Jane Austen: Emma (Neu bearbeitete deutsche Ausgabe)

Text
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

»Auf mein Wort, Emma, zu hören, wie Sie Ihre Vernunft falsch anwenden, genügt beinah, mich genauso denken zu lassen. Besser gar keinen Verstand haben, als ihn so zu gebrauchen, wie Sie es tun.«

»Sicherlich«, rief sie munter, »ich weiß, Sie denken alle so. Ich weiß auch, dass ein Mädchen wie Harriet genau das ist, was jeden Mann entzückt – seine Sinne verzaubert und sein Urteil bestätigt. Oh, Harriet kann es sich leisten, wählerisch zu sein. Sollten Sie selbst je heiraten, Sie wäre genau die richtige Frau für Sie. Und soll man sich über sie, die mit siebzehn gerade erst ins Leben eintritt, erst allmählich bekannt wird, wundern, wenn sie den ersten Antrag, den sie bekommt, nicht annimmt? Nein, lassen Sie ihr Zeit, sich etwas umzusehen.«

»Ich habe es immer für eine sehr törichte Intimität gehalten«, sagte Mr. Knightley darauf, »obwohl ich meine Meinung für mich behalten habe; aber ich bemerke jetzt, dass sie sich für Harriet verhängnisvoll auswirken wird. Sie werden sie mit dem Gedanken an ihre Schönheit und was diese ihr für Rechte verleiht, eingebildet machen, nach einiger Zeit wird niemand in ihrer Umgebung ihr noch gut genug sein. Eitelkeit kann in einem mittelmäßigen Geist großen Schaden anrichten. Nichts dürfte einer jungen Dame leichter fallen, als ihre Erwartungen hochzuschrauben. Es könnte Miss Harriet Smith dann passieren, dass die Heiratsanträge doch nicht so schnell eingehen, obwohl sie ein sehr hübsches Mädchen ist. Männer mit gesundem Menschenverstand wünschen, was sie auch immer darüber sagen mögen, keine dummen Ehefrauen. Männer aus guter Familie wären kaum scharf darauf, mit einem Mädchen von solch dunkler Herkunft eine Verbindung einzugehen – und die meisten vorsichtigen Männer hätten Angst vor den Unannehmlichkeiten und der Schande, in die sie hineingezogen werden könnten, wenn das Geheimnis ihrer Herkunft ans Tageslicht käme. Lassen Sie sie Robert Martin heiraten, und sie wird für immer sicher, geachtet und glücklich sein; aber wenn Sie sie dazu ermutigen, sie könne erwarten, in großartige Verhältnisse einzuheiraten und ihr beibringen, sich nur mit einem Mann von großem Einfluss und entsprechendem Vermögen zufrieden zu geben, dann bleibt sie möglicherweise ihr ganzes Leben lang in Mrs. Goddards Internat hängen – oder mindestens so lange (denn Harriet Smith ist ein Mädchen, das irgendwann einmal irgend jemand heiraten wird), bis sie verzweifelt und dann froh ist, den Sohn des alten Schreiblehrers einzufangen.«

»Wir denken in diesem Punkt sehr verschieden. Mr. Knightley, es würde zu nichts führen, näher darauf einzugehen. Wir würden einander nur noch mehr verärgern. Aber sie Robert Martin heiraten lassen, ist unmöglich, sie hat ihn abgewiesen, und zwar meiner Ansicht nach in einer derart unmissverständlichen Form, die einen zweiten Antrag ausschließt. Sie muss das Unglück, ihn abgewiesen zu haben, auf sich nehmen, worin es auch immer bestehen mag; und was die Ablehnung selbst betrifft, will ich nicht behaupten, ich hätte sie nicht etwas beeinflusst, aber ich versichere Sie, da gab es kaum noch etwas zu tun. Sein Äußeres spricht so sehr gegen ihn und seine Manieren sind so schlecht, dass, wenn sie je geneigt war, ihn vorzuziehen, sie dies jetzt nicht mehr ist. Ich kann mir vorstellen, dass sie ihn ertragen konnte, solange sie nichts Besseres kennengelernt hatte. Er war der Bruder ihrer Freundinnen und gab sich Mühe, ihr zu gefallen; und alles in allem, da sie, wie gesagt, noch nichts Besseres kannte (was ihm sicherlich sehr zustatten kam), konnte sie ihn, während sie in Abbey Mill Farm weilte, durchaus annehmbar finden. Aber die Dinge liegen jetzt anders. Sie weiß jetzt, was ein Gentleman ist; und nur ein Gentleman an Erziehung und Benehmen hat bei Harriet eine Chance.«

