Jack London – Gesammelte Werke

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»Hat Sie der Teu­fel ge­rit­ten?« frag­te Cor­liss spä­ter sei­nen Mann. »Es war doch al­les vor­bei; ich glau­be, Sie wa­ren ver­rückt ge­wor­den.«



»Habe nichts zu be­dau­ern«, bock­te der Gold­grä­ber.



*



»Herr Har­ney? Dave Har­ney, wenn ich nicht irre?«



Der Bo­nan­za-Kö­nig nick­te, und Herr Gre­go­ry St. Vin­cent wand­te sich an Fro­na.



»Die Welt ist wirk­lich nicht groß, Fräu­lein Wel­se. Den­ken Sie, Herr Har­ney und ich sind alte Be­kann­te.«



Jetzt ging dem Gold­kö­nig ein Licht auf.



»War­ten Sie, jun­ger Mann, ich kom­me schon drauf. Da­mals wa­ren Sie glatt ra­siert. War­ten Sie – das war im Jah­re sechs­un­dacht­zig, dann – Herbst sie­ben­un­dacht­zig, Som­mer achtun­dacht­zig – ja­wohl, da­mals war es! Im Som­mer achtun­dacht­zig kam ich auf mei­nem Floß den Strom her­un­ter. Ich hat­te Elch­häu­te ge­la­den und hat­te es ei­lig. Aufs Haar wäre mir die gan­ze La­dung ver­dor­ben. Ja, und da ka­men Sie in ei­nem Ru­der­boot vom Lin­der­man­see an. Ich be­haup­te­te, es wäre Mitt­woch, mein Ka­me­rad sag­te Frei­tag, und Sie be­haup­te­ten Sonn­tag. Ja­wohl – Sonn­tag! Stimmt ab­so­lut. Vor neun Jah­ren! Dann ha­ben wir ge­tauscht, Elch­bra­ten ge­gen Mehl, Back­pul­ver und Zu­cker! Sa­kra­ment, war das eine Freu­de! Das ist schön, dass wir uns wie­der­se­hen!«



Sie schüt­tel­ten ein­an­der die Hän­de, der Alte schlug dem Jun­gen auf die Schul­tern.



»Ich habe eine net­te klei­ne Bude oben auf dem Hü­gel und dann noch eine am El­do­ra­do. Der Schlüs­sel hängt im­mer drau­ßen vor der Tür, Sie kom­men, wann Sie Lust ha­ben, und blei­ben, so­lan­ge es Ih­nen passt. Mei­ne ein­zi­ge Be­din­gung ist: bald! Es tut mir leid, heu­te muss ich ge­hen, ich wäre gern noch ge­blie­ben.«



»Vor neun Jah­ren wa­ren Sie schon hier, Herr St. Vin­cent?« frag­te Fro­na er­staunt. »Er­zäh­len Sie doch, da­mals war das Land ja noch eine voll­kom­me­ne Wild­nis. Was ha­ben Sie da al­les er­lebt?«



St. Vin­cent zuck­te die Ach­seln: »Er­lebt? Ei­nen elen­den Mis­ser­folg, das ist al­les, was ich er­lebt habe. Nichts, wor­auf man stolz sein könn­te.«



»Ei­nen Mis­ser­folg? Dann müs­sen Sie doch et­was ver­sucht ha­ben? Was hat­ten Sie da­mals für Plä­ne?«



St. Vin­cent be­merk­te mit Ge­nug­tu­ung, dass Fro­na sich für ihn in­ter­es­sier­te.



»Ich hat­te da­mals die ver­rück­te Idee, mög­lichst ge­nau auf dem Po­lar­kreis rings um die Welt zu rei­sen. Im In­ter­es­se der Wis­sen­schaft … wis­sen Sie, ich bin Geo­graf. Es soll­te durch Alas­ka ge­hen, auf dem Eis über die Be­ring­stra­ße, dann durch Nord­si­bi­ri­en nach Eu­ro­pa zu­rück. Ei­gent­lich war es ein pracht­vol­les Un­ter­neh­men, zum größ­ten Teil führ­te der Weg über da­mals noch jung­fräu­li­ches Land. Aber die Sa­che ging schief. Über die Be­ring­stra­ße kam ich gut hin­über, aber in Ost­si­bi­ri­en hat­te ich Pech … al­les we­gen Ta­mer­lan, we­gen die­ses mau­se­to­ten Ta­mer­lan, das muss ich zu mei­ner Ent­schul­di­gung sa­gen.«



»Der reins­te Odys­seus!« rief Frau Shef­field und klatsch­te in die Hän­de. »Ein mo­der­ner Odys­seus, wie ro­man­tisch!«



»Aber gei­zig mit sei­nen Aben­teu­ern, das war Odys­seus nicht«, wi­der­sprach Fro­na. »Auf ein­mal sto­cken Sie, Herr St. Vin­cent, ge­ra­de im span­nends­ten Mo­ment. Wie­so hat Ta­mer­lan Ihre Rei­se ge­stört?«



Er lach­te und hat­te of­fen­sicht­lich kei­ne Lust, von die­ser Ex­pe­di­ti­on zu er­zäh­len. Aber er ließ sich von den neu­gie­ri­gen Frau­en be­we­gen, ein Op­fer zu brin­gen.



