Die Maske Der Elfen

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Mit brummendem Schädel kam ich zu mir. Die Maske lag neben mir am Boden. Mir war schwindelig und ich hatte furchtbaren Hunger. Als ich auf die Uhr sah war es drei Uhr morgens. Und die ganze Zeit hatte ich hier auf diesem Holz gelegen.

Schnell flitzte ich in die Küche und machte mir etwas zu essen. Ich wollte jetzt schlafen gehen um den ganzen nächsten Tag zu verpennen. Ich hatte keine Lust auf irgendwas. Aber es spukte mir etwas im Kopf herum: „26 Sonnensteine. Für diesen Jahrgang! Oh mein Gott, was wenn? Wenn dieser Sonnenstein- für MICH gewesen ist?!“ sagte ich laut. Viele würden mich für verrückt halten (oder sie taten es sowieso schon) aber ich führte immer Selbstgespräche. Keiner redete wirklich mit mir, also redete ich mit mir.

Um vier Uhr war ich hellwach und hatte nach dieser Stunde Nachdenken partout keine Lust mehr schlafen zu gehen. Also nahm ich mir eine Zeitschrift und fing an das Lesen zu üben.

Ich war nie zur Schule gegangen. Dass ich vernünftig sprechen konnte, hatte einfach damit zu tun, dass in den ersten Jahren immer wieder eine Heilerin zu mir gekommen war, um mir etwas im Haushalt zu helfen. Aber Lesen? Oder Schreiben? Gar rechnen! Oh Gott, nie im Leben! Aber die Fenster zu den Klassenzimmern waren immer offen gewesen. So hatte ich mir das Alphabet beigebracht. Wann immer ich konnte, versuchte ich zu lesen. Aber allein war das Lernen schwer. Und schreiben war schon wieder was ganz anderes. Schreiben konnte ich nur, weil die Postbotin mir wohlgesonnen war. Annika war meine einzige Freundin. Wann immer sie konnte, kam sie nachts zu mir um mich zu unterrichten. Und damit ich ihr einen Brief für Leonardo mitgeben konnte.

Leonardo war einer der wenigen Elfen, der nicht in einem Dorf wohnte. Er hatte sich aus diesem Dorf zurückgezogen und lebte in Venedig oder so, irgendwo im Süden. Und er war ein Freund meiner Eltern gewesen. Er spendete mir Trost durch seine Briefe.

Es klopfte. Ich schrak so dermaßen zusammen, dass ich fast die Lampe umgestoßen hätte. Ich stopfte die Zeitung weg und fragte dann „Wer da?“ „Ich bin's Annika!“ Ich atmete erleichtert aus. Sofort war ich an der Tür und öffnete. Annika strahlte mir entgegen. Sie trug eine verzauberte Brille. „Schön dich zu sehen Aliona!“ sagte sie und umarmte mich. „Ich hab dich vermisst.“ flüsterte ich. Annika schloss die Tür. „Schau mal was ich dir mitgebracht habe!“ Sie zog ein Milchbrötchen aus der Tasche. „Ist –das?!“ fragte ich heiser vor Glück. Ich biss herzhaft hinein. Sofort fiel ich auf meinen Hintern. „Das ist immer so gut!“ sagte ich erleichtert. Mein Herz machte einen Hüpfer. Annika lächelte auf mich herab. „Ich war um Mitternacht schon mal hier. Aber da du nicht geöffnet hast und Titan damit geprahlt hat dich erfolgreich betäubt zu haben, bin ich wieder gegangen. Wie lang bist du schon auf?“ „Scheid schwei Schunden.“ nuschelte ich. Sie hob mich hoch und setzte mich in den Sessel. Das Milchbrötchen war schon aufgegessen. „Sieh mal was ich hier habe.“ Sie zog breit grinsend einen Briefumschlag heraus. Ich nahm ihn und schaute auf den Absender. „Leonardo da Gewici, Venedig“ Ich hätte fast vor Glück geschrien. „Schnell, lies ihn vor!“ bettelte ich. „Nein Süße, lies du ihn vor.“ „Ehrlich?“ Ich schluckte. Dann öffnete ich fahrig den Brief. Das rote Papier war mit weißer Tinte beschrieben worden. Darauf stand:

Allerliebste Aliona,

Ich habe mich sehr über deinen Brief gefreut. Deine Schrift wird immer besser. Hier in Venedig ist nicht viel los, die Masken allerdings werden mir jetzt zum Karneval aus den Händen gerissen.

Du wolltest wissen, wie es bei mir so aussieht. Alles in allem sehr gut. Ich habe dir allerdings noch nicht von Persephone erzählt. Persephone und ich, naja, wir sind seit Jahren verheiratet. Ich hielt es bisher zu gefährlich mit dir darüber zu schreiben. Aber Annika versicherte mir, dass nur du den Brief zu Gesicht bekommen würdest.