»Unsinn, völliger Unsinn, wie ich ihn noch nie gehört habe!« rief Mr. Knightley aus. »Robert Martins Manieren haben Sinn, Ernsthaftigkeit und Humor, die für sich sprechen; und sein Geist hat mehr echte Vornehmheit, als Harriet je zu erfassen vermag.«

Emma gab keine Antwort und versuchte, heiter‐unbeteiligt dreinzuschauen, während sie sich in Wirklichkeit unbehaglich fühlte, sie wünschte sehr, er möge bald gehen, sie bereute nicht, was sie getan hatte, da sie sich immer noch für besser geeignet hielt, derartige Dinge wie weibliche Rechte und Vornehmheit zu beurteilen als er; sie hatte aber dennoch im allgemeinen gewohnheitsmäßig Achtung vor seinem Urteil, weshalb es ihr nicht gefiel, wenn dieses sich so ausgesprochen gegen sie richtete; und es war äußerst unangenehm, ihn so verärgert sich gegenübersitzen zu sehen.

Einige Minuten verstrichen in unbehaglichem Schweigen, während Emma ihrerseits den Versuch machte, vom Wetter zu reden, aber er ging darauf nicht ein.

Er dachte nach. Das Resultat dieses Nachdenkens äußerte sich schließlich folgendermaßen:

»Robert Martin erleidet keinen großen Verlust – wenn er es sich nur klarmachen könnte; und ich hoffe, dass es nicht mehr lange dauert, bis er so weit kommt. Sie wissen wohl selbst am besten, was für Ziele Sie mit Harriet verfolgen, aber da Sie aus Ihrer Vorliebe fürs Ehestiften kein Geheimnis machen, darf man annehmen, dass Sie irgendwelche Ansichten, Pläne und Ideen haben, und ich möchte als Freund nur andeuten, sollten Sie Elton im Auge haben, dann wäre alles meiner Ansicht nach vergebene Liebesmüh’.«

Emma stritt es lachend ab. Er sprach weiter:

»Verlassen Sie sich drauf, Elton wäre nicht der Richtige. Er ist ein anständiger Mann und ein in Highbury geachteter Vikar, aber es ist unwahrscheinlich, dass er eine unüberlegte Verbindung eingehen würde. Er kennt den Wert eines guten Einkommens genau wie jeder andere. Elton mag zwar gefühlvoll reden, wird aber vernünftig handeln. Er kennt seine eigenen Vorzüge genauso gut, wie Sie Harriets Ansprüche zu kennen glauben. Er weiß, dass er ein sehr hübscher junger Mann und überall, wo er hinkommt, beliebt ist; und nach der ganzen Art, wie er in Momenten der Offenheit spricht, wenn nur Männer anwesend sind, bin ich überzeugt, dass er nicht die Absicht hat, sich wegzuwerfen. Ich habe mit angehört, wie er äußerst angeregt über eine Familie junger Damen sprach, mit denen seine Schwestern gut bekannt sind, von denen jede zwanzigtausend Pfund Vermögen besitzt.«

»Ich bin Ihnen sehr verpflichtet«, sagte Emma wiederum lachend. »Falls ich im Sinn gehabt hätte, dass Mr. Elton Harriet heiraten solle, wäre es sehr freundlich gewesen, mir die Augen zu öffnen; aber ich habe augenblicklich nur den Wunsch, Harriet für mich zu behalten. Ich bin tatsächlich fertig mit dem Ehestiften. Ich könnte niemals hoffen, dass mir dasselbe wie mit Randalls noch einmal gelingen würde. Ich werde aufhören, solange es noch möglich ist.«

»Guten Morgen«, sagte er, indem er sich erhob und sie eilig verließ. Er war sehr verärgert. Er konnte die Enttäuschung des jungen Mannes nachfühlen und war todunglücklich darüber, diese dadurch gefördert zu haben, dass er seine Zustimmung gab; und die Rolle, die Emma seiner Überzeugung nach in der Angelegenheit gespielt hatte, verärgerte ihn außerordentlich.

