Elisa

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auf dänisch, betrat ich in den Raum. Natürlich war alles frisch geholt von mir, Brötchen noch warm.

Diese Geschenke sollten weder aufdringlich sein oder protzen noch eine Bescheidenheit heucheln

und am Sinn der Gastfreundschaft vorbeigehen, sondern meine bleibende Erinnerung hinterlassen.

Der gute Ruf der Engländer ist mehr als Höflichkeit, einer von ihnen wollte es hier geltend machen.

Ich dachte nicht ganz uneigennützig. Vielleicht gäbe es in Zukunft noch einmal Briefe zu schreiben.

Im Stillen hoffte ich es beinahe. Für Frau Fröhlich hatte ich ein filigranes Goldarmband ausgesucht.

Herr Larson begrüßte mich sehr erfreut und strahlte mit einer vertrauten Gemütlichkeit Wärme aus.

„Wie war Ihr Ausflug mit unseren Freunden?“ “Danke, herausragend, das lag nicht nur am Wetter.“

Als ich meine Geschenktüte auspackte, wehrte er stark ab. “Oh nein, das hätten Sie nicht tun sollen.

Der Bordeaux ist gut, das wissen Sie! Doch ob die Briefe so gut sind, das können Sie nicht wissen.“

Er überreichte mir eine Briefmappe. „Schön, hier sind sie. Die sind alle fertig geschrieben worden.“

Es kam zu unerwartet. Ich konnte mein Erschrecken nicht verstecken, plötzlich trat Angst auf, dass

ich sie nicht wiedersehen könnte. Wo sonst? Hätte ich dazu überhaupt eine Chance oder ein Recht?

Erst jetzt kam es mir in den Sinn, dass ich kein einziges Mal in Erwägung gezogen hatte, ich würde

die Briefe nicht persönlich von Frau Fröhlich überreicht bekommen, zu mindestens im Beisein von

Herrn Larson. War es nicht anerkennender, dass er sich als Chef dafür seine Zeit genommen hatte?

Als ich die Briefmappe von ihm entgegennahm, drückten wahre Enttäuschung und Verwirrung auf

mich herab wie eine schwere Wolkendecke. Herr Larson merkte es zwar, aber begriff nichts davon.

Geduldig wartete er, bis ich meine Sprache wiedergefunden hatte. „Das ist wirklich freundlich von

Ihnen, Herr Larson. Ich – äh -, meinen Sie nicht, dass ich auch Frau Fröhlich begrüßen sollte, denn

ich habe – äh,- auch ihr ein kleines Geschenk mitgebracht.“ “Sie sind zu nett. Soll ich es ihr geben?

Ich weiß nur nicht, ob sie heute morgen zu unserem zweiten Büro hinüber gegangen ist, wo sie ist?

Sie hatte heute morgen etwas vor, sagte man mir.“ Unglaublich, er weiß von nichts, durfte, konnte

es überhaupt wahr sein? Jetzt spürte ich Erleichterung. Wenn er so kurzsichtig ist, wird es leichter,

kann ich mich unbefangener vor ihm bewegen, jetzt wusste ich, dass ich sie wiedersehen musste in

jeder Hinsicht. Alles war mir egal, wenn man mich zum größten Narren Dänemarks gemacht hätte.

Das bewusst zu erkennen, half mir über die Befangenheit hinweg, und ich meinte zu Herrn Larson:

„Ich würde sie gern persönlich sprechen, nur mal kurz. Sie hat sich wirklich große Mühe gegeben.“

In dem Augenblick kam die Sekretärin von Herrn Larson, um Neues mitzuteilen, dass er sie fragte:

„Ach Christina, wissen Sie, ob Frau Fröhlich heute morgen hier ist oder in unserem anderen Büro?“

„Sie ist grade zurück gekommen, Herr Larson. Wollen Sie sie sprechen?“ “Ja, bitten Sie sie herein.“

Nachdem Herr Larson mich ermuntert hatte, die Briefe vorher anzusehen, öffnete ich diese Mappe.

sie waren viel besser als erwartet. Die deutschen Briefe waren absolut fehlerfrei. Zu den dänischen

Briefen kann ich nur sagen, dass sie mein unbeholfenes Dänisch im Abtippen selbst geändert hatte.

In der Tat hatte sie meine schlechteren Dänisch-Kenntnisse in sehr viel besseres Dänisch übersetzt.

Bei den englischen Briefen gab es wenige Fehler. Besonders nett schien mir die Verwechslung des

bridal-path/Brautpfad und bridle-path/Reitweg. Dies hätte auch eine englische Sekretärin geschafft.