Persephone und ich leben in der Innenstadt, in einem Elfenhaus, das für Menschen unsichtbar ist. Meine Werkstatt allerdings ist sichtbar, da Menschen ebenfalls Masken kaufen. Nur die anderen drei Stockwerke sind unsichtbar.

Ich hoffe, dass du uns bald mal besuchen kommst! Ich muss doch mein Engelchen mal zu Gesicht bekommen, nach so vielen Jahren!

Falls du vorhast aus deinem Gefängnis zu flüchten. Hier ist immer die Tür für dich offen! Wir würden alles tun damit dir nichts mehr passiert! Also sei unbesorgt und komm her, wenn die Zeit reif ist!

Das lies jetzt bitte im Kopf:

PS: Du hast das Versteck in deinem Schlafzimmer erwähnt. Es gibt noch etwas, was du wissen solltest: Sobald das Haus merkt, wie sehr du in Gefahr bist und das du fliehen musst, so wird es dir alle Mittel dafür geben. Du darfst nur nicht zögern, sonst ist alles verloren.

Wir freuen uns auf dich!

Dein Leonardo & Familie

Ich hatte Tränen in den Augen. „Sie wollen, dass ich zu ihnen komme, Annika.“ flüstere ich. Sie nickte lächelnd. „Aber, er schreibt als würde er wissen, dass ich bald fliehen kann.“ sagte ich leise. Sie nickte wieder. „Du solltest deine Antwort schreiben.“ schlug Annika vor. Ich schniefte. „Du hast Recht.“

Lieber Leonardo

Wenn du dich schon so sehr gefreut hast, so nimm meine Freude mal tausent. Ich danke dir für dein komplimehnt für meihne schrift. Ich Arbeide an ir. Ja ich weis, meihne rechtschreibung ist schlechd. Aber sobalt ich beih euch bin, kannst du sie mir ja besser beibringen.

Dass mit der flucht, darüber freue ich mich ammeisten. Ich werde das angebot annemen ferlass dich drauf. Und zwar sobalt als möglich!

Alles gute dir und deiner Familie,

Aliona

„Geht das?“ fragte ich Annika unsicher. „Ja, keine Sorge.“ sagte sie lächelnd. Sie nahm das Papier und steckte es in einen neuen Umschlag. „Ich schicke es mit einem Express Boten nach Venedig!“ Sie küsste mich auf die Stirn und ging dann.

Es schlug sechs Uhr, die Sonne ging auf. Meine Maske kam herbei gezischt. Ich griff sofort nach ihr. Ihre langen Schnüre schlugen nach meinem Gesicht. Der Druck war zu stark. Langsam zwang sie mich in die Knie. Meine Arme bogen sich. Verzweifelt kämpfte ich gegen den Druck an. Dann knallte es und sie schlang sich um mein Gesicht. Entmutigt ging ich nun endgültig schlafen.

Ich wurde aus dem Bett getreten. Alavin stand in meinem Zimmer, neben und hinter ihm Serem mit seinen Schergen. „Was wollt ihr?“ fragte ich und versuchte mir die Augen zu reiben. Fehlanzeige, die Sonne war noch am Himmel. „Ich bin hier um dich zu befragen.“ sagte Alavin. Sein Gesicht zeigte keinerlei Mitleid oder Reue. Seine Lippen waren nur ein schmaler Strich, so fest presste er sie zusammen. Seine Arme zitterten, er hatte sie verschränkt. „Worüber befragen?“ fragte ich rieb mir die Arme. „Das weißt du ganz genau!“ keifte Serem. Alavin gebot ihm ruhig Einhalt. „Weswegen sind es 26 Sonnensteine dies Jahr?“ fragte Alavin mich ruhig. „Woher soll ich das wissen? Du lässt mich NIEMALS auch nur in die NÄHE von diesen Steinen!“ Ich sagte absichtlich Stein, damit sie nicht wussten, dass ich wusste, dass die Steine keine Steine, sondern Kristalle waren. Alavin schnaubte verächtlich. „Gut, dann greifen wir zu härteren Methoden.“ Luv und Titan packten mich und zogen mich ins Wohnzimmer. Luv hielt meine Hände auf den Tisch. Titan zog eine schmale dünne Peitsche. „Warst du bei der Zeremonie?“ fragte Alavin und setzte sich seelenruhig in meinen Sessel. „Nein.“ antwortete ich. „Weißt du wie die Zeremonie abläuft?“ fragte er mich. „Nein.“ Titans Hand zitterte. Er wartete nur noch darauf mir auf die Finger schlagen zu dürfen. „Weswegen sind es dann 26 Sonnensteine?“ fragte Alavin mich scharf. „Woher soll ich das denn bitte wissen?“ Der Ton war zu scharf. Alavin zuckte nur mit dem Finger. Die Peitsche knallte runter. Ich schrie, meine Finger brannten. „Du wärst die 26. dieses Jahrganges. Aber du bist keine Elfe, du bist eine Geächtete, höchstens. Wieso haben wir dann einen 26. Sonnenstein?“ Die Peitsche knallte nochmals. Wieder schrie ich. Mir schossen die Tränen in die Augen. Ich biss die Zähne zusammen. „Ich- bin- keine- Magierin.“ sagte ich verbissen. „Wieso versucht ihr etwas aus mir raus zu prügeln, was ich euch nicht erklären kann! Geht zu Kahai, der kann euch sagen warum das so ist!“ Titan wollte schlagen aber Alavin hielt ihn ab. „Kahai kann es sich nicht erklären. Auch wenn er der Sonnensteinhüter des Dorfes ist.“ sagte Alavin. Unbarmherzig blickte er zu Titan. „Macht ihr den Rücken frei und nimm die größere Peitsche. Wenn nötig quetschen wir es aus ihr raus.“