Emma blieb ebenfalls in verärgerter Gemütsverfassung zurück; aber ihr war die Ursache nicht so klar bewusst wie ihm. Sie war durchaus nicht immer so völlig mit sich zufrieden, so ganz davon überzeugt, dass ihre Meinung richtig und die des Gegners falsch sei, wie Mr. Knightley. Er ging mit mehr Selbstsicherheit weg, als er ihr übrig gelassen hatte. Sie war indessen wiederum nicht so niedergeschlagen, als dass nicht etwas Zeit und Harriets Rückkehr das richtige Heilmittel gewesen wäre. Harriets lange Abwesenheit verursachte ihr allmählich Unbehagen. Die Möglichkeit, der junge Mann könnte an diesem Morgen zu Mrs. Goddard gekommen sein, um seine Sache zu vertreten und Harriet dort angetroffen haben, erweckte in ihr die größten Befürchtungen. Die Angst vor einem möglichen Fehlschlag erfüllte sie mit großer Unruhe, und als Harriet in bester Laune endlich auftauchte, ohne für ihre lange Abwesenheit Gründe anzugeben, empfand sie eine Befriedigung, die sie mit sich selbst aussöhnte und sie überzeugte, dass, was Mr. Knightley auch immer denken und sagen mochte, sie nichts getan hatte, was nicht mit Frauenfreundschaft und weiblicher Empfindung zu rechtfertigen wäre.

Er hatte ihr, was Mr. Elton betraf, wohl etwas Angst eingejagt, aber wenn sie sich überlegte, dass Mr. Knightley ihn nicht so gut beobachtet hatte wie sie, weder mit der Anteilnahme, noch (das musste sie sich trotz Mr. Knightleys Behauptungen selbst sagen), wie in diesem Fall, mit ihrer Beobachtungsgabe, dann musste sie sich sagen, er habe voreilig und im Zorn gesprochen, sie nahm sogar an, er habe lediglich ausgesprochen, was er in seiner Verärgerung für die Wahrheit hielt, ohne wirklich Bescheid zu wissen. Sicherlich hatte er Mr. Elton sich offener ausdrücken hören als sie; Mr. Elton mochte auch in Geldangelegenheiten nicht unüberlegt und unbedacht sein, er zog dieselben wahrscheinlich durchaus in seine Betrachtungen ein; aber dann erwog Mr. Knightley wiederum nicht den Einfluss einer starken Leidenschaft, die mit selbstsüchtigen Motiven in Fehde lag. Mr. Knightley nahm diese Leidenschaft nicht wahr und dachte deshalb auch nicht über ihre Auswirkung nach, aber sie sah zuviel davon, um daran zu zweifeln, dass die vernunftgemäßen Bedenken überwunden werden könnten; und sie war sicher, dass Mr. Elton nur einen vernünftigen, angemessenen Grad Besonnenheit besaß.

Harriets fröhliche Miene und Betragen stellten ihre gute Laune wieder her; ihre Freundin war zurückgekommen, nicht um von Mr. Martin, sondern von Mr. Elton zu sprechen. Miss Nash hatte ihr etwas erzählt, das sie sogleich mit großem Entzücken wiedergab. Mr. Perry war bei Mrs. Goddard gewesen, um ein krankes Kind zu behandeln, Miss Nash hatte ihn gesehen; und er hatte ihr erzählt, er habe, als er gestern von Clayton Park zurückkehrte, Mr. Elton getroffen und zu seiner Überraschung entdeckt, dass Mr. Elton auf dem Weg nach London sei und nicht die Absicht habe, vor morgen zurückzukommen, obwohl es sein Whist‐Club‐Abend war; den er, soviel er sich erinnere, noch nie versäumt habe; Mr. Perry machte ihm deswegen Vorwürfe und sagte, wie schäbig es von ihm, ihrem besten Spieler, sei, sich davor zu drücken, und Mr. Perry bot all seine Überredungskunst auf, um ihn dazu zu bringen, die Reise doch noch einen Tag zu verschieben, aber vergebens. Mr. Elton war entschlossen, seinen Weg fortzusetzen, und er hatte noch mit ganz besonderer Betonung gesagt, er habe etwas zu erledigen, das keinen Aufschub dulde und etwas über einen beneidenswerten Auftrag, und dass er etwas überaus Kostbares mit sich führe.

 

Mr. Perry verstand zwar nicht alles, war aber ziemlich sicher, dass eine Dame im Spiel sei, und als er ihn daraufhin ansprach, sah Mr. Elton befangen und lächelnd drein und ritt in gehobener Stimmung davon. Das alles hatte Miss Nash ihr erzählt und dann noch ausführlicher über Mr. Elton geplaudert, und indem sie ihr einen bedeutungsvollen Blick zuwarf, gesagt, »sie wisse natürlich nicht, um was für einen Auftrag es sich handle, sie könne nur soviel sagen, dass jede Frau, die von Mr. Elton bevorzugt würde, die glücklichste Frau der Welt sei; denn er habe zweifellos an Schönheit und angenehmem Wesen nicht seinesgleichen«.

