Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski

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Aus der Reihe: gelbe Buchreihe #183
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Wo ist aber die Ziege hingekommen, die schuld war, dass der Schneider seine Söhne fortjagte? Das will ich dir sagen. Sie schämte sich, dass sie einen kahlen Kopf hatte, lief in eine Fuchshöhle und verkroch sich hinein. Als der Fuchs nach Hause kam, funkelten ihm ein paar große Augen aus der Dunkelheit entgegen, dass er erschrak und wieder zurücklief. Der Bär begegnete ihm und da der Fuchs ganz verstört aussah, so sprach er: „Was ist dir, Bruder Fuchs, was machst du für ein Gesicht?“ „Ach,“ antwortete der Rote, „ein grimmiges Tier sitzt in meiner Höhle und hat mich mit feurigen Augen angeglotzt.“ „Das wollen wir bald austreiben,“ sprach der Bär, ging mit zur Höhle und schaute hinein: als er aber die feurigen Augen erblickte, wandelte ihn ebenfalls Furcht an; er wollte mit dem grimmigen Tiere nichts zu tun haben und nahm Reißaus. Die Biene begegnete ihm und da sie merkte, dass es ihm in seiner Haut nicht wohl zu Mute war, sprach sie: „Bär, du machst ja ein gewaltig verdrießlich Gesicht, wo ist deine Lustigkeit geblieben?“ „Du hast gut reden,“ antwortete der Bär, es sitzt ein grimmiges Tier mit Glotzaugen in dem Hause des Roten und wir können es nicht herausjagen.“ Die Biene sprach: „Du dauerst mich, Bär, ich bin ein armes schwaches, Geschöpf, das ihr im Wege nicht anguckt, aber ich glaube doch, dass ich euch helfen kann.“ Sie flog in die Fuchshöhle, setzte sich der Ziege auf den glatten geschorenen Kopf und stach sie so gewaltig, dass sie aufsprang, „meh! meh!“ schrie und wie toll in die Welt hineinlief, und weiß niemand auf diese Stunde wo sie hingelaufen ist.

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Daumesdick

Daumesdick

Es war ein armer Bauersmann, der saß abends beim Herd, und schürte das Feuer und die Frau saß und spann. Da sprach er: „Wie ist's so traurig, dass wir keine Kinder haben! Es ist so still bei uns und in den anderen Häusern ist's so laut und lustig.“ „Ja,“ antwortete die Frau und seufzte, „wenn's nur ein einziges wäre und wenn's auch ganz klein wäre, nur Daumens groß, so wollt ich schon zufrieden sein; wir hätten's doch von Herzen lieb.“ Nun geschah es, dass die Frau kränklich ward und nach sieben Monaten ein Kind gebar, das zwar an allen Gliedern vollkommen, aber nicht länger als ein Daumen war. Da sprachen sie: „Es ist wie wir es gewünscht haben und es soll unser liebes Kind sein,“ und nannten es nach seiner Gestalt Daumesdick. Sie ließen's nicht an Nahrung fehlen, aber das Kind ward nicht größer, sondern blieb wie es in der ersten Stunde gewesen war; doch schaute es verständig aus den Augen und zeigte sich bald als ein kluges und behendes Ding, dem alles glückte was es anfing.

