Rio für Paranoide

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27.-28.10.12: 2 Seetage zum Eingewöhnen

Am Vorabend hatten wir noch die Uhren an die Kanarenzeit angepasst, so klingelte der Wecker zeitzonengerecht 7 Uhr. Duschen, Zähne putzen, anziehen und dann mal einen Blick nach draußen werfen (den Trick mit der Cara-Webcam und dem Fernseher hatte uns bis dahin noch keiner verraten): Sonne und ein ganz ruhiges Meer. Und nur Meer, kein Land mehr zu sehen. Wir gingen dann frühstücken und waren um diese Uhrzeit zwar nicht allein, aber die wenigen Leutchen verliefen sich im Restaurant. Wiener, Eier in allen möglichen Varianten, Wurst, Marmelade, Käse, Teilchen, trockener Kuchen, Obst, Müsli und Cerealien - viel mehr Auswahl ist kaum möglich. Dass der Kaffee aus der Thermoskanne kommt, war erst einmal gewöhnungsbedürftig. Aber mit einem oder zwei Kaffeeautomaten hätten sich lange Schlangen gebildet und so war dies sicherlich die bessere Lösung. Neben Kaffee konnte man Tee, mehrere Milchsorten und verschiedene Säfte trinken.

Nach dem Essen zogen wir uns um zum Sonnenbaden: Sonnencreme und -brille, MP3-Player und ein Buch und ab auf Deck 11. Zu diesem Zeitpunkt war noch genügend Platz, um sich eine Liege auswählen zu können. Wie uns später andere Mitreisende berichteten, sollten etwa 800 Passagiere an Bord sein - also nicht ganz ausgelastet bei 590 Gästekabinen mit ca. 1186 Gästen - offizielle Passagierzahlen gibt AIDA ja nicht bekannt. Darunter 3 Kids im Vorschulalter, die wir aber nie gesehen oder wenigstens gehört hatten. Da zurzeit in keinem Bundesland Schulferien waren, konnten auch kaum Eltern mit schulpflichtigen Kids an Bord sein.

Während um uns herum alles langsam voller wurde, konnten wir die ersten „Tierbeobachtungen“ starten: fliegende Fische und ab und zu eine Schildkröte anstelle von Gams, Dachs und Murmeltier.

Punkt 10 Uhr ging schräg über uns der Lautsprecher los: Wie wir mitbekommen sollten, die tägliche Morgenandacht (so hatte ich das impulsiv „getauft“) des Kapitäns Thomas Mey. Trotz aller Bemühungen ließ sich sein sächsischer Akzent nicht so ganz verbergen. Er versuchte, das, was er den Passagieren mitteilen wollte, locker und mit Humor rüber zu bringen. Manche Tage sollte dies sehr gut klappen, an anderen wirkte es mehr als Krampf. Aber man darf nicht vergessen, dass er Kapitän ist und kein Entertainer!

Als wir dann vor dem Mittagessen in die Kabine hinunter gingen, stellten wir fest, dass die Wahl des Decks 11 in Ordnung ging: Auf dem Pool Deck (Deck 10) stand die Hitze, bedingt durch die seitlichen Glasscheiben, die das Ganze wie ein Treibhaus aufheizten. Auf Deck 11 hatte man meistens eine Linderung der Hitze durch den Fahrtwind.

An „unseren“ (wieder tischdeckenlosen) Mittagstisch setzten sich noch zwei weitere Pärchen: eines etwa Ende 60, dezent, aber gut gekleidet und eines etwa Ende 40 / Anfang 50. Der Mann des jüngeren Pärchens, ein etwas zu kurz geratener Fast-Kahlkopf, prahlte sofort am Tisch, dass dies schon seine zweite Kreuzfahrt wäre und eigentlich sollte die ja auf der „MS Deutschland“ stattfinden. Ich musste mir die Frage verkneifen, ob er nur deshalb auf der Cara gelandet war, weil er sich beim Buchen auf der Webseite geirrt hatte. Und weiter: Seine Frau würde nichts essen, da sie seekrank sei (wovon - wir hatten ganz ruhige See?). Mit seiner Frage an das ältere Paar, ob dies ihre erste Kreuzfahrt sei, kam er an die richtigen: Nein, sie hätten schon mehrere klassische Kreuzfahrten unternommen. Allerdings wäre dies die erste mit AIDA.

