kontrolliert & korrumpiert

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Aus der Reihe: Schätze mich #2
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3

Arsen

Während zwei meiner Vollstrecker auf den Vordersitzen fahren, sitze ich auf der Rückbank des SUVs, meine Finger zu einer Pyramide geneigt. Ich starre nachdenklich aus dem Fenster. Nach drei wilden Tagen, in denen ich beinahe nonstop verhandelte und drohte, ist es mir endlich gelungen, sie zu finden.

Katherine Carolla, die elende Tochter von Sal Carolla.

Du musst verstehen, Sal gab den Aufenthaltsort seiner Tochter einfach nicht preis, nicht einmal als mein Fuß samt Stiefel auf seinem Hals stand und meine Pistole auf seine Schläfe zielte. Ich gestehe, ich bewunderte ihn ein wenig, diese Art sturen Beschützerwillens. Natürlich tötete ich ihn trotzdem, aber ich bewunderte es dennoch.

Dann fand ich heraus, dass der wahre Grund, warum der alte Sal das Versteck der hübschen kleinen Katherine nicht verraten hatte, darin bestand, dass er sie an einen sehr exklusiven privaten Auktionator verkauft hatte.

Er hatte sie verkauft.

Als wäre sie nicht seine Tochter. Als wäre sie nur eine Investition für ihn und er würde nur den rechten Augenblick abwarten und sie verstecken, bis er von ihrer Enthüllung profitieren konnte.

Als ich davon erfuhr, war ich so überrascht, dass ich tatsächlich laut lachte.

Wie sich herausstellte, wurde die kleine Katherine doch nicht von ihrem Daddy beschützt. Ihr Daddy beschützte jemanden, von dem Sal wusste, dass er seine Tochter auftakeln und an den höchsten Bieter verkaufen würde. Eine Person, die, wie ich vermutete, sie tausende Male vergewaltigen würde. Oder sie vielleicht unter seinen Freunden herumreichen würde.

Oder sie einfach töten würde.

Wenn ich dazu in der Lage wäre, so etwas zu empfinden, dann hätte ich beinahe Mitleid mit Katherine.

Beinahe.

Zu blöd, dass sie eine Carolla war. Sie würde bezahlen müssen, so wie Anna bezahlt hatte. Mit der Ausnahme, dass ich größere Pläne für Katherine hatte…

Pläne, die sich darum drehten, sie zu brechen, Körper und Seele. Ich würde eine spezielle Mischung aus körperlicher Arbeit, Folter und Sex benutzen, um sie einer Gehirnwäsche zu unterziehen. Ich würde sie foltern, bis sie glaubte, was auch immer ich sie glauben machen wollte.

Sie hat mich noch nie gesehen, aber ihr Körper und Geist gehören mir.

Dann kann ich sie in strategischen Intervallen allen vorführen, und zwar um meinen Rivalen eine Scheißangst einzujagen. Mein perfektes kleines Haustier, ganz düster und verdorben. Ich werde direkt hier im Auto leicht steif allein bei dem Gedanken daran, ihren Körper zu schänden und ihren Geist zu zerstören.

Mein Vollstrecker Denis fährt in einen abgezäunten Bereich, der etwas umringt, das wie ein beiger Flugzeughangar aussieht und auf allen vier Seiten abgeschlossen ist. Das Gebäude ist von allem anderen isoliert, es ist nicht einmal ein anderes Gebäude in der Nähe. Denis fährt zu einem Sicherheitscheckpunkt und präsentiert der bewaffneten Wache meine Einladung für die Auktion.

Eine Einladung, für die ich mehrere Gefallen einfordern musste.

Die Wache schaut zu mir, schaut zu Denis und Roget und winkt uns dann durch. Ein Valet weist uns an, vor eine unmarkierte Tür zu fahren. Ich steige aus dem Wagen und strecke mich leicht. Ich schaue zu meinen zwei Vollstreckern, die den gesamten Parkplatz und den Eingang nach Bedrohungen scannen.

Ich betrachte mich als hochgewachsen und breit, ein bisschen über einen Meter achtzig. Denis und Roget sind jedoch verdammt gigantisch, jeder an die zwei Meter groß und gebaut wie Holzfäller.

Nun, das heißt, wenn sich Holzfäller in Trenchcoats kleiden und bis an die Zähne bewaffnen würden.

„Hier lang, Gentlemen, wenn Sie mir bitte folgen würden?“, sagt ein Mann, der sich verbeugt, während er die Tür öffnet.