»Als Ta­mer­lan mit Feu­er und Schwert durch Ostasi­en zog«, be­rich­te­te er, »wur­den Län­der ver­wüs­tet, Städ­te zer­stört und Völ­ker wie Staub in die Win­de zer­streut. Ein großes Volk wur­de aus dem Lan­de ge­jagt; die Schwär­me von Men­schen such­ten auf ih­rer Flucht vor der sinn­lo­sen Mord­lust des Sie­gers Zuf­lucht in Si­bi­ri­en. Sie bo­gen nach Nor­den und Os­ten ab und bil­de­ten einen Saum von mon­go­li­schen Stäm­men um das Land am Po­lar­meer. – Aber jetzt mer­ken Sie, wie lang­wei­lig die Ge­schich­te ist, mei­ne Da­men?«



»Nein! Nein!« rief Frau Shef­field. »Das ist ja so himm­lisch span­nend. Und Sie er­zäh­len so le­ben­dig! Es er­in­nert mich di­rekt an …«



»Also, dann will ich wei­ter er­zäh­len. Also, ohne die­se Mon­go­len­stäm­me hät­te ich mei­ne Rei­se durch­ge­führt. Zwei­fel­los! Statt des­sen bin ich ge­zwun­gen wor­den, eine fet­te Prin­zes­sin zu hei­ra­ten und in Stam­mes­feh­den, beim Renn­tier­steh­len und an­de­ren Ein­ge­bo­re­nen-Sports eine Rol­le zu spie­len.«



»Sie sind ein Held! Ist das nicht himm­lisch, Fro­na? Er­zäh­len Sie mehr vom Renn­tier­steh­len und von der fet­ten Prin­zes­sin!«



»Die Be­völ­ke­rung der Küs­te be­stand aus Es­ki­mos, aus hei­te­ren und gut­ar­ti­gen Men­schen. Sie nen­nen sich sel­ber Uki­li­ons … das heißt: Mee­res­leu­te. Ich kauf­te ih­nen Hun­de und Pro­vi­ant ab, wir ka­men gut mit­ein­an­der aus. Aber die Uki­li­ons wa­ren ei­nem Bin­nen­land­stamm un­ter­tan, den Tschaut­schu­ins … das heißt in un­se­rer Spra­che: Hir­schmen­schen Die Tschaut­schu­ins sind ein wil­des, un­be­zwing­ba­res Volk, un­ge­zähmt und bos­haft. Kaum hat­te ich die Küs­te hin­ter mir, da über­fie­len sie mich, nah­men mein Hab und Gut und mach­ten mich zum Skla­ven.«



»Wa­ren denn kei­ne Rus­sen da? Sol­da­ten? Po­li­zei?«



»Rus­sen? Un­ter den Tschaut­schu­ins!?« Er lach­te. »Geo­gra­fisch ge­hör­ten sie al­ler­dings zum Rei­che des wei­ßen Za­ren, aber ich be­zweifle, dass er je von die­sen Un­ter­ta­nen ge­hört hat­te. Ver­ges­sen Sie nicht: das In­ne­re von Nord­si­bi­ri­en liegt in der Po­lar­nacht, ein un­er­forsch­tes Land. We­ni­ge Eu­ro­pä­er sind je dort hin­ge­kom­men, kaum je ei­ner ist zu­rück­ge­kehrt.«



»Aber Sie …«



»Ich bin zu­fäl­lig die Aus­nah­me, mit der sich die Re­gel be­stä­tigt. Wa­rum ich ver­schont wur­de, weiß ich nicht. Aber es ist eine Tat­sa­che, sonst könn­te ich Ih­nen nicht da­von er­zäh­len. An­fangs wur­de ich schreck­lich be­han­delt, von Frau­en und Kin­dern ge­schla­gen, in räu­di­ge Fel­le vol­ler Un­ge­zie­fer ge­klei­det, mit Ab­fall er­nährt. Sie hat­ten über­haupt kein Herz. Wie ich das über­stand, ist mir heu­te noch ein Rät­sel, ich hät­te tau­send­mal Selbst­mord be­gan­gen, aber es fand sich kein Weg dazu. Dann war ich, in­fol­ge von so­viel Lei­den und Miss­hand­lun­gen, ganz ver­tiert und viel zu schlaff, um mir das Le­ben zu neh­men. Halb­tot vor Hun­ger und Käl­te, ver­prü­gelt, dass ich manch­mal kaum noch den­ken konn­te … nein, da­mals war ich kein Mensch mehr, und nur der Mensch be­geht Selbst­mord. Heu­te scheint mir die­se gan­ze Zeit wie ein gräss­li­cher Traum. Vie­les ist mei­nem Ge­dächt­nis ganz ent­fal­len. Ich weiß noch dun­kel, dass ich, auf einen Schlit­ten ge­bun­den, von La­ger zu La­ger ge­schleppt wur­de, eine Art Aus­s­tel­lungs­ge­gen­stand, ein Stück­chen zoo­lo­gi­scher Gar­ten auf Rei­sen. Wie weit ich in die Öde vor­ge­drun­gen bin, weiß ich nicht, aber es müs­sen Tau­sen­de von Mei­len ge­we­sen sein. Als ich wie­der zu mir kam und all das hin­ter mir lag, be­fand ich mich je­den­falls reich­lich zwei­tau­send Ki­lo­me­ter west­lich der Stel­le, wo sie mich ge­fan­gen hat­ten. Es war Früh­ling und mir war, als knüpf­te ich plötz­lich an die Ver­gan­gen­heit wie­der an, auf ein­mal hat­te ich wie­der of­fe­ne Au­gen.