Der Bauer machte sich eines Tages fertig in den Wald zu gehen und Holz zu fällen, da sprach er so vor sich hin: „Nun wollte ich, dass einer da wäre, der mir den Wagen nachbrächte.“ „O Vater,“ rief Daumesdick, „den Wagen will ich schon bringen, verlasst Euch darauf, er soll zur bestimmten Zeit im Wald sein.“ Da lachte der Mann und sprach: „Wie sollte das zugehen, du bist viel zu klein, um das Pferd mit dem Zügel zu leiten.“ „Das tut nichts, Vater, wenn nur die Mutter anspannen will, ich setze mich dem Pferd ins Ohr und rufe ihm zu wie es gehen soll.“ „Nun,“ antwortete der Vater, „einmal wollen wir's versuchen.“ Als die Stunde kam, spannte die Mutter an und setzte Daumesdick ins Ohr des Pferdes und dann rief der Kleine, wie das Pferd gehen sollte: „Jüh und joh! hott und har!“ Da ging es ganz ordentlich als wie bei einem Meister und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Wald. Es trug sich zu, als er eben um eine Ecke bog und der Kleine „har, har!“ rief, dass zwei fremde Männer daher kamen. „Mein,“ sprach der eine, „was ist das? da fährt ein Wagen und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu und ist doch nicht zu sehen.“ „Das geht nicht mit rechten Dingen zu,“ sagte der andere, „wir wollen dem Karren folgen und sehen wo er anhält.“ Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein und richtig zu dem Platze, wo das Holz gehauen ward. Als Daumesdick seinen Vater erblickte, rief er ihm zu: „Siehst du, Vater, da bin ich mit dem Wagen, nun hol mich herunter.“ Der Vater fasste das Pferd mit der Linken und holte mit der Rechten sein Söhnlein aus dem Ohr, das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte. Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten, wussten sie nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Da nahm der eine den anderen beiseite und sprach: „Hör, der kleine Kerl könnte unser Glück machen, wenn wir ihn in einer großen Stadt für Geld sehen ließen: wir wollen ihn kaufen.“ Sie gingen zu dem Bauer und sprachen: „Verkauft uns den kleinen Mann, er soll's gut bei uns haben.“ „Nein,“ antwortete der Vater, „es ist mein Herzblatt, und ist mir für alles Gold in der Welt nicht feil.“ Daumesdick aber, als er von dem Handel gehört, war an den Rockfalten seines Vaters hinaufgekrochen, stellte sich ihm auf die Schulter und wisperte ihm ins Ohr: „Vater, gib mich nur hin, ich will schon wieder zurückkommen.“ Da gab ihn der Vater für ein schönes Stück Geld den beiden Männern hin. „Wo willst du sitzen,“ sprachen sie zu ihm. „Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter“ Sie taten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So gingen sie bis es dämmrig ward, da sprach der Kleine: „Hebt mich einmal herunter, es ist nötig.“ „Bleib nur droben,“ sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, „ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.“ „Nein,“ sprach Daumesdick, „ich weiß auch, was sich schickt; hebt mich nur geschwind herab.“ Der Mann nahm den Hut ab und setzte den Kleinen auf einen Acker am Wege, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mauseloch, das er sich ausgesucht hatte. „Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,“ rief er ihnen zu und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mauseloch, aber das war vergebliche Mühe: Daumesdick kroch immer weiter zurück und da es bald ganz dunkel ward, so mussten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern.

Als Daumesdick merkte, dass sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gange wieder hervor. „Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,“ sprach er. „wie leicht bricht einer Hals und Bein.“ Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. „Gottlob,“ sagte er, „da kann ich die Nacht sicher zubringen,“ und setzte sich hinein. Nicht lange, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorübergehen, davon sprach der eine: „Wie wir's nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?“ „Das könnt ich dir sagen,“ rief Daumesdick dazwischen. Was war das?“ sprach der eine Dieb erschrocken, „ich hörte jemand sprechen.“ Sie blieben stehen und horchten, da sprach Daumesdick wieder: „Nehmt mich mit, so will ich euch helfen.“ „Wo bist du denn?“ „Sucht nur auf der Erde und merkt, wo die Stimme herkommt,“ antwortete er. Da fanden ihn endlich die Diebe und hoben ihn in die Höhe. „Du kleiner Wicht, was willst du uns helfen!“ sprachen sie. „Seht,“ antwortete er, „ich krieche zwischen den Eisenstäben in die Kammer des Pfarrers und reiche euch heraus, was ihr haben wollt.“ „Wohlan,“ sagten sie, „wir wollen sehen, was du kannst.“ Als sie bei dem Pfarrhause ankamen, kroch Daumesdick in die Kammer, schrie aber gleich aus Leibskräften: „Wollt ihr alles haben, was hier ist?“ Die Diebe erschraken und sagten: „So sprich doch leise, damit niemand aufwacht.“ Aber Daumesdick tat, als hätte er sie nicht verstanden und schrie von neuem: „Was wollt ihr? Wollt ihr alles haben was hier ist?“ Das hörte die Köchin, die in der Stube daran schlief, richtete sich im Bett auf und horchte. Die Diebe waren ein Stück Wegs zurückgelaufen, endlich fassten sie wieder Mut und dachten: „Der kleine Kerl will uns necken.“ Sie kamen zurück und flüsterten ihm zu: „Nun mach' Ernst und reich uns etwas heraus.“ Da schrie Daumesdick noch einmal so laut er konnte: „Ich will euch ja alles geben, reicht nur die Hände herein.“ Das hörte die horchende Magd ganz deutlich, sprang aus dem Bett und stolperte zur Tür herein. Die Diebe liefen fort und rannten als wäre der wilde Jäger hinter ihnen; die Magd aber, als sie nichts bemerken konnte, ging ein Licht anzünden. Wie sie damit herbeikam, machte sich Daumesdick, ohne dass er gesehen wurde, hinaus in die Scheune; die Magd aber, nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hatte, legte sich endlich wieder zu Bett und glaubte, sie hätte mit offenen Augen und Ohren doch nur geträumt.