9. Kapitel

Mochte Mr. Knightley auch mit ihr streiten, Emma konnte dies indessen nicht gut mit sich selber tun. Er war so sehr verstimmt, dass es viel länger als gewöhnlich dauerte, ehe er wieder in Hartfield erschien; und als sie sich schließlich wieder begegneten, bewies seine ernste Miene, dass er ihr noch immer nicht verziehen hatte. Es tat ihr zwar leid, aber sie hatte nichts zu bereuen. Im Gegenteil, durch den Gesamteindruck der nächsten Tage wurden ihre Pläne und Maßnahmen immer mehr gerechtfertigt und ihr immer teurer.

Das elegant gerahmte Bild gelangte bald nach Mr. Eltons Rückkehr sicher in ihre Hände, und nachdem es über dem Kaminsims des Wohnzimmers aufgehängt worden war, erhob er sich, um es zu betrachten. Er brachte seine unvollendeten Sätze der Bewunderung ganz so seufzend hervor, wie es dem Zweck entsprach; und Harriets Gefühle entwickelten sich sichtlich zu einer so starken und beständigen Zuneigung, wie ihre Jugend und ihre Gemütsverfassung es zuließen. Emma war bald völlig davon überzeugt, dass sie sich Mr. Martins nur soweit erinnerte, als er einen Gegensatz zu Mr. Elton darstellte, was für letzteren nur von Vorteil sein konnte.

Ihre Absichten, den Geist ihrer kleinen Freundin durch häufige gute Lektüre und Unterhaltung zu bilden, waren bis jetzt noch nicht über das Lesen einiger erster Kapitel und den Vorsatz hinaus gediehen, am nächsten Tage fortzufahren. Es war soviel bequemer, zu plaudern, als zu studieren; viel angenehmer, die Phantasie schweifen zu lassen und an Harriets Glück zu arbeiten, als sich abzumühen, deren Begriffsvermögen zu erweitern oder es an nüchternen Tatsachen zu erproben; und das einzige literarische Streben, dem Harriet im Moment oblag, die einzige

geistige Vorsorge, die sie für den Lebensabend traf, bestand darin, in einem dünnen Quartheft aus satiniertem Papier, das ihre Freundin ihr angefertigt hatte, alle ihr unterkommenden Rätsel zu sammeln und abzuschreiben. Das Heft war mit Ornamenten, Monogrammen und trophäenartigen Emblemen verziert.

In unserem literarisch eingestellten Zeitalter sind solche umfangreichen Sammlungen nichts Ungewöhnliches. Miss Nash, die Hauptlehrerin in Mrs. Goddards Internat, hatte mindestens dreihundert abgeschrieben; und Harriet, die den ersten diesbezüglichen Tip von ihr bekommen hatte, hoffte, mit Hilfe von Miss Woodhouse viel mehr zusammenzubringen. Emma stand ihr mit ihrer Erfindungsgabe, ihrem Gedächtnis und Geschmack helfend zur Seite; und da Harriet eine sehr hübsche Handschrift hatte, versprach es sowohl an Gestaltung wie an Umfang eine erstklassige Sammlung zu werden.

Mr. Woodhouse hatte an der Sache fast genauso viel Interesse wie die beiden Mädchen, und er gab sich häufig Mühe, sich an etwas zu erinnern, bei dem es sich lohnen würde, es einzutragen.

»Es gab früher, als er jung war, so viele geistreiche Rätsel – er

wunderte sich, dass er sich ihrer nicht mehr entsinnen konnte, hoffte aber, sie würden ihm bald wieder einfallen.«

Und sie endeten stets mit den Worten: »Kitty, die schöne, aber kalte Maid.«

Auch sein guter Freund Perry, mit dem er über die Sache gesprochen hatte, konnte sich momentan keines Rätsels entsinnen; aber Mr. Woodhouse wünschte, dass er Ausschau halten solle, und da er viel herumkam, könnte man seiner Meinung nach etwas von dieser Seite erwarten.