Während ich ihre Briefe gerne unterschrieb und Herrn Larson versicherte, wie dankbar ich ihm sei,

trat Frau Fröhlich durch die Tür. Ich stand auf und fühlte mich sogleich verlegen, weil Herr Larson

natürlich sitzen blieb. Schon wollte er sprechen, als sie ihm zuvor kam. Mit einem aparten Lächeln

ging sie quer durch das Zimmer und reichte mir ihre Hand: „Guten Tag, Ihr Ausflug war gelungen,

hoffe ich. Sie wollten mit Ihren Freunden wegfahren?“ Ja, danke, ein wunderschönes Erlebnis.“

Ich atmete zarten Lotus-Duft. Als sie mir ihre Hand gab, berührte ihr Armband kurz meine Finger.

ELISAS ERSCHEINUNG

Jetzt sah ich, dass weder ihre Kleidung noch die Schuhe kostspieliger gewesen sein konnten als

der günstige Rock mit weißer Bluse. Sie sah wie eine Prinzessin darin aus, die Prinzessin, die mit

Rücksicht auf die Untertanen, deren Gastfreundschaft sie in Anspruch genommen hatte, ja, deren

Mittel sie nicht übersteigen wollte. Eine Prinzessin, die sich gern zum Volk zählte, wie wir es sind.

„Danke“, erwiderte ich. „Ja, war sehr schön.“ Ich hätte ihr gern viel mehr über den Ausflug erzählt.

„Ich wollte Ihnen für die Briefe danken. Sie sind ausgezeichnet verfasst, eine große Hilfe für mich.“

„Ach die, mit kurzem Fingerschnippen tat sie diese ab und erklärte die Sache für erledigt wie nicht

erwähnenswert. Prinzessinnen haben ihre Tugenden, sind nicht auf ein Lob bedacht wie Sterbliche.

Es wäre beinah schlechter Geschmack, es zu erwähnen, als hätten sie was mit Sterblichen zu tun.

„Sie müssen nun bald wieder zurück nach England?“ “Ja,- zu schade, am Montag, müssen trifft zu,

ich reise stets ungern aus Kopenhagen ab.“ “Haben Sie dort keine Freunde in England?“ Frechheit

war das nicht sondern reine Ironie, die einem Test glich. Würde ich ihn nicht gut bestehen, herrsche

für fünf Tage Regenwetter.“ “Doch, mein Herz lasse ich in Kopenhagen zurück, das wird so schwer,

dass ich mir teure Extrakosten für das Gepäck kaum leisten kann.“ “Dagegen können wir etwas tun

und dafür sorgen, dass Sie in Kopenhagen bleiben dürfen. Herr Larson ist ein so netter Arbeitgeber

und wird gewiss für Ihr Herz den richtigen Job finden.“ Während Herr Larson eine ausschweifende

Hymne an die Engländer kund tat, wie glücklich er sich schätze, the real gentlemen nahe zu wissen,

traf mich die nackte Wahrheit, dass ich ein Mann war, der unter Strom stand, seinen Zug jetzt nicht

zu verpassen. Gleich würde dies Mädchen den Raum verlassen. Wenn du nun nichts unternimmst,

ist es höchstwahrscheinlich, dass du sie nie wiedersiehst, dieser Gedanke erschien mir unerträglich.

Es gab rein gar nichts in meinem Leben, was ich mir heftiger wünschte, als sie bald wiederzusehen.

Wenn ich sie nicht wiedersähe, würde „graue Asche vom Himmel regnen“. Heute in Gram, morgen

bereits Trauer, in zwei Tagen nicht auszudenken, Weltuntergangsstimmung, was Vernichtung wäre.

Ich erlebte meine Gefühle als brennendes Inferno, rein animalisch betrachtet, war es tierische Lust.

Der eine Moment, in dem Instinkt, zwingende Treibjagd, unmittelbare, intensive Lust vorherrschen.

Doch die Anwesenheit von Herrn Larson wirkte beklemmend auf mich. Trotz seiner Freundlichkeit

schaffte ich es nicht, irgendetwas zu sagen. Plötzlich brachte ihm die Sekretärin die nette Nachricht,

dass Herr Admire auf ihn warte und ob sie ihn herein holen solle. Herr Larson kramte einige Akten,

die auf seinem Schreibtisch lagen, zusammen und verließ den Raum. „Sie entschuldigen mich bitte.

Ich kann Sie doch für ein paar Minuten allein lassen. Ein vertrauter Kunde darf nicht lange warten.“

Jetzt oder nie, dachte ich. Jetzt könnte ich es tun. Jetzt muss ich sie fragen, ob sie sich mit mir trifft.

