Stolz und Vorurteil

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11. KAPITEL

Als die Da­men sich nach dem Es­sen zu­rück­zo­gen, ging Eli­sa­beth zu ih­rer Schwes­ter hin­auf, half ihr, sich warm an­zu­zie­hen, und ge­lei­te­te sie ins Wohn­zim­mer hin­ab, wo ihre bei­den Freun­din­nen sie un­ter leb­haf­ten Be­teue­run­gen ih­rer großen Freu­de emp­fin­gen. Eli­sa­beth hat­te die bei­den noch nie­mals so nett und freund­lich ge­se­hen. Sie hat­ten alle mög­li­chen Ein­zel­hei­ten von ih­ren Lon­do­ner Ge­sel­lig­kei­ten zu be­rich­ten, er­zähl­ten al­ler­hand An­ek­do­ten voll Hu­mor und mach­ten sich in bes­ter Lau­ne über ihre Be­kann­ten lus­tig.

Aber kaum tra­ten die Her­ren ein, als Jane nicht mehr wei­ter im Mit­tel­punkt stand. Ca­ro­li­ne hat­te nur noch Au­gen für Dar­cy, und sie sprach schon mit ihm, be­vor er die An­we­sen­den noch be­grüßt hat­te. Er sei­ner­seits wand­te sich so­gleich an Jane mit ei­nem höf­li­chen Glück­wunsch; Mr. Hurst ver­stieg sich eben­falls zu ei­ner leich­ten Ver­beu­gung in ih­rer Rich­tung und mur­mel­te et­was von »sehr er­freut sein«; aber wirk­li­che Herz­lich­keit und Wär­me spra­chen nur aus Bingleys Be­grü­ßung. Er war ganz Freu­de und Auf­merk­sam­keit.

Die ers­te hal­be Stun­de ver­brach­te er da­mit, das Feu­er zu schü­ren und Schei­te auf­zu­le­gen, da­mit der Zim­mer­wech­sel sich nicht nach­tei­lig für Jane aus­wir­ken soll­te. Auf sei­ne Bit­te hin setz­te sie sich auf die an­de­re Sei­te des Ka­mins, wei­ter fort von der Tür. Dann ließ er sich an ih­rer Sei­te nie­der und sprach kaum ein Wort mit den an­de­ren. Eli­sa­beth be­ob­ach­te­te das al­les bei ih­rer Hand­ar­beit mit größ­ter Ge­nug­tu­ung.

Als das Tee­ge­schirr weg­ge­räumt war, er­in­ner­te Mr. Hurst sei­ne Schwä­ge­rin an den Kar­ten­tisch; aber um­sonst. Sie hat­te in Er­fah­rung ge­bracht, dass Dar­cy kei­ne Lust zum Kar­ten­spie­len habe, und sie gab des­halb Mr. Hurst zu ver­ste­hen, dass über­haupt nie­mand spie­len wol­le. Da das all­ge­mei­ne Schwei­gen ihr recht zu ge­ben schi­en, blieb ihm also nichts an­de­res üb­rig, als sich auf ei­nem der So­fas aus­zu­stre­cken und die Zeit zu ver­schla­fen. Dar­cy las; Ca­ro­li­ne tat des­glei­chen. Und Mrs. Hurst, die sich haupt­säch­lich da­mit be­schäf­tig­te, mit ih­ren Rin­gen und Arm­bän­dern zu spie­len, be­tei­lig­te sich hin und wie­der an dem Ge­spräch ih­res Bru­ders mit Jane.

Ca­ro­li­nes Auf­merk­sam­keit galt we­ni­ger ih­rer ei­ge­nen Lek­tü­re als der­je­ni­gen Dar­cys; wenn sie ihn nicht ge­ra­de et­was zu fra­gen hat­te, ver­such­te sie, bei ihm mit­zu­le­sen. Zu ei­nem rich­ti­gen Ge­spräch konn­te sie ihn je­doch nicht ver­füh­ren; er ant­wor­te­te zwar, las je­doch wei­ter. Ganz er­schöpft von dem Be­stre­ben, ir­gend­ein Ver­gnü­gen an ih­rem Buch zu fin­den, das sie nur aus dem Grund ge­wählt hat­te, weil es der zwei­te Band von Dar­cys Buch war, gähn­te sie tief auf und sag­te: »Wie an­ge­nehm, den Abend so zu ver­brin­gen! Es geht doch nichts über ein gu­tes Buch; al­les an­de­re wird zu schnell lang­wei­lig! Wenn ich erst mei­nen ei­ge­nen Haus­halt habe, muss ich un­be­dingt eine gute Biblio­thek mein ei­gen nen­nen.«

Nie­mand ant­wor­te­te. Sie gähn­te wie­der, schob ihr Buch bei­sei­te und sah sich nach ei­nem neu­en Zeit­ver­treib um. Da hör­te sie, wie ihr Bru­der im Ge­spräch das Wort »Ball« er­wähn­te; so­gleich wand­te sie sich ihm zu: »Ach ja, Charles, da du ge­ra­de da­von sprichst: hast du wirk­lich vor, einen Ball auf Ne­ther­field zu ge­ben? Ich rate dir, zu­vor die An­we­sen­den um ihre Mei­nung zu be­fra­gen; ich müss­te mich sehr täu­schen, wenn un­ter uns nicht we­nigs­tens ei­ner ist, für den ein Ball eher eine Stra­fe als ein Ver­gnü­gen wäre.«

