Rush-Hour, Stop-and-Go auf der Autobahn, Fahrten bei dichtem Nebel oder Eisesglätte: Schön, wenn wir in Zukunft schwierige und stressige Verkehrssituationen nicht mehr selbst bewältigen müssen. Das kann über Monate oder sogar Jahre einwandfrei funktionieren. Bis wir aber wirklich autonom fahren, kann sie jederzeit kommen, die Aufforderung des Systems zur Übernahme der Steuerung. Und plötzlich werden uns in einer brenzligen Situation Fähigkeiten abverlangt, die wir irgendwo tief unter der großen Vielfalt des Infotainmentsystems vergraben haben. Die Gefahr besteht in dem Verlust der heute für viele selbstverständlichen Kompetenz des sicheren Autofahrens.116 Wenn wir auf der einen Seite von einer Verbesserung der allgemeinen Verkehrssicherheit sprechen, wenn wir automatisiert oder autonom fahren, so heißt dies auf der anderen Seite auch, dass die Gefährdung des Straßenverkehrs zunehmen kann, wenn wir plötzlich wieder selbst fahren müssen. Den Zusammenhang zwischen automatisierten Systemen und dem Verlernen von essentiellen Fahrfertigkeiten zeigt eine 2018 veröffentlichte OECD-Studie: Danach laufen sogar erfahrene und normalerweise eher defensive Fahrer erhöhte Gefahr, bei einer Übernahmesituation falsch zu reagieren.117 Die Situation weist eine gewisse Vergleichbarkeit zum Autopiloten in Flugzeugen auf.118 Piloten aber trainieren explizit den Gebrauch des Autopiloten und die Übernahmesituation.119 Eine solche Vorgehensweise ließe sich auf das automatisierte Fahren übertragen.120

2. Verlust an Kontrolle

Das zunehmende Abhängigkeitsverhältnis des Menschen zur Technik und die im Falle eines Totalausfalls befürchteten Endzeitszenarien sind ein wesentlicher Kritikpunkt nicht nur der Automatisierung des Straßenverkehrs, sondern der Digitalisierung im Allgemeinen. Ob Wasserversorgung, Stromnetz oder Internet, alles scheint am seidenen Faden einer funktionierenden Dateninfrastruktur zu hängen.121 Je mehr sich unser Alltag durch den fortwährenden Einsatz technologischer Errungenschaften vereinfachen lässt, desto komplizierter wird dabei das hinter dieser Einfachheit stehende Geflecht aus technischen Zusammenhängen, das wir zwar meistens positiv als „Vernetzung“ bezeichnen, dessen Funktionsfähigkeit aber nur die Wenigsten wirklich verstehen und erklären können. So kommt es, dass wir die Kontrolle über lebensnotwendige Bestandteile unseres Alltags in Gänze in die Hände einer hochkomplexen Technik legen, deren Zusammenbruch mitunter einer nationalen Katastrophe gleichkommen würde.122

Das autonome Fahren kann diesbezüglich auch Anlass zur Sorge sein. Die Gefahr liegt insbesondere in der Anfälligkeit für Angriffe von außen, die nicht nur einzelne Fahrzeuge, sondern den kompletten Verkehr zum Stillstand bringen könnten.123 Ehe es aber tatsächlich zu einem solchen Szenario kommt, muss erst einmal die nötige Infrastruktur geschaffen werden, sodass eine tiefergreifende Diskussion zum jetzigen Zeitpunkt eher spekulativ wäre.124

 