Wenn ich sie einlade, wohin? Wann? Wie? Ich hatte darin keinerlei Übung, was Rendevous angeht.

Ich würde gern, Frau Fröhlich - “ Sie war kurz abgelenkt, weil sie Herrn Larson nachblickte, wie er

zur Tür hinaus eilte. Mit leicht überraschtem Gesichtsausdruck drehte sie sich um und wendete sich

mir wieder zu. Ich saß nun mit halber Pobacke auf einer Ecke des Schreibtisches von Herrn Larson,

während meine Worte nur so heraus schossen. „Würden Sie heute Abend mit mir essen gehen, falls

Sie nichts anderes vorhaben? Es wäre die sehr große Freude für mich, Sie dazu einladen zu dürfen,

ein Restaurant Ihrer Wahl.“ Ich sollte noch lernen, dass Elisa ihren eigenen Gesetzen folgte mit der

Antwort, die nicht damenhaft war, dafür bezaubernd. Sie lächelte nachsichtig, zog die Schultern im

Sinn des unterdrückten Lachens hoch und atmete aus: „Ist des ein feines, vornehmes Restaurant?“

Es war ein Wink und bedeutete „Ja!“ wie „Du bist ganz schön aufgeregt, mein Verehrer, ich auch!“

„Ein Restaurant Ihrer Wahl, mir ist es egal. Sagen Sie bitte, wo, welches Ihnen am liebsten wäre?“

„Ich kenne mich in Restaurants nicht aus.“ Als hätte sie Leute, die dies sonst übernähmen für sie.

Ich war einer. „Im Kopje,- nah vorm Kai.“ „Mit dem größten Vergnügen. Wie freundlich von Ihnen!“

„Soll ich Sie anrufen? Um welche Uhrzeit?“ Da kam blitzartig und sicher eine scharfe Entgegnung,

die mich genauso unvorbereitet traf. In der Sache, wusste sie, was sie wollte, um es durchzusetzen.

„Ach nein, ich komme lieber alleine. Ich treffe Sie im Restaurant um, – Moment bitte,- um acht Uhr!“

„Ist dies nicht zu spät?“ „Nein, dies ist okey. Ich freue mich darauf.“ „Ich auch, also dann im Kopje!“

Ich sage dem Oberkellner Bescheid, dass er Sie zum Tisch begleitet.“ Sie lächelte: „Hervorragend.“

 

Prächtig! Jenes lief besser, als ich erwarten konnte. Ich kam mir bei Herrn Larson wie ein König vor,

als er sich nochmals blicken ließ, um sich von mir zu verabschieden. Es war seine kleine Prinzessin,

mit der er mich gekrönt hatte. Er kannte sich in manchem aus, ohne sich darin ganz bewusst zu sein.

Erst als ich auf die Straße trat, bemerkte ich wieder meine Frühstücks-Tasche, die ich bei Jani leerte

zum Abendbrot für Lotte und ihn. Sie hatten nichts gekocht, freuten sich über diese Aufmerksamkeit

und nahmen es selbstverständlich, als ich vorgab, eine spontane Einladung mit Bekannten zu haben.

Es hätte nichts ausgemacht, wenn ich gesagt hätte, dass ich mit dem Mädchen, das mir meine Briefe

getippt hatte, zum Abendessen verabredet war. Wegen eines aber gläubigen Widerwillen ließ ich es.

Mein Treffen hätte Lotte und Jani geschmeichelt. Lotte war nicht zu neugierig, nun, doch lieber nicht.

IM RESTAURANT KOPJE - 5. KAPITEL -

Unser Kopje am Kai war voll, was mich nicht überraschte. Mittags hatte ich telefonisch einen Tisch

bestellt und mich mit dem Oberkellner abgesprochen in der Auswahl eines Weines zum Kaltstellen.

In Dänemark gibt man das Trinkgeld nicht im Voraus und kann Speis und Trank am Telefon ordern

nach Lust und Laune. Dies bedeutet, dass man nicht lange auf Essen und Getränke warten muss.

Mein reservierter Tisch befand sich im hinteren Teil des Restaurants vor der Spiegelwand mit Sims.

Zehn Minuten vor acht nahm ich Platz und bestellte mir einen Tee. Ich saß gegenüber vom Eingang

und hatte so freie Sicht. Zehn Minuten nach acht wurde ich nervös, dass ich mich beruhigen musste.

Abwarten und Tee trinken. Ich blätterte in der Tageszeitung, konnte mich nicht in irgendeine Sache

wirklich rein lesen. Es war nur Schau wie das frühere Versteck meines Vater‘ s im Garten, wenn er

seine Vögel beobachtet hatte. Wie lange Zeit solche veralteten Gepflogenheiten überdauern können.

