Elisa

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Oder wie ein Motiv zum Symbol wurde für die Formen in der Keramik, weil dies Feuer gefangen

hatte bei seinem Publikum, wie ein Ohrwurm populär wurde, weil ihn Sänger mit summten beim

ersten Ton der Melodie, dass diese von den Dächern gepfiffen wurde, egal ob von Spatzen oder

von Jungen. Das könnte man ein Lieblingsmotiv nennen. Man sah es bald auf jeder Tasse, Vase

oder Untertasse. Ein Motiv wurde zum Symbol für viele und erschien auf einem Deckel als Rose.

Dazu gehörten ein Rotkehlchen, ein Fasan mit goldenem Schwanz, der Kuss von Gustav Klimt.

Ein blaugrünes Pfauen-Auge stellte einen Schutz dar und war beliebt für den ritterlichen Kelch.

Die Quelle des Charmes war dabei ihre verspielte Unvollkommenheit, die man hier überall sah.

Letztendlich blieb das oft Handarbeit, die Töpferkunst, geformt, modelliert, bemalt und verziert.

Mir machte meine Arbeit Spaß. Kein äußerer Druck zwang mich, mehr dafür zu tun als nötigst.

Erst recht nicht mein Vater, der mit Gelassenheit beobachtete, wie ich in seinem Keramikladen

aufging und schon nach einem Jahr die Führung übernahm. Bald zeigten sich fremde Sprachen

nützlich, die ich sonst kaum brauchte. Meine Reisen führten nach Paris, Rom und Kopenhagen.

MEIN ERSTER BESUCH VON KOPENHAGEN

Sieben Jahre später, nachdem ich von Birgit Abschied genommen hatte, traf ich in Kopenhagen

ein. Es wurde mir wieder bewusst, als ich mit eigenen Augen sah, wovon sie mir lebhaft erzählt

hatte. „Das musst du unbedingt einmal in Wirklichkeit erlebt haben!“, gab mir mein Gedächtnis

sofort kund. „Von höchster Präzision sind die Kunstwerke, die Statuen, die großen Kathedralen

und natürlich auch „Die kleine Meerjungfrau,“ das Wahrzeichen von Kopenhagen“, schwärmte

sie mit leuchtenden Augen. „Erlebt, sage ich, mit einer Seele, die in unser griechischen Theater

passt, nicht mit dem Blick der eiligen Touristen wie erfasst sondern von Grund auf verstanden.“

Es waren mal Birgits Worte. Nun stand ich am Kai mit dem weiten Meer in ihrem Kopenhagen.

Neben „Der kleinen Meerjungfrau“ dachte ich an sie zurück wie an meine ehemalige Prophetin.

Sie hatte Recht gehabt. Ich verliebte mich beinahe in den ungezwungenen, natürlichen Charme

einer Stadt mit barocken Denkmälern und Baustilen und mit dem feinsten Porzellan, das ich sah,

ohne dass von ihrem zarten Flair so etwas wie Prunk ausging gleich dem Schloss von Versailles.

Paris, Barcelona, Rom, Florenz und Venedig waren sich der Schönheit wie Berühmtheit einfach

zu bewusst, die ihnen Scharen von Touristen täglich widerspiegelten. Kopenhagen blieb Jungfer.

dahingegen, trug im Vergleich zu diesen protzigen Städten etwas Unberührtes und Edles an sich.

Keine andere Stadt schien mir so freundlich und herzerwärmend zum unbeschwerten Flankieren.

Das war für mich ein Vergnügen, die Gesellschaft der Dänen zu erleben. In einem Porzellanladen

schloss ich überraschend neue Bekanntschaft mit interessierten Kunden, die ich einladen musste.

Sie wollten sich in England nach klassischem Porzellan, Vasen, ursprünglicher Keramik umsehen.

Es erinnerte mich an Mekka-Pilger, die das letzte Geld hergeben, um einmal da gewesen zu sein.