Nach drei Stunden Verhör gingen sie endlich. Titan schwenkte die Peitsche lässig. Er hatte sie im Badezimmer saubergewaschen. Luv entfernte meine Fesseln. Sie ließen mich liegen. Tränen rannen in meine Maske. Heiß rann mir das Blut den Rücken runter und bildete kleine Pfützen. Erschöpft und mit Schmerzen im Körper schaffte ich es irgendwie einzuschlafen.

Als ich erwachte lag meine Maske neben mir. Ich war erleichtert. Ich ging ins Badezimmer und duschte vorsichtig meinen Rücken ab um das getrocknete Blut abzuwaschen. Behelfsmäßig cremte ich die Wunden ein und zog ein enges T-Shirt über, so als eine Art Verband. Dann nahm ich ein weiteres T-Shirt, zog es an und verließ das Haus.

Ich linste um die Straßenecke. Dort war Kahais Haus. Die Halle in der die Sonnensteine ruhten, direkt davor. Ich MUSSTE diesen Stein sehen und ihn anfassen! Ich MUSSTE einfach. Aber Wachen patrouillierten davor. Klar. Kahai und sein Schatz waren das Wichtigste im Dorf. Ohne Sonnensteine gab es keine Elfen. Ich atmete tief durch und trat um die Hausecke herum. Sie bemerkten mich nicht, der Mond schien nur schwach. Im Schatten des Hauses schlich ich mich weiter.

Eine einsame Wache stand am Seiteneingang. Ich suchte nach einem Stein. Oh ja, der lag gut in der Hand. Da vorn stand eine der Wachen, die den Haupteingang bewachten. Ich zielte und warf. Der Stein flog, drehte sich- und traf sein Ziel. Der Stein schlug dumpf an die Hauptwache. Er kippte sofort um. Die Seitenwache merkte auf und lief um die Hausecke zu ihm. Jetzt oder nie.

 

Ich schlug mich durchs Gebüsch. Die Wache verschwand aus meiner Sicht, ran an die Tür. Nicht verschlossen, das Glück war mir hold. Im Schein der kleinen Lampe musste ich gut zu sehen sein. Ich pustete geschwind und die goldene Flamme erlosch. Ich fühlte den Messinggriff und öffnete die Tür. Bedrohlich knackste sie, aber sonst blieb es ruhig. „Huch, das Licht ist aus!“ Oh nein, die Wache! Ich machte mich schmal und glitt durch den Spalt. Hörte die Schritte und schloss die Tür. Es war dunkel hier drinnen. Die Halle war gewaltig. Größer als sie von außen wirkte. In der Mitte standen etliche Säulen. Und auf einer lag der Sonnenstein. Ich horchte einige Minuten. Keine Wache. Ich schritt durch die Reihen zum Sonnenstein. Der Mond leuchtete herein. Ich wollte danach greifen und ihn fest in meine Hand nehmen. „HALT WER DA?!“ Ich drehte mich um und sah nur noch den Armbrustpfeil auf mich zuschießen.