Meine Frau und ich sahen uns an und wir hatten zu tun, nicht laut loszulachen. An uns wandte sich der Prahlhans nach dieser Antwort glücklicherweise nicht mehr. Zum Abendessen konnten wir dann beobachten, wie er bei anderen Mitreisenden versuchte, Bewunderung zu ergattern. Danach haben wir die beiden nie wieder an Bord gesehen. Und das war dann eine neue Erfahrung: Wenn man mal jemanden wirklich nicht mag, ist es möglich, ihm auch auf dem begrenzten Raum an Bord aus dem Weg zu gehen.

Das nachmittägliche Sonnenbad wurde nur durch eine Kaffeepause mit Kuchen unterbrochen und abends hatte man die Wahl zwischen den beiden Restaurants, die jeden Tag ein eigenes, neues Thema hatten: Amerika, Alpen, Frankreich, Russland etc. Und wer im Marktrestaurant nichts Passendes für sich fand, ging dann eben ins Calypso - oder umgekehrt.

Was wir gut fanden: Die gestrige, sehr laute Musik hatte wohl nicht nur uns missfallen: Eine Mitarbeiterin machte eine Ansage, dass die Musik auf vielfachen Wunsch künftig etwas leiser abgespielt werden würde. Sehr gut!

Nach dem Abendbrot wurden wieder ein paar Verdauungs-Runden auf Deck 6 gedreht. Dabei kamen wir zu der Erkenntnis, dass wir keine der Außenkabinen auf Deck 6 buchen würden: Dort latscht jeder vorbei und kann durch das Fenster hinein schauen; zieht man deswegen die Vorhänge zu, kann man auch eine Innenkabine nehmen. Und über den Fenstern hängen die nicht gerade leisen Lüfter und Klimageräte. Eine Außenkabine auf dem darunter liegenden Deck 5 ist durch die vielen Jogger oberhalb der Kabinendecke wohl auch etwas „dröhnig“.

Zum Schluss wurden wir mit einem einmalig schönen Sonnenuntergang belohnt. Leider hatten wir die Kamera nicht dabei und wollten diese auch nicht mehr aus der Kabine holen.

Der zweite Seetag war dann schon fast Routine und ich begann, im mitgenommenen Brasilianisch-Lehrbuch die ersten Lektionen abzuarbeiten. Zum besseren Lernen hatte ich mir die CD-Inhalte schon zu Hause auf den MP3-Player überspielt. Zur „Morgenandacht“ ließ Kapitän Mey wieder einmal den Sachsen durchblicken, indem er den Ortsnamen Mindelo so ähnlich wie „Mindelou“ aussprach. Das tat aber seiner guten Arbeit keinen Abbruch.

Um 10 Uhr besuchten wir im Theater einen Vortrag des Lektors Tillmann Giezendorf über die Vulkaninseln des Atlantiks. Was wir lernen mussten: Im Theater immer eine lange Hose anziehen, sonst wird es auf die Dauer zu kalt.

Wir lernten ein Ehepaar in unserem Alter (oder maximal 5 Jahre älter) aus Hessen kennen und unterhielten uns während fast der gesamten Reise immer wieder mit ihnen. Sie war durch einen etwas kräftigen, vorspringenden Oberkiefer gekennzeichnet und hieß zwischen uns beiden nur noch „Missis Zahnfleisch“. Die Frau konnte nichts für ihr Aussehen, aber bei uns erhält fast jeder und alles einen Spitznamen (nicht nur Herr Haller) - auch die Berge (der Wendelstein heißt bei uns Wendolin, der Heuberg bei Nußdorf aufgrund seiner drei „Hörner“ Teufel) - diese Spitznamen sind also nie bösartig gemeint und beziehen sich immer auf ein markantes Merkmal. Ihr Mann war fast einen Kopf kleiner, aber die beiden passten zusammen und harmonierten miteinander. Sie erklärte, dass sie mehr als mancher Mann verdienen würde - da hat wohl ihr Gatte einen schlechten Stand und war mehr ihr „bei Fuß“-Begleiter? Ich glaube das aber nicht so ganz.

Sie waren bereits mit den verschiedensten Reedereien auf Kreuzfahrt und die Frau schwärmte von MSC: „Die geben zur Zeit so tolle Rabatte“. Ja weshalb war sie dann hier auf der Cara? Schon das zweite Paar, das sich auf das falsche Schiff „verlaufen“ hatte.

Die Ausflüge würden sie meistens auf eigene Faust unternehmen, die von AIDA seien ja so überteuert.