Ich fand mich, mit ei­nem Rie­men ans hin­te­re Ende ei­nes Schlit­tens fest­ge­bun­den wie der Affe ei­nes Lei­er­kas­ten­man­nes. Ich hielt den Rie­men mit bei­den Hän­den, denn er hat­te mir schon tie­fe Wun­den ins Fleisch ge­schnit­ten. ›Was ist das?‹ frag­ten die Hir­schmen­schen und hiel­ten mir ein Spiel Kar­ten un­ter die Au­gen. Das muss­te auf merk­wür­di­gen We­gen von wei­ßen Leu­ten über die Meer­menschen zu den Hir­schmen­schen ge­kom­men sein, wahr­schein­lich von Wal­fisch­fän­gern. Nun hat­te ich als Schul­jun­ge zum Ver­gnü­gen mei­ner Ka­me­ra­den Kar­ten­kunst­stücke und ein biss­chen Zau­bern ge­lernt. Die al­ten Kunst­fer­tig­kei­ten fie­len mir plötz­lich wie­der ein, und ich kann sa­gen, dass kein Zau­ber­künst­ler auf Er­den je ein dank­ba­re­res Pub­li­kum ge­fun­den hat. Im Au­gen­blick wur­de ich von ei­nem Aus­s­tel­lungs­ge­gen­stand, der so we­nig galt, dass man ihn ver­hun­gern und ver­kom­men ließ, ein Mann von un­er­mess­li­cher Be­deu­tung. Grei­se und Frau­en ka­men zu mir, um sich in ih­ren Nö­ten Rat zu ho­len, dann auch die Män­ner und zu­letzt so­gar die Häupt­lin­ge. Es kam mir zu­stat­ten, dass ich von Me­di­zin und Chir­ur­gie eine Ah­nung hat­te, und so wur­de ich Wun­der­mann. Vor we­ni­gen Wo­chen noch Skla­ve, saß ich jetzt un­ter den Häupt­lin­gen im höchs­ten Rat, ich wur­de das un­wi­der­sprech­ba­re Ora­kel im Krie­ge wie im Frie­den. Dort oben wa­ren Renn­tie­re das ein­zi­ge Ver­mö­gen, ein Tausch­mit­tel wie bei uns das Gold. Mein Stamm be­schäf­tig­te sich haupt­säch­lich da­mit, Raub­zü­ge ge­gen die Nach­bar­stäm­me zu un­ter­neh­men und ih­nen die Renn­tier­her­den zu steh­len. Ich brach­te mei­nen Leu­ten neue Kampf­me­tho­den bei, lehr­te sie Kriegs­kun­de und Tak­tik und ver­half ih­ren Ope­ra­tio­nen zu ei­ner Stoß­kraft, der die Nach­bar­stäm­me nicht wi­der­ste­hen konn­ten. So war ich zwar ein Herr, fast ein Halb­gott, ge­wor­den, aber mei­ne Frei­heit ge­wann ich da­durch nicht wie­der. Es klingt lä­cher­lich: ich war zu er­folg­reich, ich hat­te mich un­ent­behr­lich ge­macht. Die Hir­schmen­schen wa­ren jetzt mei­ne Un­ter­ta­nen, aber sie be­wach­ten mich ei­fer­süch­tig. Je­der mei­ner Be­feh­le wur­de be­folgt, ich konn­te kom­men und ge­hen, wie ich woll­te. Aber wenn sich Han­dels­ka­ra­wa­nen an der Küs­te zeig­ten, mit de­nen wir Wa­ren tausch­ten, durf­te ich nicht da­bei sein. Un­ter mei­nen Häupt­lin­gen war ein ein­zi­ger, Pi-Une, der sich wei­ger­te, mir die mir zu­ste­hen­den Ehren zu er­wei­sen. Er rüt­tel­te da­mit an mei­ner All­macht, ich fühl­te den Thron un­ter mir wa­ckeln, denn tat­säch­lich be­saß ich nur so weit Macht, wie man mir Glau­ben schenk­te. Ich war, ver­ste­hen Sie das, mei­ne Da­men, der Aber­glau­be des Vol­kes. Wenn ei­ner an mir zwei­fel­te und der Blitz ihn nicht straf­te, konn­te ich plötz­lich die gan­ze Macht wie­der ver­lie­ren und da sein, wo ich an­ge­fan­gen hat­te. Um Pi-Une zu be­sänf­ti­gen, blieb mir nichts üb­rig, als sei­ne Toch­ter Ils­wun­ga zu hei­ra­ten. Da­rauf be­stand er. Ich bot ihm an, lie­ber als gleich­be­rech­tig­ter Mit­kai­ser ne­ben mir zu herr­schen. Aber da­von woll­te er nichts hö­ren. Und …«

 



»Und? Ra­scher, ra­scher … so ge­spannt bin ich in mei­nem gan­zen Le­ben nicht ge­we­sen!« stieß Frau Shef­field her­vor.