Kurz danach sah ich sie – im Spiegel – draußen, während zwei Männer ohne Begleitung die Glastür

durchquerten. Sie hatte ihre Hand schon am Türgriff, als sie die wieder zurücknahm und die Herren

ihr mit unverhohlener Bewunderung die Tür weit aufhielten und nachblickten. Der eine nahm seine

Zigarre aus dem Mund, weil sie sonst herausgefallen wäre. Sie ging durch sie hindurch, blickte erst

zum einen und schenkte ihm ein Lächeln, dann zum anderen mit einem zweiten anmutigen Lächeln.

Beide verharrten kurz in Faszination, als sie direkt zum Oberkellner hinüberging und ihn ansprach.

Elisa erschien in einem cremeweißen Cape, das bis über ihre Knie ein dunkelblaues Kleid bedeckte.

Ihr schwarzes Haar fiel locker darüber und wurde von einer kleinen, Perlen besetzten Spange direkt

an ihrem linken Ohr gehalten. Ein Täschchen stellte sie auf den Tisch und fragte den Oberkellner in

amüsanter Art, dass er zu lächeln begann und seine steife Haltung verlor, wo hier die Garderobe sei.

Er verbeugte sich kurz und führte sie hin. Er nahm ihr das Cape ab, wartete ein paar Minuten, bis es

vor dem Spiegel stimmte und geleitete sie zu meinem Tisch. Quer durch das Restaurant, wobei sich

einige Gäste nach ihr umdrehten, folgte sie dem Oberkellner in einem azurblauen Kleid, das Taillen

nahe geschnitten war mit weit fallender Glocke. Das Chiffontuch harmonisierte farblich nicht genau.

Sie trug es wie den letzten Mode-Hit. Ein Band am linken Handgelenk ergänzte es mit dem goldenen

Armband, das sie von mir bekommen hatte. Das Kleid hätte man überall wie von der Stange kaufen

können. Wenn daraus eine Kreation geworden war, so weil sie es anders trug mit schickem Zubehör.

Es sah aus, als würde sie über den Laufsteg flankieren, während die meisten zum Publikum wurden.

Im Gegensatz zu ihr wirkten andere solide gekleidet, einfach und bieder bis hin zur festlichen Robe.

Als sie mit dem Oberkellner meinen Tisch erreicht hatte, erhob ich mich rasch und begrüßte sie auf

deutsch: „Guten Abend, Frau Fröhlich.“ Sie reichte mir ihre Hand und erwiderte auf englisch: “Das

tut mir leid, dass ich mich verspätet habe.“ „Ach wirklich?“ „Nein, nicht richtig.“ Ihre Zungenspitze

tauchte kurz zwischen den Lippen auf, wie bei einem leicht spöttischen Witz, der ihr gelungen war.

Die Ellenbogen auf dem Tisch, das Kinn auf die Finger abgelegt, saß sie mir gegenüber. „Madame

möchten einen Drink?“ fragte der Kellner. Ich zog die Augenbrauen hoch. „Was soll ich nehmen?“

„Gin Tonic? Martini? Sherry?“ „Aber das sollen Sie doch sagen.“ Ich bestellte einen roten Martini,

holte ein Päckchen Zigaretten hervor und hielt ihr eine hin. „Ich rauche nicht. Sie doch auch nicht.“

„Nein, woher wissen Sie das?“ „Ich weiß es einfach.“ „Dann kann ich dieses Päckchen weggeben.“

„Ein wunderschönes Cape, das Sie soeben getragen haben.“ „Och, das gehört mir nicht. Ich habe

es nur ausgeliehen, David.“ Weite Augen, leichtes Kopfschütteln, als hätte ich das wissen müssen.

„Sie kennen meinen Namen?“ „Und Sie meinen nicht?“ „Nicht ganz, ich möchte ihn gerne wissen.“

„Elisa Fröhlich“, sie spickte mit ihrem Finger zweimal in die Luft: „FRÖHLICH mit zwei Pünktchen!“

Der Oberkellner, der uns gewiss übernommen hatte, brachte zwei überdimensional große Karten.

Sie streckte gleich die Hand nach einer aus, damit sie uns nicht die Sicht versperrte. Ich war nun

gespannt, ob sie sich auch das Essen von mir aussuchen lassen würde. Sie ging die Speisekarte

ausführlich durch und entschied sich für das Cordon bleu mit Kartoffelkroketten und den Chefsalat

mit hartgekochten Eiern, nachdem sie sich ausführlich nach den einzelnen Zutaten erkundigt hatte.