3. Volkswirtschaftliches Risiko: Wandel des Arbeitsmarktes

Die weltweiten und nationalen wirtschaftlichen Folgen zunehmender Automatisierung hängen im Wesentlichen von Erfolg oder Misserfolg der Technologie ab und können hier nicht umfassend dargestellt werden.125 Angesprochen sei hier nur der Wandel des Arbeitsmarktes als der in der Öffentlichkeit am heftigsten diskutierte Effekt einer erfolgreichen Implementierung des autonomen Fahrens. Allen voran steht die Befürchtung, tausende Arbeitsplätze von Bus-, Taxi- und LKW-Fahrern könnten wegfallen.126 Der Arbeitsplatzwegfall auf der einen Seite bedeutet aber auch die Schaffung ganz neuer Berufsbilder auf der anderen Seite, die allerdings eine völlig andere Qualifizierung voraussetzen,127 sodass eine einfache Umschulung, wie teilweise gefordert,128 hier nur schwer möglich erscheint. Benötigt werden in Zukunft vor allem „hybride“ IT-Spezialisten, die sowohl Informatiker als auch Fahrzeugtechniker sind.129 Die gravierendsten Einschnitte werden sich vielleicht erst in vielen Jahren ergeben. Dennoch ist es notwendig, die Lösung dieses Problems heute anzugehen, um die betroffenen Berufsgruppen nicht eines Tages vor vollendete Tatsachen zu stellen.