»Und so hei­ra­te­te ich Ils­wun­ga – in der Spra­che der Tschaut­schu­ins heißt das ›die Hin­din‹. Arme Ils­wun­ga! Als ich das letz­te­mal von ihr hör­te, war sie in der Mis­si­on von Ir­kutsk, leg­te Pa­ti­encen mit je­nem Kar­ten­spiel, das mich zum Kai­ser ge­macht hat­te, und wehr­te sich tap­fer da­ge­gen, je in ih­rem Le­ben ein Bad zu neh­men.«



»Es ist wirk­lich schon zehn Uhr!« klag­te Frau Shef­field, die von ih­rem Mann den zehn­ten lei­sen Rip­pen­stoß be­kom­men hat­te. »Wie ent­setz­lich trau­rig, dass ich nicht wei­ter zu­hö­ren kann, Herr Gre­go­ry. Was dann al­les noch kam, und wie Sie ent­ron­nen sind. Aber Sie müs­sen mich be­su­chen. Ich muss das un­be­dingt zu Ende hö­ren!«



»Und ge­ra­de Sie habe ich für einen Chechaquo ge­hal­ten«, sag­te Fro­na, als Gre­go­ry sich den Kra­gen hoch­schlug und die Ohren­klap­pen fest­band. »Mor­gen Abend müs­sen Sie wie­der zu uns kom­men! Wir be­rei­ten eine Thea­ter­vor­stel­lung für Weih­nach­ten vor. Kein Mensch kann uns da so wun­der­voll hel­fen wie Sie. Alle jun­gen Leu­te ma­chen mit, Be­am­te, Po­li­zei­of­fi­zie­re, Mi­ne­n­in­ge­nieu­re, und wir ha­ben so­gar ein paar hüb­sche Da­men.«



Als er ge­gan­gen war, schloss sie die Au­gen und dach­te an ihn: »Was ist das für ein mu­ti­ger Mann! Was ist das für ein pracht­vol­ler Mensch!«




4



Gre­go­ry St. Vin­cent wur­de rasch ein wich­ti­ger Fak­tor im ge­sell­schaft­li­chen Le­ben der Stadt Daw­son. Er war tat­säch­lich ein großer Ent­de­ckungs­rei­sen­der. Ei­gent­lich hat­te er über­all auf der Erd­ober­flä­che Le­ben und Kampf be­ob­ach­tet. Da­bei, wenn auf sei­ne Er­leb­nis­se und Kämp­fe die Rede kam – wie zu­rück­hal­tend und be­schei­den!



Über­all traf er alte Be­kann­te, Ja­cob Wel­se war ihm im Herbst 1888 in St. Mi­cha­el be­geg­net, be­vor Gre­go­ry den Marsch über das Eis der Be­ring­stra­ße an­trat. Ei­nen Mo­nat spä­ter hat­te ihn Pa­ter Bar­num ei­ni­ge hun­dert Mei­len nörd­lich von St. Mi­cha­el ge­trof­fen, wo der Mis­sio­nar die Lei­tung des ers­ten Ho­spi­tals über­nahm. Po­li­zei­haupt­mann Alex­an­der kann­te Gre­go­ry von ei­nem Abend der Bri­ti­schen Ge­sandt­schaft in Pe­king her.



Be­son­ders bei den Frau­en wur­de er be­liebt. Nie­mand ver­stand es wie er, das Pro­gramm für einen ver­gnüg­ten Abend zu ent­wer­fen; es gab kei­ne Ge­sell­schaft ohne ihn. Im Thea­ter hat­te er ganz selbst­ver­ständ­lich die Lei­tung über­nom­men, er wur­de Re­gis­seur und Haupt­dar­stel­ler, so­dass er Fro­nas Part­ner wer­den muss­te.



Cor­liss kam ein­mal zu ei­ner Pro­be; er war müde von ei­ner Schlit­ten­rei­se und blieb nicht lan­ge. Vi­el­leicht är­ger­te es ihn auch, zu se­hen, wie ihre Rol­len die bei­den zwan­gen, sich im­mer wie­der zu um­ar­men. Die be­tref­fen­de Sze­ne war so schwie­rig, dass Gre­go­ry sie ein hal­b­es dut­zend­mal wie­der­ho­len ließ. Je­den­falls kam Cor­liss nie wie­der zu ei­ner Pro­be.



Cor­liss hat­te sehr viel Ar­beit. Wenn er Ge­sel­lig­keit such­te, tat er sich jetzt mit Ja­cob Wel­se und Oberst Tretha­way zu­sam­men. Er lern­te un­un­ter­bro­chen, auf sei­nen Schlit­ten rei­send und im Ge­spräch mit den be­währ­ten Pio­nie­ren, denn er hat­te her­aus­ge­fun­den, dass sein gan­zes Wis­sen bis­her Theo­rie war. Sei­ne große Grün­dung, an der Ja­cob Wel­se sich auch mit ei­ni­gen Mil­lio­nen be­tei­lig­te, be­ding­te prak­ti­sche Grund­la­gen. Cor­liss wun­der­te sich selbst, dass es in Lon­don Leu­te gab, die ihm eine so ver­ant­wort­li­che Auf­ga­be und große Ka­pi­ta­li­en an­ver­traut hat­ten, ehe er noch eine Ah­nung ge­habt, um was es sich ei­gent­lich han­del­te.



