Was Christen mögen ...

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Die beste Möglichkeit, sich vor einer frommen Pflicht zu drücken, wie zum Beispiel jeden Tag Stille Zeit zu machen, ist, zu sagen: »Ich fühle mich nicht geführt.« Nicht, dass die Stille Zeit sich wie eine Pflicht anfühlen sollte. Sie sollte sich anfühlen wie ein unbändiges Verlangen danach, Zeit mit dem Herrn zu verbringen. Man sollte morgens aus dem Bett springen und die Bibel aufschlagen wie ein Verhungernder, der sich über ein Büfett hermacht. Oder jedenfalls glaubst du, dass jeder andere außer dir die Stille Zeit so empfindet. Alle sind ganz begeistert davon, bloß du nicht – du bist ja eher so etwas wie ein mürrischer, heidnischer Sündermiesepeter.

Um also deine Schuldgefühle darüber, dass du nicht regelmäßig Stille Zeit machst, zu beschwichtigen, sagst du: »Ich will meine Stille Zeit nicht nur absolvieren wie ein Ritual. Sie soll von Herzen kommen und nicht nur ein Punkt sein, den ich auf meiner To-do-Liste abhake.«

Das ist eine tolle Ausrede, und zwar aus mehreren Gründen. Erstens hört es sich wunderbar fromm an. »Wow, dieser Typ hat so eine Leidenschaft dafür, Zeit mit Gott zu verbringen, dass er seine Stille Zeit nicht einfach nur per E-Mail schickt. Er wartet lieber, bis seine Motivation echt ist.«

Zweitens ist das eine von den Lügen, die man nur oft genug zu wiederholen braucht, um irgendwann anzufangen, selbst daran zu glauben. »Genauso ist es: Ich liebe es, Zeit mit Gott zu verbringen, und die beste Art, das zu zeigen, ist, dass ich keine Zeit mit ihm verbringe, ehe es wirklich von Herzen kommt. Ich möchte für Gott brennen und nicht bloß so tun. Bis ich es ganz aufrichtig meine, werde ich ihm so viel Respekt zollen, dass ich ihm aus dem Weg gehe.«

Sich einbilden, man solle in den vollzeitlichen Dienst gehen

Als Christ ist man verpflichtet, mindestens alle drei Jahre darüber nachzudenken, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen.

Zum ersten Mal kommt einem dieser Gedanke auf der zweiten Gemeindefreizeit, die man besucht. Manche Leute meinen, es passiere schon während der ersten Freizeit, aber diese Leute irren sich. Besonders wenn die Freizeit in einem Camp stattfindet, wo sich auch andere Gemeinden treffen. Wenn man ein Junge ist, treibt einen während dieser Freizeit vor allem der Gedanke um: »Werde ich es schaffen, so wie der Typ aus meiner Jugendgruppe zu werden, der dauernd mit den Mädels aus anderen Jugendgruppen herummacht?« Jedenfalls war das mein Gedanke. Und wenn du ein Mädchen bist, denkst du: »Wenn der Sohn des Pastors doch bloß nicht so ein Blödmann wäre.« Oder zumindest dachten die Mädchen in meiner Jugendgruppe das. Vor allem deshalb, weil ich ein Blödmann war.

Aber auf deiner zweiten Freizeit wirst du einen kleinen Stupser bekommen, einen geistlichen Anstoß, und du wirst sehr in Versuchung sein, das als einen Ruf in den vollzeitlichen Dienst zu interpretieren. In Wirklichkeit hast du den allerdings wahrscheinlich nicht bekommen; was du bekommen hast, ist lediglich ein Ruf, über den Ruf in den vollzeitlichen Dienst nachzudenken. Diesen Ruf kriegen wir alle. Dann schlägst du dich während der ganzen Oberstufenzeit damit herum, erzählst allen deinen Freunden, du könntest nie Pastor werden, vermeidest es, als Missionar in Afrika zu leben, und erreichst schließlich deine Mittzwanziger.

Und da geht es wieder los. Du fängst an, darüber nachzudenken, wie toll es doch wäre, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen. Da kann man den ganzen Tag in der Bibel lesen und bei der Arbeit Gott anbeten. Man wäre nie frustriert oder gelangweilt, weil man ja ständig genau das täte, wozu einen Gott in der Höhe eigenhändig zubereitet hat. Dann triffst du einen Pastor, der ungefähr in deinem Alter ist. Und der ist völlig gestresst und hat Mühe, in seinem Leben Raum für Gott zu finden. Und du denkst: »Was? Du bist ein professioneller Christ. Du darfst doch eigentlich gar nicht mit den Schwierigkeiten kämpfen, mit denen ich zu kämpfen habe.« Tut er aber. Also legst du den Gedanken, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen, erst mal wieder zu den Akten.