»Falls du Dar­cy mei­nen soll­test«, sag­te ihr Bru­der, »der kann zu Bett ge­hen, wenn er Lust hat, be­vor das Fest an­fängt; der Ball fin­det statt, dar­an ist gar nicht mehr zu rüt­teln. So­bald al­les vor­be­rei­tet ist, wer­den die Ein­la­dun­gen ver­schickt.«

»Mir wür­den Bäl­le un­end­lich viel mehr Ver­gnü­gen be­rei­ten«, ant­wor­te­te Ca­ro­li­ne, »wenn man sie end­lich ein­mal ein we­nig an­ders auf­zie­hen woll­te. Die­se üb­li­chen Al­ler­welts-Ver­an­stal­tun­gen sind ge­ra­de­zu un­er­träg­lich stumpf­sin­nig. Es wäre doch viel rich­ti­ger, sich ein­mal ver­nünf­tig zu un­ter­hal­ten, statt nur im­mer zu tan­zen.«

»Rich­ti­ger ja, mei­ne lie­be Ca­ro­li­ne, aber des­halb doch kein Ball. Ein Ball ist nun ein­mal zum Tan­zen da.«

Da­rauf er­wi­der­te Ca­ro­li­ne nichts; aber kurz dar­auf er­hob sie sich und be­gann, im Zim­mer um­her­zu­schrei­ten. Sie hat­te eine schlan­ke Fi­gur, und sie hielt sich gut beim Ge­hen; aber Dar­cy blieb un­er­bitt­lich in sein Buch ver­tieft. Schier in Verzweif­lung be­schloss sie, einen letz­ten Ver­such zu ma­chen; sie wand­te sich zu Eli­sa­beth und mein­te: »Ich kann Ih­nen nur emp­feh­len, mei­nem Bei­spiel zu fol­gen; es ist äu­ßerst wohl­tu­end, sich ein we­nig zu be­we­gen, nach­dem man so lan­ge still­ge­ses­sen hat.«

Eli­sa­beth wun­der­te sich zwar et­was über die­se Auf­for­de­rung, ging aber dar­auf ein. Und Ca­ro­li­ne er­reich­te den ei­gent­li­chen Zweck ih­rer Freund­lich­keit: Dar­cy schau­te auf, und un­will­kür­lich schloss er sein Buch. So­fort er­ging auch an ihn die Ein­la­dung zu ei­nem Spa­zier­gang durchs Zim­mer, die er aber mit der Be­grün­dung ab­lehn­te, er kön­ne sich nur zwei Ab­sich­ten den­ken, die sie ver­an­lass­ten, im Zim­mer auf- und ab­zu­ge­hen, und bei­de Ab­sich­ten wür­den durch sei­ne Be­tei­li­gung durch­kreuzt wer­den. Was er nur da­mit mei­ne? Sie gäbe ihr Le­ben da­für, wenn sie es er­fah­ren dür­fe, ver­setz­te Ca­ro­li­ne, und sie frag­te Eli­sa­beth, ob sie es wohl ra­ten kön­ne?

»Nein, ich habe nicht die ge­rings­te Ah­nung«, war die Ant­wort. »Aber Sie kön­nen sich dar­auf ver­las­sen, dass er nichts Gu­tes meint; wir kön­nen sei­ne Ab­sicht am ehe­s­ten durch­kreu­zen, in­dem wir ihn nicht wei­ter fra­gen.«

Miss Bingley hät­te es aber nicht über sich ge­bracht, Dar­cy so zu ent­täu­schen, und be­stand des­halb auf ei­ner Er­klä­rung.

»Ich hat­te gar nicht vor, mit mei­ner Er­klä­rung hin­ter dem Berg zu hal­ten«, sag­te er, so­bald sie ihn zu Wort kom­men ließ. »Ent­we­der Sie ha­ben sich die­se Art, den Abend zu ver­brin­gen, aus­ge­sucht, weil Sie als Freun­din­nen per­sön­li­che Din­ge zu be­spre­chen wün­schen; oder weil Sie wis­sen, dass Ihre Fi­gu­ren beim Ge­hen am bes­ten zur Gel­tung kom­men. Im ers­ten Fall wäre ich Ih­nen ganz und gar im Wege; im zwei­ten kann ich Sie hier vom Feu­er aus viel bes­ser se­hen und be­wun­dern.«

»Also, das ist wirk­lich scheuß­lich von Ih­nen!« rief Ca­ro­li­ne aus. »Wie kön­nen Sie nur so et­was von uns be­haup­ten! Wie wol­len wir ihn jetzt be­stra­fen?«