Daumesdick war in den Heuhälmchen herumgeklettert und hatte einen schönen Platz zum Schlafen gefunden: da wollte er sich ausruhen, bis es Tag wäre, und dann zu seinen Eltern wieder heimgehen. Aber er musste andere Dinge erfahren; ja, es gibt viel Trübsal und Not auf der Welt! Die Magd stieg, als der Tag graute, schon aus dem Bett, um das Vieh zu füttern. Ihr erster Gang war in die Scheune, wo sie einen Arm voll Heu packte, und gerade dasjenige, worin der arme Daumesdick lag und schlief. Er schlief aber so fest, dass er nichts gewahr ward und nicht eher aufwachte, als bis er in dem Maul der Kuh war, die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte. „Ach Gott,“ rief er, „wie bin ich in die Walkmühle geraten!“ merkte aber bald, wo er war. Da hieß es aufpassen, dass er nicht zwischen die Zähne kam und zermalmt ward, und hernach musste er doch mit in den Magen hinabrutschen. „In dem Stübchen sind die Fenster vergessen.“ sprach er, „und scheint keine Sonne hinein; ein Licht wird auch nicht gebracht.“ Überhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht, und was das schlimmste war, es kam immer mehr neues Heu zur Tür hinein und der Platz ward immer enger. Da rief er endlich in der Angst, so laut er konnte: „Bringt mir kein frisch Futter mehr.“ Die Magd melkte gerade die Kuh, und als sie sprechen hörte ohne jemand zu sehen, und es dieselbe Stimme war, die sie auch in der Nacht gehört hatte, erschrak sie so, dass sie von ihrem Stühlchen herabglitschte und die Milch verschüttete. Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn und rief: „Ach Gott, Herr Pfarrer, die Kuh hat geredet.“ „Du bist verrückt,“ antwortete der Pfarrer, ging aber doch selbst in den Stall und wollte nachsehen, was es da gäbe. Kaum aber hatte er den Fuß hineingesetzt, so rief Daumesdick aufs neue: „Bringt mir kein frisch Futter mehr, bringt mir kein frisch Futter mehr.“ Da erschrak der Pfarrer selbst, meinte, es wäre ein böser Geist in die Kuh gefahren und hieß sie töten. Sie ward geschlachtet, der Magen aber, worin Daumesdick steckte, auf den Mist geworfen. Daumesdick hatte allerdings große Mühe sich hindurch zu arbeiten, doch brachte er's schließlich soweit, dass er Platz bekam, aber als er eben sein Haupt herausstrecken wollte, kam ein neues Unglück. Ein hungriger Wolf lief heran und verschlang den ganzen Magen mit einem Schluck. Daumesdick verlor den Mut nicht. „Vielleicht,“ dachte er, „lässt der Wolf mit sich reden,“ und rief ihm aus dem Wanste zu: „Lieber Wolf, ich weiß dir einen herrlichen Fraß.“ „Wo ist der zu holen?“ sprach der Wolf. „In dem und dem Hause, da musst du durch die Gosse hineinkriechen, und wirst Kuchen, Speck und Wurst finden, soviel du essen willst,“ und beschrieb genau seines Vaters Haus. Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen, drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein und fraß in der Vorratskammer nach Herzenslust. Als er sich gesättigt hatte, wollte er wieder fort, aber er war so dick geworden, dass er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte. Darauf hatte Daumesdick gerechnet und fing nun an in dem Leib des Wolfes einen gewaltigen Lärm zu machen, tobte und schrie was er konnte. „Willst du stille sein,“ sprach der Wolf, „du weckst die Leute auf.“ „Ei was,“ antwortete der Kleine, „du hast dich satt gefressen, ich will mich auch lustig machen,“ und fing von neuem an aus allen Kräften zu schreien. Davon erwachte endlich sein Vater und seine Mutter, liefen an die Kammer und schauten durch die Spalte hinein. Wie sie sahen, dass ein Wolf darin hauste, liefen sie davon, und der Mann holte die Axt, und die Frau die Sense. „Bleib dahinten,“ sprach der Mann, als sie in die Kammer traten, „wenn ich ihm einen Schlag gegeben habe, und er davon noch nicht tot ist, so musst du auf ihn einhauen und ihm den Leib zerschneiden.“ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters und rief: „Lieber Vater, ich bin hier, ich stecke im Leib des Wolfs.“ Sprach der Vater voll Freuden: „Gottlob, unser liebes Kind hat sich wiedergefunden,“ und hieß die Frau die Sense weg tun, damit Daumesdick nicht beschädigt würde. Danach holte er aus und schlug dem Wolf einen Schlag auf den Kopf, dass er tot niederstürzte; dann suchten sie Messer und Schere, schnitten ihm den Leib auf und zogen den Kleinen wieder hervor. „Ach,“ sprach der Vater, „was haben wir für Sorge um dich ausgestanden!“ „Ja, Vater, ich bin viel in der Welt herumgekommen; gottlob, dass ich wieder frische Luft schöpfe!“ „Wo bist du denn all gewesen?“ „Ach, Vater, ich war in einem Mauseloch, in einer Kuh Bauch und in eines Wolfes Wanst; nun bleib ich bei euch.“ „Und wir verkaufen dich um alle Reichtümer der Welt nicht wieder,“ sprachen die Eltern, herzten und küssten ihren lieben Daumesdick. Sie gaben ihm zu essen und zu trinken, und ließen ihm neue Kleider machen, denn die seinigen waren ihm auf der Reise verdorben