Ich glaube, es gibt dabei nichts Besonderes zu sehen. Doch nicht auf das, was sie sehen, kommt

es an, sondern darauf, was sie im Herzen fühlen, das ganz Besondere lag in den eigenen Herzen.

Meine ungeahnten Errungenschaften waren reisende Händler, die für Antiquitäten-Händler weiter

fuhren als ich, um ihnen Kostbarkeiten in ihre Geschäfte zu bringen, die nirgendwo zu bekommen

waren. Dies war weitaus mehr als eine Kopenhagener Porzellan-Manufaktur mit ihrer Ausstellung.

Meine Gefühle waren zwar weltlicher Art im Vergleich zu jenen gläubigen Mekka-Reisenden,

doch im Sinn der unbedingten Leidenschaft zu dem, was man tut, waren sie sich recht ähnlich.

Die Menschen in London wussten zu wenig über klassisches Porzellan und moderne Keramik.

Das sollte sich ändern. Ob ich damit Geld machte oder nicht, spielte hierbei keine große Rolle.

Einzig und allein die Lebendigkeit und Notwendigkeit meiner Arbeit war wichtig, alles andere

blieb zweitrangig. Das Kapital und Geschäft gehörten nicht mir, und ich stand erst am Anfang.

Mit gutem Gewissen konnte ich es nicht verantworten, dass sich mein Vater jetzt nach dreißig

Jahren seiner Geschäftsführung neu orientieren sollte. Ich hatte mich mit ihm jederzeit bestens

verstanden. Er war von meiner Begeisterung und mit meiner harten Arbeit zufrieden, dass ihm

keine Einwände einfielen, als ich ihm klarmachte, dass ich mir ein Kapital mit einem Zinssatz

von 15 Prozent ausleihen müsste, um meine Ziele zu verwirklichen, was ich bis in drei Jahren

zurückzahlen wollte. Ich hoffte, dass sich dann diese Reise-Unternehmungen investiert hätten.

Mein Vorhaben, außerhalb Londons und Englands Antiquitätenhändler aufzusuchen, war klar.

Ich begann ziemlich bald, von Kopf bis Fuß sachgemäß ausgestattet, die Auktionen außerhalb

Londons zu besuchen und die Kontakte zu reisenden Händlern anderer Länder zu pflegen, die

an Antiquitätenhändler weiter verkauften. Außerdem reservierte ich im Laden in der Eingang-

Nähe, wo es die Kunden sehen mussten, den Extra-Platz für klassisches Porzellan & Keramik.

EIN SELTSAMER VOGEL

In jenen Jahren bezog sich mein Interesse an Mädchen allein auf das Gesellschaftliche, was

in seiner Art und Weise befremdenden Charakter hatte. „Ein ganz seltsamer Vogel“, hörte ich

eine Dame verlauten, was kein Lästern sondern ihre Verwunderung war. Mein Verhalten war

für sie recht unnatürlich. Ich fühlte mich darin vollauf zufrieden, in Ruhe gelassen zu werden.

Zweifellos musste etwas von der kindlichen Überzeugung, ich sei körperlich nicht anziehend,

tief in mir vergraben liegen, wenn ich mir darin auch wenig bewusst war, sondern es gut fand.

Ich wurde selten von einem Begehren geplagt und empfand dieses nicht als Unzulänglichkeit.

Vielmehr war ich stolz auf meine genügsame Lebensweise, ohne darüber groß nachzudenken.

Ich ging absolut auf in meiner Arbeit, die ich in Leidenschaft ausübte, liebte meine Familie und

wenige beste Freunde, mit denen ich meine einzelgängerischen Freizeit-Aktivitäten ausführte.

Soweit ich mal darüber nachgedacht hatte, einem Mädchen besondere Zuwendung zu zeigen

sowie ihr meine Aufmerksamkeit zu widmen, schien mir das als nicht lohnenswert im Ergebnis.