Für ein paar Jahre lässt der Drang dich in Ruhe, bis du irgendeinen Blödmann als Chef kriegst. Dann denkst du: »Ich wünschte, Gott wäre mein Chef. Das wäre super. Der würde nicht dauernd nach meiner Verkaufsbilanz fragen. Ihm ginge es um meine Seelenbilanz.« Dann bist du ein bisschen peinlich berührt, weil das eben so ein lahmer Witz war. Und du wirst ein bisschen unzufrieden. Zu deinen Freunden sagst du: »Ich glaube, Gott ruft mich in den vollzeitlichen Dienst. Dieser Job kann nicht das sein, worum sich mein ganzes Leben dreht. Das Leben muss noch mehr zu bieten haben als das. Ich spüre den Drang, Gott mit meinen Gaben vollzeitlich zu dienen.«

Was sich ziemlich gut anhört, nur dass unter deinen Freunden garantiert einer ist, der dir entgegnet: »Wir sind alle im vollzeitlichen Dienst. Wir alle sollten Gott vollzeitlich dienen. Egal, wo du bist, du solltest Gott anbeten und Menschen für ihn erreichen.« Recht hat er, aber so etwas hörst du nicht gern, schon gar nicht, wenn er einen guten Job hat, den er gerne macht. Es kann einem ganz schön stinken, wenn Leute, die ihren Job lieben, einem sagen, wie sehr man seinen eigenen lieben sollte. Und wenn sie dann auch noch Gott herbeizitieren, um noch deutlicher zu machen, wie gründlich man es vergeigt hat.

Das weckt nicht gerade den Wunsch, in den vollzeitlichen Dienst zu gehen. Man kommt ja nicht einmal in dem Job, den man bereits hat, mit dem Dienen in die Puschen. Wenn du den Leuten, mit denen du im Moment zusammenarbeitest, nicht von Jesus erzählen kannst, was sollst du dann im vollzeitlichen Dienst? Und so lässt der Drang wieder einmal nach.

Aber dann hörst du einen wirklich überzeugenden Pastor predigen oder liest ein Buch mit dem Wort »Traum« im Titel, und du denkst, vielleicht, wer weiß, vielleicht. Und dann …

Versuchen, sich in Gegenwart von Missionaren nicht zu beklagen

Über Missionare solltest du zwei Dinge wissen:

1 Du solltest sie immer unterstützen.

2 Du solltest dich in ihrer Gegenwart nie beklagen.

Der erste Punkt ist ganz klar: Sie brauchen unser Geld und unsere Gebete, um dort, wohin Gott sie berufen hat, ihren Dienst zu tun. Der zweite Punkt ist nicht ganz so offensichtlich, aber ebenso zutreffend.

Denn selbst dann, wenn dein Freund, der Missionar ist, ein stiller und nachsichtiger Mensch ist, vermute ich stark, dass er, wenn du sagst: »Mein Boiler ist kaputt! Ich musste heute Morgen mit eiskaltem Wasser duschen«, insgeheim denkt: »Wasser? Richtig, ich erinnere mich. Das ist dieses nasse Zeug, das manchmal aus Rohren kommt, stimmt’s? Davon habe ich ein Bild gesehen in dem Buch, das wir in dem Schulhaus in der Wüste haben, wo ich unterrichte. Das hat mich daran erinnert, dass ich diesen Monat noch nicht geduscht habe. Aber vielleicht gehe ich ja nächste Woche mal zu Fuß in die Stadt und frage mal bei einer unserer Unterstützerfamilien nach, ob sie mir eine Plastikflasche mit grauem Wasser über dem Kopf ausschütten. Das wäre schön, glaube ich. Was sagtest du gerade über deinen Boiler? Du musstest einen Klempner anrufen, nachdem du seine Nummer im Internet nachgeschlagen hattest, während du in deinem Haus, in dem nicht regelmäßig Schlangen durch die Löcher in der Wand hereinkommen, ein belegtes Brötchen verzehrtest? Nein, bitte, sprich ruhig weiter. Ich bin ganz gepackt von diesem Garn voller Überlebenskampf und Strapazen, das du da spinnst, ganz so wie die Schwarzen Witwen, die ich jeden Tag von meinem Lehmfußboden oder ›Bett‹, wenn du es so nennen willst, herunterfege. Bitte, erzähl weiter!«