Krachend schlug er in meine Schulter ein. Ich schrie und stürzte zusammen. Schnelle Schritte waren zu hören. Die Wache drehte mich um. „Scheiße.“ sagte er. Das Blut lief munter aus der Wunde in der Schulter. „Ruft eine Heilerin!“ Sie machten sich Sorgen um mich? Was war das denn? Kahai kam herbei. Sein wallendes goldenes Gewand blitze mir sofort ins Auge. Er konnte mich gut leiden. „Bist du wahnsinnig geworden?!“ Schimpfte er mit mir oder mit der Wache? „Sie mit einem Armbrustpfeil zu durchbohren?!“ „Sie wollte an den Sonnenstein! Ich hielt sie für einen Dieb!“ Kahai hätte ihm gerade zu gern eine Tracht Prügel verpasst. Aber er durfte nicht. In diesen Hallen sollte Friede herrschen. Und durch mein Blut, was jetzt in den Raum floss, war der Friede gestört. Wieder schnelle Schritte. Angewidert beugte sich eine Heilerin über mich. Alle hatten verzauberte Brillen auf. „Igitt.“ Sie meinte mich. Schnell zerriss sie beide T-Shirts. „Sie muss ins Krankenhaus, sofort.“ „Aliona, hörst du mich?“ fragte Kahai. Ich versuchte zu nicken. Aber ich konnte nicht mehr. Mir wurde schlecht. „Ist sie?“ fragte die Wache. Kahai fasste an meinen Hals. „Nein, sie hat Puls.“ Das war das Letzte was ich hörte. Ich fühlte mich, als fiele ich in Wasser. Alles hörte sich dumpf an. Dann knipste jemand den Mond aus. Alles wurde schwarz.

Mein Aufwachen wurde von höllischen Schmerzen im ganzen Oberkörper begleitet. Ich konnte den linken Arm, dessen Schulter durchbohrt war, nicht mehr bewegen. Oder war er weg? Ich spürte Finger. Also musste er noch da sein. Ich lag auf einem weichen Krankenhausbett. Die Luft war klinisch rein. Typisch für unser Krankenhaus im Dorf. Ich hörte gedämpfte Stimmen. „Weck sie auf! Ich muss mit ihr reden!“ „Mit Verlaub König. Ich wünschte mir sie wäre weg, aber sie ist zu schwach. Sie muss allein zu sich kommen!“ Das war eine Heilerin. Ich öffnete die Augen. Der Schmerz ließ langsam nach. Ich hustete. Meine Maske war ab, es musste Nacht sein. Alavin war sofort neben mir. „Was hast du in dieser Halle zu suchen gehabt?!“ fuhr er mich an. „Ich wollte Sonnensteine sehen.“ Das war nicht einmal gelogen. Er verpasste mir eine Ohrfeige. „DU HAST KEINE SONNENSTEINE SEHEN ZU WOLLEN!“ Wieder eine Ohrfeige. Die Heilerin sah zu. Müsste sie nicht eigentlich einschreiten? „Dich gehen die Sonnensteine absolut nichts an! Du bist eine Geächtete, eine ekelhafte, hässliche Missgeburt!“ Der letzte Schlag beförderte mich wieder ins Traumland.

Ich musste Tage geschlafen haben. Die Schmerzen waren fast verschwunden. Meine Schulter war verbunden, der Arm lang in einer Schlinge. Ich tastete vorsichtig nach der Wunde. Zehn Zentimeter darum war das Fleisch dick angeschwollen. Aber ich spürte kein Blut mehr. Eine Heilerin kam. „Lass das.“ sagte sie barsch und nahm meine Hand weg. Sie öffnete den Verband und nahm ihn ab. Mit einem feuchten Tuch, das stark nach Kräutern roch, wischte sie um die Wunde herum. Sie hatte sich zusammengezogen und eine Kruste gebildet. Die Heilerin cremte die Wunde ein und ließ sie abtrocknen. Kaum war sie fertig, ging sie raus, ohne ein weiteres Wort wie „Wird schon wieder, mach dir keine Sorgen.“ oder „Keine Angst, ich bin da.“ zu sagen.

Annika kam in der folgenden Nacht durchs Fenster. „Hallo Süße!“ sagte sie leise. „Leonardos Antwort ist da.“ Sie lächelte. „Aber wie geht’s dem Arm?“ „Schmerzt noch.“ war meine Antwort. Sie küsste mich auf die Stirn. Sie holte einen kleinen Brief heraus und las vor:

Hallo Aliona!

Der Bote ist gerade erst angekommen, ich schicke ihn gleich wieder zurück mit einem neuen Brief. Ich verrate dir jetzt nur wo du uns findest. Ich bin mir sicher, dass du bald kommst, mein eines Auge kribbelt schon wie verrückt.