»Nichts ein­fa­cher als das, wenn Sie es wirk­lich wol­len«, sag­te Eli­sa­beth. »Sie sind doch so viel zu­sam­men, und Sie müs­sen doch wis­sen, wie man ihn am bes­ten är­gern kann.«

»Aber nein, ich weiß es durch­aus nicht. Das hat mich un­se­re Freund­schaft noch nicht ge­lehrt. Wie soll­te man auch eine so gleich­mä­ßi­ge Lau­ne, einen so schlag­fer­ti­gen Geist ne­cken kön­nen! Nein, dar­in ist er uns wohl über­le­gen. Und la­chen – wir wol­len uns lie­ber nicht lä­cher­lich ma­chen, in­dem wir ohne Grund la­chen. Dar­cy hät­te dann wohl alle Ur­sa­che, uns wirk­lich für tö­richt zu hal­ten.«

»Über Mr. Dar­cy soll man nicht la­chen kön­nen?« rief Eli­sa­beth. »Dann wäre er für­wahr ein sel­te­ner Mensch, und ich hof­fe, er bleibt so sel­ten, denn ich wüss­te mit sol­chen Be­kann­ten nicht viel an­zu­fan­gen. Dazu la­che ich viel zu gern!«

»Miss Bingley«, sag­te Dar­cy, »hat mich ei­ner Ei­gen­schaft ge­rühmt, die un­mensch­lich wäre. Der bes­te und wei­ses­te Mensch oder viel­mehr die bes­te und wei­ses­te Hand­lung kann ins Lä­cher­li­che ver­dreht wer­den, wenn man un­be­dingt über al­les im Le­ben la­chen muss.«

»Al­ler­dings«, er­wi­der­te Eli­sa­beth, »sol­che Men­schen gibt es auch, und ich hof­fe sehr, nicht zu ih­nen zu ge­hö­ren. Was wei­se und gut ist, be­rührt mich durch­aus nicht als ko­misch. Aber jede Tor­heit und je­der Un­sinn, Lau­nen und klei­ne Ei­tel­kei­ten, das al­les amü­siert mich sehr, muss ich ge­ste­hen, und dar­über la­che ich, wo es mir be­geg­net. Und ge­ra­de das al­les, neh­me ich an, sind Ei­gen­schaf­ten, die Ih­nen feh­len.«

»Ganz so voll­kom­men kann nicht ein­mal ich sein. Aber ich bin mein Le­ben lang be­strebt ge­we­sen, alle Schwä­chen zu ver­mei­den, die einen der Lä­cher­lich­keit preis­ge­ben kön­nen.«

»Ei­tel­keit und Stolz, zum Bei­spiel.«

»Ja, Ei­tel­keit ist eine Schwä­che. Aber Stolz – bei ei­nem über­le­ge­nen Geist wird Stolz sich im­mer in Gren­zen hal­ten.«

Eli­sa­beth wand­te sich ab, um ein Lä­cheln zu ver­ber­gen.

»Da­mit dürf­te Ihre Prü­fung Mr. Dar­cys zu Ende sein«, sag­te Ca­ro­li­ne. »Und zu wel­chem Er­geb­nis sind Sie ge­kom­men, wenn ich fra­gen darf?«

»Es ist mir voll­stän­dig klar ge­wor­den, dass Mr. Dar­cy feh­ler­frei ist. Er gibt es ja selbst ganz of­fen zu.«

»Sie ir­ren«, sag­te Dar­cy, »ein sol­cher An­spruch liegt mir ganz fern. Ich habe Feh­ler ge­nug, aber nicht den, so hof­fe ich we­nigs­tens, ohne Ein­sicht und Ver­stand zu sein. Für mei­ne Gut­mü­tig­keit möch­te ich al­ler­dings nicht die Hand ins Feu­er le­gen. Ich bin si­cher­lich zu we­nig nach­sich­tig oder doch nicht nach­sich­tig ge­nug, um nach je­der­manns Ge­schmack zu sein. Ich kann Dumm­heit und Nie­der­tracht an­de­rer Leu­te nicht so leicht über­se­hen, wie ich es viel­leicht soll­te, und auch ein schlech­tes Be­tra­gen mir ge­gen­über nicht. Und schließ­lich, glau­be ich, muss ich mich selbst als emp­find­lich und nach­tra­gend be­zeich­nen; ist mei­ne gute Mei­nung von je­man­dem da­hin, dann gleich für im­mer.«

 

»Gut, das ist wirk­lich ein Feh­ler!« mein­te Eli­sa­beth. »Nach­tra­gend zu sein, ist zwei­fel­los eine häss­li­che Ei­gen­schaft. Aber Sie ha­ben sich Ihren Feh­ler gut aus­ge­sucht; über so et­was kann man sich nicht lus­tig ma­chen. Von mir ha­ben Sie also nichts mehr zu fürch­ten.«

»Mei­ner An­sicht nach hat je­der Cha­rak­ter einen Ge­burts­feh­ler, ir­gend­ei­nen schlech­ten Trieb, der sich durch kei­ne noch so gute Er­zie­hung aus­mer­zen lässt.«