Ich führe den Weg nach drinnen an und blinzle in der Dunkelheit. Wir treten in einen kleinen Raum, der nur von einer hochleistungsfähigen Taschenlampe beleuchtet wird.

„Gentlemen, wenn Sie sich bitte eine Maske nehmen würden?“, sagt der Mann und deutet zu einem Tisch voller identischer schwarzer Gesichtsmasken.

Roget schnappt sich drei Masken und ich nehme meine von ihm. Nachdem er und Denis ihre Masken übergezogen haben, lege ich meine ebenfalls an. Wir sehen einander an, auf die fast schon komische Auslöschung unserer charakteristischsten Züge.

„Düster“, meint Denis. Roget grunzt nur und richtet seine schwere Jacke.

„Genau hier lang“, sagte der Mann, stößt eine Tür auf und bedeutet uns, hineinzugehen. „Sie gehören zu den letzten Ankömmlingen. Ich fürchte, wir werden Sie weiter hinten platzieren müssen.“

Das war keine Fehleinschätzung meinerseits; ich möchte hinten sein, in Schatten gehüllt. Der Mann eilt vor mich. Seine Schritte sind auf dem nackten Beton kaum zu hören. Er führt den Weg in den Hauptraum an, wobei er versucht, Rücksicht darauf zu nehmen, dass die Show bereits begonnen hat.

Ungefähr fünfzehn Männer stehen in kleinen Grüppchen beisammen, ihre Aufmerksamkeit ist auf das Mädchen gerichtet, dass von einem maskierten Mann in schwarz auf die Bühne geführt wird. Das Mädchen sieht erbärmlich aus. Ihre Haut ist fahl und ihre Knochen stechen beinahe durch das Kleid. Sie ist auch vollkommen zugedröhnt, ihre Augen riesig und glasig, ihr Mund so trocken, dass er an einigen Stellen aufgesprungen ist.

„Das ist Selina… Sie beginnt bei 10.000$...“, verkündet der Mann in einer hohen Stimme.

Sofort schießen zwei Hände nach oben.

„In Ordnung, ich habe zwölftausend…“, sagt der Mann.

Mehr Hände heben sich.

Ich entspanne mich ein wenig und rolle mit den Schultern. Ich bin nicht wegen irgendeinem Mädchen hier, weshalb ich den Bieterkrieg ausblenden kann. Das Einzige, das ich tun muss, ist geduldig zu bleiben und mit niemandem die Beherrschung zu verlieren, bevor Katherine Carolla aufgerufen wird.

Das scheint recht einfach zu sein, solange die anderen Männer auf Distanz bleiben.

Während ich warte, verbringe ich die Zeit damit, über das Mädchen nachzudenken.

Katherine.

Ich hasse diesen Namen. Eines der ersten Dinge, die ich tun werde, ist, sie dazu zu zwingen, meine Ketten zu tragen…

Und das Zweite ist, ihr einen neuen Namen zu geben. Irgendetwas, das besser zu ihrer neuen Situation passt.

Wie Sklavin. Oder Dienerin.

Meine Lippen biegen sich zu dem grausamsten verstohlenen Lächeln nach oben.

Ich werde sie auf mein Anwesen bringen, weit weg von hier. Dort kann ich tun, was immer ich möchte, wann immer ich möchte. Ich bin so etwas wie der König auf meinem Anwesen.

Dann werde ich es genießen, langsam ihre Knochen zu brechen und ihren Verstand geschickt zu zerschmettern. Ich werde ihr mitteilen, dass ich ihre Familie getötet habe; ich werde ihr mitteilen, dass niemand zu ihrer Rettung kommen wird. Wenn sie um ihren Vater und Brüder weint, werde ich sie auspeitschen, weil sie um deren Existenz trauert.

Ich balle meine Fäuste. Es ist ihre Schuld, dass sie als Carolla geboren wurde. Ihre Schuld, dass sie alle dreckige, verdorbene, verdammte Loser sind.

Streich das… Loser waren. Ich habe so ziemlich jeden von ihnen von meiner Liste an Leuten, die es zu töten gilt, gestrichen. Ich vernichtete jeden Einzelnen der Drecksäcke dort in dem Lagerhaus, und zwar mit einem Lächeln im Gesicht.