87 Vgl. etwa kürzlich Hebermehl, Zwei Personen im gerammten Honda Civic sterben, https://www.auto-motor-und-sport.de/elektroauto/tesla-autopilot-unfall-honda-civic/. 88 Dazu im Folgenden sowie Fraedrich/Lenz, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 645ff. 89 Seher, Die Angst vor neuer Technik ist so alt wie die Menschheit, https://www.nrz.de/wochenende/die-angst-vor-neuer-technik-ist-so-alt-wie-die-menschheit-id209190935.html. 90 2019 wurden allein in Deutschland 3046 Personen durch Unfälle im Straßenverkehr getötet und mehr als 384.000 Personen verletzt, Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Verkehrsunfaelle/_inhalt.html#sprg230562. 91 Ethik-Kommission, Automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 10. 92 BMVI, Strategie automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 9. 93 Dazu Winkle, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 366f.; Schulz, NZV 2017, 548 (548); Hilgendorf, in: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 57; Jourdan/Matschi, NZV 2015, 26 (26); von dieser Prämisse geht auch die Europäische Kommission in ihrem Expertenbericht aus, Liability for Artificial Intelligence, S. 40. 94 Cookson/Pishue, Inrix Verbraucherstudie zu autonomen und vernetzten Fahrzeugen, S. 16. 95 Cookson/Pishue, Inrix Verbraucherstudie zu autonomen und vernetzten Fahrzeugen, S. 17. 96 So die Ethik-Kommission, automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 10. 97 Bundeskanzlerin Angela Merkel prophezeit beispielsweise, dass wir in 20 Jahren eine Sondergenehmigung brauchen, wenn wir manuell fahren wollen, FAZ, Autos selbst steuern? In 20 Jahren nur mit Sondererlaubnis, https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/neue-mobilitaet/angela-merkel-autos-selbst-steuern-in-20-jahren-nur-mit-sondererlaubnis-15056398.html; zur Diskussion auch die Ethik-Kommission, Automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 21; Stender-Vorwachs/Steege, in: Oppermann/Stender-Vorwachs, Autonomes Fahren, 1. Auflage, S. 260ff. 98 So die Ethik-Kommission, Automatisiertes und vernetztes Fahren, S. 21. 99 Stender-Vorwachs/Steege, in: Oppermann/Stender-Vorwachs, Autonomes Fahren, 1. Auflage, S. 270. 100 BVerfG NJW 1987, 180 (180) (Gurtfälle); BVerfG NJW 1982, 1276 (1276) (Helmfälle). 101 Kraftfahrt-Bundesamt, Jahresbilanz des Fahrzeugbestandes am 1. Januar 2019, https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand_node.html. 102 Bratzel/Thömmes, Alternative Antriebe, autonomes Fahren, Mobilitätsdienstleistungen: Neue Infrastrukturen für die Verkehrswende im Automobilsektor, S. 39. 103 Heinrichs nennt diese Idee die „Hypermobile Stadt“, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 224. 104 Vgl. Hucko, „Selbstfahrende Autos sind eine Chance für die Stadt“, http://www.spiegel.de/auto/aktuell/autonomes-fahren-chance-fuer-die-stadt-a-997393.html; Heinrichs, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 231. 105 Heinrichs, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 232. 106 Lenninger, in: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 75. 107 Cookson/Pishue, Die Folgen der Parkplatzproblematik in den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland, S. 4. 108 Esser/Kurte, Autonomes Fahren, S. 51; Bratzel/Thömmes, Alternative Antriebe, autonomes Fahren, Mobilitätsdienstleistungen: Neue Infrastrukturen für die Verkehrswende im Automobilsektor, S. 43f.; Heinrichs, in: Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 231; Kagermann, in: 56. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. XLIV. 109 Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, S. 8; Grathwohl/Putzke/Hieke, InTeR 2014, 98 (99). 110 In Deutschland glauben knapp 80 Prozent der Bürger, dass der verbesserte Zugang für ältere und behinderte Menschen zu Mobilität ein Vorteil des autonomen Fahrens ist, Cookson/Pishue, Inrix Verbraucherstudie zu autonomen und vernetzten Fahrzeugen, S. 25. 111 Bundesregierung, Regierungsprogramm Elektromobilität, S. 5. 112 Bundesministerium für Umwelt, wie klimafreundlich sind Elektroautos?, S. 1f.; kritisch auch Nehm, in: 56. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. XXI. 113 Dazu Bratzel/Thömmes, Alternative Antriebe, autonomes Fahren, Mobilitätsdienstleistungen: Neue Infrastrukturen für die Verkehrswende im Automobilsektor, S. 41f. 114 Ca. 20 Prozent des Verbrauches sind heute durch den Fahrer beeinflusst, Lenninger, in: 53. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. 75. 115 Vgl. Bratzel/Thömmes, Alternative Antriebe, autonomes Fahren, Mobilitätsdienstleistungen: Neue Infrastrukturen für die Verkehrswende im Automobilsektor, S. 43. 116 Wolfangel, „Zu viel Assistenz nimmt den Fahrspaß“, https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.interview-zum-autonomen-fahren-zu-viel-assistenz-nimmt-den-fahrspass.4df56afaeeed-4c0d-b92c-242ed16b9b78.html. 117 OECD, safer roads with automated vehicles?, S. 18. 118 OECD, safer roads with automated vehicles?, S. 18. 119 Trösterer/Meschtscherjakov/Mirnig/Lupp/Gärtner/McGee/McCall/Tescheligi/Engel, What we can learn from pilots for handovers and (de)skilling in semi-autonomous driving: An interview study, S. 177. 120 Trösterer/Meschtscherjakov/Mirnig/Lupp/Gärtner/McGee/McCall/Tescheligi/Engel, What we can learn from pilots for handovers and (de)skilling in semi-autonomous driving: An interview study, S. 180. 121 Grunwald, Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 673f. 122 So etwa beim Zusammenbruch des Stromnetzes, dazu Petermann/Lüllmann/Bradke/Poetzsch/Riehm, Was bei einem Blackout geschieht, S. 239. 123 Grunwald, Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 673; Balser, Wenn Computer Autofahrer ablösen, https://www.sueddeutsche.de/auto/autonomes-fahren-wenncomputer-den-menschen-abloesen-1.2831833. 124 Vgl. Grunwald, Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 674. 125 Dazu im Detail Kagermann, in: 56. Deutscher Verkehrsgerichtstag, S. XLIff. 126 Grunwald, Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 671; ders., SVR 2019, 81 (83); Mortsiefer, Roboter-LKW bedrohen Millionen Jobs, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/autonomes-fahren-roboter-lkw-bedrohen-millionen-jobs/19871754.html. 127 Esser/Kurte, Autonomes Fahren, S. 12. 128 So die Forderung von Grunwald, Maurer/Gerdes/Lenz/Winner, Autonomes Fahren, S. 671; ders., SVR 2019, 81 (83). 129 Lamparter, „Wer ist schuld?“, https://www.zeit.de/2016/38/autonomes-fahren-autosindustrie-gesetze-adac/seite-2.