Adresse: „Der Maskenmacher ist ein Elf, wusstest du das nicht? Sei pünktlich und verspäte dich bloß nicht. Die Türen sind offen und wieder zu, er lässt dich nur ein wenn du ein Freund bist, juhu!“

Es tut mir leid, dass die Zeilen ziemlich dämlich sind, aber nur so und nicht anders wirst du uns finden können. (und, dass das Versmaß absolut nicht passt, aber da war ich 4, als ich das gedichtet hab)

Ich werde bemerken wenn du kommst!

Kuss Leonardo

„Ich werde die erstbeste Gelegenheit nutzen.“ flüsterte ich. „Ich schreibe für dich zurück, dass du dich erst auskurieren musst.“ sagte Annika. „Du hast doch schon geschrieben.“ Sie lächelte. „Ja ok hab ich. Gleich als der Bote eintraf. Gute Nacht Spätzchen und träum was Schönes!“ Sie breitete ihre zarten Flügel aus und flatterte aus dem Fenster.

Drei Wochen später war die Wunde so gut wie verheilt. Ich wurde nach Hause geschickt. Sie wollten mich nicht länger als dringend nötig da behalten.

Ich merkte sofort eine Veränderung. Zwei Wachen begleiteten mich zum Haus. Und sie gingen nicht einmal als ich die Tür vor ihnen schloss.

Alavin ließ mich bewachen. Tag und Nacht. Ich konnte nicht mehr ungestraft oder ungesehen irgendwo hin, ohne, dass mir mindestens eine Wache folgte.

Serem hatte seinen Spaß daran mich mit meinem kaputten Arm zu ärgern. Er kniff in ihn, boxte mir auf die Schulter. Einmal hatte ich mich vor Schmerz in die nächste Mülltonne übergeben. Er fand es lustig und war selbstgefälliger als vor der Verwandlung seiner Schwester.

Ich wurde wachgerüttelt. „Alavin will dich sprechen.“ sagte die Wache. Ich stand auf, den Arm nach wie vor in einer Schlinge und zog mich an.

Sie brachten mich zu viert in Alavins Haus.

Serem war auch da und seine beiden „Freunde“. Sympha häkelte im Hintergrund. Dieses Haus war über und über mit Gold, Samt und Seide bedeckt. Die Luft war schwer von Parfüm, stickig. Darum mochte ich mein Haus auch lieber. „Dein Vergehen den Sonnenstein zu stehlen-„ sagte Alavin. „Ich habe ihn nicht gestohlen!“ sagte ich. Serem knurrte bedrohlich. „Dieses Vergehen muss bestraft werden.“ fuhr Alavin fort. „Und was habt ihr vor? Mir, wie einem Dieb, die Hände abzuhacken, nur um mich dann füttern zu dürfen?“ fragte ich scharf. Serems Knöchel traten weiß hervor, so fest klammerte er sich an seinen Dolch an seinem Gürtel. Er hatte seine Uniform an, und war komplett bewaffnet. „Nein.“ sagte Alavin. Er sah mich immer noch nicht an. „Wir werden dir Handschuhe geben. Strafhandschuhe.“ Ich zuckte zurück. Strafhandschuhe waren das Schlimmste, das einem Elfen mit den Händen passieren konnte. Wenn der Besitzer der Handschuhe meinte, du hast etwas Böses getan, so brachen sie dir die Hand, quetschten dich ein oder erhitzten sich. Früher war es eine beliebte Folter gewesen. Aber mittlerweile waren die Handschuhe selten und sofern ich wusste, existierte im Dorf nur noch ein Paar. Und das hing mir gegenüber an der Wand. „Ich sehe schon, du magst diese Idee.“ sagte Alavin. Er lachte freudlos. „So können wir dich besser unter Kontrolle halten!“ sagte er. „Ach ja?! Euch geht es nur darum mich zu quälen! WIESO?! WIESO FRAG ICH DICH! WAS HABE ICH DIR GETAN?! Ich bin eine Jung Elfe. Ich habe es nicht verdient so behandelt zu werden! Töte mich doch lieber sofort! Dann „belästige“ ich niemanden mehr!“ Serem schrie auf und verpasste mir einen Faustschlag. Ich taumelte zurück, stolperte und knallte mit dem Kopf voran auf den Couchtisch. Alavin war außer sich vor Wut. Aber nicht auf mich. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?! Die Maske hätte brechen können!“ schrie er Serem an. Die Maske… brechen. Ich hatte ein Knacken gehört. Das musste mein Schädel gewesen sein. „Aber sie ist nicht gebrochen!“ sagte Serem sauer. Ich drückte mich vorsichtig hoch. Da war kein Schmerz. Es war- als wäre ich befreit. Ich sah runter. Und vor mir lagen Scherben. Ich fuhr an mein Gesicht. Die Maske fiel ab. Sie war zerbrochen.