Dazu haben wir eine eigene Meinung: Billig sind diese Ausflüge nicht. Aber verglichen mit den anderen Kreuzfahrtgesellschaften liegen die AIDA-Ausflugs-Preise im unteren bis mittleren Bereich (AIDA und MSC sind ungefähr gleich, Costa hat da schon etwas „abgehoben“):


Und wir haben den Vorteil, uns um nichts kümmern zu müssen. Sicherlich sind die Ausflüge nicht immer das, was uns 100%ig interessiert. Suchen wir uns aber selbst einen Guide oder Taxifahrer, kann man auch mal ganz einfach Pech haben.

Für den nächsten Tag planten die beiden einen Fußmarsch durch Mindelo.

Zum ebenfalls schönen Sonnenuntergang hatten wir dann die Kamera dabei, allerdings kam dieser nicht mehr an den gestrigen heran.


Sonnenuntergang am 28.10.12

Am Abend betrachteten wir im Fotoshop das von uns gemachte Foto „Am Rettungsring“ - wir zeigten beide ein ziemlich komisches Gesicht. Trotzdem kauften wir das für meine Begriffe ziemlich überteuerte Foto, um unser Bordguthaben etwas „abzuarbeiten“.

An das für unseren Geschmack etwas übertriebene „Gelbblau-Karo-Design“ in der Kabine und auch die dortige „Schummerbeleuchtung“ (so richtig hell wurde es auch nicht, wenn man alle Lampen anmachte), gewöhnten wir uns bis zur Abreise nicht so richtig - aber anderen gefällt es vielleicht. Und die Kabine wollten wir ja auch nicht kaufen...

29.10.12: Mindelo auf São Vicente

Als wir gegen 8 Uhr vor dem Frühstück kurz nach draußen schauten, hatten wir eine Art Glücksgefühl: Endlich war wieder Land zu sehen. Wie wir dann erst zu Hause feststellten, war dies die nördlich von São Vicente gelegene Insel Santo Antão und das kleine vor der Hafeneinfahrt von Mindelo liegende Inselchen Ilhéu dos Pássaros mit einem Leuchtturm. Alles zusammen gehört zu den nördlichen Inseln der Kapverden.


Endlich wieder Land in Sicht: Santo Antão und davor das kleine Inselchen Ilhéu dos Pássaros.

 

Der Hafen von Mindelo ist ein riesiger Naturhafen; wie ich nach der Reise zu Hause heraus bekam, ein großer, abgesoffener Vulkankrater, in dem wir mit der Cara herumschipperten.

Für uns sind Stadtbesichtigungen nichts Erstrebenswertes, uns interessiert mehr die Natur. So kam für uns nur die kleine Inselrundfahrt als Ausflug infrage. Als wir aber auf Nachfrage erfuhren, dass die Formulierung „kurze Fahrt im Minibus zum höchsten Berg der Insel

Monte Verde“ NICHT bedeutet, dass man bis auf den Gipfel kommt (obwohl in der Ausflugs-Broschüre 2012 steht: “... Genießen Sie vom 750 Meter hohen Monte Verde, der höchsten Erhebung der Insel, das Panorama ...“), sondern nur einen Teil an der Nordseite hochfährt, verzichteten wir auch auf diesen. Wie sich im Laufe der folgenden Tage herausstellte, war dies ein Fehler: Die dann 6 Tage an Bord bis Recife wurden uns ziemlich lang.

Wir waren zwar nicht die Einzigen, die an Bord geblieben waren. Aber durch die vielen Ausflügler konnte man am Vormittag herrlich ungestört den Pool nutzen. Zum Mittagessen trudelten dann die ersten Ausflügler wieder auf dem Schiff ein. Zum Auslaufen um 16 Uhr ertönten dann wieder die uns inzwischen bekannten AIDA-Songs.


Der 490 m hohe Monte Cara, der aber nichts mit dem Schiffsnamen zu tun hat.


Mindelo mit dem Monte Verde (750 m).

30.10. - 01.11.12: 3 Seetage - die Atlantiküberquerung

Gegen 16:40 Uhr verschwand dann so langsam das letzte Stückchen Land, das wir sehen konnten, am Horizont. Mehr als 3 Tage Atlantik lagen vor uns, dann waren wir in Brasilien und Rio ein Stück näher.

