Zwei Leichen und ein Todesfall

Text
Aus der Reihe: Leo Schwartz #33
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Zwei Leichen und ein Todesfall
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Irene Dorfner

Zwei Leichen und ein Todesfall

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Titel

Anmerkung

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

Personenliste „Zwei Leichen und ein Todesfall“

Liebe Leser!

Von der Autorin sind bisher folgende Bücher erschienen:

Impressum neobooks

Titel

Zwei Leichen

und ein

Todesfall

Fall 33 für Leo Schwartz

Irene Dorfner

Copyright © Irene Dorfner 2019

All rights reserved

Cover und Text: Irene Dorfner

Lektorat: FTD-Script, D-84503 Altötting

Anmerkung

Die Personen und Namen in diesem Buch sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Auch der Inhalt des Buches ist reine Fantasie der Autorin. Auch hier sind Ähnlichkeiten rein zufällig. Die Örtlichkeiten wurden den Handlungen angepasst.

Liebe Leser

Leo Schwartz hat es wieder geschafft, einen verzwickten Fall zu lösen. Wir sind inzwischen bei Fall 33 und ein Ende ist noch lange nicht in Sicht. Mein besonderer Dank geht an Klaus-Dieter Heidmann , der mir sehr geholfen hat. Vielen Dank auch an Jörg Greisinger, der immer ein offenes Ohr für mich hat. Und natürlich ein herzliches „Danke“ an die treuen Leo-Schwartz-Leser, die die Reihe erst möglich machen!!

Ihr seid die Besten!!

Und jetzt wünsche ich euch viel Spaß mit Fall 33!!

Liebe Grüße aus Altötting,

Irene

1.

Die Arbeiten auf der Baustelle für das neue Firmengebäude in der Bürgermeister-Hess-Straße im oberbayerischen Mühldorf am Inn liefen auf Hochtouren, auch wenn die Bauarbeiten außergewöhnlich oft unterbrochen werden mussten. Immer wieder gab es Beschwerden und Anzeigen, denen von Seiten des Bauamtes nachgegangen werden musste und die jedes Mal einen Baustopp verursachten. Außerdem häuften sich Sabotagen, die unnötig viel Zeit und auch Geld kosteten. Die Zeit drängte. Noch vor Wintereinbruch wollte man zumindest die Bodenplatte schaffen, wonach es jetzt noch nicht aussah. Es war bereits Ende November und es wurde von Tag zu Tag kälter. Die Umstände auf dieser Baustelle zerrten an den Nerven aller, vor allem der Bauunternehmer Weinmayer war stinksauer. In der letzten Nacht wurden fünf Reifen an vier verschiedenen Baufahrzeugen zerstochen. Was kam denn noch alles? Außer den heute zerstochenen Reifen gab es in den letzten Wochen leere Tanks, durchgeschnittene Benzinleitungen und gestohlenes Material. Vor drei Tagen wurde sogar ein Säureangriff auf die Türklinken der Bauwagen verübt. Ein Arbeiter hatte sich schwer, zwei andere leicht verletzt. Es schien, als wäre diese Baustelle verflucht, was unter den Bauarbeitern heftig diskutiert wurde. Es handelte sich um gestandene Männer, die es langsam mit der Angst zu tun bekamen. Fast alle hielten es für besser, die Bauarbeiten einzustellen und nächstes Jahr weiterzumachen. Das war auch die Meinung des Vorarbeiters Udo Brauer, der sich erneut an seinen Chef wandte.

„Mit diesen vielen Unterbrechungen schaffen wir deine Vorgaben nicht, Klemens! Wenn wir es jetzt gut sein lassen, können wir im Frühjahr weitermachen. Unsere Leute sind müde, sie wollen nicht mehr. Außerdem halten fast alle diese Baustelle für verflucht.“

„Das interessiert mich nicht, Udo!“, herrschte Klemens Weinmayer seinen Vorarbeiter an, der ihm mit seinem Gejammer schon seit Tagen in den Ohren lag. „Dieser abergläubische Mumpitz ist etwas für kleine Kinder und gehört nicht hierher. Die Arbeiten gehen weiter! In wenigen Tagen steht die Verschalung, den Beton einzugießen ist dann nur noch ein Kinderspiel. Biete den Leuten einen Bonus an. Wenn wir noch vor Weihnachten fertig werden, gibt es für jeden fünfhundert extra.“

