Das letzte Mahl

Текст
Автор:
0
Отзывы
Читать фрагмент
Отметить прочитанной
Как читать книгу после покупки
Das letzte Mahl
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

J.P. Conrad

Das letzte Mahl

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

29. Oktober

30. Oktober

31. Oktober – Halloween

Das letzte Mahl

Impressum neobooks

29. Oktober

Wir wohnten in einem Mehrfamilienhaus im Londoner East End; meine Frau Helen, unser elfjähriger Sohn Henry und ich. Wir waren keine reichen Leute, zumindest nicht vom materiellen Standpunkt gesehen. Aber wir waren trotzdem glücklich, denn wir waren gesund und hatten ein Dach über dem Kopf. Ich arbeitete zweimal die Woche als Aushilfe in einem Pub; Helen wochentags als Putzkraft in einer großen Anwaltskanzlei. Wir kamen so einigermaßen über die Runden; sprich, wir konnten unsere Miete bezahlen und mussten nicht hungern. Aber für mehr reichte es selten. Mit den Nachbarn im Haus, wir waren insgesamt zwölf Parteien, hatten wir keinen großen Kontakt. Man sagte mal ›Hallo‹, wenn man sich im Treppenhaus oder bei den Mülltonnen traf; mehr aber auch nicht.

Lediglich zu Mister Vincenti, einem achtundsechzigjährigen Witwer und pensionierten U-Bahn-Fahrer, pflegten wir ein freundschaftliches Verhältnis. Er wohnte auf unserer Etage und war ein freundlicher und gutmütiger Mann, der unseren Sohn immer zum Lachen bringen konnte. Henry war gerne bei ihm, um mit ihm Halma oder Karten zu spielen. Das taten sie mehrmals in der Woche nach der Schule; immer dann, wenn sowohl meine Frau als auch ich Geld verdienen waren. Mister Vincenti war ein toller Babysitter und guter Freund für unseren Sohn.

Auch am neunundzwanzigsten Oktober, als ich von meiner Nachmittagsschicht aus dem Pub nach Hause kam, glaubte ich, Henry bei Mister Vincenti zu wissen. Doch er kam mir schon entgegen gerannt, als ich die Wohnungstür aufschloss. Er fiel mir gleich in die Arme.

»Hi, Daddy!«, sagte er und lachte mich an.

Ich drückte ihn. »Hi, Kleiner. Na, heute nicht bei Mister Vincenti?«, fragte ich verwundert, während ich meine Jacke auszog und an die Garderobe hängte.

Henry senkte betrübt den Kopf. »Nee, der ist nicht mehr da!«

Ich runzelte die Stirn. »Wie meinst du das - nicht mehr?«

In diesem Moment erschien das ernst schauende Gesicht meiner Frau im Türrahmen der Küche. »Hallo, Schatz. Mister Vincenti ist gestern Nacht gestorben«, erklärte sie leise.

Ich schaute nachdenklich zu Boden. »Oh.«

»Henry hat mich angerufen, da bin ich früher von der Arbeit weg, damit er hier nicht alleine hockt.«

Ich gab meiner Frau einen Kuss auf die Wange und lächelte zaghaft. Dann fragte ich: »Wie habt ihr davon erfahren?«

Helen fuhr mit den kreisenden Bewegungen des Küchentuchs auf dem Teller in ihrer Hand fort. »Eine Frau hat Henry drüben aufgemacht. Er sagt, es war seine Tochter.«

Meine Stirn legte sich in Falten. »Seine Tochter? Ich wusste gar nicht…«

»Doch«, unterbrach mich Helen. »Er hatte es mal erwähnt. Sie wohnt in Dublin und sie hat ihn nur selten besucht.«

»Und wie hat sie von seinem Tod erfahren?«

Ein Schulterzucken. »Keine Ahnung. Irgendjemand muss ihn ja gefunden haben.«

Ich nahm Henry hoch und trug ihn huckepack. In der Küche setzte ich mich an den Tisch, nahm ihn vor mir auf den Schoß und sah ihn an.

»Bist du traurig?«

Er nickte stumm und schaute betrübt zu Boden. Ich verwuschelte ihm die Haare. »Armer Schatz. Ich weiß, du mochtest Mister Vincenti sehr.«

»Jetzt müssen wir uns nach einem neuen Babysitter umsehen«, fiel meiner Frau ein und sie seufzte. Ich fand das in diesem Moment unpassend, aber ich stimmte ihr zu. Das würde keine leichte Aufgabe werden. Hier im Haus kam sonst niemand in Frage und unsere Verwandten wohnten fast alle weit weg. Freunde hatten wir kaum, was sich aber bis heute nicht als Nachteil für uns herausgestellt hatte.