Am ersten der drei Tage überraschte uns Kapitän Mey zur Morgenandacht mit der Bemerkung, dass das nächste Festland nur 4000 Meter von uns entfernt ist: der Meeresgrund. Das erinnerte mich an den Joke des Flugkapitäns von Air Berlin.

Mit Missis Zahnfleisch und ihrem „Pfiffi“ diskutierten wir über die von AIDA angebotenen, teilweise irrsinnigen, Flugverbindungen. Irgendwie ist bei der Vergabe der Flüge keine Logik zu erkennen. Aber jetzt war alles gebucht und sich dann noch aufzuregen, brachte auch nichts.

Das Wetter blieb weiterhin warm und trocken und das Meer ruhig - was will man mehr?

Nachmittags ging eine Mitarbeiterin über die Sonnendecks und bot Erdbeer-Shakes und Ähnliches an (diese musste ein Philippino in der heißen Sonne schleppen). Um das Bordguthaben etwas zu belasten, nahmen wir den Erdbeer-Shake und ich muss sagen: sehr empfehlenswert. Leider war dies die einzige Runde damit, an den anderen Tagen wurde immer nur Eis angeboten.

Schön fanden wir auch den Pool-Brunch: Man musste also nicht einmal zum Mittagessen das Sonnendeck verlassen.

Als weitere Routine entpuppte sich ein älterer Herr (ca. 65 - 70 Jahre), der täglich, nur mit Sonnenhut, Shorts und Turnschuhen bekleidet, sehr viele Runden über die Sonnendecks drehte und das bei einer teilweise schon heftigen Hitze. Bei uns erhielt er den Spitznamen joOp (joggender Opa).

Am Abend wollten wir uns um die Sitzplatzreservierungen für die Rückflüge kümmern und gingen mit unserem Anliegen zum Schalter der Reise-Service-Managerin, Frau Elena Preiß. Sie nahm unser Anliegen sehr freundlich auf und versprach, sich darum zu kümmern.

Am 31.10., dem zweiten Tag der Atlantiküberquerung, beschlossen meine Frau und ich, zusätzlich noch einen Ausflug in Recife zu buchen, damit wir keinen Bordkoller bekommen. Zu Hause hatten wir schon für Salvador da Bahia einen Ausflug nach Praia do Forte mit Besuch des Tamar-Projektes (Meeresschildkröten-Aufzucht) und Strand gebucht, aber so lange wollte meine Frau nicht mehr warten. So entschieden wir uns für den Ausflug „Natur & Kultur“: Fahrt nach Igarassu mit der ältesten Kirche Brasiliens aus dem Jahre 1535 (Igreja des Cosme e Damiao), dann weiter zur Halbinsel Itamaracá mit Besuch des Fort Orange und des Manatee-Centers (Seekuhfarm).

Als wir uns dann in der Kabine das Ausflugsticket durchlasen, stand darauf sehr klein gedruckt: Besuch des Fort Orange wegen Restaurierungsarbeiten nicht möglich. OK, damit konnten wir leben. Daraufhin schaute ich mir auch die Tickets für Praia do Forte an: Hier stand ebenfalls sehr klein gedruckt plötzlich etwas von 3 Stunden Fußmarsch - als Symbol in der Beschreibung war aber ein Bikini = Strand angegeben. 3 Stunden in der Mittagshitze durch den Ort „hirschen“, eventuell nur von einem Souvenirladen zum anderen - nein danke. Daraufhin gaben wir die Tickets für Praia ohne Probleme wieder zurück und waren froh, wenigstens einmal vor Rio vom Schiff zu kommen (Ilheus war dann leider schon komplett ausgebucht).

Irgendwann im Laufe der Atlantiküberquerung „verschwanden“ dann auch die bis jetzt verfügbaren deutschen TV-Sender. Aber zum Fernsehen waren wir bestimmt nicht an Bord gegangen.

Mit dem täglichen Flyer für den kommenden Tag gab es eine Überraschung: Es wurde nochmals darauf hingewiesen, dass Liegen und Stühle auf den Sonnendecks nicht durch Handtücher oder anderes zu reservieren sind. Und nun kam es: Wer solche Reservierungen sieht, die länger als 20 Minuten andauern, soll dies dem Personal melden. Ist dies ein Rückfall in die Stasi-Zeit? Jeder spioniert den anderen aus mit der Stoppuhr in der Hand?