»Und Ihr Ge­burts­feh­ler ist der, an je­dem Men­schen zu viel aus­zu­set­zen.«

»Und der Ihre ist«, er­wi­der­te er lä­chelnd, »ab­sicht­lich al­les miss­zu­ver­ste­hen.«

»Ach, ma­chen wir doch ein we­nig Mu­sik«, rief Ca­ro­li­ne un­ge­dul­dig aus, ge­lang­weilt von ei­nem Ge­spräch, an dem sie kei­nen An­teil neh­men konn­te. »Loui­sa, du hast doch nichts da­ge­gen, dass ich dei­nen Mann in sei­nem Schläf­chen ein we­nig stö­re?«

Ihre Schwes­ter hat­te nicht das Ge­rings­te da­ge­gen, und das Kla­vier wur­de wie­der auf­ge­macht. Dar­cy war ei­gent­lich froh dar­über, wenn er es sich recht über­leg­te; er spür­te die Ge­fahr, die dar­in lag, wenn er sich zu viel mit Eli­sa­beth be­schäf­tig­te.

12. KAPITEL

Am nächs­ten Mor­gen schrieb Eli­sa­beth an ihre Mut­ter, dass Jane sich wie­der wohl­auf füh­le, und ob sie den Wa­gen be­kom­men könn­ten. Aber Mrs. Ben­net hat­te mit der Rück­kehr ih­rer Töch­ter erst für den kom­men­den Diens­tag ge­rech­net und war kei­nes­wegs ge­willt, die­sen Plan ohne wei­te­res ei­nem frü­he­ren Zeit­punkt zu op­fern. Ihre Ant­wort kam da­her Eli­sa­beths Wunsch, mög­lichst bald nach Hau­se zu­rück­zu­keh­ren, durch­aus nicht ent­ge­gen: sie schrieb, der Wa­gen ste­he un­ter kei­nen Um­stän­den vor dem nächs­ten Diens­tag zur Ver­fü­gung, und füg­te in ei­ner Nach­schrift hin­zu, sie kön­ne ihre bei­den Töch­ter gut und gern noch län­ger ent­beh­ren, falls Mr. Bingley und sei­ne Schwes­tern auf eine Ver­län­ge­rung des Be­su­ches drän­gen soll­ten. – Nun, län­ger zu blei­ben kam na­tür­lich nicht in Fra­ge, und Eli­sa­beth wag­te auch zu be­zwei­feln, dass man sie dazu auf­for­dern wür­de; im Ge­gen­teil, sie fürch­te­te, man kön­ne ih­nen vor­wer­fen, sie näh­men die Gast­freund­schaft auf Ne­ther­field un­nö­tig lan­ge in An­spruch. Sie schlug da­her Jane vor, Mr. Bingley um sei­nen Wa­gen zu bit­ten, und schließ­lich ei­nig­ten sie sich, dass sie noch am sel­ben Vor­mit­tag ab­fah­ren woll­ten.

Die­se Mit­tei­lung traf auf vie­le ernst­lich be­sorg­te Pro­tes­te. Jane gab des­halb der wie­der­hol­ten Auf­for­de­rung, we­nigs­tens noch bis zum fol­gen­den Mor­gen zu blei­ben, nach; die Heim­fahrt wur­de also um einen Tag ver­scho­ben.

Ca­ro­li­ne warf sich zwar selbst au­gen­blick­lich die Dumm­heit vor, den Ver­zug ver­schul­det zu ha­ben; denn ihre Ei­fer­sucht und Ab­nei­gung ge­gen die eine Schwes­ter Ben­net wo­gen weit schwe­rer als ihre Zu­nei­gung zu der an­de­ren. Der Herr des Hau­ses da­ge­gen war auf­rich­tig be­trübt, als er von der bal­di­gen Tren­nung hör­te, und ver­such­te im­mer wie­der, Jane da­von zu über­zeu­gen, dass sie noch nicht wohl ge­nug sei, um schon das Haus zu ver­las­sen; aber Jane fühl­te, dass sie rich­tig han­del­te, und blieb fest.

Dar­cy war der Be­schluss sehr will­kom­men; Eli­sa­beth war schon lan­ge ge­nug auf Ne­ther­field ge­we­sen. Sie zog ihn mehr an, als ihm lieb sein konn­te, und Miss Bingley be­nahm sich nicht al­lein un­höf­lich ge­gen sie, son­dern auch her­aus­for­dern­der als je ge­gen ihn selbst. Er nahm sich fest vor, an die­sem letz­ten Tage be­son­ders dar­auf zu ach­ten, dass er sei­ner Be­wun­de­rung kei­nen wei­te­ren Aus­druck gab und dass er in Eli­sa­beth durch nichts ir­gend­wel­che falschen Hoff­nun­gen er­we­cken woll­te: falls ihr über­haupt ein sol­cher Ge­dan­ke ge­kom­men sein moch­te, dann wür­de sie na­tür­lich in sei­nem Be­neh­men an die­sem letz­ten Tage eine Be­stä­ti­gung – oder das Ge­gen­teil – zu ent­de­cken su­chen. Er be­harr­te fest auf sei­nem Vor­satz und sprach wäh­rend des gan­zen Sonn­abends kaum zehn Wor­te mit ihr; als sie ein­mal eine hal­be Stun­de al­lein blie­ben, war er so sehr in sein Buch ver­tieft, dass er sie nicht einen Au­gen­blick an­sah.