Ihre toten Augen starrten mich an, während ich lachte. Sie alle lernten, dass man sich nicht an dem vergreift, was ich als mein bezeichne…

Ich sehe Anna vor mir, den Mund zu einem surrealen Bild der Überraschung geöffnet. Auch wenn sie nur irgendeine Hure war, war sie trotzdem meine Hure. Mein Besitz. Mein.

Ich dränge die Erinnerung beiseite. Es gibt andere Dinge, auf die ich mich konzentrieren kann wie beispielsweise, wie es sich anhören wird, wenn ich die Handschellen um Katherines Handgelenke zuschnappen lasse. Ich konzentriere mich darauf und blende die Gebote auf das nächste Mädchen und das danach aus.

Natürlich werde ich Katherine kaufen müssen. Für eine Menge Geld, wenn diese traurig aussehenden Mädchen irgendein Hinweis sind.

Und weil sie es mir so sehr erschwert hat, sie zu finden, wird sie wirklich leiden. Sehr viel mehr, als wenn sie einfach an dem Tag gegenwärtig gewesen wäre, an dem ich ihre Familie ermordete.

Ein Gedanke kommt mir in den Sinn.

Ein Geständnis. Ich könnte sie dazu zwingen, ein Geständnis zu unterschreiben, aus freien Stücken heraus. In diesem würde sie ihre Schuld an allem, mit dem ihre Familie mich verärgert hat, einschließlich Annas Tod, gestehen.

Das wäre ein Spaß.

Nachdem ich ihr ihren Lebenswillen genommen habe, wird sie mich um die Erlösung anflehen, die der Tod nach sich zieht. Genauso wie alle anderen.

Und dann werde ich sie erwürgen, langsam. Ich werde derjenige sein, der dabei zusieht, wie das Licht in ihren Augen erlischt. Ich werde sehen, wie ihr gesamtes Wesen zu existieren aufhört.

Dieser Moment… dieser Moment wird so, so genial sein.

Auf der anderen Seite des Raumes bricht die langweilige brünette Sklavin, die gerade versteigert wird, zusammen. Niemand reagiert großartig, was irgendwie merkwürdig ist. Der Auktionator ruft lediglich den letzten Bieter als Gewinner aus, während ein anderer muskulöser Mann in einer Maske kommt, das Mädchen hochhebt und sie beinahe achtlos über seine Schulter wirft.

„Katherine ist unser nächstes Mädchen“, verkündet der Auktionator. „Bringt Katherine raus.“

 

Ich setze mich etwas aufrechter hin. Eine zierliche Blondine wird hinaus auf die Bühne geführt. Ihre zarten Züge werden von ihrem weißen Kleid betont. Sie neigt ihren Kopf nach hinten, um sich umzusehen, wobei ihr Kopf hin und her wackelt.

Das ist sie.

Sie ist hübsch, auf eine empfindliche Art und Weise. Große ausdrucksstarke Augen, ein voller Mund, hohe Wangenknochen. Was für mich so verblüffend ist, ist, dass sie wie Anna aussieht, meine Lieblingshure in New Orleans. Da ist eine gewisse Ähnlichkeit um die Augen herum und eine Art Weisheit, die nicht zu jemandem ihres Alters zu passen scheint.

Das wirft die Frage auf, was Katherine wohl gesehen hat. Das wirft auch die Frage auf, was Anna in ihren kurzen Jahren auf diesem Planeten sah. Dieser Gedanke sorgt dafür, dass ich mich verspanne und mit den Zähnen knirsche. Ich spüre, wie sich meine Nägel in meine Handballen graben, als ich meine Fäuste balle. Denis nickt mit einem fragenden Blick zu ihr und ich erwidere sein Nicken.

Das ist das Mädchen, wegen dem wir hierhergekommen sind. Das ist das Mädchen, mit dem wir gehen werden, komme, was da wolle.

Sie ist sehr jung. Ich begutachte sie. Ihre zerbrechlichen Arme, ihre kleinen Titten. Ihr Gesicht, ein wenig elfenartig, mit großen blauen Augen, eine nach oben gerichtete Nase, volle breite Lippen.

Oh, die Dinge, die ich mit diesen Lippen vorhabe. Sie mustert den Raum mit ihren blauen Augen, doch ihr Gesicht gibt nichts preis.

Ich realisiere schockiert, dass sie nicht schlecht aussieht, nicht einmal während sie in diesem gebrauchten Kleid mitten auf der Bühne steht. Das spielt für mich keine Rolle, aber es schadet auch nicht.

Fuck, ich bin immerhin ein Mann.