Sollte mir jenes geschehen, müsste sie eine erhebliche Mauer an Schüchternheit durchstoßen.

Mir erschien dieses wie eine Ablenkung zu meiner Arbeit und die Erschwernis im weiteren Tun.

Meine Eltern versuchten nicht, mich zu beeinflussen. Vielleicht hatten sie es auch nicht so eilig,

meine Gefühle umherschweifen zu sehen. Jetzt weiß ich, dass ich in jener Hinsicht altmodisch,

sowie altbacken gewirkt haben musste, ein orthodoxer Christ. Viel eigensinniger, abgehobener

als Freidenker, vielleicht hochgeschraubt, der sich mit den unsicheren Gefühlen nicht befasste.

Obwohl ich mit allen Menschen immer gut zurecht kam und an Freunden keinen Mangel hatte,

waren schöne Dinge einfacher und verlässlicher, berechenbarer und deswegen befriedigender.

Porzellan war meine Verfeinerung der fehlbaren, oft enttäuschenden Wirklichkeit eines Dasein.

Damit keine Missverständnisse aufkommen, jener Stil oder die Raffinesse von Frauenkleidern

entzückten mich durchaus, dass ich hinstarrte, all die unwichtigen Detail in mich aufzunehmen.

Doch auf frivole Art kamen mir ihre Besitzerinnen launisch, trivial und äußerst anstrengend vor

in Hinblick auf diese kühle Freude, die aus dem Töpfergut oder einem Kontrapunkt entströmte,

sie zu vergiften oder zu verschütten. Als die sechziger Jahre revolutionierten und keine realen

Werte mehr galten, die lange Zeit von Bestand waren, merkte ich, dass ich außerhalb der Zeit

stand mit einem anderen Geist, der sich lieber im Einklang seiner Handwerkskunst befand als

in den Turbulenzen des Marktgeschehens der rebellischen Welt, besser zuhause untermauert.

MEIN PRIESTER-FREUND ANTON

Anton Wild und seine Frau Bonny waren meine besten Freunde. Anton war zwei Jahre älter als ich.

Als er Mitte der sechziger Jahre in unserer Gemeinde eintraf, war er in seiner Art kein Prediger von

Schuld und Sühne, gar der freundliche Angepasste, der es jedem in allem recht machen will. Er war geradeheraus, unkonventionell, intellektueller als erlaubt, was ältere Gläubige erschrecken ließ und

brachte frischen Wind in den Puritanismus. Mit einer warmherzigen und sehr vernünftigen Haltung,

die überraschend das Gegenteil vertrat, von dem, was man erwartet oder gewohnt war vom Priester,

gewann er schnell vielerorts Vertrauen bei Menschen und in Gegenden, die nicht christlicher waren

als Jesus bei Maria Magdalena oder der Ehebrecherin, die zur Steinigung angeschleppt worden war.

Lebhaft habe ich in Erinnerung, wie wir an einem Sommerabend von unserem sportlichen Wettlauf

kamen, als in dem Vorraum der Kirche drei junge Hippies standen, die aus London getrampt kamen

und schon zwei Stunden auf uns gewartet hatten, um für einen Freund Hilfe zu suchen, der mit dem

 

Gesetz und der Polizei aneinander geraten war. Anton lud die drei unverzüglich zum Abendbrot ein.

Ehe sie mit ihren Schilderungen beginnen konnten, wendete er ein: „Ihr müsst doch Hunger haben.“

Am Montag fuhr er sie in seinem Wagen selbst zurück nach London und sprach bei der Polizei vor.

Ich musste mir eingestehen, dass ich dem gegenwärtigen Protest und halbgarem Mystizismus einer

unruhigen Zeit, weniger gewachsen war, als ein Geistiger mit steifem Kragen und langem Gewand.

Seine herausfordernden Gedanken und Reaktionen entgegen der Erwartung überraschten mich sehr.