Am Sonn­tag nach dem Kirch­gang fand der Ab­schied statt; er kam fast al­len Be­tei­lig­ten ge­le­gen. Ca­ro­li­ne war wäh­rend der letz­ten Mi­nu­ten bei­na­he eben­so höf­lich zu Eli­sa­beth, wie sie herz­lich ge­gen Jane war. Und nach­dem sie die­se lie­be­voll um­armt und ihr ver­si­chert hat­te, wie sehr sie sich freu­en wür­de, wenn sie sich bald ent­we­der auf Ne­ther­field oder in Long­bourn wie­der­se­hen könn­ten, brach­te sie es so­gar über sich, Eli­sa­beth die Hand zu ge­ben.

Zu Hau­se wur­de ih­nen kein über­mä­ßig war­mer Will­komm zu­teil: Mrs. Ben­net war er­staunt, sie schon wie­der zu­rück zu se­hen, schalt sie we­gen der Mühe, die sie den Bingleys da­durch be­rei­tet hät­ten, und bat Jane, sich nicht zu wun­dern, wenn ihre Er­käl­tung sich wie­der ver­schlim­mern soll­te. Nur ihr Va­ter freu­te sich auf­rich­tig, wenn er sei­ne Freu­de auch nicht in vie­le Wor­te klei­de­te; er hat­te ihre An­we­sen­heit in dem Fa­mi­li­en­kreis be­son­ders ver­misst, die abend­li­che Un­ter­hal­tung war ohne Jane und Eli­sa­beth sehr lang­wei­lig ge­we­sen.

Mary be­fand sich wie ge­wöhn­lich in hö­he­ren Re­gio­nen und mach­te ihre Schwes­tern so­gleich mit ih­ren letz­ten Aus­zü­gen und ih­ren neues­ten fa­den­schei­ni­gen Weis­heits­s­prü­chen be­kannt. Ca­the­ri­ne und Ly­dia wuss­ten von nicht min­der wich­ti­gen, wenn auch an­ders­ar­ti­gen Din­gen zu be­rich­ten: ei­ni­ge neue Of­fi­zie­re wa­ren bei ih­rem On­kel zu Gast ge­we­sen; ein Ge­mei­ner war öf­fent­lich aus­ge­peitscht wor­den, und man mun­kel­te tat­säch­lich da­von, dass Oberst Fors­ter dem­nächst hei­ra­ten wol­le.

13. KAPITEL

»Hof­fent­lich hast du heu­te Abend et­was Gu­tes zum Es­sen vor­ge­se­hen«, sag­te Mr. Ben­net am nächs­ten Mor­gen beim Früh­stück zu sei­ner Frau. »Ich glau­be, un­ser Kreis wird einen Zu­wachs er­fah­ren.«

»Durch wen denn? Ich wüss­te nicht, dass wir je­man­den er­war­ten; höchs­tens Char­lot­te Lu­cas, und für sie ge­nügt mein Es­sen doch wohl im­mer noch. Zu Hau­se wird sie be­stimmt nicht oft et­was ähn­lich Gu­tes vor­ge­setzt be­kom­men.«

»Nein, ich mei­ne einen Herrn, und zwar einen frem­den Herrn.«

Mrs. Ben­nets Au­gen leuch­te­ten auf.

»Ein Herr? Ein Frem­der? Doch nicht Mr. Bingley? Jane, du hast ja nicht ein Ster­bens­wört­chen da­von ge­sagt, du Ge­heim­nis­krä­me­rin! Das freut mich aber sehr, Mr. Bingley wie­der bei uns zu se­hen. Aber, du lie­ber Gott, so ein Un­glück! Wir krie­gen so schnell kei­nen Fisch ins Haus!«

»Es ist nicht Bingley«, sag­te Mr. Ben­net, »ich habe un­se­ren Gast noch nie­mals ge­se­hen.«

Die­se Mit­tei­lung er­weck­te na­tür­lich größ­tes Er­stau­nen; und zu sei­nem heim­li­chen Ver­gnü­gen be­stürm­ten ihn sei­ne sechs Da­men von al­len Sei­ten mit Fra­gen.