Dass dies aber befolgt wurde, konnten wir am darauf folgenden Tag selbst erleben. Als wir unsere Poolhandtücher tauschen wollten, stand vor uns ein Herr, der die Mitarbeiterin der Handtuchausgabe auf zwei reservierte Liegen hinwies. Und kurz vor Rio bekamen wir auch mit, dass joOp (unser joggender Opa) sich bei seinem Rundendrehen sehr genau reservierte Liegen merkte, aber wohl nicht weiter meldete. Für mich kommt die Situation, dass zum Beispiel Spätaufsteher keine Liegen mehr finden, nur dadurch zustande, dass nicht genügend Platz für Liegen vorhanden ist. Und wenn das schon bei unserer zu etwa nur 75% ausgelasteten Reise vorkam, wie soll das dann bei „vollem Haus“ aussehen? Wie steht es so schön sinngemäß im AIDA-Katalog: Jeder wird sein Lieblingsplätzchen finden. Dann fügt bitte noch hinzu: aber nicht unbedingt auf einer Liege auf dem Sonnendeck.

Vor allem finde ich die 20 Minuten unmöglich. Wer zum Mittagessen geht, müsste das Essen in Windeseile hinunterwürgen, um den Zeitraum einzuhalten. Und weshalb soll ich alle Sachen erst mal in die Kabine bringen, dann zum Essen gehen, dann wieder alle Sachen aus der Kabine holen und danach beginnen, eine Liege zu suchen? Hier bedarf es unbedingt Änderungen seitens AIDA. Das Gleiche trifft auch zu, wenn man an einer der Infoveranstaltungen teilnehmen möchte, die ja 30 - 45 Minuten dauern.

Für die kommende Nacht war gegen 1:30 Uhr die Äquatorüberquerung angekündigt und der Kapitän hatte in seiner Morgenandacht etwas von im Wasser schwimmenden Balken gefaselt - sein Seemannsgarn konnte er ruhig woanders abspulen.

Ich weiß auch nicht mehr, wie oft wir auf der Reise die Uhren umstellen mussten: einmal wegen der unterschiedlichen Zeitzonen, und da andererseits einige brasilianische Staaten Sommerzeit hatten und andere nicht. Es war ein ständiges „an-der-Uhr-drehen“ und bei der Kamera vergaß ich dies ab und zu, sodass dann teilweise falsche Uhrzeiten bei den Fotos und Videos angezeigt werden.

Einmal hatte ich wohl vergessen, die Uhr zurückzudrehen und so standen wir schon 6 Uhr morgens vor dem Calypso-Restaurant, also 1 Stunde zu früh. Um die Zeit zu überbrücken, setzten wir uns in die nahe Bibliothek. Bald gesellte sich eine ältere Dame zu uns, mit der wir ins Gespräch kamen. Wie sich herausstellte, wohnte sie keine Autostunde von uns entfernt in München und war geschätzt ca. 65 - 70 Jahre alt. Sie war früher mit ihrem Mann viel im Camper unterwegs gewesen, aber seit einigen Jahren verwitwet und hatte wohl viel Langeweile. So hatte sie die Reise „Weltenbummler 1“ von Hamburg bis Buenos Aires in einer Einzelkabine gebucht und meinte zu uns: „Dass ich diese Reise gebucht habe, werde ich mir nie verzeihen!“ Die Gründe dafür nannte sie uns leider nicht (wir vermuten mal, dass sich diese Aussage auf die Überfahrt von Hamburg bis Gran Canaria bezog, da die wohl nicht sehr ruhig gewesen sein sollte). Sie war heute schon 5 Uhr aufgestanden, um einen Platz auf einem der Fitness-Radl-Geräte zu bekommen. Tagsüber mag sie das nicht so, wenn da einige „Jugendliche“ hinter ihr stehen und warten, dass sie endlich fertig wird. Da wir unsere Namen nicht austauschten, nannten wir sie einfach „die Oma“. Mit ihr sollten wir uns noch des Öfteren unterhalten.

Am Abend besuchten wir die Vorstellung im Theater: Songs von Michael Jackson war das Thema. Während der Anfang mit dem Earth-Song sehr schön und gefühlsmäßig war, steigerte sich dann alles sehr schnell in überlaute Schreierei. Wir waren nicht die Einzigen, die an diesem Abend dem Show- (oder besser Schrei-) Ensemble vorzeitig den Rücken kehrten. Und noch eines lehrte uns das: Nimm nie eine Kabine direkt unter dem Theater, sonst has(s)t du das Theater!