Helens kleine Schwester Emily hatte sich in den Ferien ab und zu um Henry gekümmert, aber die machte zur Zeit ein Praktikum in Irland.

»Was ist mit deinem Bruder?«, fiel mir ein. Er war Krankenpfleger im Prince Albert Hospital und wohnte etwa zwanzig Minuten von uns entfernt.

Helen schüttelte den Kopf. »Er mag Henry sehr, aber ich glaube, aktuell hat er andere Sachen im Kopf.«

»So? Hat er etwa wieder eine neue Flamme?« David war ein Weiberheld, man konnte es nicht anders sagen.

»Er hat so was angedeutet. Angeblich eine Schwester aus dem Krankenhaus.«

Ich verzog das Gesicht. »Uh, Techtelmechtel am Arbeitsplatz. Wenn das mal gut geht!«

Henry drehte seinen Kopf. »Was ist ein, äh, Tächelmächel?«, fragte er neugierig.

Es klingelte an der Tür.

»Ich gehe schon!«, sagte ich, stand auf und setzte Henry auf meinen Stuhl. Dann lief ich zur Wohnungstür. Eine junge, dunkelhaarige Frau, ich schätzte sie auf Mitte zwanzig, stand davor. Sie war modisch gekleidet; modern und stilsicher. Sie lächelte mich leicht verlegen an.

»Guten Tag. Mein Name ist Fiona Lloyd. Ich bin die Tochter von ihrem Nachbarn«, stellte sie sich mit leiser Stimme vor.

Meine Augen weiteten sich. »Oh, hallo.« Ich streckte ihr sofort die Hand entgegen und schüttelte sie. »Mein herzliches Beileid zum Verlust ihres Vaters. Ich habe es selbst erst vor ein paar Minuten erfahren.« Ihr Händedruck war schlaff und ihre Hände eiskalt. »Wir mochten ihn alle sehr. Besonders unser Sohn Henry.«

Fiona nickte und rang sich ein Lächeln ab. »Ich weiß, er hat es mir vorhin erzählt.«

»Wollen Sie vielleicht reinkommen?«, fragte ich und trat zur Seite. Doch sie winkte ab.

»Nein, ich möchte Sie nicht stören.«

»Sie stören nicht!«, versicherte ich freundlich. »Kommen Sie!«

Sehr nett, danke sehr.« Sie ging hinüber zur Wohnungstür von Mister Vincenti, zog den von innen steckenden Schlüssel ab und dann die Tür zu. Wir gingen in die Küche und ich stellte Fiona meiner Frau vor. Henry kannte sie ja bereits. Helen bot ihr einen Tee an, den sie dankend annahm.

Nachdem wir alle Platz genommen hatten, fragte ich: »Was genau ist denn Ihrem Vater zugestoßen?«

»Herzinfarkt«, war ihre knappe Antwort.

Ich nickte verstehend.

»Armer Mann. Er war so nett«, sagte meine Frau, die unseren Sohn auf dem Schoss hatte.

»Er hat mich beim Rommé immer gewinnen lassen«, fügte Henry hinzu. Er schien wesentlich unbekümmerter mit der schlimmen Nachricht zurechtzukommen, wie ich beruhigt feststellte.

Fiona lachte. »Er war ein lieber Mensch und toller Vater«, entgegnete sie und nippte an ihrem Tee.

»Wie haben Sie von seinem Tod erfahren?«, wollte ich dann wissen und mir war fast so, als musste sie kurz überlegen, bevor sie antwortete.

»Er selbst hat mich gestern Abend noch angerufen. Er klagte über Schmerzen in der Brust. Ich sagte ihm, ich käme so schnell wie möglich. Und heute Morgen dann, als mein Mann und ich hier eintrafen, machte er nicht auf. Auch telefonisch konnte ich ihn nicht erreichen. Da habe ich dann den Hausmeister gebeten, mir die Tür aufzuschließen.«

Ich schluckte. »Und dann haben Sie ihn gefunden?«

Sie nickte und starrte auf die Tasse in ihrer Hand. »Er lag in seinem Bett. War friedlich eingeschlafen, sagte der Arzt.«

Бесплатный фрагмент закончился. Хотите читать дальше?