Es war meine pessimistische Sicht eines Jahrzehnts mit Fröhlichkeit und ernst zu nehmendem Eifer.

Ich selbst war ein Feigling in einer Festung, dem man nichts anhaben durfte in seiner Sicherheit des

Wohlstands. Es gab Momente, in denen ich meine paar Bemerkungen machte über eine neue Mode,

ihre Macken, die immer verrückter werden, dass mir Anton mit liebevollem Lächeln an das Herz legte:

„David, dein Moralismus wird dich selbst nochmals einholen zum Trotz dieser Niedrigkeit einer Welt

und dem Stolz derjenigen, die aufbegehren.“ Wir lächelten beide. Ich merkte, dass er das so meinte.

Als in den Jahren das Vertrauen meines Vaters wuchs und gleichermaßen meine Erfahrungen, auch

mein Standvermögen, beteiligte er sich immer weniger in der aktiven Geschäftsführung. Er sagte in

vielen Fällen: „Tu, was du für richtig hältst, mein Sohn.“ Ich wollte ihn nicht verdrängen, sonst anders

wettstreitig machen. Wir verstanden uns gut und hatten keine geschäftliche Auseinandersetzung im

Sinne der Konkurrenz oder anderes. Ich brachte ihm viel Respekt und ehrliche Zuneigung entgegen.

So sprach er öfter den Wunsch aus, am Nachmittag lieber im Garten zu bleiben, um Jimy zu helfen.

Jimy war unser „Mädchen für alles“. Er mähte und sprengte sehr große Rasenflächen, brachte auch

Proviant mit nach Hause, wenn meine Eltern nicht einkaufen fuhren, empfing täglich den Postboten,

kümmerte sich liebevoll um unseren Jagdhund Winny und die Geschwister-Katzen Betsy und Sally.

Beide rühmten sich schon eines hohen Alters wie unsere zwei langjährigen Angestellten in Pension.

FRAU RITURN UND DEBORAH - 2. KAPITEL -

Unser altes Fräulein Bird und ihre Kollegin waren gegangen und wurden abgelöst von einer jungen,

frechen Schulabgängerin Maggi mit dem ortsfremden Dialekt, an dem „My fair lady“ Freude gehabt

hätte. Ein alter Zobel als Sprachprofessor, der eine Göre zur Lady kürt mit der Kunst der Sprechens.

„Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen.“ - “Ich glaub‘, jetzt hat sie‘ s!“ - “Es grünt so grün.“

Maggi oder Margitta hätte ihm Spaß bereitet und war eine Attraktion in diesem alten, feinen Laden.

Sie wirkte herzlich, erfrischend und nahm ihre Ausbildung wichtig, einzig ihr fremder Dialekt fiel auf.

Dazu kam Frau Riturn, die man lieben oder hassen musste, wenn man sie erlebte als Besonderheit.

Auf seltsame Weise gab sie sich und übriges kund. Eine Rarität, die man so nirgendwo erlebt hatte.

Hätte ich sie über Bord geworfen, hätte ich ein schlechtes Gewissen gehabt. Ließ ich es gewähren,

was sie ausmachte, wurde ich mit vielen Irritationen konfrontiert, die ihrem Eigensinn entsprachen.

Frau Riturn war die Empfehlung einer Arbeitsvermittlung, die nicht hier am Ort tätig war, sowie sie.

Ich vergesse nicht den Aprilmorgen, an dem Deborah Lennard durch Frau Riturn im Laden eintraf.

Allerdings weniger aus dem Grund, dass sie es war, als mehr im Zutun unserer neuen Sekretärin,

Frau Riturn, weshalb sie plötzlich erschien. Eine heilige Närrin nannte sie mein fürsorglicher Vater.

Frau Riturn konnte gute Briefe schreiben, hatte eine vornehme Wortwahl gegenüber den Kunden

und feine Manieren beim Bedienen. Sie konnte nicht mit Geld umgehen, dass auf ihrer Bank war

und von mir überwacht wurde mit einem Taschengeld, das ich ihr gab, mit dem sie nicht auskam.