 

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Die Hochzeit der Frau Füchsin

Die Hochzeit der Frau Füchsin – Erstes Märchen

Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen, der glaubte, seine Frau wäre ihm nicht treu und wollte er sie in Versuchung führen. Er streckte sich unter die Bank, regte kein Glied und stellte sich, als wenn er mausetot wäre. Die Frau Füchsin ging auf ihre Kammer, schloss sich ein, und ihre Magd, die Jungfer Katze, saß auf dem Herd und kochte. Als es nun bekannt ward, dass der alte Fuchs gestorben war, so meldeten sich die Freier. Da hörte die Magd, dass jemand vor der Haustür stand und anklopfte; sie ging und machte auf, und da war's ein alter Fuchs, der sprach:

„Was macht sie, Jungfer Katze?

schläft se oder wacht se?“

Sie antwortete:

„Ich schlafe nicht, ich wache.

Will er wissen was ich mache?

Ich koche Warmbier, tu Butter hinein:

will der Herr mein Gast sein?“

„Ich bedanke mich, Jungfer,“ sagte der Fuchs, „was macht die Frau Füchsin?“ Die Magd antwortete:

„Sie sitzt auf ihrer Kammer,

sie beklagt ihren Jammer,

weint ihre Äuglein seidenrot,

weil der alte Herr Fuchs ist tot.“

„Sag' sie ihr doch, Jungfer, es wäre ein junger Fuchs da, der wollte sie gern freien.“ „Schon gut, junger Herr.“

Da ging die Katz die Tripp die Trapp,

Da schlug die Tür die Klipp die Klapp.

„Frau Füchsin, sind Sie da?“

„Ach ja, mein Kätzchen, ja.“

„Es ist ein Freier draus.“

„Mein Kind, wie sieht er aus?“

„Hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwänze wie der selige Herr Fuchs?“ „Ach nein,“ antwortete die Katze, „er hat nur einen.“ „So will ich ihn nicht haben.“

Die Jungfer Katze ging hinab und schickte den Freier fort. Bald darauf klopfte es wieder an, und war ein anderer Fuchs vor der Tür, der wollte die Frau Füchsin freien; er hatte zwei Schwänze; aber es ging ihm nicht besser als dem ersten. Danach kamen noch andere immer mit einem Schwanz mehr, die alle abgewiesen wurden, bis zuletzt einer kam, der neun Schwänze hatte wie der alte Herr Fuchs. Als die Witwe das hörte, sprach sie voll Freude zu der Katze:

„Nun macht mir Tor und Türe auf,

und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus.“

Als aber eben die Hochzeit sollte gefeiert werden, da regte sich der alte Herr Fuchs unter der Bank, prügelte das ganze Gesindel durch und jagte es mit der Frau Füchsin zum Hause hinaus.

