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Goethes Briefe an Leipziger Freunde

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XXIV

Da mich das herannahende Frühjahr wahrscheinlich bald von Weimar weg und nach Böhmen locken wird, so will ich nicht versäumen Ew. Wohlgeb. nochmals zu schreiben, und mich Ihrem Andenken bestens zu empfehlen.

Das mitgetheilte Blatt über meine Farbenlehre folgt hierbey mit vielem Dank zurück, nur Schade, daß es nicht mehrere waren. Gerade diese Art von unschuldigen augenblicklichen Äußerungen sind mir unendlich werth und besonders hier, wo ich mit Vergnügen sehe, wie eine Sache, mit der ich mich so viele Jahre beschäftiget, auch in dem Gemüthe eines Freundes aufgeht, und sich dasselbe nach und nach zu gewinnen weiß.

Diesen Winter hat mich das Theater sehr von anderen Thätigkeiten abgezogen, ich muß erwarten, ob die Carlsbader Einsamkeit, die ich wenigstens im Monath May hoffen darf, mir Raum giebt, etwas für Poesie, Wissenschaft, oder was es sonst wäre, zu thun.

Leben Sie unterdessen recht wohl, und lassen Sie Sich in litterairischen Dingen nichts anfechten; wir haben unsere Kräfte zu nothwendigerem Gebrauch jetzt aufzusparen.

Das Gemäldeverzeichniß habe ich höheren Orts mitgetheilt, und bin nicht ganz ohne Hoffnung einiges Erfolgs, leider genießt man jetzt kaum, was man besitzt, wie sollte man noch mehr zu besitzen wünschen! Sollte sich die Aussicht nach Norden wieder erheitern, so wäre vielleicht dort etwas zu thun.

Mit den besten Wünschen mich zu freundschaftlichem Andencken empfehlend

W. d. 7 Apr.

1812.

Goethe

*XXV. 252

Mögen Sie, theuerster Mann, Morgen, mit den werthen Ihrigen, an meinem Familientische Theil nehmen; so sind Sie herzlich willkommen.

Wollten Sie Sich um zwölf einfinden; so hätten wir noch Zeit einige Kunstwerke zu betrachten. Ich sende den Wagen. Mich bestens empfehlend

W. Dienstag d. 7ten Dec. 1813.

Goethe

*XXVI

Wenn ich bey Ihrem Besuche, mein werthester, etwas zu erinnern habe, so ist es daß er nicht lange genug dauerte. Auch das Zusammenseyn hat seine Jahreszeiten, deren eine sich aus den andern entwickelt.

Lassen Sie diese schönen kurzen Tage auch in der Entfernung Frucht tragen.

Mögen Sie aus dem Duzzend Entwürfen Sich viere herauslesen;253 so soll mirs angenehm seyn sie in Ihren Händen zu wissen. Mir geben diese Blätter eine bestimmte Erinnerung eines vergangenen Augenblicks und ihre Mängel dürfen mir daher so werth seyn, als wenn es Vorzüge wären. Mag ein Freund dies mit empfinden, so muß es mich freuen.

Erhalte Sie Ihr guter Geist über der Woge des Augenblicks gedencken Sie meiner in Liebe und bleiben überzeugt daß ich Ihre schöne Persönlichkeit rein zu schätzen weiß. Die Meinigen wünschen Ihnen und den Ihrigen bestens empfohlen zu seyn.

W. d. 28 Dez

1813

Goethe

XXVII

Ew. Wohlgeboren danke verbindlichst für den übersendeten Catalog, und bitte mir die Erlaubniß aus, gegen Michael dieselben mit einigen Aufträgen beschweren zu dürfen.

Bey Gemälden, noch mehr aber bey Zeichnungen, kommt alles auf die Originalität an. Ich verstehe hier unter Originalität, nicht, daß das Werk gerade von dem Meister sey, dem er zugeschrieben wird, sondern daß es ursprünglich so geistreich sey, um die Ehre eines berühmten Namens allenfalls zu verdienen.