Hätte ich ihr freie Hand über ihr Konto gelassen, wäre sie obdachlos geworden, davor verhungert

und verdurstet und hätte bei einigen Firmen im Inkasso gestanden. Ihre Tochter lebte beim Vater,

wohin das Schulmädchen geflüchtet war, was kein richterliches Urteil war sondern Sandys Wille.

Das Gericht hatte im Nachhinein erkannt, dass es sein Fehler war und gewährte die Entscheidung.

Verständlicherweise kam die junge Maggi nicht besonders gut mit Frau Riturn aus. Doch hatte in

manchen Dingen das Geschäft Vorrang. Ich versuchte ihr zu erklären, dass dies im Verkauf dazu

gehörte, mit den Kolleginnen genauso auszukommen wie mit den Kunden. Wenn ich öfter meine

Worte an Frau Riturn richtete zu einem Gespräch, das jeder mit anhören konnte, so weil ich mich

nicht unglaubwürdig machen wollte vor meiner Auszubildenden, weil ich nicht von ihr verlangen

konnte, was ich nicht selbst bewerkstelligte. Währenddessen goss Frau Riturn zum Beispiel diese

Farnpflanzen, die bei ihr bestens gediehen. Sie ordnete die Krüge im Bord neu an und staubte die

Regale zuvor ab. Selten sah sie mich an, wenn ich mit ihr über Geschäftliches sprach. Sie begriff

meine Taktik nicht, sondern nahm mein Beisein als besondere Aufmerksamkeit für sich selbst an.

Sie war sehr von sich überzeugt auf der unantastbaren Art und Weise, die undurchdringlich blieb.

Manchmal traf mich doch ein Blick von ihr, der mich an Mutter Theresa oder Madonna erinnerte.

Eines Morgens hatte ich beim Betreten des Geschäfts an zahlreichen Regalen und auch in meiner

Antiquitäten-Ecke am Eingang gedruckte Karten vorgefunden, auf denen groß geschrieben stand:

Aus Ton gestanzt,

im Ofen gebrannt,

fällt ‘s aus der Hand,

so wird es verbannt.

Ich fragte Maggi verwundert, woher diese Karten kämen. „De kamen heut‘ morjen mit de Post un

Frau Riturn hat se uff jemacht un ran jepappt. Ick nehm‘ an, SIE hat se ham wolln für de Kunden.“

Auf der Rückseite dieser Karten in Größe üblicher Ansichtskarten stand ein Lieferanten-Vermerk:

„Mit freundlicher Empfehlung“. Ich erklärte Frau Riturn, dass ich es im Prinzip für eine gute Idee

hielte, der Text jedoch besser, spezifischer auf das Geschäft und die Waren bezogen sein sollte.

EINE FREUNDIN

In dem Moment bemerkte ich Deborah Lennard an meiner Seite, wie sie mich amüsiert anlächelte.

„Stör ich, David?“ fragte sie. „Falls du zu tun hast, schau ich mich gerne mal um, bis du Zeit hast.“

„Wenn du ein lautes Scheppern und Klirren hörst, brauchst du nur herüberrufen: „Es ist verbannt!“

„Nett, dich hier wiederzusehen, Deborah“, begrüßte ich sie erfreut. Frau Riturn lief beherrscht den

Glas-Weg hinunter und sammelte im Vorübergehen ihre Karten ein, ohne die leise Schadenfreude,

die Maggi zeigte, anzunehmen.“ Darf ich dir ein 42-teiliges Tafelservice anbieten oder einen Napf

für deine Katze, Deborah?“ “Meine Mutter hat am Sonnabend Geburtstag, David. Ich dachte, dass

sie sich vielleicht über ein schönes Stück Porzellan freuen würde. Ich habe gehört, dass du so was

jetzt neben deiner Keramik führst. Ehe ich los dampfe und in Auktionsfallen tapse, nehme ich das

lieber von dir zum reellen Gegenwert.“ Was sie kaufte, war eine Tasse mit Untertasse aus dem 18.