»Sie ha­ben Pro­tek­ti­on, mein Jun­ge!« lach­te Tretha­way. »Pro­tek­ti­on ist ganz gut für den An­fang. Aber jetzt sol­len die Kerls auch mer­ken, dass Sie wirk­lich was leis­ten.«



Del Bi­shops Auf­ga­be be­stand dar­in, nach den An­ord­nun­gen sei­nes Chefs die ver­schie­de­nen Flüs­se zu be­rei­sen, wozu ihm die bes­te Aus­rüs­tung und ein pracht­vol­les Hun­de­ge­spann zur Ver­fü­gung stan­den. Er war ein her­vor­ra­gen­der Kund­schaf­ter, aber vor al­lem ver­gaß er über den In­ter­es­sen der Ge­sell­schaft nicht, für sich pri­vat Aus­schau nach neu­en Fund­stel­len zu hal­ten. Sein Wis­sen soll­te ihm zu­stat­ten kom­men, wenn er im Som­mer wie­der auf ei­ge­ne Faust auf die Gold­su­che ging.



Fro­na hör­te über Cor­liss nur das Bes­te. Dass er ein tüch­ti­ger Ar­beit­ge­ber, ein un­er­müd­li­ches Vor­bild für sei­ne Leu­te war, dass man in sei­nem Dienst ent­we­der kräf­ti­ger und männ­li­cher wur­de oder ihn schimp­fend ver­ließ. Sie freu­te sich dar­über, aber ihre gan­ze Zeit nahm Gre­go­ry St. Vin­cent all­mäh­lich in An­spruch. An­fangs hat­te sie manch­mal an sei­ner Wahr­heits­lie­be ge­zwei­felt, aber je­der, der selbst von der Welt et­was ge­se­hen hat­te, muss­te zu­ge­ben, dass sei­ne wun­der­ba­ren Be­rich­te den Tat­sa­chen ent­spra­chen. Es gab Leu­te, die sich deut­lich er­in­ner­ten, mit welch un­ge­heu­rem Auf­se­hen die zi­vi­li­sier­te Welt Gre­go­ry be­grüßt hat­te, als er der Ge­fan­gen­schaft der Hir­schmen­schen ent­flo­hen war.



Dass Cor­liss Fro­nas neu­en Freund ab­lehn­te, war of­fen­sicht­lich. Es gab noch ein paar an­de­re Her­ren, die nichts von ihm wis­sen woll­ten. Aber von der Mas­sen­prü­ge­lei im Wirts­haus, bei der sie Miss­trau­en ge­gen den Wel­ter­for­scher ge­fasst hat­ten, wur­de nie ge­spro­chen, und so er­fuhr Fro­na nicht, was man ge­gen Gre­go­ry hat­te. Ein­mal aber, als Cor­liss mit an­hö­ren muss­te, wie Gre­go­ry als ein zwei­ter Achill ge­prie­sen wur­de, wur­de er so ge­reizt, dass ihm ein Wort über den Boxa­bend ent­fuhr. Es tat ihm so­fort leid, sein Tem­pe­ra­ment war mit ihm durch­ge­gan­gen, aber Fro­na schi­en gar nicht über­rascht.



»Ich weiß«, sag­te sie, »Herr Dr. St. Vin­cent hat mir da­von er­zählt. Sie und Oberst Tretha­way, Sie sind ihm sehr tap­fer zur Sei­te ge­tre­ten. Ich kann sa­gen, dass er Ih­nen dank­bar ist.«



Cor­liss mach­te eine ab­weh­ren­de Be­we­gung.



»Nein, nein, Van­ce, nach dem, was er sag­te, müs­sen Sie sich fa­bel­haft be­nom­men ha­ben. Ich bin stolz auf Sie. Scha­de, dass ich kein Mann bin, da wäre ich gern da­bei ge­we­sen!«



Fro­nas Au­gen fun­kel­ten: »Und er selbst, Vin­cent? Hat er sich gut ge­schla­gen?«



»Ach, ich glau­be, sehr eh­ren­voll … Ei­gent­lich hat­te ich zu viel mit mir zu tun, um auf die an­de­ren zu ach­ten.«



»Er ist so be­schei­den, er er­zählt nie von der Rol­le, die er selbst ge­spielt hat. Aber man kann sich das ja al­les vor­stel­len«, schloss Fro­na das Ge­spräch.