Die Nummern des Catalogs, auf welche ich meine Aufmerksamkeit richte, werde ich Ew. Wohlgeboren übersenden, mit besondern Bemerkungen dabey, was ich nach der Analogie hoffe oder erwarte. Mögen Ew. Wohlgeboren hiernach die Blätter beschauen, berutheilen und würdern, und solche erstehen oder erstehen lassen, so werd' ich es dankbar erkennen, und alles was Sie beschlossen und angeschafft ohne Weiteres mit Vergnügen genehmigen, überzeugt, daß ich mich selber nicht besser hätte berathen können. Anweisung auf eine proportionirte Summe erfolgt zugleich.

Diese Bemühungen wage ich um desto eher, Ihnen, mein verehrter Freund! anzusinnen, als Sie durch eine so gütige auszeichnende Aufnahme meines biographischen Versuchs, Sich gleichsam als meinen wohlwollenden Schuldner bekennen. Fahren Sie fort mich auf meinem Wege mit guten Wünschen und Theilnahme zu begleiten. Der Verlust den wir alle mehr oder weniger erlitten haben, und der Sie, leider! so hart betroffen, kann nur verschmerzt werden, wenn wir uns immer treuer an einander schließen, und der Deutsche immer mehr einsehen lernt, daß nirgends für ihn Heil zu finden sey als bey seinen Landleuten. Unter diesen frommen Wünschen und Vorsätzen, dürfen wird freylich nicht an's Öffentliche denken, welches leider schon durch die traurigsten Spaltungen zu zerfallen droht. Möge dies Glück wenigstens Privatpersonen aufbewahrt seyn, daß sie fortfahren einander zu schätzen und zu lieben.

Weimar den 27. Febr. 1815.

ergebenst
Goethe

XXVIII

Mit Beantwortung Ew. Wohlgeboren freundlichen Schreibens, vom 29 July komme leider erst nach dem Feste. Hätte ich gleich im Frühjahr die Aufträge, wie ich sie zu geben gedachte niedergeschrieben, so würden Ew. Wohlgeb. solche entweder selbst oder durch einen Freund, gewiß zu meiner Zufriedenheit haben ausrichten lassen. Nun aber hielt mich meine Reise zu lange am Rhein und Mayn, und in den ersten Augenblicken meines Hierseyns konnte zu keiner Fassung gelangen, und leider entschlüpfte mir so die schönste Gelegenheit meine Sammlung abermals mit bedeutenden Kunstwerken zu vermehren. Nehmen Sie jedoch auch in dem gegenwärtigen Falle meinen aufrichtigen Dank für Ihre gütigen Bemühungen, und die aufrichtige Erklärung, in welcher ich Ihren längst erprobten Charakter aufs neue mit besonderer Rührung anerkannt. Seyn Sie überzeugt, daß ich in ähnlichen Fällen mich vollkommen beruhigen werde, wenn Sie, oder diejenigen denen Sie Ihr Vertrauen schenken, zu meinem Vortheile würken mögen. Gegenwärtig aber würden Sie mir eine besondere Gefälligkeit erweisen, wenn Sie mir einen Catalog mit beygefügten Preißen für die Gebühr verschaffen möchten. Die Durchsicht desselben, wenn sie mir auch hie und da vielleicht eine unangenehme Empfindung erregte, würde für mich auf alle Fälle belehrend seyn, und ich werde Ihnen dieses, sowie so manches andere Gute herzlich verdanken.

Mit Bitte, mich allen werthen Gönnern und Freunden angelegentlichst zu empfehlen

Weimar den 23. Octbr.

1815.

ergebenst!
Goethe

XXIX

Ew. Wohlgeb.

schöne Gabe254 ward mir schon längst und diente mir in trüben Stunden zur angenehmsten Erheiterung, besonders gab die Schreckensgeschichte jener Schlachttage einen bedeutenden Wink, wie man geringeren Übeln nicht unterliegen solle, da der Mensch die größten besteht und aus ihnen oft gerettet wird.255

Die Bildung Ihres Charakters und Styls, erscheint hier im vortheilhaftesten Lichte: es thut immer eine große Wirkung, wenn der Mann auch seine schlimmsten Erfahrungen würdig darzustellen weiß.

Mit dem Altern ist es freylich so eine Sache. Die Jahre könnte man allenfalls noch wohl ertragen, wenn sie flüchtig wie die früheren vorüber gingen, da sie aber so manches, auch von Außen, heranschleppen, womit sich die Jugend selbst nicht befaßen möchte, so spürt man freylich den Mangel an Kraft und Ausdauer doppelt und dreyfach. Hat man indeßen so lange des Guten genoßen und sich in das Schlimme gefügt, so bleibt wohl nichts übrig, als daß man seine Kräfte zusammen nehme, um bis ans Ende etwas werth zu seyn.