3

Die Wache stupste angsterfüllt die andere an. „Herr-„ sagte dieser heiser. Alle wandten sich um. Ich zog die Schnüre auseinander. Die Maske war- sie war zerstört. Ich war FREI! Ich drehte mich und blickte Alavin direkt in die Augen. Er schlug sich mit den Händen vors Gesicht und taumelte schreiend zurück. Ich blickte mich Raum um. Serem sprang schreiend beiseite und wälzte sich auf dem Boden. Die Wachen zuckten zurück und hechteten davon. Mein Fluch griff um sich. Jeder Elf der mich ansehen würde, würde Höllenqualen erleiden! Und zum ersten Mal in meinem Leben- wollte ich, dass sie das erlitten.

Ich überlegte kurz, ich musste fliehen. Jetzt oder nie, ehe sie wieder zu sich kamen, Brillen aufsetzten und mir eine neue Maske verpassten. Ich rannte raus. Den Göttern sei Dank! Es war bewölkt. Ich lief zu meinem Haus. „SIE HAT KEINE MASKE MEHR!“ schrie eine Frau. Alle rannten beiseite oder wandten ihr Gesicht ab. Habt Angst vor mir! Los verschwindet! Je mehr ihr auseinander stürmt, desto einfacher hab ich es!

Ich riss die Tür zu meinem Haus auf und schloss sie sofort hinter mir ab. Ich räumte den schweren Schrank davor. Und plötzlich bebte das Haus. Wie bei einem Erdbeben, aber nichts fiel herunter. Eine Wand zersprang. Und gab den Blick auf einen Schrank frei. Ein Reisegewand hing da. Als ich es berührte hatte ich es plötzlich an. Ein Messer steckte an meinem Bein. Aus der Küche und meinem Zimmer flogen verschiedene Sachen. Sie wurden immer kleiner und verstauten sich in meinem neuen Anzug. Der Anzug war magisch. Gehetzt blickte ich mich um. Wachen liefen um mein Haus herum. Wie kam ich hier raus?! Schnell das Fotoalbum und alles aus meinem Dielenversteck eingepackt. Auch wenn es nicht mehr viel war.

Im Wohnzimmer polterten sie gegen die Tür. Der Kasten rührte sich kaum. Als wäre er fest mit dem Haus verwurzelt. „Haus! Bitte ich muss aus dem Dorf raus!“ Der Anzug wurde kurzärmelig. Die Stiefel schnürten sich fest, so konnte ich besser laufen. Dann krachte der Dielenboden. Während er aufbrach, nahm ich ein Feuerzeug und verbrannte die Zeitschrift in der ich meine ganzen Schriftsachen aufbewahrte. Besser so, als das sie es fanden. Ein Schwall eisiger Kälte empfing mich. Ein Loch war im Boden. Und darunter ein Tunnel. Der Kasten drohte umzukippen. „Hab ich alles?“ Der Tunnel seufzte schaurig schön „Ja.“ Als ich in das Loch sprang hörte ich die Tür splittern.

Ich rutschte pfeilschnell den Tunnel runter. Hinter mir schloss sich die Erde, damit ich nicht verfolgt werden konnte. Dennoch war ich mir sicher, dass jetzt sämtliche Wachen nach mir ausschwärmen würden. Ich war zu Fuß und sie mit Flügeln unterwegs. Wir wussten alle wer schneller war…

Ich merkte wie der Tunnel flacher wurde. Ich sah Licht und dann plumpste ich in den grünen Wald. Ich fasste es nicht. Ich war- war wirklich aus dem Dorf draußen! Oh Gott! Aber- wo musste ich hin? Überall waren fremde Geräusche, Gerüche. Ich war unsicher. Ich richtete mich auf und sah mich um. Irgendwo musste ich mich doch bitte orientieren können! Ich wusste das es ungefähr Zwölf war, aber die Sonne konnte ich nicht sehen. Ich musste nur genug Entfernung zwischen das Dorf und mich bringen. Ich rannte also querfeldein durch den Wald, in der Hoffnung, sie würden erst Mal wo anders suchen.

Aber ich hatte mich getäuscht. Ich hörte das Wispern der kräftigen Flügel. Sie mussten irgendwo hinter mir sein, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie mich sahen. Ich rannte durch die Büsche, damit sie mich nicht allzu gut sahen. Doch es war zu spät „DA IST SIE!“ „Scheiße!“ entfuhr es mir.

„Treibt sie zum Wasserfall!“ hörte ich sie rufen. Ein Elf schnitt mir den Weg, den ich vorher gelaufen war, ab. Ich rannte scharf an ihm vorbei und versuchte wieder auf den alten Kurs zu kommen. Aber immer mehr Elfen halfen.