Unauffällige Signale entwickeln, um sich als Christ zu erkennen zu geben

Ich habe einmal mit einem Mann namens Matt zusammengearbeitet, der einen ganz langen Spitzbart und einen kahlrasierten Kopf hatte. Aus irgendeinem Grund nahm ich an, das müsse bedeuten, dass er von Jesus nichts hielt. Wäre sein Spitzbart ein wenig kürzer gewesen, hätte ich vielleicht angenommen, Jesus sei ihm nur egal, aber bei einem acht oder zehn Zentimeter langen Ziegenbart war ich mir ziemlich sicher, dass er ein erbitterter Gegner des christlichen Glaubens sein musste.

Eines Tages jedoch hatte ich das Gefühl, als gäbe Gott mir einen Schubs, um mit ihm über meinen Glauben zu reden. In solchen Situationen versuche ich meistens, Gott flüsternd im Gebet zu antworten: »Was? Ach komm. Ich bin bei der Arbeit. Ich weiß, du bist allwissend und so, aber kannst du von da oben denn nicht sehen, wie lang sein Bart ist? Der will doch von dir nichts hören.« Aber Gott ließ nicht locker, bis ich Matt schließlich fragte, was für Bücher er in letzter Zeit gelesen habe. Er ratterte ein paar Titel herunter und gab die Frage dann an mich zurück.

Im Bruchteil einer Sekunde googelte ich in meinem Gehirn nach einem christlichen Buchtitel, der sich nicht zu fromm anhörte. Sofort fiel mir Donald Millers Blue Like Jazz ein. Ein perfekter Titel. Hört sich an wie ein Buch über Jazz oder Lyrik oder vielleicht auch über Jazzlyrik. Und ich dachte mir, so etwas würde jemand mit einem so langen Spitzbart vielleicht mögen. Also antwortete ich: »Mir gefällt das Buch Blue Like Jazz sehr gut.«

Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und lächelte mich an. »Das Buch liebe ich! Meine Frau ist eine christliche Autorin. Wir beide lieben Donald Millers Stil.« Im Lauf der folgenden Monate wurden wir gute Freunde und redeten offen miteinander über unseren Glauben.

Was dachte ich eigentlich, was passieren würde? Dass Matt, kaum dass er das Wort Christ gehört hätte, an jedes schlechte Bild vom Christentum denken würde, das er im Kopf hatte, und mich mit alledem beschmeißen würde?

Als meine Cousine Martha nach Brooklyn zog, trug sie in der U-Bahn bewusst ihr »Young-Life«-T-Shirt, in der Hoffnung, irgendein anderer Christ würde den Namen der Organisation erkennen und sie ansprechen. Auf diese Weise zeichnete sie sozusagen das halbe Jesus-Fischsymbol in den Sand, so wie es die verfolgten Christen in der Antike taten, um andere Gläubige zu finden, ohne in Schwierigkeiten zu geraten.

 

Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch zu so einem seltsamen Zeugniswerkzeug wird, weil es doch relativ unauffällig ist. Du bist dir nicht sicher, wie ein Freund von dir zum Christentum steht? Zeig ihm einfach dieses Buch. Wenn er sagt: »Pfui, ich hasse Christen. Die rümpfen immer über alle anderen die Nase«, dann sag einfach: »Das findet der Autor hier auch. Das Buch wird dir gefallen.« Antwortet er: »Ich bin auch Christ«, dann schlag diese Seite auf und zeig ihm genau diese Worte, und dann schreib mir eine E-Mail, in der es heißt: »Du hast mich gerade vom Stuhl gehauen, Jonathan Acuff«, denn das habe ich.

Leicht beleidigt sein, dass der Pastor ein schöneres Auto hat als man selbst

Christen mögen es, wenn ihre Pastoren bescheiden sind, und mit bescheiden meine ich, dass sie einen im Inland hergestellten, mittelgroßen Kombi mit geringem Spritverbrauch fahren.