Als sie endlich fertig war, den Kellner nach unzähligen, überbackenen Gemüsesorten zu befragen,

bestellte ich mir einen großen Teller Weinbergschnecken in Knoblauch und jenen Mixed Grillteller.

„Ihr Englisch ist ausgezeichnet, Elisa. Wo haben Sie es gelernt?“ „In Kopenhagen spricht doch fast

jeder bestes Englisch, finden Sie nicht?“ „Also leben Sie schon eine ganze Weile hier in der Stadt?“

„Kopenhagen ist doch wirklich eine wunderschöne Stadt. Es muss hier schöner sein als in London.

Sind Sie darum lieber hier? Zum Glück wohne ich nicht mitten in London sondern nördlich davon.“

„Woher aus Deutschland kommen Sie?“ „Och, ich vergesse oftmals, dass ich aus Deutschland bin.

Kleine Dinge vermisse ich manchmal - wie Weihnachten oder das Winzerfest. Ja, wenn alles geht.“

„Sagten Sie,- wenn alles geht?“ „Ja, oft glaube ich es sogar.“ „Dann sollten Sie auf ein Winzerfest.“

Sie aß auf deutsche Art mit ernstem Vergnügen und unbefangener Gier, bis auf den letzten Bissen,

sehr gründlich gekaut, den Teller leer. Meine Weinbergschnecken interessierte sie wie Exotisches,

was, das sie so nirgendwo gesehen hatte und folgte meiner Gabel vom Gehäuse bis in den Mund.

„Escargots?“ Sie war erstaunt über den Namen. Falten legten sich auf die Stirn. „Schnecken, Elisa.“

„Richtige Schnecken, die man essen kann?“ „Ja,- probieren Sie mal!“ Ich reichte ihr meine Gabel.

Sie nahm sie mir nicht aus der Hand, sondern aß direkt von der Gabelspitze mit höchstem Genuss.

„Hm, die hätte ich mir auch bestellen sollen.“ Ich rief den Kellner. „Es lässt sich sofort nachholen.“

„Doch wollte sie lieber nicht mehr essen und war froh, dass wir beide Knoblauch gegessen hatten.“

Sie machte sich wieder über den Chefsalat her und inspizierte konzentriert diverse Gemüsesorten.

Trotzdem ließ sie mit einem Lächeln und Kopfnicken den Kellner erneut an jenen Tisch kommen.

Einmal bestellte sie eine Scheibe Schwarzbrot mit Butter für die Salat-Eier, das weitere Mal einen

größeren Teller, weil ihr Gemüse übereinander lag, ohne dass sie die Sorten unterscheiden konnte.

„Es tut mir leid, Madame. Ich glaube, der hier ist der größte Teller, den wir haben.“ „Besten Dank!“

„Dann bringen Sie mir bitte einen heißen Teller für das Cordon bleu. Und die Gemüseplatte bleibt

hier auf dem Tisch.“ Ich weiß, wie es mir ergangen wäre, hätte ich solch ein Anliegen empfangen.

Der Oberkellner ließ die anderen Gäste nicht aus seinen Augen und ging den Extravaganzen nach.

Als er Elisa fragte, ob es jetzt zu ihrer Zufriedenheit geregelt sei, antwortete sie mit vollem Mund:

„Jetzt ist alles ganz wunderbar.“ Er freute sich über die Aufmerksamkeit, die sie entgegen brachte.

Mir selbst fiel es schwer, etwas zu essen. Denn ich musste jede Geste und Mimik von ihr mitessen.

Anders kann ich das kaum beschreiben. Ich registrierte alles von ihr, jeden Wink, jedes Wimpern-

Zucken und Fingerschnippen, jedes Stirnrunzeln und Lächeln, ihren Lachanfall und Kopfschütteln.

Jeder wäre überfordert gewesen, sich außerdem auf ein Essen zu konzentrieren, dass der Mixed-

Grill-Teller noch halbvoll war mit Steaks, Würstchen, Schinken, Lamm-Hackfleisch in Bällchen wie

in Finger-Form, die milden mit Kräuter und die scharfen mit Chili. Diese brauchte ich nur schlucken.

Trotzdem war noch genug darauf zu sehen, dass Elisa mich ermunterte: „Ja David, ein Mann muss

essen!“ Stattdessen beobachtete ich sie wie die Farben des Regenbogens mit der Angst, dass die

augenblicklich erlöschen konnten. Elisa hatte ihr Champagner-Glas mit dem letzten, kräftigen Zug

geleert, dass der Kellner ihr sofort nachschenkte. Sie lachte: „Es wird mich betrunken machen wie

schwankend, sagt man bei Ihnen so? Schwankend?“ Er stimmte ihr lächelnd zu: „Ja, schwankend.“

Nachdem er die Champagner-Flasche in einen silbernen Sekt-Kühler gestellt hatte, verschwand er.