„Verstehst du denn nicht? Die Leute können und wollen nicht mehr, daran ändert auch das Geld nichts!“ Udo Brauer war wütend. Seit Anfang diesen Jahres übernahm Klemens Weinmayer jeden Auftrag und peitschte die Leute an. Urlaube wurden gestrichen, stattdessen gab es Sonderzahlungen. Die wurden anfangs gerne angenommen, aber jetzt waren alle Männer ausgelaugt und mit ihren Kräften am Ende. Dazu kam die Angst, die fast jeden im Griff hatte. Schon seit Wochen hagelte es Beschwerden und nicht wenige drohten mit Kündigung, was vor allem an diesen Anschlägen und Ungereimtheiten lag, mit denen das Bauvorhaben immer wieder unterbrochen wurde. Udo Brauer nahm seine Leute sehr ernst, auch wenn er die Ängste für übertrieben hielt. Diese Unterbrechungen waren in seinen Augen keine Kinderstreiche, wie sie Klemens immer wieder abtat. Für Brauer waren das Aktionen, denen man strafrechtlich nachgehen sollte. Aber davon wollte Weinmayer nichts hören. Für ihn gab es nur die Arbeit und die Einhaltung der Termine, sonst nichts – und dafür peitschte er Brauer und somit alle Arbeiter voran.

Brauer verstand seine Leute, denn auch er selbst war fertig und brauchte nach diesem anstrengenden Jahr dringend Erholung. Durch Klemens‘ Uneinsichtigkeit würde sich die Lage auf der Baustelle verschlechtern, denn Brauer hatte seinen Männern versprochen, ihre Wünsche beim Chef anzubringen und für sie zu kämpfen. Er wollte nicht einen gehen lassen, denn gutes Personal war schwer zu finden. Klemens schienen die Befindlichkeiten seiner Leute völlig egal zu sein. Brauer hatte genug. Es musste eine Lösung her, und zwar schnell.

„Was ist nur los mit dir, Klemens? Früher war die Zusammenarbeit mit dir immer sehr angenehm, außerdem hast du deine Leute stets gut behandelt. Davon ist jetzt nichts mehr zu spüren. Du scheinst gehetzt und wirst immer unfreundlicher. Setzt dich jemand unter Druck? Hast du Geldsorgen?“

Klemens Weinmayer sah seinen Vorarbeiter an. Ja, er hatte Geldprobleme, die er nicht nur seiner geschiedenen Frau zu verdanken hatte, die ihn vor vier Jahren verlassen hatte. Seit er allein war, konnte er nichts mehr mit sich anfangen. Er tingelte anfangs monatelang durch Clubs und Bars, die ihn aber nicht zufriedenstellten. Er brauchte mehr – und begann Poker zu spielen. Anfangs ging es nur um kleinere Beträge, aber die reizten ihn irgendwann nicht mehr. Er brauchte den Kick und liebte es, um immer höhere Einsätze zu spielen. Dass er am Anfang des Jahres sein Haus verkaufen musste, fiel ihm nicht schwer, das war für ihn allein sowieso viel zu groß. Ihm genügte eine kleine, wenn auch luxuriöse Wohnung, die er sich leisten konnte. Wie lange noch, stand in den Sternen. Auch die Schmuckstücke und Aktien, die er für sein Altenteil zurückgelegt hatte, musste er bereits im Frühsommer verkaufen. Weinmayer war sich sicher, dass seine Pechsträhne bald vorbei war und dann würde er alles wieder zurückholen. Aber das Glück ließ auf sich warten. Er war seit Monaten bis über beide Ohren verschuldet und brauchte Geld. Wenn er das bevorstehende Bauvorhaben wunschgemäß noch vor Weihnachten fertigstellte, bekam er einen fetten Obolus, den er dringend brauchte. Der Kredithai, von dem er sich in den letzten Monaten mehrfach Geld geliehen hatte, rief immer wieder an und bestand auf die Rückzahlung. Der zwielichtige Dieter setzte ihn ganz schön unter Druck, was ihn zusätzlich vorantrieb.

 

Klemens Weinmayer atmete tief durch. Dass er nicht vorhatte, die angebotene Sonderzahlung an seine Leute auszuzahlen, behielt er lieber für sich. Ob er Brauer, mit dem er schon seit vielen Jahren zusammenarbeitete, die Wahrheit beichten sollte? Nein. Udo brauchte nichts davon wissen, der biedere Ehemann und Vater einer erwachsenen Tochter würde ihn nicht verstehen. Weinmayer lächelte und schlug einen versöhnlicheren Ton an, denn einen Streit mit seinem Vorarbeiter konnte er sich nicht leisten. Udo war zuverlässig und ein sehr guter Mittler zwischen ihm und den Bauarbeitern, mit denen er sich nicht selbst auseinandersetzen musste. Bauarbeiter gab es wie Sand am Meer, aber einen adäquaten Mann wie Brauer zu finden würde sehr, sehr schwer werden.