Das soll nicht heißen, dass ich möchte, dass mein Pastor arm ist. Nur, dass ich davon ausgehe, dass zu einem geistlichen Gewand nicht unbedingt Ledersitze passen. Es macht mir nichts aus, wenn er eine Luxuskarosse fährt, sofern er sie von einem Gemeindemitglied, das zufällig Autohändler ist, geschenkt bekommen hat. Ansonsten aber, um ehrlich zu sein, werden, wenn ich ihn mit einem Mercedes-Benz mit allen Schikanen herumfahren sehe, meine beiden ersten Gedanken folgende sein:

1 Ich schätze, dieser Pastor hat nichts für hungernde Kinder in Afrika übrig.

2 Ich hatte keine Ahnung, dass mein Zehnter für Designerfelgen draufgeht.

Ich will dich in einer Karre sehen, nicht in einer Karosse. Ich will dich auf einem Esel sehen, nicht auf einem Araberhengst. Ich möchte, dass du die moralische Stärke besitzt, die man gewinnt, wenn man mindestens zweimal im Jahr sein Auto anschieben muss, weil es nicht anspringt.

Ich? Was ich für ein Auto fahre? He, lass uns nicht vom Thema abkommen. Schließlich bist du hier der Profichrist, nicht ich. Wenn es Gott gefällt, mich mit einem Rolls-Royce zu segnen, sollte ich das etwa ablehnen? Hätten Abraham oder Salomo über Gottes gute Gaben die Nase gerümpft? Denk doch nur, was für ein tolles Zeugnis ich geben kann, indem ich einfach mit glitzernden Felgen die Straße entlangfahre. Denk nur daran, wie viele Menschen es berühren und verwandeln wird, wenn ich an einer roten Ampel halte und ein automobiles Statement, eine vehikuläre Proklamation sozusagen, über die Güte und Barmherzigkeit Gottes abgebe.

Aber als Pastor? Da halt mal lieber den Ball schön flach.


Den Ausdruck »Stille Zeit« großzügig definieren

Nicht, dass sich die Christen keine Mühe gäben. Wir geben uns unglaublich viel Mühe, es richtig zu machen, aber es gleitet uns immer wieder durch die Finger. Wir möchten gern eine beständige, regelmäßige, konsequente, Gott-ist-zufrieden-mit-uns-Stille-Zeit haben. Aber es ist wie eine Achterbahn; mal schaffen wir es, mal wieder nicht. Doch jetzt ist Schluss damit. Diesmal machen wir Ernst. Die Predigt vom letzten Sonntag hat uns ein für alle Mal klargemacht, dass wir eine tägliche Stille Zeit brauchen.

Dabei hat der Pastor diesen Begriff überhaupt nicht verwendet. Er hat stattdessen »persönliche Anbetung« oder »private Disziplin« gesagt. Solche Begriffe verwendet er, weil sich »Stille Zeit« irgendwie frömmelnd und altmodisch anhört. Trotzdem, wir brauchen sie. Eine Zeit, in der wir vor Gott still werden und in der Bibel lesen und beten. Also gehen wir eine Verpflichtung ein. In den nächsten dreißig Tagen ist das so dran, dass ich es kaum erwarten kann. Diesmal wird alles anders!

Erster Tag. Montag ist theoretisch ein guter Tag, um mit meinem neuen Dreißig-Tage-Stille-Zeit-Projekt anzufangen, aber dieser Montag liegt dummerweise in der Mitte des Monats. Wer fängt schon am Sechzehnten eines Monats etwas an? Neue Vorhaben sollte man am Anfang des Monats in Angriff nehmen. Oder, wenn man wirklich erfolgreich sein will, zu Beginn des Jahres. Das ist das ideale Datum: der 1. Januar. Ich wünschte, es wäre nicht erst der 16. Oktober. Am 16. Oktober hat noch nie etwas Gutes angefangen. Ob ich lieber zehn Wochen abwarte und im neuen Jahr mit meiner Stillen Zeit anfange? Wohl eher nicht. Okay, Montag, packen wir’s an.

Zweiter Tag. Der erste Tag war ja noch einfach. Ich habe im 1. Buch Mose angefangen, ein bisschen gelesen und dann gebetet, bevor ich zur Arbeit ging. Es muss ja morgens sein. So ein früher Morgen hat etwas doppelt Christliches an sich, und wenn ich diesen Zeitpunkt verpasse, ist mein ganzer Tag im Eimer. Gott hat nichts dafür übrig, wenn ich meine Stille Zeit in der Mittagspause oder am frühen Nachmittag mache, und abends schon gar nicht. Gott ist ein Frühaufsteher; Satan ist eine Nachteule. Das weiß jeder.