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Zweites Märchen

Als der alte Herr Fuchs gestorben war, kam der Wolf als Freier, klopfte an die Tür, und die Katze, die als Magd bei der Frau Füchsin diente, machte auf. Der Wolf grüßte sie und sprach:

„Guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz,

wie kommt's, dass sie alleine sitzt?

was macht sie Gutes da?“

Die Katze antwortete:

„Brock mir Wecke und Milch ein:

will der Herr mein Gast sein?“

„Dank schön, Frau Katze,“ antwortete der Wolf, „die Frau Füchsin nicht zu Hause?“

Die Katze sprach:

„Sie sitzt droben in der Kammer,

beweint ihren Jammer,

beweint ihre große Not,

dass der alte Herr Fuchs ist tot.“

Der Wolf antwortete:

„Will sie haben einen andern Mann,

so soll sie nur heruntergan.“

Die Katz die lief die Trepp hinan,

und ließ ihr Zeilchen rummer gan

bis sie kam vor den langen Saal:

klopft an mit ihren fünf goldenen Ringen.

„Frau Füchsin ist sie drinnen?

Will sie haben einen andern Mann,

so soll sie nur heruntergan.“

Die Frau Füchsin fragte: „Hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?“ „Nein,“ antwortete die Katze. „So kann er mir nicht dienen.“

Als der Wolf abgewiesen war, kam ein Hund, ein Hirsch, ein Hase, ein Bär, ein Löwe, und nacheinander alle Waldtiere. Aber es fehlte immer eine von den guten Eigenschaften, die der alte Herr Fuchs gehabt hatte, und die Katze musste den Freier jedesmal wegschicken. Endlich kam ein junger Fuchs. Da sprach die Frau Füchsin: „Hat der Herr rote Höslein an, und hat er ein spitz Mäulchen?“ „Ja,“ sagte die Katze, „das hat er.“ „So soll er heraufkommen,“ sprach die Frau Füchsin und hieß die Magd das Hochzeitsfest bereiten.

„Katze, kehr die Stube aus,

und schmeiß den alten Fuchs zum Fenster hinaus.

Bracht so manche dicke fette Maus,

fraß sie immer alleine,

gab mir aber keine.“

Da ward die Hochzeit gehalten mit dem jungen Herrn Fuchs, und ward gejubelt und getanzt, und wenn sie nicht aufgehört haben, so tanzen sie noch.

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Die Wichtelmänner

Die Wichtelmänner

Erstes Märchen

Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, dass ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen in Arbeit nehmen; und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und schlief ein. Morgens, nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit niedersetzen wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er verwunderte sich und wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Er nahm die Schuhe in die Hand, um sie näher zu betrachten; sie waren so sauber gearbeitet, dass kein Stich daran falsch war, gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte. Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein, und weil ihm die Schuhe so gut gefielen, so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür, und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln. Er schnitt sie abends zu und wollte den nächsten Morgen mit frischem Mut an die Arbeit gehen, aber er brauchte es nicht, denn als er aufstand, waren sie schon fertig, und es blieben auch nicht die Käufer aus, die ihm soviel Geld gaben, dass er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte. Er fand früh morgens auch die vier Paar fertig; und so ging's immer fort, was er abends zuschnitt, das war am Morgen verarbeitet, also dass er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte und endlich ein wohlhabender Mann ward. Nun geschah es eines Abends nicht lange vor Weihnachten, als der Mann wieder zugeschnitten hatte, dass er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach: „Wie wär's, wenn wir diese Nacht aufblieben, um zu sehen, wer uns solche hilfreiche Hand leistet?“ Die Frau war's zufrieden und steckte ein Licht an; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken, hinter den Kleidern, die da aufgehängt waren und gaben acht. Als es Mitternacht war, da kamen zwei kleine, niedliche nackte Männlein, setzten sich vor des Schusters Tisch, nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich und fingen an mit ihren Fingerlein so behend und schnell zu stechen, zu nähen, zu klopfen, dass der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte. Sie ließen nicht nach, bis alles zu Ende gebracht war und fertig auf dem Tische stand, dann sprangen sie schnell fort.