Mit dem Dessert-Wagen kam er zurück an unseren Tisch und schnitt eine große Scheibe von dem

Apfelstrudel ab, die er auf einen Glasteller legte. Elisa krönte ihr Dessert mit einem riesigen Löffel

Schlagsahne. Dann fragte sie den Kellner nach Weintrauben. „Madame, sicher haben wir Trauben

in der Küche.“ Während er die holen ging, zeigte ich ihr meine Verwunderung, was sie mit diesen

Weintrauben vorhatte. „Elisa, Apfelstrudel mit Rosinen benötigt doch keine zusätzlichen Trauben.

Du hast einen eigenartigen Geschmack.“ „David, die Weintrauben sind auch für den Champagner.

Du wirst es gleich selber sehen.“ Der Kellner kam mit der Rebe Weintrauben an, von der er so ein

dutzend Trauben abschnitt und sie auf den Teller legte. Sie zerkaute diese gründlich, bis die Kerne

blitzblank waren. Dann warf sie zwei bis fünf in ihr Champagner-Glas und amüsierte sich, wie sie

im Glas zusammen mit den Sektperlen auf - und abstiegen. „Das ist wie Fahrstuhl fahren für diese

Kerne.“ Kaum traten die einen an die Oberfläche, sanken die anderen wieder ab auf den Abgrund.

Ich dachte in dem Moment, ein kleines, spielendes Mädchen vor mir zu haben, das sich entzückte.

Sie irritierte mich ständig, mir wurde unwohl in der Haut, wenn mir zugleich bewusst war, dass es

nur noch kurze Zeit war. Dann sei das Ganze für uns beide zu Ende, weil ich bald abreisen musste.

„Wo haben Sie denn das gelernt?“ „Och, im Schlaraffenland, kannten Sie dieses Spiel noch nicht?“

Sie lehnte sich zurück ans Sims wie die Kaiserin, die bis obenhin gesättigt und voll zufrieden war.

Oder wie eine ausgestopfte Puppe, die äußerst weich und knuddlig wirkt, so ein Kinderspielzeug.

Ihr Abbild wechselte sekundenschnell, ich nahm eine Diva wahr und das Mädchen mit Lieb-Reiz.

Zwei Drittel meines Steak-Tellers hatte ich geschafft. Ich beugte mich vor zu der Worcester-Soße,

als ich ihren Duft einatmete, der gemischt war mit dem Chartreuse, den sie gerade schlürfte. „Hm,

herb.“ „Soll er doch auch sein.“ „ Schwankend bin ich auch,- sehr schön.“ „Kann ich dich morgen

wiedersehen, Elisa?“ Jetzt war es raus. „Vielleicht.“ Sie lachte und warf ihren Kopf in den Nacken.

„Sollen wir morgen nach Helsingor fahren zum Lunch? Nein, ernsthaft, nicht vielleicht, bestimmt.

 

Elisa, nicht vielleicht, bitte - !“ Sie schnitt mir schnell das Wort ab. „Ich ruf‘ Sie an, geht das gut?“

Bei Jani und Lotte? Meine nicht existierenden Keramik-Bekannten. Ich musste selbst dazu lachen.

„Ja, das geht. Wann ungefähr?“ „Och, etwas eine halbe Stunde nach dem Aufwachen. - Schreiben

Sie mir bitte Ihre Nummer auf.“ Als wir draußen auf der Straße waren, begegneten wir fröhlichen

Dänen in einer Gruppe. Ein Mann kam zu uns mit einer roten Rose in der Hand. Er fragte höflich:

„Mister, Ihre Lady trägt keine Blume. Darf ich sie ihr geben?“ Er überreichte die Rose mit Würde

in angemessenem Abstand, ohne aufdringlich zu sein. Sie dankte ihm mit einem warmen Lächeln.

„Wow, what wunderful, magical, warm smile you have.“ Er machte galant eine tiefe Verbeugung.

Sie suchte nach etwas in ihrer Tasche, bis sie fort waren. Ich wollte sie ihr anstecken, doch wehrte

sie ab. „Nein, brechen Sie ihren Stiel nicht ab. David, ich trage sie in der Hand. Sie ist sehr schön.