Erst nach­dem er sich ge­nü­gend an ih­rer großen Neu­gier­de ge­wei­det hat­te, be­quem­te er sich zu ei­ner Er­klä­rung: »Vor etwa ei­nem Mo­nat er­hielt ich die­sen Brief, auf den ich vor vier­zehn Ta­gen ant­wor­te­te; denn die An­ge­le­gen­heit schi­en es mir wert zu sein, dass man sie mit Takt hand­hab­te. Der Brief ist von mei­nem Vet­ter Col­lins; wie ihr wohl wisst, kann er euch nach mei­nem Tode hier vor die Tür set­zen, wenn es ihm Spaß macht.«

»Ach, sprich nicht da­von«, rief Mrs. Ben­net aus. »Sprich nicht von die­sem gräss­li­chen Men­schen. Schreck­lich, wenn ich dar­an den­ke, dass dein gan­zer Be­sitz in frem­de Hän­de über­ge­hen soll. Wäre ich du ge­we­sen, ich hät­te längst ir­gen­det­was da­ge­gen un­ter­nom­men.«

Jane und Eli­sa­beth ver­such­ten, sie auf die Zweck­lo­sig­keit hin­zu­wei­sen, et­was ge­gen eine Erb­be­stim­mung un­ter­neh­men zu wol­len. Es war nicht das ers­te Mal, dass sie einen der­ar­ti­gen Ver­such mach­ten, aber Mrs. Ben­nets Ver­stand hat­te noch je­des Mal al­ler Ver­nunft ge­spot­tet. Und sie muss­te sich auch jetzt bit­ter­lich über die Grau­sam­keit be­kla­gen, mit der man ihre Kin­der zu­guns­ten ei­nes Men­schen ent­erb­te, mit dem man gar nichts zu schaf­fen ha­ben woll­te.

»Die Sa­che ist al­ler­dings höchst pein­lich«, sag­te Mr. Ben­net, »und nichts kann Mr. Col­lins von der schwe­ren Schuld, Long­bourn zu er­ben, rein­wa­schen. Aber wenn du einen Au­gen­blick zu­hö­ren woll­test, wür­den dich viel­leicht In­halt und Ton sei­nes Schrei­bens ein we­nig ver­söhn­li­cher stim­men.«

»Ganz ge­wiss nicht! Ich fin­de es un­ver­schämt von ihm, dir über­haupt zu schrei­ben, und rei­ne Heu­che­lei. Ich ver­ab­scheue falsche Freun­de. Wa­rum strei­tet er sich nicht lie­ber mit dir, wie sein Va­ter es auch schon ge­tan hat?«

»Hör’ zu, du wirst se­hen, dass ge­ra­de die­ser Punkt ihm ei­ni­ge Sor­ge macht.«

Huns­ford bei Wes­ter­ham, Kent 15. Ok­to­ber.

Sehr ge­ehr­ter Herr,

die Un­stim­mig­kei­ten, die zwi­schen Ih­nen und mei­nem ver­ehr­ten Va­ter be­stan­den, sind mir von je­her ein Quell tiefs­ten Un­be­ha­gens ge­we­sen. Seit­dem das Schick­sal ihn mir ent­ris­sen hat, ist mir oft der Wunsch ge­kom­men, die­sen Bruch wie­der zu hei­len. Aber Zwei­fel hemm­ten lan­ge Zeit mei­ne Schrit­te. Ich fürch­te­te, es könn­te als man­geln­de Ehr­er­bie­tung ge­deu­tet wer­den, wenn ich mich mit je­man­dem gut stell­te, mit dem es ihm sein Le­ben lang be­lieb­te, schlecht zu ste­hen. In­des­sen, ich bin jetzt zu ei­nem Ent­schluss ge­kom­men; denn, nach­dem ich zu Os­tern or­di­niert wur­de, habe ich das Glück ge­habt, mit dem Wohl­wol­len der Ehren­wer­ten Lady Ca­the­ri­ne de Bour­gh, Wit­we des Sir Le­wis de Bour­gh, aus­ge­zeich­net zu wer­den, durch de­ren Güte mir das wert­vol­le Pas­to­rat die­ser Ge­mein­de zu­ge­fal­len ist, aus wel­chem Grun­de es mein erns­tes Be­stre­ben sein soll, mich ei­ner ach­tungs­vol­len Dank­bar­keit ge­gen Lady de Bour­gh zu be­flei­ßi­gen, so­wie je­der­zeit be­reit zu sein, die ehr­wür­di­gen Bräu­che zu ze­le­brie­ren, die die Kir­che von Eng­land vor­schreibt. Als Seel­sor­ger be­trach­te ich es zu­dem als mei­ne Auf­ga­be, die Seg­nun­gen der Fried­fer­tig­keit in sämt­li­chen Fa­mi­li­en, die un­ter mei­nem Ein­fluss ste­hen, zu för­dern und zu ver­brei­ten. Des­we­gen schmeich­le ich mir, dass die Hand der Freund­schaft, die aus­zu­stre­cken ich im Be­griff ste­he, gern er­grif­fen wird, und ich hof­fe, die Tat­sa­che, dass ich nächs­ter Erbe von Long­bourn bin, wird von Ih­nen groß­mü­tig über­se­hen wer­den, so­dass die­se mei­ne Hand den Öl­zweig nicht ver­geb­lich an­ge­bo­ten ha­ben muss. Ich kann na­tür­lich nicht um­hin, tief be­küm­mert dar­über zu sein, dass Ihre ver­ehr­ten Töch­ter durch mich ein­mal einen Scha­den er­fah­ren sol­len, und ich bit­te, mei­ne Ent­schul­di­gung an­neh­men zu wol­len zu­gleich mit der Ver­si­che­rung mei­ner Be­reit­wil­lig­keit zu je­der er­denk­li­chen Ge­nug­tu­ung – doch hier­von spä­ter mehr.