 

Ich hörte das Rauschen. Sah die Klippe und konnte gerade so vor dem Abgrund abbremsen. Direkt vor mir stürzte das Wasser 30 Meter oder sogar mehr in die Tiefe. Ich schluckte. Das Wispern hörte auf. Sie landeten hinter mir. Die Elfen standen im Halbkreis um mich herum. „So, jetzt ist’s vorbei mit der Verfolgungsjagd.“ lachte Serem. Sämtliche Elfen hatten die Flügel hoch aufgereckt. Ich sah Flügel selten, deshalb fesselten mich die verschiedenen Farben und Formen. Die spitzen Ohren waren nun auch da. Serem und die anderen schnaubten kräftig. „Schicke Sachen, woher hast du die?“ fragte eine Wache lässig. „Geschenkt.“ fauchte ich. „Oh mutig, mutig ist die Kleine jetzt!“ höhnte Titan. Jetzt wusste ich warum er Titan hieß und nicht mehr Lukar. Seine Flügel waren grau und sahen beinahe stählern aus. Serems Flügel waren kräftig blau, schmal und spitz, typische männliche Flügel. Die nichts mit Grazie zu tun hatten, sondern einfach nur mit Kraft. Die Farben waren wild gewählt, alles sah ich, dunkelrot, dunkelgrün. schwarz. Es waren nur dunkle Farben. „Und jetzt komm her Aliona, sei brav und lass dich ins Dorf zurückführen.“ sagte Serem zuckersüß und streckte die Hand aus. Ich blickte lieber hinter mich auf den Wasserfall. „Da geht’s 30 Meter runter.“ sagte Luv lässig. „Ich sehs.“ „Ach Luv, tu unserer kleinen Missgeburt doch den Gefallen und nenn ihr ihre Chancen wenn sie da runter springt.“ sagte Serem lässig. „Wenn du springst liegt die Chance bei 50% dass wir dich kriegen, im Flug oder im Wasser. 45% beträgt die Chance, dass du stirbst bei dem Sprung. 3%, dass du auf einen Stein aufschlägst an der Wand und 2%, dass du überlebst.“ Alle lachten auf. Sie fanden das also lustig ja?! „Also bei 2% würde ich nicht mehr springen! Da müsste ich vollkommen plemplem sein.“ sagte Titan. Wieder lachten sie alle. „Sie springt so oder so nicht, sie hat viel zu viel Angst!“ sagte Luv. Alle bogen dich vor Lachen. „Also komm!“ sagte Serem nun wieder ernst. „Ihr hättet mehr Zeit mit mir verbringen sollen. Mir zuhören sollen.“ sagte ich leise. „Dann hättet ihr gewusst, dass eine Chance von 2% immer noch eine Chance für mich ist, das Dorf lebend zu verlassen.“ Alle erbleichten. Ich drehte mich um, lief den letzten Meter und sprang.

Nach einer Schrecksekunde schossen die Elfen hinter mir her. Ich ballte Fäuste um mich vor dem Aufschlag ins Wasser zu schützen. Ich konnte mich nicht drehen. Ich musste so runter. Die Elfen holten auf. Titan griff nach mir, aber ich sauste durch seine Arme. Zwei Elfen schnitten mir den Weg ab, aber ich holte aus und schlug nach den Flügeln. Sie schrien erschrocken und trudelten beiseite. Dann atmete ich tief ein und aus. Mit einem lautem Knall durchstieß ich die betonartige Wasseroberfläche. Das Wasser war eiskalt. Ich schrie fast. Aber ich musste nach oben. Ich brauchte wieder Luft. Ich schwamm, aber durch die Strömung war es alles andere als leicht nach oben zu kommen. Das kalte Wasser brannte an meinen Gliedmaßen. Dann durchbrach ich endlich die Oberfläche. Wassertropfen spritzen hoch auf. „DA IST SIE!“ riefen die Elfen. Sie flogen mir hinter her. Ich hustete einige Male, atmete tief ein. Meine einzige Chance nicht gepackt zu werden, war unter Wasser zu bleiben. Kurz bevor Serem mich fassen konnte, tauchte ich unter.

Das machte ich ein paar Mal. Aber der Fluss, in dem ich schwamm, lähmte langsam meine Glieder. Es war immer schwerer wieder aufzutauchen. „Sie wird müde! Wir müssen sie aus dem Wasser fischen oder sie stirbt!“ rief Luv. Seine Seile kamen auf mich zu. Ich war angestrengt und atmete tief ein. Da drückte mich eine Welle unter Wasser. Sie drückte mich nah an den Boden, die Seile verfehlten mich. Aber eines wickelte sich um mein Bein. Er zog kräftig daran. Ich konnte das Triumphgeschrei fast hören. Alle zogen jetzt. Aber ich hatte das Messer. Ich riss es raus und schnitt einmal am Seil. Es riss und der Fluss drückte mich mit ungeheurer Wucht weiter. Ich steckte das Messer weg und versuchte rauf zu kommen. Aber meine Arme gehorchten mir nicht mehr. Sie waren taub und bewegten sich kaum. Verzweifelt versuchte ich die Oberfläche zu erreichen. Aber sie verschwand vor meinen Augen. Gut, dann geht es ebenso zu Ende. Ertrinken, wenn man nichts mehr spürt.