Das ist hier außerdem Stil. Darum ist der junge Däne gekommen. Sie wussten es nicht, aber jetzt.“

„Soll ich ein Taxi rufen?“ „Ich brauche keines, danke. Es ist nicht weit.“ „Gehen wir nun zu Fuß?“

„Nein, ich sage Ihnen jetzt gute Nacht. Es gibt da einen Bus, die Immer-Linie, weil ich ihn immer

nehmen muss, da steige ich gleich ein.“ „Aber Elisa.“ Sie nahm meine Hand. „Danke schön, alles

war ganz wunderbar. Es hat mir viel Spaß gemacht. Und wir riechen heute beide nach Knoblauch.

Gute Nacht.“ Ich sah ihr nach, wie sie diese Straße hinunter ging in ihrem cremeweißen Cape, die

behandschuhten Fingern an der roten Rose. Sie roch ab und zu in der geschlossenen Duftknospe.

EIN AUSFLUG AM MEER

Der Kanonenturm von Helsingor oder die Plattform auf den Zinnen am sonnigen, warmen Maitag.

Elisa in einem weißgelben Kleid mit marineblauer Strickjacke, keine anderen Lebewesen in Sicht.

„Guck‘ mal, da ist Helsingborg in Sicht, David. Da drüben in fünf Kilometern auf der Küstenseite.

Wir könnten in zwei Stunden hinüber schwimmen. Wir kämen in jene Strömung, die viel kälter ist

als hier, wir würden in Kullen landen auf dem Grund und könnten den Weg nach England zu Fuß

zurück gehen. „Trotzdem wäre es schön. Schwimmen Sie gerne, Elisa?“ „Ich liebe es. Ich bin viel geschwommen, einmal gar acht Kilometer.“ „Wo?“ „Och, weit weg im Süden, da, wo es warm ist.“

Sie schwieg, blickte auf den blauen Sund, hoch zu dem Trompeter-Turm, sie schwärmte weiter so.

„Ich würde um die Welt schwimmen, wenn ich könnte. In die Tropen, in denen es immer warm ist.“

„Ja, da würde ich mitkommen.“ Ich erzählte ihr von dem Fluss in Oxfort und von der Schleuse bei

Iffley, wie ich dort von dem aufschäumenden Wasser herum geworfen wurde in ihrem starken Sog.

„Ja, natürlich, so was ist schön.“ Sie stützte beide Hände auf die Brüstung und lehnte sich hinaus,

wieder nach Helsingborg hinüber schauend. „Kamen Sie mit Ihrem Antiquitäten-Handel auch mal

dorthin?“ “In Stockholm bin ich schon gewesen. In Helsingborg aber noch nie. Und Sie?“ „Einmal

mit der Fähre hinüber, nur so zum Spaß.“ „Und hat es Spaß gemacht? Die Stadt sieht schön aus“,

hat man mir gesagt. „Die Stadt ist langweilig und öde. Aber die Gärten waren hübsch, da war ich.“

„Ganz alleine?“ „Ja, fast.“ Sie schwieg. „Ja, fast. Ja, allein. Sofiero war herrlich.“ Ich lachte sie aus.

„Elisa, wie kann man fast allein sein?“ Sie wendete sich um und sah mich lächelnd an. „David, Sie

sind eifersüchtig?“ „Nun, ich könnte es fast werden.“ „Bitte, wenn Sie fast eifersüchtig sein könnten,

dann kann ich auch fast allein sein. Tragen Sie draußen immer diesen Feldstecher mit sich herum?“

„Fast immer. Wissen Sie, ich – oh hoppla.“ Sie wickeln mich in meiner eigenen Sprache ein, muss

ich sagen.“ „Sie haben noch kein einziges Mal hindurch gesehen.“ „Vielleicht war ich doch zu sehr

beschäftigt, Sie anzusehen. Schiffe und Vögel kann ich mir immer noch ansehen.“ „Sie haben mir

gesagt, Sie wollen die Schnitzereien in der Kapelle sehen.“ „Ich weiß, aber hier oben ist es sonnig

und warm. Die Kapelle ist innen, außerdem bin ich faul und träge.“ „Das passt gar nicht zu Ihnen.“

„Woher wollen Sie das wissen? Sie kennen mich doch gar nicht.“ „Ich weiß es eben, darum basta.“

Sie hatte recht. Wenn ich sonst einen Ausflug mit jemandem und mir plante, musste ich mir etwas

ansehen, anhören und festhalten. Einfach nur so an der Brüstung herumzutrödeln, war mir fremd.