Dritter Tag. Ugh, der dritte Tag fiel mir schon schwerer. Bin heute Morgen einfach nicht aus dem Bett gekommen und habe meine Stunde für die Stille Zeit glatt verschlafen. Habe es allerdings gerade noch geschafft, online die Losung zu lesen, als ich auf der Arbeit ankam. Und im Fahrstuhl habe ich ein kurzes Gebet zu Gott geschickt. Ununterbrochene Strähne bisher. Drei Tage geschafft; nur noch siebenundzwanzig.

Vierter Tag. Ich weiß zwar nicht, ob man streng genommen gleichzeitig still sein und sich eine Predigt anhören kann, aber genau das habe ich heute in meiner Stillen Zeit gemacht. Auf der Arbeit ist im Moment so viel los, dass ich früher anfangen musste. Also habe ich mir, anstatt still zu werden oder zu beten oder dergleichen, einfach den Podcast einer Predigt angehört, während ich ein paar Berichte fertigmachte. Es war zwar schwer, mich darauf zu konzentrieren, aber gelegentlich hörte ich den Prediger Wörter wie »Gott« oder »Jesus« sagen, und dann habe ich immer die Ohren gespitzt und die Arbeit für eine Minute niedergelegt. Das war’s, vierter Tag geschafft.

Fünfter Tag. Gott liebt Musik. Ich bin mir ziemlich sicher, dass David seine Psalmen immer gesungen hat. Und im Tempel haben die Leute doch ständig ihre Stimmen zu ihm erhoben. Ob Jesus und die Jünger je am Lagerfeuer ein Liedchen angestimmt haben, weiß ich freilich nicht. Vielleicht hatten sie ja eine Harfe oder so etwas dabei. Ob die Jünger Harfe gespielt haben? Oder waren das nur die Engel? Eine Harfe ist ein Instrument, das sich ziemlich schwer transportieren lässt, es sei denn, es ist eine Mini-Engelsharfe oder so etwas. Ich sollte das mal nachschlagen, aber ich bin in Matthäus noch nicht sehr weit gekommen. Ich wollte heute, aber ich hatte nicht mit so viel Verkehr gerechnet. Also habe ich im Auto gebetet und mir ein paar Lobpreissongs angehört, die ich besonders mag. Gott ist ein Fan von Steve Fee und Chris Tomlin, deshalb verbuche ich das als Stille Zeit. Fünf Tage!

Sechster Tag. Zählen Wochenenden auch? Muss ich wirklich still sitzen und auf Gott hören und beten und in der Bibel lesen, damit es als offizielle Stille Zeit durchgeht? Ich habe dieses Wochenende viel mit meinen Kindern gespielt. Die hat Gott mir schließlich anvertraut, und er möchte doch, dass ich ein guter Vater bin, oder? Also zählt unser Brennballspiel als Stille Zeit. Hurra, sechs Tage geschafft!

Siebter Tag. Gott hat mich einzigartig gemacht. Er hat mich mit eigener Hand so zubereitet, dass ich dieser Welt auf ganz besondere, wunderbare Weise begegne. Und eines der Dinge, mit denen er mich begabt hat, ist meine Vorliebe für College-Basketball. Wie das mein Herz mit Freude erfüllt! Wie ich da zum Himmel jauchze: »Tar Hells vor!« Die haben nämlich gestern Abend gespielt. Für Gott und mich war das eine ganz besondere Zeit, die wir miteinander geteilt haben, als wir gemeinsam Sportlern zuschauten, die er mit unglaublichen Dunkingfähigkeiten begabt hat, wie sie voller Anmut und Schönheit über den Hallenboden schwebten. Außerdem habe ich während eines Timeouts aus dem Fenster geschaut und ein Gebüsch gesehen, was mich an Gottes Herrlichkeit und die Natur und so erinnert hat. Das macht dann also sieben Tage hintereinander, an denen ich Stille Zeit gemacht habe.

Das wird ja viel einfacher, als ich dachte.

Heimliche christliche Bands

Es ist bestimmt nicht leicht, heutzutage eine christliche Band zu sein. Wenn man sagt: »Wir sind eine christliche Band«, dann fragen einen die Leute vermutlich Sachen wie: »Wirklich? Wer von euch ist dafür zuständig, während der Auftritte die Tauben aufsteigen zu lassen?« Oder: »Sammelt ihr die Kollekte ein, bevor ihr rockt oder nachdem ihr gerockt habt?« Oder: »In wie vielen eurer Songs geht es darum, dem Teufel eins auf die Mütze zu geben? In der Hälfte oder in allen?«

Irgendwelche Nachteile muss es schon haben, wenn man als christliche Band etikettiert wird, denn in den letzten fünfzehn Jahren hat sich eine ganze Untergrundbewegung heimlicher christlicher Bands herausgebildet. Ich weiß nicht, wo die alle hergekommen sind, aber es kann gelegentlich vorkommen, dass du Radio hörst oder dir im Fernsehen So You Think You Can Dance anschaust und sich plötzlich dein Freund zu dir herüberlehnt und flüstert: »Die Typen sind Christen.« Oder der Rolling Stone »outet« sie in einer Plattenrezension und stellt ihnen im Interview neun theologische Fragen und nur eine, die sich auf das Album bezieht.