Der Mann, der sie aufrecht hält, leistet beschissene Arbeit und lässt sie halb nach vorne fallen. Sie steht eindeutig unter dem Einfluss irgendeiner Droge wie der Rest der Mädchen. Sie sollte besser nicht ohnmächtig werden, nicht ehe ich sie kaufe.

Ich will, dass sie sich an das Gefühl, wie ein Objekt behandelt zu werden, erinnert.

„Die junge Katherine ist noch Jungfrau“, ruft der Auktionator. Seine Worte hauen mich vollkommen um. Eine Jungfrau? Das wird ihren Preis vermutlich verdoppeln. „Sie gehörte zu Sal Carolla. Jetzt kann sie einem von Ihnen gehören.“

Mehrere Männer jubeln, bereit, ihren Preis für sich zu beanspruchen. Doch diese Männer wissen nicht, dass ich im Publikum sitze oder dass ich bin, wer ich bin, oder dass ich wegen ihr hier bin.

Ich beginne, mich nach vorne zu bewegen und lege meine Hände um meinen Mund. „Eine Million. Eine Million und wir sind hier fertig.“

Alle drehen sich um und schauen zu mir, manche wirken überrascht.

„Eine Million von diesem Gentleman“, sagt der Auktionator. „Höre ich –“

„Eine Million und ein Viertel“, ruft ein Mann gegenüber von mir. Er grinst mich spöttisch an.

„Eine Million und eine halbe“, erwidere ich.

„Zwei Millionen!“, verkündet der Mann. „Zwei Millionen Dollar.“

„Drei“, knurre ich.

Der Mann zögert und schaut zu den zwei Männern, die ihn begleiten. Einer von ihnen nickt ihm zu und er grinst. „Drei Komma fünf.“

„Vier Millionen“, rufe ich, obwohl es eine schockierende Geldsumme ist.

Geld spielt keine Rolle, nicht heute.

Der andere Mann zieht seine Pistole, was er damit vorhat, weiß ich jedoch nicht. Er begeht den tödlichen Fehler, so auszusehen, als wolle er auf mich zielen, und ehe ich mich versehe, habe ich meine Pistole gezogen.

Die Instinkte übernehmen die Kontrolle und alles verlangsamt sich. Alle gehen in Deckung. Kurz darauf befindet sich ein Einschussloch direkt zwischen seinen Augen. Meine Pistole qualmt nur ein bisschen.

Alle anderen setzen sich in Bewegung. Das Geräusch von dutzenden Pistolen, die entsichert werden, hallt laut durch die stille Luft. Denis und Roget sind an meiner Seite, obgleich ich sie offenkundig nicht brauche.

„Rufen Sie den Sieger aus“, befehle ich dem Auktionator. „Rufen Sie ihn jetzt aus und wir können gehen.“

Der Auktionator hebt die Hände, obwohl ich nicht mit der Pistole auf ihn ziele. „Verkauft?“, quiekt er unschlüssig.

Der maskierte Mann, der Katherine aufrecht hält, zieht sie von der Bühne und läuft zu einem Hinterzimmer, wobei sie schlaff hinterherstolpert. Ich bedeute Denis, sie zu holen. Aufregung schwillt in meiner Brust an.

Alle sind bis in die Haarspitzen angespannt, beobachten jede meiner Bewegungen, die Pistolen gezückt. Aber ich mache mir wegen keinem von ihnen Sorgen.

Nein, ich mache mir Sorgen um meine Neuanschaffung, die Denis gerade von der Wache wegreißt. Während er sie zu mir führt, realisiere ich, wie klein sie neben meinem Vollstrecker aussieht. Sie kann nicht viel größer als ein Meter fünfzig sein.

Sie erreichen die Stelle, wo ich stehe, und ich betrachte ihre großen, verzweifelten Augen, ihre blonden Haare, ihre Hände, die sie in ihr weißes Kleid verknotet hat. Das ist alles so viel mehr, als ich zu träumen gewagt hatte. Echter, lebhafter.

Ich lege den Kopf zur Seite und bedenke sie mit einem nachdenklichen Blick. „Du gehörst zu mir. Ich bin jetzt dein Herr.“

In diesen großen blauen Augen leuchtet kurz ein weitentferntes Echo von Entsetzen auf, doch die Droge, welche auch immer man ihr gegeben hat, hindert ihre Angst daran, an die Oberfläche zu steigen.