Serem und die anderen suchten verzweifelt nach mir. „Verdammt noch eins!“ Serem flog nah über das Wasser und versuchte mich auszumachen. Er sah nichts. „Die 2% waren eben doch zu wenig.“ sagte Luv. „Das darf nicht sein! Nein, nein, nein, nein!“ rief Serem. Er schraubte sich hoch. „Alavin wird uns köpfen! Er hat gesagt, wenn sie stirbt, lyncht er uns!“ sagte er verzweifelt. „Vielleicht hat sie einfach länger die Luft angehalten. Sie feixt vielleicht grade über unsere Dummheit.“ meinte Titan. „Nein, das sind jetzt beinahe zwei Minuten. Sie hat kein Training, sie ist tot, ertrunken. Und wir sind’s bald auch. Kommt, wir fliegen zurück.“

Ich fühlte Sand an meiner Wange. Warmen Sand. Ich öffnete die Augen. Mir war schlecht. Und eiskalt. Die Sonne stand niedrig. Ich drehte mich auf den Rücken und dann wieder auf den Bauch. Wasser war in meiner gesamten Kleidung, aber ich war zu schwach mich auszuziehen.

„SIE IST TOT?!“ Alavin tobte im Thronsaal. „Habt ihr eine Ahnung was ihr Vollidioten da getan habt?!“ schrie er sie an. „Wo ist ihre Leiche?“ sagte er bebend. Serem kniete verzweifelt vor Alavin. „Wir haben sie nicht gefunden. Der Fluss muss sie mitgerissen haben.“ jammerte er verzweifelt. Alavin schlug ihn. „Wie hoch war die Chance, dass sie stirbt?“ fragte er Luv. „48%“ sagte er stotternd. „Und das ihr sie fangt?“ „50%“ „Und die restlichen zwei?“ polterte Alavin. Sein Gesicht war zorngerötet. „2% war die Chance, dass sie es überlebt. Wir haben ihr gesagt, dass es albern wäre zu springen. Aber sie meinte, eine Chance ist eine Chance.“ sagte Luv vorsichtig. Alavin knirschte mit den Zähnen. „Doch nicht so dumm wie ich dachte.“ knurrte er. „Ihr geht sie suchen! Schwärmt überall hin aus!“ sagte er. „Aber sie ist wahrscheinlich tot-„ fing Serem an. Alavin riss ihn hoch. „SIE IST ERST TOT, WENN IHRE LEICHE VOR MIR LIEGT, KAPIERT?!“ schrie er ihn an. „2% ist eine Chance, da hat sie recht! Und dieses Luder hat schon Vieles überlebt! Und das mit Sicherheit auch! Geht nach Italien und sucht Leonardo! Da wird sie versuchen zuerst unterzukriechen und sich eine neue Maske kaufen!“ fauchte er. „Leonardo? Der Maskenmacher, der ihre alte Maske gefertigt hat?“ fragte Titan. „Genau der!“ „Aber es ist zu weit. Sie wird es niemals schaffen-„ „NIEMALS! Ja genau niemals! Wir haben auch gesagt, dass sie NIEMALS aus dem Dorf fliehen kann! Sie schafft es! Und wenn sie dafür ihren Fluch einsetzt, dass sich jeder Mensch in sie verliebt, sobald er ihr Gesicht sieht!“ schrie Alavin. Schert euch, ehe ich mich ganz vergesse!“

Ich erbrach mehrere Liter Flusswasser. Mir war eisig kalt. Sachte knöpfte ich im liegen die Jacke und das Hemd auf, legte sie beiseite. Ich konnte nur hoffen, dass die Sonne die Sachen trocknen würde. Aus meinen Stiefeln floss literweise das Flusswasser. Ich legte mich hin und zog die Hose aus. Da blitzte die Sonne hervor. Schnell krabbelte ich zurück in die kleine Höhle hier. Die Sachen waren beige. Besonders gut konnte man sie nicht sehen. Ich rollte mich klein zusammen. Die Sonne wärmte die Höhle auf. Es wurde heiß und stickig. Aber es würde mich wieder aufwärmen.