Seine Tochter wünschte indessen keineswegs, dass sämtliche Intelligenzen von Highbury zum Einsatz gebracht würden. Mr. Elton war der einzige, den sie um Beistand bat. Er wurde aufgefordert, einige gute Rätsel, Scharaden oder Scherzrätsel, an

die er sich erinnern könne, beizusteuern; und es machte ihr Vergnügen zu beobachten, wie er angestrengt bemüht war, sich zu erinnern und, wie sie bemerkte, gleichzeitig darauf achtete, dass nichts Ungalantes, nichts, das man nicht als Kompliment für das schöne Geschlecht auslegen könnte, über seine Lippen käme. Sie verdankten ihm zwei oder drei der artigsten Rätsel, und mit Freude und Frohlocken erinnerte er sich schließlich einer wohl bekannten Scharade und zitierte sie reichlich gefühlvoll:

Mein erstes deutet den Kummer an,

Den mein zweites empfinden wird

Das Ganze das beste Mittel

Den Kummer zu mildern und heilen –

[My first doth affliction denote

Which my second destin’d to feel

And my whole is the best antidote

The affliction to soften an heal –]

Aber sie musste mit Bedauern erklären, dass sie dieselbe schon einige Seiten vorher eingetragen hatten.

»Wie wäre es, wenn Sie selbst eine für uns dichten würden, Mr. Elton?« sagte sie. »Dann könnte man wenigstens sicher sein, dass sie neu ist, und es dürfte Ihnen doch nicht schwer fallen.«

»Oh nein, er hatte noch nie, oder fast nie in seinem Leben so etwas geschrieben. Er sei dazu zu dumm! Er befürchtete, nicht einmal Miss Woodhouse« – er hielt einen Moment inne – »oder Miss Smith könnten ihn dazu inspirieren.«

Schon der nächste Tag brachte indessen einige Inspirationsbeweise. Er kam nur ganz kurz herein, um ein Blatt Papier auf dem Tisch zu hinterlassen, das, wie er sagte, eine Scharade enthielt, die einer seiner Freunde einer jungen Dame, die er bewunderte, gewidmet hatte, die aber, wie Emma aus seinem Benehmen schloss, von ihm stammen müsste.

»Ich biete sie nicht für Miss Smiths Sammlung an«, sagte er. »Da sie von einem Freund stammt, habe ich kein Recht, sie auch nur flüchtig dem Auge der Öffentlichkeit auszusetzen, aber vielleicht macht es Ihnen Spass, sie anzusehen.«

Er wandte sich mit seiner Ansprache mehr an Emma als an Harriet, was Emma ganz verständlich fand. Er war äußerst befangen und es fiel ihm deshalb leichter, ihr in die Augen zu sehen als ihrer Freundin. Im nächsten Augenblick war er verschwunden. – Nach einer kurzen Pause:

»Nimm es«, sagte Emma lächelnd, während sie Harriet das Blatt zuschob – »es ist für dich. Nimm, was dir gehört.«

Aber Harriet zitterte und traute sich nicht, es zu nehmen, und da Emma nie abgeneigt war, wenn man ihr den Vortritt ließ, war sie gezwungen, es selber durchzulesen –

An Miss – – Scharade:

Mein erstes zeigt den Prunk und Pomp der Könige

Herrscher der Welt! ihr Luxusleben und ihr Wohlergehen

Ein ander Bild des Menschen bringt mein zweites;

So sieh ihn hier, den Herrscher aller Meere!

Doch dann! vereinigt, ganz das Gegenteil!

Des Mannes Macht und Freiheit sind verschwunden;

Der Herr der Erde und der Meere neigt als Sklave sich,

Und nur die Frau, die schöne, herrscht allein.

Dein schneller Witz das Wort sehr bald wird finden,

Mög’ Anerkennung leuchten in dem sanften Auge!

[To Miss – – Charade

My first displays the wealth and pomp of kings,

Lords of the earth! their luxury and ease.

Another view of man, my second brings;

Behold him there, the monarch of the seas!

But ah! united, what reverse we have!

Man’s boasted power and freedom are all flown;

Lord of the earth and sea, he bends a slave,

And woman, lovely woman, reigns alone.

Thy ready wit the word will soon supply,

May its approval beam in that soft eye!]

Sie ließ den Blick darüber gleiten, erfasste die Bedeutung, las sie noch einmal durch, um ganz sicher zu sein und saß, nachdem sie sich die Zeilen eingeprägt hatte, glücklich lächelnd da, und während Harriet verwirrt und begriffsstutzig an dem Blatt herumrätselte, sagte sie vor sich hin: »Ausgezeichnet, Mr. Elton, wirklich ganz ausgezeichnet. Ich habe schon schlechtere Scharaden gelesen. Ein unmissverständlicher Hinweis. Ich rechne es Ihnen hoch an. Sie tasten sich vorwärts. Das besagt schlicht und einfach – ›Bitte, Miss Smith, gestatten Sie mir, Ihnen den Hof zu machen. Billigen Sie mit dem gleichen Blick meine Scharade und meine Absichten.‹«

Mög’ Anerkennung leuchten in dem sanften Auge! Genau Harriet. Sanft ist genau der richtige Ausdruck für ihr Auge – die beste Bezeichnung, die man geben kann.