Am anderen Morgen sprach die Frau: „Die kleinen Männer haben uns reich gemacht, wir müssten uns doch dankbar dafür bezeigen. Sie laufen so herum, haben nichts am Leib und müssen frieren. Weißt du was? Ich will Hemdlein, Rock Wams und Höslein für sie nähen, auch jedem ein Paar Strümpfe stricken; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu.“ Der Mann sprach: „Das bin ich wohl zufrieden,“ und abends, wie sie alles fertig hatten, legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch und versteckten sich dann, um mit anzusehen wie sich die Männlein dazu anstellen würden. Um Mitternacht kamen sie herangesprungn und wollten sich gleich an die Arbeit machen, als sie aber kein Zugeschnittenes Leder, sondern die niedlichen Kleidungsstücke fanden, verwunderten sie sich erst, dann aber bezeigten sie eine gewaltige Freude. Mit der größten Geschwindigkeit zogen sie sich an, strichen die schönen Kleider am Leib und sangen:

„Sind wir nicht Knaben glatt und fein?

was sollen wir länger Schuster sein!“

Dann hüpften und tanzten sie, sprangen über Stühle und Bänke. Endlich tanzten sie zur Tür hinaus. Von nun an kamen sie nicht wieder, dem Schuster aber ging es wohl, so lange er lebte und es glückte ihm alles was er unternahm.

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Zweites Märchen

Es war einmal ein armes Dienstmädchen, das war fleißig und reinlich, kehrte alle Tage das Haus und schüttete das Kehricht auf einen großen Haufen vor die Tür. Eines Morgens, als es eben wieder an die Arbeit gehen wollte, fand es einen Brief darauf, und weil es nicht lesen konnte, so stellte es den Besen in die Ecke und brachte den Brief seiner Herrschaft, und da war es eine Einladung von den Wichtelmännern, die baten das Mädchen, ihnen ein Kind aus der Taufe zu heben. Das Mädchen wusste nicht was es tun sollte, endlich auf vieles Zureden und weil sie ihm sagten, so etwas dürfte man nicht abschlagen, so willigte es ein. Da kamen drei Wichtelmänner und führten es in einen hohlen Berg, wo die Kleinen lebten. Es war da alles klein, aber so zierlich und prächtig, dass es nicht zu sagen ist. Die Kindbettrin lag in einem Bett von schwarzem Ebenholz mit Knöpfen von Perlen, die Decken waren mit Gold gestickt, die Wiege war von Elfenbein, die Badewanne von Gold. Das Mädchen stand nun Gevatter und wollte dann wieder nach Hause gehen, die Wichtelmännlein baten es aber inständig, drei Tage bei ihnen zu bleiben. Es blieb also und verlebte die Zeit in Lust und Freude, und die Kleinen taten ihm alles zuliebe. Endlich wollte es sich auf den Rückweg machen, da steckten sie ihm die Taschen erst ganz voll Gold und führten es hernach wieder zum Berge heraus. Als es nach Hause kam, wollte es seine Arbeit beginnen, nahm den Besen in die Hand, der noch in der Ecke stand und fing an zu kehren. Da kamen fremde Leute aus dem Hause, die fragten wer es wäre und was es da zu tun hätte. Da war es nicht drei Tage, wie es gemeint hatte, sondern sieben Jahr bei den kleinen Männern im Berge gewesen und seine vorige Herrschaft war in der Zeit gestorben.

 

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Drittes Märchen

Einer Mutter war ihr Kind von den Wichtelmännern aus der Wiege geholt und ein Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Augen hineingelegt, der nichts als essen und trinken wollte. In ihrer Not ging sie zu ihrer Nachbarin und fragte sie um Rat. Die Nachbarin sagte, sie sollte den Wechselbalg in die Küche tragen, auf den Herd setzen, Feuer anmachen, und in zwei Eierschalen Wasser kochen, das bringe den Wechselbalg zum Lachen und wenn er lache, dann sei es aus mit ihm. Die Frau tat alles wie die Nachbarin gesagt hatte. Wie sie die Eierschalen mit Wasser über das Feuer setzte, sprach der Klotzkopf:

„Nun bin ich so alt

wie der Westerwald,

und hab nicht gesehen, dass jemand in Schalen kocht.“

Und fing an darüber zu lachen. Indem er lachte, kam auf einmal eine Menge von Wichtelmännerchen, die brachten das rechte Kind, setzten es auf den Herd und nahmen den Wechselbalg wieder mit fort.

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