Jahrhundert, die mit einer besonderen Farbkombination auffiel. Sie war facettenreich bunt bemalt.

Ich kannte Deborah Lennard, so wie man in einer Geschäftsstraße voneinander weiß. Ihr Vater an

der Ecke, wenige Läden weiter, handelte mit Sportmode. Ich hatte von ihm meine neue Badehose.

Die Lennard-Familie hatte ihr Gelände nördlich von London nah bei uns. Sie galt als wohlhabend

und fuhr einen Mercedes, oft von Deborah gelenkt. Sie war schlank und hübsch mit zartem Teint,

der gar unecht wirkte und wunderbar mit dem Rotblond harmonierte als schulterlange Haarpracht.

Ich wusste von ihr nicht viel mehr, als dass sie ein nettes Mädchen war, das ich im Konzert erlebt

hatte, wo sie unentgeltlich gesungen hatte für eine lokale Gesellschaft in einer Opern-Aufführung.

Sie gefiel mit ihrer Lebendigkeit und praktischen Art und zeigte besonderes Gefallen an Keramik.

In der nächsten Woche kam sie wieder und kaufte einen blauen Krug, den sie wegen einer Form

mochte, auch wenn er keinen antiquarischen Wert hatte. Sie wollte ihn mit Maiglöckchen füllen.

Das zeigte gutes Urteilsvermögen und ich lieh ihr ein Handbuch über die englische Töpferkunst.

Am folgenden Wochenende lud ich sie in das Restaurant Bill ein. Wir redeten über erste Töpfer,

Künstler in London, und wie Manufakturen im Zeitalter der industriellen Revolution entstanden.

„Wie können wir überhaupt etwas wissen über sie?“ “Es gibt da Hinweise im Gemeinderegister.“

„Wenn manche Namen nicht richtig waren, kann es sein, dass der Gemeindesekretär diese nicht

richtig schreiben konnte oder zum ersten Male im Leben gelesen hatte von wegen Auswärtigen?“

„Also die Arbeiter, auch Handwerker und Angestellten kamen von überall in die Manufakturen.“

„Der Sekretär war zu stolz, Einwanderer nach der richtigen Schreibweise zu fragen“, glaube ich.

Als der Sommer mit dem Weidenlaubsänger kam, die Forsythien schon verblüht waren, sah ich

Deborah wöchentlich und verbrachte mit ihr mehr Zeit, als ich derzeit mit Birgit verbracht hatte.

Mein Vater mochte sie besonders gern, dass er ihr sogar mal ein weißes Alpenveilchen schenkte

für ihr Gewächshaus, was sonst nicht seine Art war. Er verstand das sonst als buhlen und wollte

in Anbetracht des Gentleman, der englischen Höflichkeit der jungen Dame nicht zu nahe treten.

Ein Nachbar von uns der einstigen Grafschaft wurde von seiner Gattin nur wegen seines Geldes

geheiratet. Seitdem versuchte er, auf ähnliche Weise an die Liebe junger Mädchen zu gelangen.

Deborah bekam sein weißes Alpenveilchen mit, weil es ihr so ausgesprochen gut gefallen hatte.

Eine Galanterie zu dem Mädchen, das seine Tochter hätte sein können, wäre würdelos gewesen.

Von der englischen Land-Töpferkunst ging Deborah auf das feine Porzellan über und begleitete

mich auf Auktionen. Einmal triumphierte sie bei ihrer Ersteigerung eines Tellers zum günstigen

Preis als angepriesen. Sie sprang fröhlich hoch und gab mir rechts und links einen Wangenkuss.