Wenn Sie nichts ge­gen mei­nen Be­such ha­ben soll­ten, wer­de ich mir das große Ver­gnü­gen be­rei­ten, Ih­nen und Ih­rer Fa­mi­lie Mon­tag, den 18. No­vem­ber, ge­gen vier Uhr mei­ne Auf­war­tung zu ma­chen; ich dürf­te dann viel­leicht Ihre Gast­freund­schaft bis zum über­nächs­ten Sonn­abend in An­spruch neh­men, was ich ohne Un­ge­le­gen­hei­ten tun kann, da Lady Ca­the­ri­ne weit da­von ent­fernt ist, mir eine ge­le­gent­li­che Ab­we­sen­heit über Sonn­tag zu ver­übeln, vor­aus­ge­setzt, dass je­mand an­ders zur Stel­le ist, um die Pre­digt zu hal­ten.

Da­mit ver­blei­be ich, ge­ehr­ter Herr, mit den er­ge­bens­ten Emp­feh­lun­gen an Ihre Frau Ge­mah­lin und an Ihre Töch­ter

Ihr wohl­ge­neig­ter Freund Wil­liam Col­lins

»Ab vier Uhr dür­fen wir also die­sen Frie­den­sen­gel er­war­ten«, sag­te Mr. Ben­net und schob den Brief wie­der in den Um­schlag zu­rück. »Er scheint ein sehr ge­wis­sen­haf­ter und höf­li­cher jun­ger Mann zu sein, weiß Gott! Zwei­fel­los ein wert­vol­ler Zu­wachs un­se­res Be­kann­ten­krei­ses, falls Lady Ca­the­ri­ne noch öf­ters so gü­tig ist und ihn uns be­su­chen lässt.«

»Na ja, was er da von den Mäd­chen schreibt, klingt gar nicht so dumm. Wenn er wirk­lich die Ab­sicht hat, ir­gend­ein gu­tes Werk an ih­nen zu tun, wer­de ich ihn be­stimmt nicht da­von zu­rück­zu­hal­ten ver­su­chen.«

»Wenn es auch nicht ganz er­sicht­lich ist, wie er sich eine sol­che Ver­gü­tung denkt«, sag­te Jane, »so ist doch sein gu­ter Wil­le sehr an­zu­er­ken­nen.«

 

»Er muss sehr merk­wür­dig sein«, mein­te Eli­sa­beth, »ich wer­de dar­aus nicht recht klug. Sein Brief klingt so fei­er­lich. Und was meint er wohl da­mit, wenn er sich we­gen sei­nes Er­bes ent­schul­digt? Sol­len wir etwa glau­ben, dass er sich da­ge­gen sträu­ben und dass er et­was da­ge­gen un­ter­neh­men wür­de, wenn es in sei­ner Macht läge? Soll­te er so fein­füh­lig sein, Va­ter?«

»Nein, mei­ne Lie­be, das glau­be ich kaum. Im Ge­gen­teil, ich glau­be, er ist al­les an­de­re eher. Die­ses Ge­misch von Krie­che­rei und Wich­tig­tue­rei in sei­nem Brief klingt sehr viel­ver­spre­chend. Ich kann es schon gar nicht mehr er­war­ten, ihn zu se­hen.«

»Was den sti­lis­ti­schen Auf­bau der Epis­tel an­be­trifft«, sag­te Mary, »so kann man ihn als nicht ganz un­eben be­zeich­nen. Die Wen­dung mit dem Öl­zweig scheint mir nicht sehr ori­gi­nell zu sein, aber die Phra­sie­rung ist wohl ab­ge­run­det.«

Ca­the­ri­ne und Ly­dia konn­ten we­der dem Brief noch dem Schrei­ber ir­gend­ein In­ter­es­se ab­ge­win­nen. Es war wohl so gut wie aus­ge­schlos­sen, dass ihr Ver­wand­ter im ro­ten Rock auf­tre­ten wür­de, und es lag schon sehr weit zu­rück, dass ih­nen ein ir­gend­wie an­ders ge­färb­ter Mann hat­te den Hof ma­chen dür­fen.

Mrs. Ben­net hat­te sich wi­der Er­war­ten durch den Brief in ih­rem Groll be­schwich­ti­gen las­sen und sah dem Be­such mit ei­nem Gleich­mut ent­ge­gen, der ih­ren Mann und ihre Töch­ter in Er­stau­nen setz­te.

Mr. Col­lins war auf die Mi­nu­te pünkt­lich und wur­de mit der größ­ten Freund­lich­keit von der ge­sam­ten Fa­mi­lie emp­fan­gen. Mr. Ben­net sag­te al­ler­dings nicht viel; sei­ne Da­men da­ge­gen umso mehr, und auch Mr. Col­lins schi­en we­der zum Re­den ei­ner lan­gen Er­mun­te­rung zu be­dür­fen noch über­haupt dem Schwei­gen sehr ge­neigt zu sein.