Erhalten Sie mir Ihre Theilnahme und bleiben der meinigen gewiß. Empfehlen Sie mich den werthen Ihrigen und auch in dem Löhrisch-Keilischen Hause.

Schließlich, da ich mich zu Ihnen versetzt hatte, fällt mir noch ein Wunsch ein: könnten Sie mir gelegentlich eine recht gute Federzeichnung von Guercin um billigen Preiß verschaffen, es sey Landschaft, Kopf, oder Halbfigur, so geschähe mir ein ganz besonderer Gefalle. In jener von mir versäumten Auction waren deren mehrere.

Nochmals mich bestens empfehlend.

Weimar d 10. Decbr.

 

1816.

ergebenst
Goethe

XXX

Ew. Wohlgebornen geneigtes Schreiben hat mir viel Freude gemacht, ich sehe daraus daß mein Andenken bey Ihnen lebendig ist, und daß Sie auf die freundschaftlichste Art meine Neigung zu befriedigen wünschen und mir für belehrende Unterhaltung Sorge tragen wollen. Ich nehme daher das Anerbieten wegen des Guercin. Bildes dankbar auf, bitte mir solches zu senden, und nicht zu verhehlen was ich dafür schuldig werde.

Die geschnittenen Steine betreffend, so laßen Sie Sich nicht reuen mir davon gemeldet zu haben. Seine Waare muß man ausstellen, ausbieten, wenn man sie los werden will. Unsere gnädigsten Herrschaften sind gegenwärtig nicht geneigt dergleichen anzuschaffen; ich habe jedoch einen andern Gedanken: Wir stehen mit den Hanauer Goldarbeitern256 in gutem Verhältniß theils wegen des Falkenordens, theils wegen mancher Geschenke welche die Fürsten öfters abreichen müßen. Solche Fabriken haben hunderterley Gelegenheit auf Dosen, bey Schmuck, Ringen und d. gl. dergleichen anzubringen. Möchten Sie mir ein detaillirtes Verzeichniß zusenden, was die Steine vorstellen, von welcher Größe sie sind, vielleicht legten Sie auch einige Gypsabgüsse der größten, oder für vorzüglich gehaltenen bey; so wollt ich das alles nächstens nach Hanau spediren, da ich ohne dem etwas dort zu bestellen habe. Es sollte mir Freude seyn Ihren Wünschen hiedurch entgegen zu kommen.

Möchte ich vernehmen daß Sie sich wohl und heiter befinden.

Weimar d. 20. März

1817.

ergebenst
Goethe

*XXXI

Ew. Wohlgeb.

können, mitten in Leipzig, umgeben von eignen Kunstschätzen und Sammlungen andrer, Sich unmöglich einen Begriff machen wie es mir zu Muthe sey, in dem zwar geistvollen; doch gestaltlosen Jena, auf einmal eine so liebwerthe Erscheinung zu sehen als das Bild, mir zur freundlichsten Gabe dargereicht.257 Es hat mich schon zu hundert Betrachtungen veranlaßt, und soll immer vor meinen Augen, mich an Ihr Verdienst und Ihre Neigung zu mir täglich erinnern.

Nehmen Sie meinen vorläufigen eiligen Danck und verzeihen wenn ich das schöne Geschenck nicht so unbewunden annahm als Sie es anboten. Wer sich fast unabläßig mit der wilden Welt herumbalgen muß vermißt oft das Zarte Gefühl den Händedruck eines Freundes gebührend zu erwiedern; lassen Sie mich also doppelt und dreyfach Ihren ethischen Schuldner bleiben.

Jena d. 9 Apr. 1807.

ergebenst
Goethe

Herr Angermann hatte die Artigkeit mir das Kästchen hier persönlich zu überreichen.

Wegen der Gemmen nächstens.