Das war für mich nichts anderes als das Applaudieren in sichtbarer und hörbarer Versteigerung.

Sonst zeigte sie in ihrem Benehmen nicht irgendetwas Zärtliches oder sogar Besitzergreifendes,

was in meine Gedankenwelt zu ihrer Person eindrang. Sie schien ungebunden und ihr Verhalten

war gleichbleibend freundlich und nichts, was sie sagte oder tat, wies darauf hin, dass sie unsere

Beziehung enger hielt als andere, die sie kannte, zu Opernfreunden, Freunden ihrer Internatszeit.

AM SEE

Eines schönen, warmes Sommerabend holte ich sie von einer Gesangprobe ab und fuhr uns zum

leichten „after-eight-dinner“ in ein kleines Lokal. Anschließend badeten wir in einem nahen See,

was sonst wie verboten war, nur zur Erfrischung. Die Schwüle der Jahreszeit überwanden wir, so

dass es uns danach gleich besser ging nach dem anstrengenden Tag mit einem letzten Auftakt im

stickigen Pub-Lokal, das sonst recht angenehm war. Doch heute blieben diese Casablanca stehen.

Es war eine ihrer spontanen Ideen, ein gemeinsames Bad im wenig besuchten Teich mit Forellen.

Eine halbe Stunde später saß Deborah fröhlich neben mir und frottierte sich energisch ihre Haare.

Plötzlich warf sie das Handtuch über die Schultern, schlang beide Arme um meinen Hals, wobei

sie mich auf den Mund küsste und mit Spontanität rief: „David, ich liebe dich! Wie sehr ich dich

liebe!“ Die Aufrichtigkeit und Emotionalität waren schön und offenbar sowie ein blühender Baum.

 

„Ich würde alles für dich tun, ja alles! Du bist einfach wunderbar! Ich will dir meine Liebe zeigen!“

Es war richtig zu erkennen, dass es sich um keinen geplanten Feldzug handelte, der schon lange

Zeit im Voraus feststand. Ich vermutete, dass es sie selbst überraschte, sich mir so zu offenbaren.

Was hielt mich zurück? Warum erschreckte es? Was nur? Aber nein, das gibt es nicht. Es wirkte.

Die Situationen, wenn eine Birne durchknallt oder ein Hund zubeißt, wie die Ahnung, wenn man

das auch nicht bewusst gesehen hat, dass man wusste, warum das passierte ist wie Vorwissen.

Keine moralischen Gründe hielten mich ab und keine Vorurteile zu einer liebenswerten Freundin.

Liebe ist etwas, für das du dich nicht mit der Waage entscheidest, sagte mir meine innere Stimme.

Es ist das, was dich ergreift und in Besitz nimmt, auf Gedeih und Verderben wie alles oder nichts.

Es war eine spontane Eingebung aus meinem eigenen Selbst und überraschte mich mehr als sie.

Ich kann mich an die nächsten Worte nicht erinnern. Ich glaube, ich sprach von dem Abenteuer,

dass meine Gefühle Tiefgang bräuchten, wenigstens unberechenbarer sind als so ein Erlebnis.

Es gab keine Kränkungen, kein Aufruhr, keine Tränen ihrerseits, dazu war Deborah viel zu nett.

Jenem aufrichtigen Mädchen, das körperlich anziehend war, hatte ich ihr Liebesangebot entsagt.

Wie schon erwähnt, sie war aufrichtig, reizend, unabsichtlich in ihrer Inbrunst und Hilflosigkeit.

Sie hatte Besseres verdient. Aber wie höflich und rücksichtsvoll sie war, dass sie meine Abkehr

tapfer ertrug und nichts Verletzendes erwiderte, sollte sie sich wirklich derart beherrscht haben?

Der Künstler versteht selten ganz das Material, aus dem er schöpft. Das war in ihrem Fall nicht

vorhanden oder zu erkennen. Ein hilfloses Blatt im Wind, das plötzlich aufgewirbelt worden ist.