Dein schneller Witz das Wort sehr bald wird finden. »Hmm Harriets schneller Witz! Um so besser. Ein Mann muss schon wirklich sehr verliebt sein, um sie so zu beschreiben. Ah! Mr. Knightley, ich wünschte, Sie könnten dies jetzt sehen; das würde Sie wahrscheinlich überzeugen. Ein einziges Mal in Ihrem Leben müssten Sie zugeben, sich geirrt zu haben. In der Tat, eine ausgezeichnete Scharade – und sehr zweckentsprechend. Die Dinge müssen jetzt bald zu einem Wendepunkt kommen.

Sie musste schließlich mit diesen erfreulichen Betrachtungen, die wegen Harriets eifriger, verwunderter Fragen sonst zu lange gedauert hätten, Schluss machen.

»Was könnte es sein, Miss Woodhouse? – Was könnte es sein? Ich habe nicht die leiseste Ahnung – ich kann es überhaupt nicht erraten. Was kann es möglicherweise sein? Bitte, versuchen Sie, es herauszufinden, Miss Woodhouse. Helfen Sie mir. Ich habe noch nie etwas derart Schwieriges gesehen. Ist es Königreich? Ich wüsste gern, wer der Freund war – und wer die junge Dame sein könnte. Halten Sie sie für gut? Könnte es ›Frau‹ heißen?«

Und nur die Frau, die schöne, herrscht allein. Kann es Neptun sein?

So sieh ihn hier, den Herrscher aller Meere!

Oder ein Dreizack? Oder eine Nixe? Oder ein Hai? Oh nein, Hai hat nur eine Silbe. Es ist sehr geschickt aufgebaut, sonst hätte er es nicht hergebracht. Oh, Miss Woodhouse, glauben Sie, dass wir es je herausbringen werden?«

»Nixen und Haie! Unsinn! Meine liebe Harriet, was stellst du dir eigentlich vor? Was würde es uns nützen, wenn er uns eine von einem Freund verfasste Scharade brächte, die von Nixen oder Haien handelt? Gib mir das Blatt und hör zu.

»An Miss – –«, lies Miss Smith

Mein erstes zeigt den Prunk und Pomp der Könige

Herrscher der Welt! ihr Luxusleben und ihr Wohlergeh’n.

Das heisst court (Hof)

Ein ander Bild des Menschen bringt mein zweites,

So sieh ihn hier, den Herrscher aller Meere!

Das heisst ship (Schiff) – so einfach wie möglich – Nun kommt die Pointe.

Doch dann! vereinigt (courtship – Liebeswerben, weißt du) ganz das Gegenteil!

Des Mannes Macht und Freiheit sind verschwunden;

Der Herr der Erde neigt als Sklave sich,

Und nur die Frau, die schöne, herrscht allein.

Ein sehr passendes Kompliment! – und dann folgt die Nutzanwendung, von der ich annehme, meine liebe Harriet, dass dir das Verstehen nicht schwerfallen wird. Lies sie selbst in Ruhe durch. Sie wurde zweifellos für dich und an dich geschrieben.

Harriet konnte dieser charmanten Überredungskunst nicht lang widerstehen. Sie las die Schlusszeilen und war ganz freudige Erregung. Sie konnte nicht sprechen, was auch nicht nötig war. Es genügte, in Gefühlen zu schwelgen. Emma sprach an ihrer Stelle.

»Es liegt solch eine treffende und persönliche Bedeutung in diesem Kompliment«, sagte sie, »weshalb ich in Bezug auf Mr. Eltons Absichten nicht einen Augenblick Zweifel hege. Du bist es, der seine Zuneigung gilt – und wirst wahrscheinlich bald den durchschlagendsten Beweis dafür erhalten. Ich dachte mir schon, dass es so sein müsse. Ich war schon vorher der Meinung, ich könnte mich nicht so täuschen; aber jetzt ist es vollkommen klar. Sein Geisteszustand ist so völlig entschlossen, wie meine Wünsche in der Angelegenheit es von Anfang an waren, seitdem ich dich kennengelernt habe. Ja, liebe Harriet, ich habe dieses Ereignis von Anfang an herbeigewünscht. Ich war mir nur darüber vorher nicht ganz im klaren, ob eine Verbindung zwischen dir und Mr. Elton wünschenswert und natürlich sei.