Allerdings nicht lange. Wenn ich sie zu meinem Anwesen gebracht habe, wird es keine Substanzen, nichts mehr zwischen uns geben. Nichts wird sie davor bewahren, die Art von Schrecken zu fühlen, die Anna während ihrer letzten Stunden durchleiden musste.

Ich habe das Gefühl, als sollte ich sie warnen und ihr mitteilen, was für eine Sorte Herr ich sein werde. Ich wühle in meiner Hosentasche nach meinem Springmesser und klappe dessen glänzende Klinge auf.

Ihre Augen füllen sich mit einem deutlichen Hauch von Angst, als ich vor ihr damit herumfuchtle und näher zu ihr trete. Ich packe sie an der Schulter und genieße ihre jämmerlichen Versuche, sich zu wehren. Denis tritt nach vorne, packt ihre beiden Hände und zieht sie hinter ihren Rücken.

Ich schaue ihr direkt in die Augen, während ich langsam den Buchstaben A in ihr Schlüsselbein ritze, ungefähr zwei mal ein Zentimeter groß. Ich werde hart, als sie ein wehleidiges Jammern ausstößt. Meine Fingern zittern vor angestauter Aufregung, als ihr Blut über mein Messer tröpfelt.

Nichts hat sich jemals so gut angefühlt, das schwöre ich.

„Das soll dich daran erinnern, dass du mir gehörst“, informiere ich sie, während ich das Blut von meiner Klinge an ihrem blütenweißen Kleid abwische, direkt über ihrem rechten Busen. Das Blut verteilt sich und durchdringt den Stoff sofort, was sehr befriedigend ist.

Ich mache auf dem Absatz kehrt, denn jetzt bin ich bereit zum Gehen. Ich schaue zu Denis. „Alles klar. Stülpe die Tüte über ihren Kopf und dann können wir los. Wir haben eine lange Reise vor uns.“

Anschließend suche ich mir einen Weg aus dem Flugzeughangar, reiße mir die Maske vom Gesicht und schleudere sie zu Boden.

4

Katherine

Ich habe eine vage Erinnerung daran, ein paar Mal ein Beruhigungsmittel injiziert bekommen zu haben. Ich erinnere mich daran, wach genug gewesen zu sein, um ein Flugzeug und ein Auto zu erkennen. Ich weiß, dass der Mann, der mich verspottete, nachdem er mich gekauft hatte, die ganze Zeit in meiner Nähe war.

Ich sehe ihn in meinem Kopf. Seine fremden grauen Augen und seine dunklen Augenbrauen, seine große Gestalt und schwarzen Klamotten, die dunklen Stoppeln auf seinen Wangen. Seine Haut hatte nicht den gleichen Teint wie meine… sie war eher olivfarben. Als er sprach, hatte sein Englisch einen Akzent…

Doch ich war zu benebelt von den Drogen, um mehr als das feststellen zu können.

Ich wache wieder auf, erlange das vollständige Bewusstsein und schaue hinauf zu einer königsblauen Decke. Ich ächze vor mich hin und hebe meinen Oberkörper, um an meinem Körper hinabzusehen. Das Kleid, das ich auf der Versteigerung trug, ist fort. An seiner Stelle befindet sich ein blutrotes, ärmelloses Etuikleid.

Meine Fingerspitzen streifen ausversehen eine Stelle an meinem Schlüsselbein und selbst diese leichte Berührung brennt. Vorsichtig ziehe ich mein Kleid von meiner Haut weg und spähe hinab auf eine ordentlich bandagierte Stelle von ungefähr zwei mal zwei Zentimetern. In dem Moment erinnere ich mich an seinen Gesichtsausdruck, als er sein Messer in mein Fleisch bohrte, die Freude, die ich in seinen Augen sah, als er mich für immer markierte.

Obwohl ich darauf achte, die Stelle nicht weiter zu berühren, muss ich gegen die Tränen ankämpfen, die in meinen Augen brennen. Welche Art von Monster verstümmelt einfach einen anderen Menschen?

Zu meiner absoluten Beschämung sind auch mein Slip und BH verschwunden. Ich fühle mich nackt wegen des Wissens, dass jemand meinen komplett entblößten Körper betrachtet hat, während ich bewusstlos war.