*



»Stel­len Sie sich jetzt ein­mal so ein dickes, blu­ti­ges, ganz scharf ge­bra­te­nes Beefs­teak vor, na­tür­lich in But­ter ge­bra­ten, mit Zwie­beln und ganz fein ge­schnit­te­nen Kar­tof­feln, Herr Cor­liss«, träum­te Bi­shop im Zelt, das nach Pe­tro­le­um und Speck stank. »Dazu – na, sa­gen wir, eine Fla­sche Por­ter und eine Fla­sche Ale, in ei­nem Hum­pen zu­sam­men­ge­mischt. Im Hin­ter­grund – na­tür­lich müs­sen Sie sich dann auch einen Spei­se­saal mit ro­ten Plüschmö­beln den­ken –, im Hin­ter­grund eine rich­ti­ge Mu­sik mit Schlag­zeug und Blech­in­stru­men­ten. Und dann so was Wei­ches, Duf­ti­ges in Ih­rer Nähe, so, was man ein rich­ti­ges Weib nennt … mit di­cken Bei­nen, aber nicht zu dick, – also stel­len Sie sich das vor. – Der Bu­sen etwa so …«



»Und jetzt den­ken Sie, dass ich gar nicht weit von all dem bin. Nächs­ten Herbst spä­tes­tens will ich mir das in San Fran­zis­ko zu Ge­mü­te füh­ren, aber nicht ein­mal, son­dern vier Wo­chen lang je­den Abend, mei­net­we­gen auch in New York. Dann ge­hen wir zu­sam­men ins Thea­ter, und was dann kommt, das kön­nen Sie sich ru­hig auch vor­stel­len. Und was es kos­tet, da­nach frag’ ich den Teu­fel.«



»Dann wird das Geld bald zu Ende sein, und Sie kön­nen wie­der Gold su­chen.«



»Das wer­den Sie nicht er­le­ben!« grunz­te Bi­shop. »Vor­her hab’ ich mir na­tür­lich mei­ne Obst­farm in Süd­ka­li­for­ni­en ge­kauft und da­mit das Ka­pi­tal in Si­cher­heit ge­bracht. Eine Pracht­farm habe ich schon lan­ge auf dem Kie­ker. So an 40 000 Dol­lars wer­de ich wohl rein­ste­cken müs­sen. Mit die­sen bei­den Händ­chen wird hie­nie­den kei­ne Ar­beit mehr an­ge­fasst, das kann ich Ih­nen schwö­ren. Dazu hab’ ich mei­nen Ver­wal­ter und mei­ne zwei Dut­zend Knech­te …, ich bin der Herr Chef, und wenn’s mal nicht or­dent­lich geht, dann kön­nen die Lüm­mels was er­le­ben. Im Stall hab’ ich ein paar Gäu­le ste­hen, aber was für Gäu­le! Aus Stahl, und die Haut so zart wie Kin­der­po­pos. Wenn mich die Un­ru­he packt, das Gold­fie­ber soll ja nie ganz auf­hö­ren in ei­nem Men­schen, der ein­mal ge­gra­ben hat, dann wer­fe ich ih­nen Sat­tel und Ge­päck auf, und hei­di, geht’s los!«



»Und wie den­ken Sie sich das Zu­hau­se?«



»Das Guts­haus steht schon auf mei­ner Farm. Wi­cken und Kres­se an den Mau­ern und da­vor ein Ge­mü­se­gärt­chen, man kann schon sa­gen ein Ge­mü­se­park. Da habe ich vor­hin was ver­ges­sen, wie wir vom Beefs­teak spra­chen, na, das kön­nen wir ja nach­ho­len. Also, den­ken Sie sich auch noch Spi­nat, To­ma­ten, Spar­gel, Karot­ten, Gur­ken, wis­sen Sie, auch al­les in But­ter und mit so ganz hel­len Far­ben, das Rot, das Gelb, das Grün … das kommt gleich nach dem Ge­bra­te­nen. Wie schmeckt der Speck, Herr Cor­liss? Das Ge­wis­se, das Wei­che und Run­de, wis­sen Sie – das in San Fran­zis­ko –, das hab’ ich na­tür­lich dort ge­las­sen. In mei­nem Haus ist auch so was, nicht ganz so par­fü­miert und über­haupt mehr so­lid. Bei mir zu Hau­se muss es or­dent­lich zu­gehn, die Frau muss auch zu­grei­fen, wis­sen Sie. Aber nachts ist es dann doch ganz schön mit ihr. Das muss der Mensch für die Dau­er ha­ben – und au­ßer­dem was zum Ver­gnü­gen.«



Wäh­rend sie ihr Blech­ge­schirr mit Schnee­was­ser rei­nig­ten und das Zelt mit Pfei­fen­rauch füll­ten, wur­de Del Bi­shop wie­der sach­li­cher.



»Das ist doch merk­wür­dig, Herr Cor­liss, Sie ha­ben so­viel mit Mi­nen zu tun, aber das Gold­fie­ber exis­tiert gar nicht für Sie? Pas­sen Sie nur auf, dass es Sie nicht ei­nes Ta­ges auch packt. Das ist schlim­mer als Whis­ky, Pfer­de und Kar­ten. So­gar die Wei­ber sind gar nichts da­ge­gen. Am bes­ten schützt man sich, wenn man vor­her hei­ra­tet. Wenn man eine Frau hat, kann die Fan­ta­sie nicht mehr so drauf­los­wu­chern. Wei­ber ma­chen da­bei nicht mit, sie ha­ben den rich­ti­gen Schwung nicht, und dann bleibt man auch selbst eher in sei­nen Gren­zen. Ich hät­te vor Jah­ren hei­ra­ten sol­len, dann wäre viel­leicht et­was aus mir ge­wor­den. Neh­men Sie mich zum war­nen­den Bei­spiel, Cor­liss!«



Cor­liss lach­te trau­rig.