XXXII

Ew. Wohlgeboren herzlicher, aus freier Brust geschriebener Brief, hat mir große Freude gemacht.258 Ich hatte freilich auf Sie gezählt, daß Sie aber so schnell, augenblicklich, unmittelbar sich äusern, dafür weiß ich Ihnen den größten Danck. Freund Meyer, dessen Um- und Übersicht alter und neuer Zeit, Sie in dem kühnen Aufsatze259 nicht verkennen werden, trägt mit mir diese Gesinnungen schon viele Jahre auf dem Herzen, und es schien gerade der rechte Augenblick, wo das Absurde sich selbst überbietet, wo alle ächte Gleichzeitigen, besonders die Väter und Pfleger talentvoller, durch diesen Zeitwahnsinn verrückter Söhne, in Verzweiflung sind, mit historischem, billigem, das Talent würdigendem die Abweichung scharf bezeichnendem Vortrag aufzutreten. Tausend und aber Tausend Wohldenkende, werden sich gewiß schnell versammeln, der reine Menschen- und Kunstverstand wird laut werden, und wir kommen auch denen zu statten, die jetzt wider Willen dem Strohm in den sie sich eingelassen haben gehorchen.

Von dem Überschwenglichen der Tollheit wie Sie es mir schildern, hatten Wir freilich noch keinen Begrif, da Wir aber, es entstehe daraus was wolle, immer auf diesen Fleck zu schlagen gedenken, so haben Sie die Gefälligkeit, mich von Zeit zu Zeit von dem Besondern zu unterrichten. Wir mögten, wie auch schon in dem ersten Aufsatz geschehen, das talentvolle Individuum schonen und fördern, wie Sie auch thun und gethan haben, aber auf die falschen, kranckhaften und im tiefsten Grunde heuchlerischen Maximen, derb und unerbittlich loßgehen, und, wie sie ganz richtig anrathen und verlangen, dasjenige immer und dümmer260 wiederholen, was würcken soll. Das nächste dritte Heft wird nicht allein in diesem Fache, sondern auch in andern aufrichtig seyn.

Haben Sie die Güte mir alles anzuzeigen, was Sie von Persönlichkeiten und Individualitäten wissen, ich mache keinen Gebrauch davon, ehe ich Ihnen die Redaction vorgelegt habe. Es ist eine Gewissenssache mit der wir zusammen würcken müssen. Die Masse ist breit, aber schwach, und ich denke ihnen noch, von ein paar andern Seiten in die Flancke zu fallen.

Hievon nur diese Andeutung! Wie erfreulich ist mir, der reine, freie Ausdruck Ihres Briefes, auch nur als Sprachäusserung betrachtet, und zu welchen ekelhaften, befremdeten[260] Narrheiten, wollen uns die Deutschen Männer zwingen! auch gegen die werden wir auftreten, und welche wackere junge Theilnehmende wir für unsere Überzeugung hoffen können, davon zeugt beiliegendes Heftchen.

Kennen Sie schon den Aufsatz? so ist es Ihnen wohl angenehm ihn zu besitzen, und Freunden mitzutheilen. Man muß jetzt auch Parthei machen das Vernünftige zu erhalten, da die Unvernunft so kräftig zu Wercke geht. Lassen Sie uns bedenken, daß wir dies Jahr das Reformationsfest feiern, und daß wir unsern Luther nicht höher ehren können, als wenn wir dasjenige was wir für Recht, der Nation und dem Zeitalter ersprießlich halten, mit Ernst und Kraft, und wäre es auch mit einiger Gefahr verknüpft, öffentlich aussprechen, und wie Sie ganz richtig urgiren, öfters wiederholen.

Das mir geneigt gespendete Bild, gewährt mir immer viel Freude. Aus einem Kunstwerk, das wahrhaft gut ist, läßt sich viel heraussehen, und was es anregt ist immer unendlich.

Ich weiß nicht ob ich schon gemeldet habe, daß meine Vorliebe fürs Sechszehende Jahrhundert mich auch verleitet hat, eine ansehnliche Sammlung Majolika aus Nürnberg mir eigen zu machen,261 welche, glücklich angekommen, einen vergnüglichen Anblick geben, dabey aber auch aussagen, daß dergleichen subalterne Kunstwerke nur in Masse können beurtheilt werden, wo sowohl ihre Vorzüge als ihre Mängel zur Schau stehen. Finden Sie, um billige Preise, von dieser Art in Leipzig, so erzeigen Sie mir den Gefallen davon Notiz zu geben.