Meine Schulter pocht und erinnert mich an diesen Moment bei der Versteigerung, als er mir zeigte, dass er etwas in meine Haut ritzte. Ich hebe meine Hand, um die Stelle zu berühren, die er mit seinem Messer verunstaltet hat. Ein leises Klirren lenkt meine Aufmerksamkeit auf mein Handgelenk, an dem ich eine kunstvoll gefertigte Handschelle vorfinde, die mit einer feingliedrig aussehenden Goldkette verbunden ist.

Ich ziehe an der Kette und stelle fest, dass ich an irgendeiner Stelle hinter dem Bett befestigt bin. Die Kette ist lang genug, dass ich mich in dem Raum bewegen kann, aber nicht so lang, dass ich außerhalb des Raumes gehen könnte.

Das ist… bizarr. Wo genau bin ich? Ich weiß, dass es Tag ist, aber andere Hinweise habe ich nicht.

Dann denke ich darüber nach, wo meine Familie ist und es prasselt irgendwie alles auf einmal auf mich ein.

Fort, das ist es, wo meine Familie ist. Sie haben mich zurückgelassen, absichtlich. Ich bin nicht das Kind aus Kevin – Allein zu Haus, ich bin nicht Liam Neesons Tochter in dem Film 96 Hours.

Schlimmer, ich bin verkauft worden.

Doch was genau soll ich mit dieser Information anfangen? Während mir Tränen in die Augen treten, komme ich nicht umhin, die Ereignisse der letzten paar Tage in meinem Kopf abzuspielen.

Tonys Gesichtsausdruck, als er mich an die Cops verriet.

Das Gesicht des Cops, als er mich unter dem Schreibtisch hervorzerrte.

Das schreckliche Elend, mit dem ich konfrontiert wurde, als ich in meiner Zelle im Auktionshaus aufwachte.

Und er. Der Mann, der mich kaufte. Seine Augen… die Grausamkeit und Hohn, die ich darin sah, jagten mir Schauer über den Rücken.

Ich rolle mich auf die Seite und meine Tränen entfliehen auf den grauen Stoff unter meinem Körper. Was hatte ich nur getan, das meine Familie dazu veranlasst hatte, mich zu verkaufen? Schluchzend denke ich an Tonys Warnung.

Hat mich Dad wirklich verkauft, weil ihm das Geld ausging? Bedeutete ich ihnen wirklich so wenig?

Lieben sie mich nicht?

Rotz läuft aus meiner Nase und ich wische sie mit einem Zipfel meines Etuikleides ab. Ich lasse mich eine Weile von meinen Tränen überwältigen und weine, bis ich mich innerlich ganz hohl fühle.

Niemand kommt bei dem Geräusch meiner Tränen an die dunkle Holztür. Hier ist niemand, der ein großes Interesse daran hat, ob ich mich wohlfühle oder nicht, das weiß ich mit Sicherheit.

Ich blinzle einige Male und betrachte das große Bett, in dem ich liege. Es gibt weder ein Leintuch noch Decken, nur ein weicher grauer Überzug liegt über dem ganzen Teil. Der Raum selbst ist ziemlich groß ohne Dekoration mit Ausnahme eines Fenstersitzes, der in ein Erkerfenster gebaut wurde. Es gibt kein Kissen und das Fenster hat keine Vorhänge oder Jalousien.

Ich rutsche von dem Bett und stelle mich auf meine wackligen Beine. Der Boden besteht aus dunklem Holz, ist glatt und kühl unter meinen nackten Fußsohlen. Zuerst gehe ich zur Tür, die ich jedoch abgeschlossen vorfinde.

Keine Überraschung, schätze ich. Immerhin bin ich angekettet. Es ist ja nicht so, als könnte ich gehen, würde ich eine offene Tür finden.

 

Als Nächstes erkunde ich die andere Seite des Zimmers und gehe zu dem Fensterplatz. Das Fenster besteht aus dickem Doppelglas und lässt sich nicht öffnen. Außerhalb des Fensters ist die Welt schockierend malerisch. Ich bin hoch oben und überblicke einen kleinen Obstgarten, der in voller Blüte steht. Dahinter ist eine bröckelnde Backsteinmauer mit üppiger Vegetation und bergigem Terrain. Alles, das ich in der Ferne sehen kann, sind Hügel um Hügel, Dschungel über Dschungel.

Wo auch immer ich bin, ich bin definitiv nicht mehr in New Orleans.

Das löst eine weitere Heulattacke aus, obwohl ich mich nach wie vor leer von vorhin fühle. Diese ist jedoch nicht ganz so energisch, eher ein leises Schluchzen, während ich aus dem Fenster starre.