»Es ist mein hei­li­ger Ernst! Ich bin zwar Ihr An­ge­stell­ter, aber ich bin äl­ter als Sie und weiß, was ich rede. Da ist so ein ge­wis­ses Fräu­lein in Daw­son, mit der möch­te ich Sie ger­ne zu­sam­men se­hen. Könn­te eine ganz gute Mi­schung ge­ben.«



Auf Schlit­ten­rei­sen, wenn man im­mer in ei­nem Raum haust und die­sel­ben De­cken be­nutzt, wer­den Män­ner ent­we­der Fein­de oder Brü­der. Cor­liss dach­te gar nicht dar­an, Bi­shops An­spie­lung als eine Un­ver­schämt­heit zu be­trach­ten. Er wur­de nur nach­denk­lich.



»Wa­rum ge­hen Sie nicht drauf­los und ka­pern sich das Mä­del? Wol­len Sie mir er­zäh­len, dass Sie nicht ver­liebt in sie sind? Das hat mir mein klei­ner Fin­ger zu­ge­juckt, wie ich Sie zum ers­ten Mal in mei­nem Le­ben ge­se­hen hab’! Da­mals, in Hap­py Camp. Da sind Sie aus Ih­rer Hüt­te her­aus­ge­tre­ten und ha­ben aus­ge­se­hen wie ei­ner, der aus den Wol­ken fällt. Aber jetzt ist der Au­gen­blick da, und der kommt nicht wie­der. Stel­len Sie sich vor, da war mal eine ge­wis­se An­nie. Das war ein Mä­del, was Bes­se­res kann ich mir nicht vor­stel­len, für mich näm­lich. Alle zehn Fin­ger leck’ ich mir heu­te noch ab, wenn ich an sie den­ke. Von früh bis spät auf den Bei­nen, blitz­sau­ber. Aber ich hab’ die Zeit ver­strei­chen las­sen, im­mer mit dem ver­fluch­ten Gold vor den Au­gen. Kommt da ei­nes Ta­ges so ein großer schwar­zer Ka­na­di­er an, ein Holz­händ­ler, macht Männ­chen über Männ­chen und ver­dreht ihr ein biss­chen den Kopf. Macht nichts, den­ke ich mir, noch ein­mal geh’ ich auf die Gold­su­che, und dann kom­me ich als Mil­lio­när zu­rück. Schne­cken, Herr Pfar­rer! Ich bin ohne die Mil­li­on zu­rück­ge­kom­men … und sie war schon längst sei­ne Frau. Da ist jetzt das Stink­tier bei Ihrem Mä­del, der Kerl, dem ich da­mals einen Na­sen­stü­ber ge­ge­ben habe. Schwän­zelt um sie her­um und ver­dreht sei­ne Glub­schau­gen. Was tun Sie? Lau­fen durch die Welt und hal­ten sich nicht an die Sa­che. Mein lie­ber Cor­liss, an ei­nem schö­nen Frost­tag wer­den wir zu­sam­men in Daw­son ein­hin­ken, und da wer­den Sie ein wun­der­schö­nes Pär­chen vor­fin­den, Ihr Fräu­lein Braut und das Stink­tier als Ehe­ge­mahl. Und was ha­ben Sie dann? Ei­nen Dreck und eine Fo­to­gra­fie.«

 



Cor­liss dreh­te sich um und sag­te: »Wun­der­schön wäre es, wenn Sie jetzt end­gül­tig das Maul hiel­ten, Bi­shop.«



»Wer? Ich?«



»Nein, Sie!«



Bi­shop war ge­kränkt, aber dann hör­te er Cor­liss la­chen und dach­te gar nicht mehr dar­an, zu schwei­gen.



»Ich will Ih­nen in al­ler Freund­schaft sa­gen, was Sie zu tun ha­ben: so­bald wir zu­rück sind, wa­schen Sie sich die Hän­de, bin­den sich einen sau­be­ren Kra­gen um, ge­hen zu Ihrem Mä­del, ma­chen für jede Stun­de und für je­den Tag et­was an­de­res mit ihr aus und le­gen so viel Be­schlag auf ihre Zeit, dass das Stink­tier ein­fach in ei­ner Ver­sen­kung ver­schwin­det. Wenn Sie die Sa­che dann so weit ge­trie­ben ha­ben, dass man Sie an­lä­chelt, wenn Sie kom­men, und ein Maul zieht, wenn Sie ge­hen, dann grei­fen Sie ge­fäl­ligst mit ih­ren bei­den Vor­der­flos­sen zu, neh­men die Klei­ne mit ei­nem Arm oben rum und mit ei­nem Arm so um die Mit­te und zie­hen die gan­ze Ge­schich­te so fest an sich, dass kei­ne Brief­mar­ke mehr da­zwi­schen Platz hat. Dann wird Ih­nen noch al­ler­lei von sel­ber ein­fal­len, was da­zu­ge­hört, und dann sa­gen Sie: Mor­gen spre­che ich mit dei­nem Va­ter. Wie es dann wei­ter aus­geht, das kann ich Ih­nen al­ler­dings auch nicht sa­gen. Manch­mal wird so was mit der Zeit im­mer schö­ner, man hat auch von Fäl­len ge­hört, die we­ni­ger er­freu­lich ver­lie­fen. Aber hei­ra­ten müs­sen Sie auf je­den Fall. Das soll eine Ge­schich­te zum Tot­la­chen sein, die muss je­der mal ver­sucht ha­ben. Am bes­ten, ehe ei­ner zu alt dazu ist und schließ­lich nichts leis­tet, wenn es drauf an­kommt.«