Die Abdrücke der Sammlung geschnittener Steine sende in diesen Tagen zurück. Zu jenem ersten Vorschlag bewog mich die Meynung262 es sei eine Sammlung Cameen, die zu Schmuck, Putz und Modezwecken, für Kenner und Nichtkenner brauchbar sind. Mit Intaglios will man siegeln, und da möchte man interessante beliebte Personen, deren sich, besonders für die neue Denkweise, unter der Folge römischer Kaiser wohl wenige finden möchten.

Den Abdruck eines Titelblatts sende hiebey, vielleicht bald nach Johanni das Heft selbst.263 Meinen längern Aufenthalt in Jena, benutze, da ich gerade nicht Lust zu frischem Thun empfinde, zum Wiederabdruck älterer, auf Natur sich beziehende Schriften. Zu Sichtung und Redaction aufgehäufter Manuscripte. Bey dieser Gelegenheit erscheint, beinahe zum Entsetzen, wie wir von den disparatesten Gegenständen afficirt, aufgeregt, hingerissen werden können. Hiedurch nun, werde ich genöthigt mancherley Stückwercke mit Lebensereignißen in Verbindung zu bringen, damit das Ganze nicht allzu verworren und seltsam aussehe. Und gerade diese Mittelglieder sind es die ich Ihrem Antheil empfehlen möchte. Lassen Sie zunächst unsere wechselseitige Unterhaltung auf das lebhafteste würken, es giebt Epochen, wo es räthlich ja unvermeidlich ist das Eisen gemeinschaftlich zu schmieden.

Mit vielem Antheil und Vergnügen höre ich, daß Sie Konnewitz264 wieder hergestellt, und sich und den Ihrigen einen angenehmen Aufenthalt bereitet haben. Ich mußte mehrmals meine Existenz aus ethischem Schutt und Trümmern wieder herstellen, ja Tag täglich begegnen uns Umstände, wo die Bildungskraft unserer Natur, zu neuen Restaurations-Reproductions-Geschäften aufgefordert wird, helfe der Geist nach, so lange es gehen will.

Hier also ein Abschluß weil doch einmal zu schließen ist. Baldige Erwiederung hoffend

Jena den 1. Juny

1817.

ergebenst
Goethe

XXXIII

Ew. Wohlgeboren verpflichten mich abermals durch ein so freyes und wohlgedachtes Schreiben, das so viele reine Erfahrung und gemüthliche Thätigkeit voraussetzt. Wie sehr freut mich, daß die Hoffnung der Weimarischen Kunstfreunde auf lebendige Mitwirkung gleich denkender Männer so schön erfüllt wird. Von dem Mitgetheilten werde mit Vorsicht später hin Gebrauch machen, denn es möchte gut seyn vor der Hand zuzusehen wie jene Äußerung im Publikum wirkt und wo man am schicklichsten nachhilft.

Nun eine kleine Bitte: In dem Catalog von Dauthe S. 92. No. 81 (das Blättchen lege bey,) stehn die Cartons aus Hampton-Court. Da nun die Worte hinzugefügt sind: vortreffliches Werk, so vermuthe ich daß es gute Abdrücke sind und als dann möcht' ich sie gerne besitzen. Gäben Sie wohl jemand den Auftrag welcher die Abdrücke beurtheilen könnte und sie für mich acquirirte, so geschäh mir ein besonderer Gefalle. Zehn bis Zwölf Thaler wohl auch mehr wollte ich dafür geben. Die Auslage ersetze sogleich dankbar.

 

Da ich zu Ende July, vielleicht Anfang August, wahrscheinlich nach Carlsbad gehe, so hab' ich das Vergnügen Sie in Franzensbrunn zu treffen und hoffe einen Abend mit Ihnen zuzubringen, worauf ich mich von Herzen freue. Mögen Sie, nach Ihrer Ankunft daselbst, mir ein Wort schreiben: wie es dort aussieht, so werden Sie mir einen Vorschmack unseres Zusammentreffens geben.

Das Kästchen mit den Siegelabdrücken ist wohl durch die Post schon zu Ihren Händen gelangt? – Mehr sag ich nicht denn auch ich bin sehr gedrängt manches zu arrangiren, das, wo nicht geendigt doch gefördert werden muß.

Möge die persönliche Erneuerung und Anfrischung unseres schönen Verhältnisses uns bald gegönnt seyn

Weimar d. 26. Juny

1817.

in Hoffnung!
G

Anfragende Nachschrift.