Obwohl ich verzweifelt bin, bemerke ich, dass ich Hunger habe. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, was ich deswegen unternehmen soll. Ich versuche, mich an meine letzte richtige Mahlzeit zu erinnern und kann nur an den Morgen denken, an dem mich Tony verkaufte. An jenem Morgen stoppten wir bei McDonald’s, wo wir durch den Drive-through fuhren.

Ich aß einen halben Egg McMuffin und warf den Rest in den Müll. Ich denke an diese andere Hälfte und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Wie verschwenderisch ich doch war, als ich noch wusste, woher ich meine nächste Mahlzeit bekommen würde.

Ich verbringe ein paar Stunden damit, mein Zimmer in größtem Detail zu untersuchen. Ich betrachte alle Wände, erforsche alle Fußleisten. Unter meinem Bett finde ich eine große goldene Box, die vielleicht einen Meter fünfzig mal ein Meter misst und einen halben Meter dick ist. Sie ist sehr schwer und sie rauszuziehen und zurückzuschieben ist beinahe zu viel verlangt für meinen ausgehungerten Körper.

Ich schaue in das Badezimmer, das an mein Zimmer angeschlossen ist, eine recht schlichte Angelegenheit. Eine Toilette, eine Klauenfußwanne. Alles in Weiß gehalten, bis hin zu den Bodenfliesen. Ich stelle fest, dass die Kette gerade lang genug ist, um aufs Klo zu gehen, aber nicht lang genug, um die Badewanne zu erreichen.

Ich kehre zum Bett zurück, als meine Neugier befriedigt ist, und setze mich zum Denken hin. Nach einiger Zeit kehren meine verworrenen Gedanken wieder zu dem Mann zurück, der mich hier gefangen hält. Ich habe so viele Fragen zu ihm.

Wer ist er? Was will er von mir? Wohin hat er mich gebracht?

Und viel wichtiger, wird er mich gehen lassen?

Ich lege mich abermals auf das Bett, da ich müde werde. Meine Augenlider sind schwer, weshalb ich sie schließe.

Als ich wieder aufwache, sitzt er direkt neben mir und seine grauen Augen bohren sich in mich. Er blickt auf mich hinab, als wäre ich eine verwöhnte Geliebte und er der ältere Liebhaber, der mich gerne verhätschelt.

Ich setze mich auf und weiche vor ihm zurück. Als ich ihn misstrauisch anstarre, biegen sich seine Lippen zu dem Hauch eines Lächelns nach oben.

Das Lächeln erreicht das kühle Grau seiner Augen jedoch nicht und diese Tatsache jagt mir Schauder über den Rücken. Er ist jünger, als ich dachte, vermutlich Mitte Dreißig. Und sein Körper ist gut bemuskelt, feingeschliffen. Von was, weiß ich nicht.

Noch ein Rätsel, das ihn umhüllt.

„Du bist wach“, stellt er fest, so nüchtern, als wäre ich eine Freundin und nicht eine verflixte Gefangene.

Ich kann seine Augen auf mir spüren, überall auf meiner Haut. Ich versuche, normal zu atmen, aber mein Herz rast eine Million Meilen pro Stunde. Er wirkt nachdenklich.

„Du bist hübscher, als ich es erwartet hatte.“ Er beugt sich näher zu mir und ich zucke zusammen. Er legt seine Hand auf meinen nackten Schenkel und gluckst, als ich versuche, von ihm weg zu krabbeln.

Er packt einfach die Kette, die mit meinem Handgelenk verbunden ist und wickelt sie sich in einer fließenden Bewegung um die Hand. Er ruckt daran und ich gerate aus dem Gleichgewicht. Ich taumle zurück zum Bett.

„Das ist erst mal genug“, sagt er milde. Er neigt den Kopf zur Seite. „Ich brauche einen neuen Namen für dich. Katherine Carolla ist tot. Also brauche ich etwas Weibliches und… etwas Kleines, wie du es bist.“

„Ich bin nicht tot“, protestiere ich mit zitternder Stimme. Ich zerre an der Kette, aber er zuckt nicht einmal.

„Das bist du nicht, nein. Aber du bist auch nicht mehr Katherine. Ich tötete sie, als ich sie auf der Sklavenversteigerung kaufte. Oder hast du es nicht bemerkt?“

Ich verziehe das Gesicht bei dem Wort Sklavenversteigerung. „Also gibst du zu, dass du die Sorte Mann bist, die sich bei Sklavenversteigerungen herumtreibt?“

Meine Worte kommen beißender heraus, als ich es beabsichtigt hatte, aber er scheint sich nicht daran zu stören. Er scheint mich gar nicht zu hören. Er verengt seinen Blick auf mein Gesicht.