Von der Äquatorüberquerung (oder besser dem wilden Gehupe deswegen) gegen 1:30 nachts hatten wir in unserer Innenkabine nichts mitbekommen. So hatten wir uns nördlich des Äquators zum Schlafen hingelegt und wachten morgens südlich des Äquators wieder auf. Anders war uns deswegen nicht.

Am dritten Seetag (01.11.12) wurde es sehr heiß: Die Meeresbrise hob sich exakt mit dem Fahrtwind auf, die Luft stand.

Noch am Vormittag wurde die erste Möwe gesichtet - ein Hinweis auf (noch relativ weit entferntes) Land.

Am Nachmittag zogen dichte Wolken auf und ein kurzer, aber heftiger Tropenschauer prasselte auf das Schiff nieder. Wir suchten Schutz in der Anytime-Bar, wo während der Überfahrt täglich ein kostenpflichtiger Samba-Trommel-Kurs stattfand. So rasch der Wolkenbruch gekommen war, war er auch vorbei. Danach hatten wir eine dickere Wolkendecke zwischen der Sonne und uns und es wurde nicht mehr ganz so heiß.

Das war bis jetzt das erste schlechtere Wetter, ansonsten hatte es die Schiffsführung immer wieder verstanden, solche Gebiete zu umfahren - sie hatten also Schönwetter-Navigation betrieben, welche aber nur bedingt möglich ist.

Am Abend wurden wir dann noch mit einem schönen Sonnenuntergang belohnt.


Sonnenuntergang am 01.11.12, schon südlich des Äquators.

02.11.12: Recife: Ausflug auf die Halbinsel Itamaracá

Heute sollte es nach 6 Tagen Schiff am Stück endlich wieder mal festen Boden unter den Füßen geben. Auch wenn wir bis jetzt maximal See 4 hatten, schwankte das Schiff zwar nur gemächlich, aber ständig. Ein fester Standpunkt wäre da mal wieder vorteilhaft.

Gegen 8 Uhr kamen die nördlichen Ausläufer von Recife in Sicht - Wolkenkratzer hinter türkisblauem Meer.


Skyline des nördlichen Teiles von Recife.

Laut meinem Brasilianisch-Lehrbuch wird Recife als „Hessifie“ ausgesprochen - in Deutschland und auch an Bord würde aber wohl kaum einer damit etwas anfangen können. Nach dem Frühstück kam uns das Lotsenboot „entgegengeschwankt“ und unser „Atlantik-Busfahrer“ Mey parkte sein Fahrzeug pünktlich 10 Uhr am Passagierkai.

Die Tour zur Halbinsel Itamaracá sollte von 2 Bussen gefahren werden: Im großen Bus saß eine deutsch sprechende Brasilianerin als Reiseleiter, im kleineren ein englisch sprechender Brasilianer als Reiseleiter zusammen mit einem AIDA-Scout zum Übersetzen.

Aus dem Hafen kam unser Bus (wir saßen im großen Bus) relativ schnell und dann wurde es zäh: Stau. Es war der 2.11., damit der Feiertag Finados (Allerseelen) und alles wollte aus der Stadt. Da wir sehr langsam vorankamen, konnten wir Straßen, Häuser und Menschen in Ruhe betrachten. Unsere Reiseleiterin Rosa erklärte uns, dass die Brasilianer keinen Wert auf ein schönes Haus legen, selbst schön sein und feiern ist wichtiger. Aus Steuergründen sind die meisten Häuser zur Straßenseite hin sehr schmal und dafür nach hinten lang gebaut.

 

So etwas wie Mülltonnen gibt es nicht in Recife: Der Müll wird in Plastikbeuteln an den Straßenrand gestellt, wo er abgeholt werden sollte - wenn da nicht die streunenden Hunde schneller wären, die die Beutel aufreißen und den Müll wieder auf dem Bürgersteig und der Straße verteilen.

Und noch etwas erfuhren wir: Für größere Entfernungen nimmt man in Brasilien einen Flieger oder den Bus - das Netz der Bahn ist für den Personenverkehr sehr schlecht ausgebaut. Dafür das Fernbussystem sehr gut.

Inzwischen schlichen wir durch Olinda (auf Deutsch: wie schön) mit seinen Kirchen und Klöstern. Irgendwann erreichten wir dann Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens aus dem Jahre 1535.


Igarassu mit der ältesten erhaltenen Kirche Brasiliens (links hinter den Bussen).