Sollte nicht in der seltsamen Sammlung des Bauschreiber Dedike irgend etwas befindlich seyn das einen Kunstfreund erfreuen könnte? es ist fast unmöglich daß ein Sammler zeitlebens dem Absurden nachjage, ohne daß ihm nicht auch einmal irgend was Schätzbares in die Hände liefe. Haben nicht vielleicht einen Freund fähig dergleichen zu beurtheilen und gefällig es zu erstehen? Unter den kleinen bronzenen Figuren sollte sich vielleicht etwas finden, vielleicht auch unter den getriebenen halb oder schwach erhobenen Bildern, wo nicht von alter doch von neuer guter Kunst, sollte nicht unter den Tellern etwas von Majolika stecken? Da diese Dinge schwerlich zu hohen Preißen weggehen, so würde man kaum irren können

Weimar d. 27 Juny 1817.

G

XXXIV

Verzeihen Sie, werthester, daß ich erst spät auf Ihre Anfrage zur Antwort komme; ich führe jetzt ein etwas unstätes Leben, und spiele rouge et noir265 zwischen Weimar und Jena266, wo es an beiden Enden zu thun giebt, zwar nicht außer meiner Sphäre, doch auch innerhalb derselben nicht ganz erfreulich.

Haben Sie herzlichen Danck für alle Bemühung und Theilnahme, auch für Ihre Betrachtung über mein Thun und Wesen. Das Liebste muß ich immer liegen lassen, und für lauter Treiben und Arbeiten komme ich zu keinem Genuß, am wenigsten zu einer Besinnung, was man erhalten, fördern, fahren lassen, oder verbrennen soll. Wir wollen sehen wie lange wir's treiben, und was wir noch vor uns bringen. Gönnen Sie mir Ihre Theilnahme für und für, und erhalten mir und meinem Andenken guten Willen in Ihrem Wirkungskreise.

Das übersendete Kupfer ist leider wie Sie selbst sehen, keineswegs trostreich; dem guten Manne der so wunderlich aus dem Blättchen heraussieht, wird das Denken äußerst schwer, und der Beschauer kann sich einer peinlichen Empfindung nicht erwehren. Der Fehler, den die Künstler durch Vergleichung selbst gefunden haben, ist freilich sehr entstellend. Der Keim zu allen diesem, lag schon im Original, das ich den wackern Boisseres übersendete, von Copie zu Copie ist es immer schlimmer damit geworden.

Mögen Sie das mit Schonung an die guten Leute bringen, die mit so vielem reinen Willen ihre Kunst geopfert haben, denn der Stich ist wircklich verdienstlich. Ich selbst muß die Sache ignoriren, denn als ich hier einigen Freunden das Blatt vorzeigte, wurde ich übel angelassen. Dieses wenige zu sagen, finde ich in Jena gerade eine ruhige Stunde; kommen Sie in Fall mir etwas zu schicken oder zu fragen, so senden Sie es nach Weimar, und bleiben meiner Theilnahme und Danckbarkeit versichert.

Jena den 24 Novembr.

1817.

ergebenst
Goethe
252Rochlitz war in Weimar. Werke XXVII. S. 299.
253Vier Zeichnungen von Goethe, jetzt im Besitze des Herrn Keil.
254Neue Erzählungen von Fr. Rochlitz. Leipz. 1816.
255„Der Tag der Gefahr,“ vgl. XLVI. Werke XXVII. S. 319. XXXII. S. 336 f.
256Vgl. Werke XX. S. 181.
257Werke XXVII. S. 332.
258Goethe theilte Rochlitz's Brief sogleich H. Meyer mit. Riemer Briefe von und an Goethe. S. 108 ff.
259Kunst und Alterthum I. 2. S. 7 ff.: „Neudeutsche, religiös-patriotische Kunst.“
260Kein Druckfehler, aber gewiß ein Schreibfehler.
261Vgl. Werke XXVII. S. 332.
262Vgl.
263Zur Naturwissenschaft überhaupt, von Goethe. Erster Band. Stuttg. u. Tüb. 1817.
264Ein Dorf, eine Stunde von Leipzig, wo Rochlitz ein Landhaus besaß.
265Briefw. m. Jacobi S. 262.
266Briefw. m. Zelter II. S. 415.