„Fiore“, sagt er. „Das bedeutet Blume auf Italienisch. Ich denke, das wird dein neuer Name, Mädchen.“

„Mein Name ist Katherine“, sage ich widerspenstig.

„Du wirst schon bald lernen, wie sehr du dich irrst. Du wirst bald eine ganze Menge lernen.“

Sein grauer Blick ruht schwer auf meinem Gesicht, meinen Brüsten, dem Scheitelpunkt meiner Schenkel. Ich bekomme Gänsehaut davon.

Er ist verrückt, so viel ist offensichtlich. Ich muss ihm so viele Informationen wie möglich entlocken und dann kann ich sie durchgehen, wenn ich wieder allein bin.

„Wo sind wir?“, sage ich, um das Thema zu wechseln.

Er zieht eine Braue hoch. „Kolumbien. Wir sind auf meinem Anwesen, allein bis auf das Personal, das für einen reibungslosen Ablauf sorgt. Niemand wird dir helfen.“ Er hält einen Moment inne. „Niemand wird dich suchen kommen. Das weißt du, oder?“

Ich recke mein Kinn, obgleich Tränen in meinen Augen brennen. „Das weißt du nicht.“

Er zieht an der Kette und bringt mich näher zu sich. „Aber das tue ich, Fiore. Ich weiß das. Dein Vater hat dich verraten, deine Brüder ebenfalls. Sonst gibt es niemanden, oder?“

Ich unterdrücke meine Emotionen, auch wenn ich die Tränen nicht daran hindern kann, über meine Wangen zu strömen.

„Du bist ein Monster“, werfe ich ihm an den Kopf, während ich die Tränen auf meinen Lippen schmecke. „Du weißt überhaupt nichts über mich.“

„Nein?“, sagt er und etwas glitzert in diesen tödlichen grauen Augen.

Er steht auf, wobei er die Kette dazu benutzt, mich über die Bettkante und in die Knie zu zwingen. Ich kann sehen, dass die Kette in seine Hand schneidet, doch ihn scheint das nicht zu stören. Er stellt sich zwischen meine Knie und hält die Kette so hoch, dass ich mich nicht auf meine Fersen setzen kann.

Er gleitet mit einer Hand meinen Innenschenkel hinauf, was mich zusammenfahren lässt. Seine Hand wandert höher… bis er die kleine Ansammlung Locken zwischen meinen Schenkeln findet. Seine Finger erforschen meine unteren Lippen.

„Nein!“, protestiere ich. Als er einen Finger beiläufig in mich schiebt, kein bisschen auf meine Gefühle bedacht, brülle ich ihm ins Gesicht: „Nein! Ich sagte Nein! Stopp!“

Sein Finger in meinem Körper ist ein absoluter, unbestreitbarer Verstoß. Ich versuche, mich zu bewegen, meine Knie zu schließen, doch er hebt nur meine Handschelle schmerzhaft hoch.

Das Eindringen seiner groben Berührung ist alles, von dem mir mein ganzes Leben lang erzählt wurde, dass ich es fürchten sollte. Also fürchte ich es.

Ich fürchte ihn.

Er neigt sich näher zu mir, sodass sein Gesicht beinahe meines berührt. „Du gehörst jetzt mir, Fiore. Ich besitze dich. Ich kann mit dir tun, was auch immer ich möchte, wann auch immer ich möchte. Und du wirst tun, was ich sage, oder ich werde dich töten. So einfach ist das.“

„Monster“, wispere ich und schließe die Augen. Als könnte ihn das aussperren. „Was willst du überhaupt von mir?“

Er zieht seinen Finger aus mir und beugt sich nach unten, bis er direkt neben meinem Ohr ist.

„Alles“, sagt er, wobei sein Atem mein Ohr kitzelt und Gänsehaut auf meinen Armen und Beinen entstehen lässt. Ein plötzliches Angstgefühl überkommt mich.

Und dann gibt er meine Kette frei und läuft aus dem Raum, als hätte er etwas Besseres zu tun. Als würde ich nicht zittern und Angst haben. Als hätte nicht er dafür gesorgt, dass ich so empfand.

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