Er war ein großer, schwer­fäl­lig wir­ken­der jun­ger Mann von etwa fünf­und­zwan­zig Jah­ren. Er hat­te eine ge­wich­ti­ge, wür­di­ge Hal­tung und über­trie­ben kor­rek­te Ma­nie­ren. Er saß noch nicht lan­ge, da sag­te er der Dame des Hau­ses schon Ar­tig­kei­ten über ihre Töch­ter; mein­te, er habe zwar viel von de­ren Schön­heit ge­hört, aber das Gerücht wer­de in die­sem Fall der Wahr­heit bei Wei­tem nicht ge­recht; und füg­te hin­zu, er kön­ne gar nicht dar­an zwei­feln, dass Mrs. Ben­net bin­nen kur­z­em schon das Ver­gnü­gen ha­ben wer­de, sie alle gut ver­hei­ra­tet zu se­hen. Die­ses Kom­pli­ment war zwar nicht nach dem Ge­schmack der Mehr­zahl sei­ner Zu­hö­rer, doch Mrs. Ben­net, die kei­ne Kost­ver­äch­te­rin war, ant­wor­te­te sehr herz­lich: »Sie sind wirk­lich sehr freund­lich; und hof­fent­lich ha­ben Sie recht mit Ihren Wor­ten, an­dern­falls wird es ja den Ärms­ten schlecht ge­nug er­ge­hen in An­be­tracht ei­ner ge­wis­sen An­ge­le­gen­heit.«

»Sie spie­len auf die Ve­rer­bung ih­res Be­sitz­tums an?«

»Ach ja, Sie ha­ben mei­nen Ge­dan­ken er­ra­ten. Sie müs­sen doch selbst zu­ge­ben, dass die­se Re­ge­lung für mei­ne Töch­ter höchst be­sorg­nis­er­re­gend ist. Nicht, dass ich Ih­nen et­was vor­wer­fen möch­te, ich weiß, die Welt ist vol­ler Un­ge­rech­tig­keit; aber kein Mensch kann je sei­nes Be­sit­zes un­ter sol­chen Um­stän­den froh wer­den.«

»Ich ver­si­che­re Ih­nen, gnä­di­ge Frau, dass ich das volls­te Ver­ständ­nis für Ihre Sor­ge um mei­ne schö­nen Cou­si­nen auf­brin­ge, und ich hät­te noch vie­les zu die­sem The­ma zu sa­gen, wür­de mir nicht mei­ne Scheu da­vor, na­se­weis und vor­ei­lig zu spre­chen, eine ge­wis­se Zu­rück­hal­tung auf­er­le­gen. Und den jun­gen Da­men möch­te ich mei­ne tief­emp­fun­de­ne Zu­si­che­rung ge­ben, dass ich in der Ab­sicht hier­her ge­kom­men bin, ih­nen mei­ne un­be­grenz­te Be­wun­de­rung zu Fü­ßen zu le­ben. Ich will nicht zu viel sa­gen noch nicht; aber wer weiß, wenn wir uns län­ge­re Zeit ken­nen­ge­lernt ha­ben…«

Der Gong, der zum Es­sen rief, un­ter­brach ihn; und die fünf Schwes­tern konn­ten end­lich ihr un­ter­drück­tes be­lus­tig­tes Lä­cheln zei­gen.

Aber Mr. Col­lins be­wun­der­te nicht bloß sie. Die große Hal­le, durch die sie schrit­ten, das Ess­zim­mer mit al­len sei­nen Mö­beln wur­den ein­ge­hend be­trach­tet und in ge­büh­ren­der Wei­se be­staunt. Mrs. Ben­net hät­te all die schö­nen Lob­sprü­che und Schmei­che­lei­en weitaus bes­ser ge­nos­sen, wenn sie sich von dem Ge­dan­ken hät­te frei­ma­chen kön­nen, dass er sich ja nur über sei­nen künf­ti­gen Be­sitz so wohl­wol­lend aus­las­se. Auch das Es­sen ent­ging sei­ner Lob­prei­sung nicht; und in sei­nem Ei­fer be­ging er den Feh­ler, zu fra­gen, wel­che von sei­nen schö­nen Cou­si­nen wohl ihre Kunst an die­sen aus­ge­zeich­ne­ten Spei­sen be­wie­sen habe. Wie grund­ver­kehrt sei­ne Höf­lich­keit an­ge­bracht war, ver­riet eine ge­wis­se Schär­fe in Mrs. Ben­nets Stim­me, als sie ihn dar­über auf­klär­te, dass sie über aus­rei­chen­des Haus­per­so­nal ver­fü­ge und dass ihre Töch­ter in der Kü­che gar nichts zu su­chen hät­ten. Er bat so­gleich um Ent­schul­di­gung für die un­wis­sent­li­che Krän­kung. Worauf ihm in ei­nem mil­de­ren Ton­fall be­deu­tet wur­de, man füh­le sich wirk­lich in kei­ner Wei­se ver­letzt. Sei­ne Ent­schul­di­gungs­re­de nahm nichts­de­sto­we­ni­ger eine gute Vier­tel­stun­de in An­spruch.