Eine der im dortigen Kloster lebenden Nonnen ermöglichte es uns, die Kirche trotz des Feiertages von innen zu besichtigen. Von dort aus ging es im normalen Tempo weiter zum Endziel des Ausfluges: der Halbinsel Itamaracá. Zuerst besuchten wir das Manatee-Center zum Schutz der Seekühe. Für meine Begriffe hässliche Tiere, die in sehr kleinen, ungepflegten Becken herumschwammen. Die öffentlichen Toiletten auf dem Gelände gab es für Männlein, Weiblein und Behinderte. Letztere „verriegelte“ man ganz brasilianisch, indem man von innen einen dort liegenden Stein an die Tür schob.


Manatee-Center

Anschließend hatten wir ca. 45 Minuten „Freigang“ am Strand in der Nähe des Fort Orange. Einige der Mitreisenden gingen Baden, andere, wie wir, liefen nur mit hochgekrempelten Hosenbeinen im warmen Atlantikwasser etwas am „naturbelassenen“ Strand entlang.


Strand am Fort Orange.

Auf dem Rückweg vom Strand zum Bus wurde ich dann sehr schnell: Der Sand unter meinen bloßen Fußsohlen war furchtbar heiß. Meine Frau hatte da mit ihren Sandalen das Klügere gewählt und amüsierte sich nicht als Einzige köstlich über meine „Hüpfer“.

Auch auf der Rückfahrt nach Recife waren wieder sehr viele Palmenhaine zu sehen und in der Stadt mehrere vernachlässigte Viertel. Bei der Einfahrt in den Hafenbereich wurden wir - entgegen allen Erwartungen - überhaupt nicht kontrolliert.

Als wir 18 Uhr den Hafen verließen, war es schon dunkel.

Wir gingen danach am Schalter von Frau Preiß vorbei, um uns nach dem Stand der Reservierungen zu erkundigen und erhielten als Antwort, dass die Kollegen in Rostock bereits gebucht haben. Daraufhin baten wir um Mitteilung der gebuchten Sitzplatznummern. Diese sollten wir morgen bekommen. Also alles paletti - dachten wir.

Fast jedes Mal, wenn wir vor dem Schalter von Frau Preiß anstanden, wartete wenige Personen vor uns immer der gleiche Herr in einer furchtbar bunt karierten Hose (die Karos waren noch schlimmer als die in der Kabine). Aufgrund seines Aussehens und seiner Gangart nannte ihn meine Frau „Louis Trenker“. Wie wir mitbekommen sollten, hatte Louis das Problem, dass sein Koffer nicht auf dem Schiff angekommen war. Schuld war wohl die nicht namentlich genannte Fluggesellschaft. Der Koffer sollte erst auf den Kapverden, dann in Recife und später in Salvador da Bahia ankommen - ob er seinen Koffer vor der Heimreise überhaupt erhalten hat, wissen wir nicht.

Glücklicherweise waren unsere beiden Gepäckstücke angekommen. Wir hatten, so weit möglich, alle Sachen halbiert und auf beide Gepäckstücke verteilt, sodass man sich bei Verlust nur eines Gepäckstückes schon etwas behelfen kann.

Wenn man ohne seine Koffer aus dem Schiff „ausharren“ muss und dann noch eine Kleidergröße größer als etwa 44 hat, dann ist dies ein echtes Problem, da der Shop auf der Cara, soweit wir das sehen konnten, nur „normale“ Kleidergrößen führte.

Trotz dieser Einschränkung und teilweise saftiger Preise war der Shop ein begehrtes Ziel. An einem Abend nach dem Essen im Marktrestaurant ging ein Pärchen so Mitte vierzig vor uns und wir mussten hören, wie sie zu ihm sagte: „Gestern hattest Du Deinen Landausflug und jetzt habe ich meinen Shopping-Ausflug. Basta!“ Das ist Emanzipation der Frau! Für uns stellte sich die ewig unbeantwortet bleibende Frage, ob er den Landausflug allein unternommen hatte. Deswegen werden wir aber nicht an Schlaflosigkeit leiden.

Alice Schwarzer wäre aber wohl erst dann so richtig zu begeistern gewesen, wenn die Frau den Landausflug allein unternommen und den Mann währenddessen zum Shoppen geschickt hätte (dies ginge aber nicht, da während der Hafenliegezeiten der Shop meist geschlossen bleibt).

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