Wir wissen alle, dass es diese Bands gibt, aber was gehört dazu, zu so einer Band zu werden? Angenommen, du bist ein hoffnungsvoller Musiker mit einem tiefen Glauben und möchtest dich in aller Stille der Bewegung der christlichen Untergrundbands anschließen – was machst du? Folgende Möglichkeiten hast du, um dich heimlich um Aufnahme zu bewerben:

Gebt euch einen Namen, der sehnsüchtig, aber nicht fromm klingt.

Ich liebe den Bandnamen »Demon Hunter«, aber er lässt keinen Zweifel daran, dass es sich um eine christliche Band handelt. Genauso gut könntet ihr eure Band »Satan Groin Kickers« nennen. Viel zu offensichtlich. Probiert es lieber mit etwas Gemäßigterem. »Staind« wäre ein Supername, wenn er nicht schon belegt wäre. Meinen die damit »staind« im Sinne von irreparabel kaputt? Oder meinen sie »staind« im Sinne von »durch das Blut Jesu bedeckt«? So etwas solltet ihr euch ausdenken. Es sollte sich melancholisch, aber möglicherweise auch erbaulich anhören, wenn man es durch den Filter der Gnade betrachtet. Und nebenbei, ich bin ziemlich sicher, dass Bands wie »Staind« der Grund dafür sind, dass in unseren Gemeindenamen in letzter Zeit so viele zusätzliche »E’s« auftauchen, wie zum Beispiel Crosspointe, Lifepointe, Truthpointe usw. Vielleicht haben wir mit den Bands ein paar Verstärker gegen ihre »E’s« getauscht.

Lernt, wie man die Frage: »Seid ihr eine christliche Band?« beantwortet.

Irgendwann wird das zur Sprache kommen, und dann müsst ihr vorbereitet sein. Wenn einer fragt, sagt ihr: »Nein, wir sind keine christliche Band. Wir sind eine Band aus Christen.« Ich finde diese Antwort klasse, weil sie auch außerhalb der Musikszene überall verwendbar ist. »Seid ihr eine christliche Frisbeemannschaft? Nein, wir sind eine Frisbeemannschaft aus Christen.« Siehst du? Ist das nicht super? Die zirkuläre Logik dieser Antwort wird die Leute lange genug verblüffen, dass ihr leise verduften könnt. Klappt das nicht, sagt ihnen einfach, ihr wäret keine Band, sondern eine Gilde. Dann werden die denken, ihr zitiert aus dem Herrn der Ringe, und dann könnt ihr für den Rest des Abends über Neuseeland reden. Wo es unglaublich schön sein soll, wie ich höre.

Schreibt Lieder über eure Freundinnen und über Gott.

All eure Texte sollten so flexibel auslegbar sein, dass die Leute im Publikum sich einreden können, dass ihr über Gott singt, wenn sie das wollen. Oder sie können sich einreden, dass ihr über eure Freundinnen singt, wenn sie das wollen. Zum Beispiel: »Deine Liebe hat in meinem Innern unbekannte Räume aufgetan./​Ohne dich in meinem Leben wüsst’ ich nicht, was fang ich an.« Netter Zaubertrick, oder? Vielleicht hat eine Freundin das Leben des Sängers verändert … oder vielleicht war es Gott. Schwer zu sagen, besonders, wenn ihr die ganzen Pronomen streicht. Trickreich. (Übrigens, wenn ihr diese Textzeilen verwenden möchtet, nur zu. Sie gehören euch, ganz umsonst. Bewahrt sie irgendwo an einem sicheren Ort auf.) Ehe ihr euch verseht, werden eure Fans zueinander sagen: »Ich liebe diesen Song. Er erinnert mich an ein Mädchen, mit dem ich auf der Highschool befreundet war, und gleichzeitig an meine lebensverändernde Beziehung zum Herrn.«

 