„Diese ständigen Unterbrechungen gehen mir auch auf die Nerven, das kannst du mir glauben. An wem bleiben denn diese Unannehmlichkeiten hängen? An mir natürlich! Ich darf nicht nur die Schäden melden und mich mit den Versicherungen herumschlagen. Die Reifen von heute Nacht wird die Versicherung nicht übernehmen, die darf ich selbst bezahlen.“ Klemens lachte wütend und dachte an den Versicherungsvertreter, der ihm beim letzten Schaden angekündigt hatte, in diesem Jahr keine weiteren Schäden mehr aufzunehmen. Er hatte ihm sogar mit der Kündigung der Versicherung gedroht, was Weinmayer nicht riskieren konnte. Mit diesen letzten Schäden würde es schwer werden, bei einer anderen Versicherung unterzukommen. Also blieb ihm nichts anderes übrig, als den Schaden der letzten Nacht aus eigener Tasche zu begleichen, auch wenn er dafür keinen Cent übrighatte. Wie er das anstellen wollte, wusste er noch nicht, aber irgendetwas würde ihm schon einfallen, wie immer. „Als wäre das nicht schon genug, gibt es immer wieder Ärger mit dem Bauamt. Wenn ich das Gesicht von dem Typen schon sehe, könnte ich ausflippen.“ Klemens war immer noch sehr aufgebracht. „Als ich den Auftrag übernahm, gab es Vorgaben, die wir schaffen müssen, verstehst du das denn nicht? Ich kämpfe an allen Fronten und sorge dafür, dass hier alles weiter geht. Bekomme ich einen Dank dafür? Natürlich nicht! Beschwere ich mich und jammere herum? Nein, das mache ich nicht! Alles geht weiter, wie geplant, hast du mich verstanden? Mach dich an die Arbeit!“, sagte Klemens zu seinem Vorarbeiter. „Besorg Ersatz für die Reifen und sieh zu, dass wir die verlorene Zeit wieder aufholen.“

„Einige haben mit Kündigung gedroht. Ich fürchte, dass das nicht nur leere Drohungen waren.“ Brauer gab nicht auf. Verstand Klemens die Lage nicht oder war sie ihm egal?

„Dann lass die Männer doch gehen! Glaubst du, dass ich mich von Bauarbeitern erpressen lasse? Die sollen froh sein, dass sie einen sicheren Arbeitsplatz haben! Arbeitskräfte gibt es zu Tausenden. Wer gehen will, kann gerne gehen, ich weine nicht einem eine Träne nach!“ Klemens Weinmayer ging zu seinem Wagen. Warum sollte er noch länger mit Udo diskutieren? Es war alles gesagt. Er hatte keine andere Wahl, als diesen Auftrag auszuführen, denn das Geld war längst verplant. Mit der einen Hälfte musste er seine Schulden begleichen. Die zweite Hälfte war sein Einsatz für das Spiel während der Weihnachtsfeiertage, das in Frankfurt stattfand. Weinmayer fieberte diesem Spiel entgegen, denn er spürte, dass er diesmal ganz groß abkassieren würde. Wenn er gewinnen würde, und davon war er überzeugt, hätte er große Chancen, an der Weltmeisterschaft in Las Vegas teilnehmen zu dürfen. Dafür müsste er sich bei offiziellen Spielen noch qualifizieren, aber das war in seinen Augen nur reine Routine. Diese Weltmeisterschaft war sein größter Traum, für den er alles tun würde.

Weinmayer setzte sich hinters Lenkrad und atmete tief durch. Dass Udo lästig werden würde, hatte er bereits geahnt. Das Gespräch mit ihm war sehr viel einfacher verlaufen, als er gedacht hatte, worüber Weinmayer nicht unglücklich war. Er checkte er sein Handy. Wieder war die Mailbox voll. Die Nummer gehörte seinem Geldgeber, der auf die Rückzahlung wartete. Er kannte nur dessen Vornamen: Dieter. Ob das sein richtiger Name war?