Er trank, dampf­te und dach­te nach. Dann schloss er: »Dem Stink­tier, falls es sich mau­sig ma­chen soll­te, kle­ben Sie eine in den Bauch oder an die Stel­le, wo ich da­mals aus Ver­se­hen hin­ge­kom­men bin mit mei­nem Händ­chen. Dann merkt er gleich, dass er Ih­nen nicht sehr sym­pa­thisch ist, denn für der­glei­chen hat er ein un­ge­heu­er zar­tes Emp­fin­den, und zieht sich zu­rück. Sie ha­ben’s ganz be­stimmt nicht erst nö­tig, ihm den Schä­del ein­zu­schla­gen.«



Da­mit stand Bi­shop auf, kratz­te sich, wo es ihn juck­te, das heißt über­all, und ging nach ge­rau­mer Zeit hin­aus, um die Hun­de zu füt­tern.



*



Wie­der ein­mal war Fro­nas Empfangs­zim­mer voll von Men­schen ge­we­sen, dar­un­ter ein Fran­zo­se, Baron Cour­ber­tin, den St. Vin­cent ein­ge­führt hat­te. Die bei­den stan­den auf Neck­fuß mit­ein­an­der. Sie kann­ten sich aus lang­ver­gan­ge­nen Ta­gen, hat­ten in Yo­ko­ha­ma das Kirsch­blü­ten­fest ge­fei­ert, wuss­ten viel von Geis­has und dem Fud­schi­ja­ma zu be­rich­ten. Eine Zeit lang hat­te Cour­ber­tin das Wort ge­führt, aber dann spür­te er Gre­go­rys Miss­be­ha­gen, und als ein rit­ter­li­cher Freund zog er ihn auf, wie man eine Spiel­uhr auf­zieht.



»Jetz abbe Sie sick lang in Ré­ser­ve ge­all­ten! Vin­cent, ick ken­nen Sie nickt wie­der! Wo ist die Elan? Die alte Elan? Ick spre­cken und spre­cken – Sie ma­cke si­lence, al­lons donc, spre­cke Sie!«



Es war nicht schwer, den Geo­gra­fen zum Re­den zu brin­gen. Er ließ eine Ka­nu­ge­schich­te vom Sta­pel, bei der sich al­len Zu­hö­rern die Haa­re sträub­ten. Er war mit ei­nem fei­gen Ka­me­ra­den den Ka­n­on­strom hin­un­ter­ge­reist. Vor den Weiß­roß-Schnel­len war der Bur­sche aus­ge­stie­gen und hat­te es ihm al­lein über­las­sen, sich durch die Stru­del zu kämp­fen. Sei­ne Nuss­scha­le von Boot war über die Schnel­len ge­tanzt, schwe­re Bre­cher wa­ren über die Re­ling ge­schla­gen und hat­ten das Boot fast zum Ken­tern ge­bracht. Auf Haa­res­brei­te war er an töd­li­chen Rif­fen vor­bei­ge­schifft, um end­lich nach ei­ner To­des­fahrt von nur we­ni­gen Mi­nu­ten, die für ihn eine Ewig­keit voll von Schreck­nis­sen be­deu­te­te, ans si­che­re Ufer zu tre­ten. Dann hat­te er vie­le Stun­den war­ten müs­sen, bis sein Ka­me­rad ihn zu Fuß ein­hol­te.



»Eine fei­ge Bes­tie!« rief ei­ner aus der Ge­sell­schaft.



»Sa­gen Sie das nicht«, be­lehr­te ihn St. Vin­cent. »Per­sön­li­cher Mut ist nichts an­de­res als Ner­ven­sa­che. Man hat ihn, oder man hat ihn nicht, man­che Men­schen ver­sa­gen in der Le­bens­ge­fahr und fin­den da­nach den Mut, sich bei­spiels­wei­se selbst um­zu­brin­gen. Ist es nicht merk­wür­dig, dass je­mand um sein Le­ben zit­tert und doch stark ge­nug ist, es von sich zu wer­fen?«



»Aber Sie! Aber Sie!« rief Frau Shef­field. »Wie viel tau­send Mal ha­ben Sie dem Tod ins Auge ge­se­hen, und man hört es aus je­dem Ih­rer Wor­te, dass Sie nicht mit der Wim­per ge­zuckt ha­ben!«



Frau Shef­field lud St. Vin­cent und den Baron zum Abendes­sen ein, der Zu­fall brach­te es mit sich, dass Fro­na und Cor­liss zu­sam­men den Heim­weg an­tra­ten. In schwei­gen­der Übe­rein­kunft bo­gen sie zu ei­nem großen Rund­weg um Daw­son aus, über­kreuz­ten zahl­lo­se Fuß­we­ge und Schlit­ten­pfa­de und ka­men in die tie­fe, schwei­gen­de Ein­sam­keit ei­nes Win­ter­abends in Alas­ka. Die Son­ne hat­te an die­sem Tag kaum