 

Beides entspricht einander außerordentlich, sowohl das Mögliche wie das Wünschenswerte! Ich bin sehr glücklich. Liebe Harriet, ich gratuliere dir von ganzem Herzen. Dies ist eine Verbindung, auf deren Zustandekommen eine Frau stolz sein darf. Eine, die nur Gutes bietet. Sie wird dir alles geben, was du wünschst – Rücksichtnahme, Unabhängigkeit, ein angemessenes Heim – du wirst dich inmitten deiner wirklichen Freunde, nahe bei Hartfield und mir befinden, und sie wird unsere Vertrautheit für immer festigen. Dies, Harriet, ist eine Heirat, deren sich keine von uns je wird schämen müssen.«

»Liebe Miss Woodhouse«, und »Liebe Miss Woodhouse«, war alles, was Harriet unter vielen zärtlichen Umarmungen zunächst herausbringen konnte; aber als schließlich doch noch eine richtige Unterhaltung zustande kam, da war ihrer Freundin vollkommen klar, dass sie genauso fühlte, hoffte und sich erinnerte, wie es dem Augenblick angemessen war. Mr. Eltons Überlegenheit wurde uneingeschränkt anerkannt.

»Sie sagen stets das richtige«, rief Harriet aus, »und ich nehme deswegen an, dass dem so sein muss, aber ich hätte es mir eigentlich nicht vorstellen können. Es ist viel mehr, als ich verdiene. Mr. Elton, der doch jede haben könnte! Es gibt nur eine Meinung über ihn, er ist so überlegen. Man denke nur an die zarten Verse – ›An Miss – –‹. Du liebe Zeit, wie klug! Sollte ich wirklich damit gemeint sein?«

»Ich kann es gar nicht in Frage stellen, oder mir eine diesbezügliche Frage anhören, denn es ist Gewissheit. Du kannst meinem Urteil trauen. Es ist wie der Prolog zu einem Theaterstück, wie ein Motto als Überschrift über einem Kapitel, dem bald sachliche Prosa folgen wird.«

»Bestimmt hätte niemand es vor einem Monat erwartet, ich war selbst völlig ahnungslos! Das Unglaublichste, was sich ereignen konnte!«

»Wenn Menschen vom Schlage einer Miss Smith und eines Mr. Elton sich kennenlernen, was merkwürdigerweise tatsächlich vorkommt, dann weicht es derart vom üblichen Kurs dessen ab, was so offenbar und greifbar wünschenswert wäre – was andere Leute veranlasst, Pläne zu schmieden – dass es sogleich in die richtige Form gebracht werden sollte. Du und Mr. Elton, ihr gehört den Lebensumständen nach zusammen – auch euerer jeweiligen Herkunft nach. Euere Heirat wird der Verbindung auf Randalls nicht nachstehen. Es muss wohl etwas in der Luft von Hartfield liegen, das Liebe auf den richtigen Kurs steuert, so dass sie sich in den richtigen Kanal ergießt, wo sie fließen sollte.

›Die treue Liebe, sie verläuft nie glatt –‹

Eine auf Hartfield vorhandene Shakespeare‐Ausgabe würde über diese Zeile eine lange Fußnote bringen.«

»Dass Mr. Elton tatsächlich in mich verliebt sein sollte – ausgerechnet in mich, die ihn bis zum Michaelitag nur vom Sehen kannte, ihn aber noch nie gesprochen hatte! Er, der bestaussehende Mann, den es je gab, ein Mensch, zu dem jedermann aufschaut, fast wie zu Mr. Knightley! Seine Gesellschaft ist so gesucht, dass man allgemein sagt, er brauchte, wenn er wolle, nie ein einsames Mahl einzunehmen, und er erhält mehr Einladungen als die Woche Tage hat. Und wie hervorragend er in der Kirche ist! Miss Nash hat sich von der Zeit an, als er nach Highbury kam, die Texte seiner sämtlichen Predigten aufgeschrieben. Du liebe Zeit! Wenn ich an das erste Mal zurückdenke, als ich ihn sah! Daran hätte ich nicht im Traum gedacht! Als wir hörten, er würde vorbeikommen, liefen die beiden Abbotts und ich ins Vorderzimmer und lugten durch die Scheibengardine, dann kam Miss Nash hinzu und vertrieb uns schimpfend, blieb aber, um ihrerseits hinauszuschauen, mich rief sie indessen sofort wieder zurück und erlaubte es mir ebenfalls, was ich von ihr sehr nett fand. Wir dachten uns noch, wie schön er doch aussieht! Er ging Arm in Arm mit Mr. Cole.«