§ 4 Haftungsrechtliche Vorüberlegungen

Als Basis für die sich in den folgenden Kapiteln anschließende materiellrechtliche Untersuchung rechtlicher Verantwortlichkeit soll zunächst einmal eine rein abstrakte Betrachtung der grundlegenden haftungsrechtlichen Strukturen des Straßenverkehrsrechts unter Berücksichtigung des Herstellers als zusätzliche Haftungspartei dienen. Diese Strukturen betreffen zum einen das (Außen-)Verhältnis von Schädiger(n) und Geschädigtem, ebenso aber auch das (Innen-)Verhältnis mehrerer in Betracht kommender verantwortlicher natürlicher oder juristischer Personen. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen und seiner Zweckbestimmung ist es Aufgabe des zivilrechtlichen Haftungsrechts, innerhalb dieser Beziehungen einen gerechten Schadensausgleich zu finden.130 Gemeint ist damit einerseits die Kompensation des Schadens im Außenverhältnis zum Primärgeschädigten, andererseits die Verteilung von Haftungsrisiken unter den Schädigern im Innenverhältnis.131

130 Larenz/Canaris, Schuldrecht BT Band II/2, § 75 I S. 354; Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 43; Wagner, in: MüKo BGB, vor § 823 BGB Rn. 43. 131 Brüggemeier, Haftungsrecht, S. 9; Jansen, Die Struktur des Haftungsrechts, S. 43.

A. Fahrer- und Herstellerhaftung als Regressinstrument

Im Außenverhältnis stehen dem Geschädigten grundsätzlich alle Parteien des dreigliedrigen Haftungsgefüges, bestehend aus Halter, Fahrer und Hersteller, gleichermaßen für eine Inanspruchnahme zur Verfügung.132 Sofern die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, haften die drei Parteien dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner, §§ 840 I, 421 BGB.133 In der Praxis hat dieser Umstand indes wenig Bedeutung, weil sich der Geschädigte berechtigterweise zuallererst an den Halter als denjenigen Haftungsgegner mit der niedrigsten Haftungsschwelle wenden wird.134 Der Halter kann dann wiederum im Innenverhältnis zu Fahrer und Hersteller des Unfallfahrzeugs Regressansprüche geltend machen. Die Frage nach der derzeitigen Fahrer- und Herstellerhaftung als einer der wesentlichen Aspekte dieser Arbeit berührt folglich weniger die Interessenlage des Geschädigten als das Interesse des Halters an einem gerechten Schadensausgleich. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass der Verständlichkeit halber hier dennoch das – rein rechtlich ja bestehende – Außenverhältnis von Geschädigtem zu Fahrer und Hersteller untersucht wird. Dabei muss dann nur im Hinterkopf behalten werden, dass etwaige Haftungsbeschränkungen auf das Innenverhältnis „durchschlagen“ und in der Praxis regelmäßig erst hier ihre Wirkung entfalten.

 

132 Greger, in: Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, § 36 Rn. 3; Heß, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, StVR, § 18 StVG Rn. 14; Vieweg, in: Staudinger BGB, § 840 BGB Rn. 93. 133 Sog. Haftungseinheit, BGH, NJW 2006, 896 (896f.); Wagner, in: MüKo BGB, § 840 BGB Rn. 29; Gehrlein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BeckOK BGB, § 426 BGB Rn. 12; der Haftpflichtversicherer bildet gem. § 115 I S. 4 VVG dagegen nur mit dem Versicherungsnehmer eine Haftungseinheit, dazu Heinemeyer, in: MüKo BGB, § 421 BGB Rn. 47. 134 Greger, NZV 2018, 1 (4); Pehm, IWRZ 2018, 259 (264).