„Heute haben Sie den Kopf abgenommen und vergessen, ihn wieder aufzusetzen. Es ist genauso.“

Dies ging dicht an der Wahrheit vorbei. Wenn ich sonst mit einer Bekannten einen Ausflug machte,

peilte ich ein Ziel an, die Besichtigung einer Kathedrale, der Besuch eines Restaurants sowie des

Konzerts. Es betraf nicht nur Deborah, sondern auch andere Bekannte, einfach herumzutrödeln an

der Stadtmauer wie in Kronborg, war mir bislang fremd, etwas Selbstvergessenes ohne Programm.

Wir hatten uns weder die Holzschnitzereien in der Kapelle noch die noblen Wandteppiche aus dem

sechzehnten Jahrhundert angesehen, ich hatte keine Lust mehr dazu. Die Schlossbesichtigung fiel

buchstäblich ins Wasser, als wir dem Meer nachsannen, über unsere gemeinsame Leidenschaft des

Schwimmens redeten und den Möwen nachschauten. Elisa brauchte keinen anderen Zweck, als gut

daran zu tun, dass ich ihre Anwesenheit leichtfertiger genoss, als hohe Deckengemälde anzusehen.

Der Königssaal wurde uninteressant für mich. Nur wir zwei zählten im Hier und Jetzt, dabei Sonne

tanken und Zeit verschwenden im Anblick dieses wunderschönen Mädchens war eine helle Freude.

Elisa genügte sich selbst, die Inkonsequenz wurde zu meiner Tugend, wenn sie mir beibrachte, den

Augenblick bewusst zu genießen, viele Erlebnisse wie Konzentration einer anderen Wahrnehmung.

Was mich bisher langweilte oder irritierte, gewann an natürliche Bedeutung. Stolzer Pragmatismus

verlor an Wert im Vergleich zur Schwerelosigkeit in ihrer Nähe,- bei ihr konnte alles von Wert sein,

was sie hier in diesem Moment erlebte. Es war wohl schon an diesem Ausflugstag, also recht früh,

dass in mir jenes Bild von Elisa wuchs, dass sie allein mit ihrer Gegenwart überall den Augenblick

verzaubern konnte. Ohne Ziel und Zweck stand sie ganz natürlich im Mittelpunkt mit einem Selbst

sowie das Wirken der Bäume samt dem Rascheln ihres Blattlaubs, wie eine angeborene Autorität.

„Oh, sehen Sie doch, David, ein Käfer, wie schön!“ Ein leuchtend grasgrüner Käfer, dessen Augen

dunkel aus beiden Seiten seines Kopfes hervortraten, sonnte sich auf der Brüstung auf dem Stein.

So nah bei ihr, dass sie ihn behutsam zwischen Daumen und Zeigefinger nahm, und auf die Hand

setzte. Ihre Finger waren wunderschön geformt, die ovalen Nägel wölbten sich, glichen Perlmutter

Muscheln in der glatten und glänzenden Farbe. „Es macht Ihnen nichts aus, wenn so ein Käfer auf

Ihrer Hand sitzt?“ „Nein, warum?“ fragte sie überrascht. „Die meisten Mädchen haben etwas gegen

Insekten.“ „Ach,- pff“, mit einem Fingerschnippen. „Ich habe hier noch nie einen so schönen Käfer

gesehen.“ „Der grüne Sandläufer, cincindela campestris, in England ist er weit verbreitet, der sonnt

sich. Sie fliegen schnell weg, wenn man sie stört. Wie er hierher gekommen ist?“ Der Käfer öffnete

seine Deckflügel und brummte davon. „So ist er hergekommen.“ Er drehte seine Schleife, landete

wieder auf ihrem Ärmel. „Sehen Sie doch, von wegen Sonne genießen, mich mag er.“ Dann flog er

weit weg, zu dem Graben, der Gras bewachsen war und ihm ein gutes Versteck bot.

Ich lehnte mich über die Brüstung und schaute ihm lange nach, bis mir jenes alte Gedicht einfiel.

„Wie ein Käfer in die See nickt über seinem Fuß.“ „Was bedeutet das? Erklären Sie es mir, bitte.“

Jetzt hatte ich den Käfer aus den Augen verloren. Ich konzentrierte mich auf die weiteren Verse:

„Wie wenn es hin zur Flut euch lockt, mein Prinz,

vielleicht zum grausen Gipfel jenes Felsens,

der wie ein Käfer nickt über seinem Fuß?

Und dort in andere Schreckgestalt sich kleidet,

die der Vernunft die Herrschaft rauben könnte,

Und euch zum Wahnsinn treiben?“

Ich dachte schon, sie würde mich deshalb aufziehen, weil ihr das zu anmaßend klang, aber ich

lernte noch, dass Elisa sich niemals über was lustig machte, was dem anderen von Bedeutung

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