Verbale Kanarienvögel fliegen lassen

Komm näher, ich verrate dir ein kleines Geheimnis. Manchmal, wenn wir mit anderen Christen zusammen sind, lassen wir Bemerkungen fallen, um herauszufinden, ob sie uns für etwas verurteilen, worauf wir insgeheim stehen. Wir sagen dann: »Also, so ein Typ, den ich kenne, war neulich in diesem neuen Club und sagte, es wäre der absolute Wahnsinn.« Dann halten wir inne und beobachten die Reaktion der anderen. Wenn sie sagen: »Tanzen ist Sünde. Ich hasse Clubs, und Gott hasst sie ebenso«, dann stimmen wir ihnen sofort zu: »Amen! Gott möchte sie zerschmettern. Wahrscheinlich mit Schwefel, vermute ich.« Sagen sie dagegen: »Lass uns da auch mal hineinschauen«, so antworten wir: »Ich habe auch gehört, dass der Laden gut sein soll. Wir sollten gelegentlich mal hingehen.«

Das ist so ähnlich wie bei den Bergarbeitern früher. Die nahmen immer einen Kanarienvogel mit hinunter in den Schacht. Wenn der Vogel einging, stimmte etwas mit der Luftqualität nicht. Was wir machen, ist sozusagen ein verbaler Kanarienvogel. Wenn den dann jemand erschlägt, können wir immer noch einen frommen Anschein erwecken und sagen: »Ja, dieser Vogel taugte sowieso nichts.«

Auf Straßenpredigern herumhacken

Uns verbindet eine Art Hassliebe mit dem Straßenprediger, der in aller Welt durch die Städte zieht, sich auf den Bürgersteig stellt und Sack und Asche predigt. Liebe, weil wir es lieben, ihn als Predigtbeispiel dafür zu verwenden, wie man Gott und Gemeinde und Evangelium nicht machen sollte. Und Hass, weil wir es hassen, mit ihm in einen Topf geworfen zu werden, wenn jemand sagt: »Ich mag das Christentum nicht. Da wird immer nur geschimpft und verurteilt.« Es stimmt schon, um ein echter, beglaubigter Straßenprediger zu sein, muss man hitzig sein und ein Schild mit lauter Großbuchstaben und unzähligen Ausrufezeichen umhängen haben, auf dem mindestens einmal der Satan oder die Hölle erwähnt wird.

Das Problem dabei ist nur, dass diese Sack-und-Asche-Botschaft, die die Straßenprediger verkünden – die Botschaft: »Bringt euer Leben in Ordnung, es wird jetzt ernst«– sich just genauso anhört wie die erste Predigt, die Jesus hielt. In Matthäus 4,17 heißt es: »Seit der Zeit fing Jesus an zu predigen: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!« Der Rest seiner Botschaft wird in dem Vers nicht weiter ausgeführt. Man hat das Gefühl, als wäre das die ganze Predigt gewesen, so, als hätte sie auf einem Schild gestanden: TUT BUSSE!!!! DENN DAS HIMMELREICH IST NAHE HERBEIGEKOMMEN!!!!!

Wasserfälle und Schmetterlinge als Gelegenheit nutzen, um Evolutionisten den Stinkefinger zu zeigen

Egal, wie du im Einzelnen über die Erschaffung der Erde denkst – ob Gott das in sechs buchstäblichen Tagen erledigt hat; ob »Tage« in seiner Zeitrechnung etwas anderes bedeuten; ob er Prozesse in Gang setzte, die im Lauf der Zeit nach seinem Plan gewachsen sind und sich verändert haben usw. – das christliche Gesetz verlangt in jedem Fall von dir, dass du immer dann, wenn du vor einem umwerfenden Naturschauspiel stehst, sarkastisch ausrufst: »Und das soll alles durch Zufall entstanden sein!«

Ob es sich nun um eine majestätische Bergkette, ein perfekt funktionierendes ozeanisches Ökosystem in einem Gezeitenbecken oder die Geburt eines Kindes handelt, du musst alle Umstehenden wissen lassen, dass Gott das erschaffen hat. Und je dicker du aufträgst, desto besser. Natürlich könntest du auch einfach sagen: »Ich persönlich glaube, dass Gott das erschaffen hat«– aber wo bleibt denn da der Spaß an der Sache?