Ich spürte im Körper und Kopf viel von dem, was auch Deborah fühlte, aber das ging nicht tief.

Es lag oberflächlicher. Ob als Glück oder Unglück betrachtet, wollte ich mehr, als sie aufzeigte.

Die zwingende Erregung des Unbekannten, die zitternde Faszination ganz nah der Befremdung,

im Juni ein junger Mann und sein Mädchen, das ihn zum Prinzen erkor, baden heimlich im See.

Das war es nicht, weder für mich noch ganz für sie. Darum hatte ich keine Verlegenheit für uns.

Mein Widerwille erschien mir selbst wie ein Schock oder Mysterium. Ich hatte sie so abgelehnt.

Was für ein Snob. Ich war kein Snob. Der Snob ist oberflächlich. Ich blieb genau das Gegenteil.

Es war enttäuschend, wahr, schmerzlich. Wir sollten es so schnell wie möglich vergessen haben.

Unsere Beziehung war natürlich nicht mehr wie vorher. In welche Richtung hätte sie nun gehen

sollen? Es stellte sich immens heraus, dass meine Grübeleien von diesem ernsthafteren Ereignis,

überschattet wurden, was anderes zur Seite schob. Im Hochsommer wurde mein Vater todkrank.

DER TOD MEINES VATERS

Ich kann es kaum ertragen, mir diesen Jammer nur kurz in mein Gedächtnis zurückzurufen oder

meine letzten Erinnerungen an die Krankenhauszeit in der Gegenwart meines Vaters zu wecken.

Ich schnitt ihm Zeitungsartikel aus, um die er mich bat, sie ihm vorzulesen, bis er dann abbrach:

„Für heute ist es genug, mein Sohn. Ich bin jetzt zu müde, um andere Neuigkeiten aufzunehmen.

Ich danke dir für dein Kommen und freue mich, dich morgen zu sehen.“ Dies gab es nicht mehr.

Die behutsamen Worte des Oberarztes, dass es für Vater auch eine Erleichterung gewesen wäre.

Dieses oft sowie unverhoffte „nur mal auf den Sprung Vorbeikommen“ von Anton, der sich sorgte.

Der berührende, Tränen lose Mut meiner Mutter, der von Georgia mitgetragen wurde. Sie reiste kurzentschlossen zu uns mit einem Stapel von Prüfungsarbeiten, die von ihr zensiert und zurück

gesendet werden mussten. Es war vor Ende des Schuljahres, während sich andere auf die Ferien

freuten. Der Krankenhausgeruch, an den ich mich gewöhnt hatte, den ich mit nach Hause nahm.

Stetig und ständig das Gefühl, dass wir in den Strom geraten sind, der uns immer weiter abtreibt

und alles von uns wegträgt. Soweit, bis es kein Entrinnen mehr gibt, bis er über jenes Wehr zieht

und wir gleich Borken im Strom vergehen, ohne zu wissen, wann für uns ein neues Ufer kommt.

Woche für Woche verging, und mein Vater wurde weniger und weniger. Es war nicht der Mann,

den wir einmal gekannt hatten. Es war wie das Grinsen einer Katze,- und das, verdammt, behielt

er bei, bis er war wie der letzte Sonnenrand am Meereshorizont. Ehe sein endgültiges Ende kam,

hatten wir genügend Zeit, uns an die Situation zu gewöhnen. Der Standesbeamte, Anton so gütig

und verständig, der Bestattungsunternehmer, die Briefe entfernter Verwandter. – Ich war mit der

Zeit auf sie alle gefasst. Am Morgen des Begräbnisses trat ich hinaus und schnitt die Dahlien ab,

jede einzeln stehende Rose. Es geschah nicht in voller Absicht. Eher gehorchte ich einer inneren

Eingebung. So etwa wie ein unbewusstes Echo auf die alten Griechen, die sich ihr Haar schoren.

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