»Dies ist eine Verbindung, mit der alle deine Freunde, um wen es sich auch handeln mag, einverstanden sein müssen, vorausgesetzt sie haben gesunden Menschenverstand; aber wir brauchen uns in unserem Benehmen ja nicht nach den Dummen zu richten. Wenn ihnen daran liegt, dich glücklich verheiratet zu wissen, dann ist er der Mann, dessen liebenswürdiger Charakter dafür bürgt; wenn sie wünschen, dich in der gleichen Gegend und demselben Kreis etabliert zu wissen, den sie für dich gewählt haben, hier wird es verwirklicht; und sollten sie nur daran interessiert sein, dass du dich, um einen gängigen Ausdruck zu gebrauchen, gut verheiraten sollst, hier ist das ausreichende Vermögen, der ansehnliche Wohnsitz und die Aufstiegsmöglichkeit, um sie zufrieden zu stellen.«

»Ja, sehr wahr. Wie wohlgesetzt sie es ausdrücken! Ich höre Ihnen gern zu, weil Sie alles verstehen. Sie und Mr. Elton sind gleich gescheit. Diese Scharade! Mir wäre nie etwas ähnliches gelungen, selbst wenn ich ein ganzes Jahr darüber gebrütet hätte.«

»Ich schloss schon aus der ganzen Art, wie er gestern ablehnte, dass er die Absicht habe, sich in dieser Kunst zu versuchen.«

»Ich glaube wirklich, es ist ohne Ausnahme die beste Scharade, die ich je zu Gesicht bekommen habe.«

»Auf alle Fälle ist es die zweckentsprechendste.«

»Ich betrachte ihre Länge nicht gerade als Vorzug, derartiges kann im allgemeinen gar nicht kurz genug sein.«

Harriet war zu sehr mit den Zeilen beschäftigt, um genau hinzuhören. Die vorteilhaftesten Vergleiche fielen ihr ein.

»Es ist ein Unterschied«, sagte sie gleich darauf mit glühenden Wangen, »ob ein Mensch mit dem üblichen Durchschnittsverstand sich hinsetzt, wenn er etwas zu sagen hat, und einen kurzen Brief schreibt, oder ob er Verse und Scharaden wie diese verfassen kann.«

Emma hätte sich keine handgreiflichere Ablehnung von Mr. Martins Prosa wünschen können.

»Welch wohlklingende Zeilen!« fuhr Harriet fort, »besonders die beiden letzten! Aber wie soll ich das Blatt je zurückgeben, oder behaupten, ich hätte alles herausgebracht? Oh, Miss Woodhouse, wie sollen wir es anfangen?«

»Überlass das nur mir. Du tust am besten gar nichts. Ich nehme an, er wird heute Abend hierherkommen, ich werde es ihm dann zurückgeben, wir werden irgendwelchen Unsinn darüber äußern, dann brauchst du dir keine Blöße zu geben. Deine sanften Augen werden noch zu gegebener Zeit leuchten. Vertrau mir nur.«

»Oh, Miss Woodhouse, es ist eigentlich schade, dass ich diese schöne Scharade nicht in mein Buch eintragen kann. Ich habe bestimmt keine einzige, die auch nur halb so gut ist.«

»Lass die beiden letzten Zeilen einfach weg, dann sehe ich keinen Grund, sie nicht einzutragen.«

»Oh, aber gerade diese zwei Zeilen sind –« – »Das beste von allem, muss ich zugeben. Behalte sie zum Privatvergnügen. Das Ganze wird nicht schlechter wirken, wenn du sie abtrennst. Die Verse bleiben erhalten und auch ihr Sinn verändert sich nicht. Aber in diesem Fall geht ihre Bestimmung verloren und was übrig bleibt, ist eine sehr hübsche, galante Scharade, die in jede Sammlung passt. Verlass dich drauf, er möchte seine Scharade genauso wenig gering geschätzt wissen wie seine Leidenschaft. Ein verliebter Dichter muss in beiden Fähigkeiten ermuntert werden, oder man soll es überhaupt bleiben lassen. Gib mir das Buch, wenn ich sie eintrage, kann nichts ein schlechtes Licht auf dich werfen.«