Da ist es doch viel besser, zu sagen: »Und das soll alles durch Zufall entstanden sein?« Auf diese Weise bedankst du dich nicht nur öffentlich bei Gott, sondern kannst gleichzeitig auch noch sagen: »Wie blöd muss man wohl sein, um an die Evolution und den Urknall und eine Million anderer Ideen zu glauben?« Was natürlich ganz auf der »Nächstenliebe-durch-Sarkasmus«-Linie Jesu liegt. Ich glaube, das steht im Markus-Evangelium. Ich würde ja nachschlagen, aber vor meinem Bürofenster geht gerade die Sonne auf, und ihre zarten Lichtstrahlen kitzeln die dicht belaubten Bäume, die da stehen, als hielten sie Wache für den heraufziehenden Morgen. Und das soll alles durch Zufall entstanden sein!

Etwas enttäuscht sein, wenn jemand geheuchelte Großzügigkeit annimmt

Christen finden es nett, zu anderen Leuten zu sagen: »Bitte lass mich wissen, wenn ich irgendetwas für dich tun kann. Egal, was es ist.« Besonders, wenn die betreffende Person kürzlich etwas Tragisches erlebt hat oder im Begriff steht, sich in ein großes Abenteuer zu stürzen, bei dem sie voraussichtlich die Hilfe anderer brauchen wird. Es ist ein gutes Gefühl, jemandem so einen Blankoscheck für Unterstützung auszustellen. Außerdem wird von uns als Christen ja wohl erwartet, dass wir so etwas sagen. Ich weiß nicht genau, wie es in der Bibel formuliert ist, aber ich bin sicher, im Neuen Testament steht irgendwo etwas ganz Ähnliches. Nur – was ist, wenn jemand den Bluff auffliegen lässt? Was ist, wenn du gerade dabei bist, dieses herrlich warme Gefühl fiktiver Hilfsbereitschaft zu genießen, und plötzlich nimmt jemand dein Angebot an? Das ist doch Mist, oder?

Das heißt, für böse Leute ist das so. Natürlich nicht für dich oder mich, sondern nur für Leute, die sagen: »Bitte lass mich wissen, wenn ich irgendetwas für dich tun kann. Egal, was es ist«, aber es in Wirklichkeit gar nicht so meinen. So etwas kommt vor, weißt du. Ich weiß, du und ich, wir sagen das immer ohne alle Vorbehalte. Aber es gibt Leute, die mit geheuchelter Großzügigkeit nur so um sich werfen.

Einer Freundin von mir, die auf einen Missionseinsatz wollte, ist das so passiert. Sie sprach in der Gemeinde über die Reise, und hinterher kam ein Mann auf sie zu und versicherte sie seiner bedingungslosen Unterstützung. Als er fragte, ob er ihr auf irgendeine Weise helfen könne, antwortete sie: »Ich könnte sehr gut etwas finanzielle Unterstützung gebrauchen.« Daraufhin schaute er ihr unverwandt in die Augen und sagte: »Ich werde für dich beten.«

Au weia. Kannte sie denn nicht die protokollarischen Vorschriften für geheuchelte Großzügigkeit? Ich sage: »Bitte lass mich wissen, wenn ich irgendetwas für dich tun kann«, und dann sagst du: »Vielen Dank, das ist sehr großzügig von dir. Ich sage Bescheid, wenn es etwas gibt.« Dann gehen wir unserer getrennten Wege, und ich genieße ungefähr siebenundsechzig Prozent von dem Gefühl, das ich hätte, wenn ich dir tatsächlich geholfen hätte. Dass du mein Angebot annimmst, ist nicht Sinn der Sache. Das gehört sich einfach nicht.

Aber was ist, wenn du jemanden triffst, der nicht weiß, dass du nur so tust als ob, wenn du Unterstützung anbietest? Da muss es doch einen besseren Weg geben, als sich nur mit: »Ich werde für dich beten« herauszureden. Hier zwei Ideen dazu:

Sag: »Gott hat mich mit der Geistesgabe des Denkens begabt, nicht des Handelns.« Sag dem anderen, du wirst nächsten Samstag an ihn denken, wenn er im Schweiß seines Angesichts mit seiner gesamten Habe von einem Ende der Stadt ans andere umzieht. Niemandem macht es Spaß, Leuten beim Umzug zu helfen, aber man kann ja nicht einfach sagen: »Ich hasse Umzüge, nein danke«, wenn sie einen bitten, mit dem Pick-up-Truck vorbeizukommen und mitzuhelfen. Versuche also stattdessen, ihnen begreiflich zu machen, dass deine geistliche Begabung das Nachdenken über Lösungen für Probleme beinhaltet, nicht die tatsächliche Mitarbeit an einer Lösung.

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