„Ich zahle dir das Geld zurück, versprochen! Noch vor Weihnachten hast du dein Geld!“

„Das kostet extra.“

„Ja, das ist mir klar. Du musst dich nur noch drei Wochen gedulden. Ich erwarte am zwanzigsten Dezember eine größere Zahlung, die ich sofort an dich weiterleite.“

„Gut. Wenn nicht, kann ich sehr unangenehm werden.“

Schon wieder eine Drohung – was war denn heute nur los? Weinmayer fluchte und legte einfach auf, dann schaltete er sein Handy aus. Er hatte keine Lust mehr auf weitere Drohungen von Dieter. Der würde sein Geld bekommen, so wie immer. Warum führte sich der Typ immer so auf, wenn es nicht nach seinem Willen ging? Ja, er hatte die Rückzahlung bereits mehrfach verschieben müssen, woran diese verdammten Sabotagen schuld waren, und nicht er. An Dieter konnte er jetzt keinen weiteren Gedanken verschwenden, er hatte ganz andere Sorgen. Weinmayer hatte endgültig genug und musste sich dringend um Überwachungskameras kümmern, um diese Sabotagen ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Die fünf Reifen von heute Nacht kosteten ihn ein Vermögen. Geld, das eigentlich für Dieter bestimmt war. Dann musste dieser Trottel eben noch ein paar Tage warten.

Weinmayer gab Gas und hinterließ eine große Staubwolke. Diese verdammte Baustelle! Unter normalen Umständen wären sie schon sehr viel weiter. Noch heute musste er die Überwachungskameras installieren, wofür er zusätzlich Geld ausgeben musste. Wenn er den oder die Saboteure in die Finger bekäme, würde er ihn den Hals umdrehen.

Udo Brauer stand da wie ein begossener Pudel. Seit sein Chef geschieden war, hatte er sich verändert. Klemens hatte Probleme, das war ihm klar. Aber das ging ihn nichts an, und schon gar nicht seine Mitarbeiter. Momentan hatte auch er private Probleme, die er ja auch nicht zur Arbeit mitnahm. Konnte sich Klemens nicht zusammenreißen, wie er es auch musste? Er sah dem protzigen Wagen seines Chefs hinterher, als der davonfuhr. Udo hatte noch darauf gehofft, dass Klemens zur Vernunft käme, aber das war nicht der Fall. Wie sollte er seinen Mitarbeitern beibringen, dass es weiterging und das Bauvorhaben trotz aller Widrigkeiten fortgeführt werden musste?

Wie erwartet waren alle sauer, als er Klemens‘ Entscheidung weiterleitete. Zwei Männer schmissen sofort alles hin und kündigten fristlos, die anderen gingen wieder murrend an die Arbeit.

Langsam hatte Udo Brauer genug. Am liebsten würde er sich einen neuen Job suchen. Aber wer wollte ihn mit seinen neunundfünfzig Jahren noch nehmen? Das wusste Klemens, sonst würde er ihn nicht so von oben herab behandeln. Diesen Mistkerl sollte der Teufel holen!

Brauer kümmerte sich um die Reifen und trieb seine Leute an. Die Stimmung war schlecht, auch wenn er seinen Leuten zum Mittag Pizza spendierte. Alle wussten, dass der Vorarbeiter auf ihrer Seite war, trotzdem waren sie auch auf ihn wütend. Da der Chef für sie nicht greifbar war, musste an dessen Stelle eben Brauer herhalten.

Während des ganzen Tages wurde die Baustelle beobachtet. Was musste denn noch alles unternommen werden, damit diese Leute endlich mit ihren Arbeiten aufhörten?

2.

Kurz vor Feierabend klingelte Brauers Handy. Er erkannte die Nummer seiner Frau. Ihm wurde schlecht, denn wenn sie anrief, musste es dringend sein.

„Komm schnell, Udo! Max steht vor der Tür und flippt völlig aus! Er hat zwei Fenster eingeworfen. Ich habe die Polizei gerufen.“ Udos Frau war völlig aufgelöst.

„Ich bin unterwegs! Lass ihn nicht rein, hörst du?“

„Natürlich nicht!“

Brauer rannte während des Gespräches zu seinem Wagen. Die Rufe seiner Leute überhörte er.

„Ist Gaby zuhause?“

„Ja, sie ist hier und völlig aufgelöst. Ich kann sie kaum beruhigen.“

„Schließt euch ein!“

„Wo denn?“ Brauers Frau war völlig hysterisch und schien überfordert zu sein.

Brauer brauchte nicht lange zu überlegen, denn es gab in seinem Haus, das er selbst gebaut hatte, nur einen einzigen Ort, der sicher genug war.

„Geht in den Heizkeller, der Schlüssel steckt von innen.“

„Bitte beeile dich!“

Diesen verdammten Max soll der Teufel holen! Den Exfreund seiner Tochter hatte er noch nie gemocht. Warum seine Gaby auf diesen Hallodri reingefallen war, war ihm immer noch ein Rätsel. Seine Prinzessin, die ihm bis dato noch nie Probleme gemacht hatte, war diesem windigen Typen völlig verfallen. Dass Max Kern aus schwierigen Verhältnissen stammte, hätten Brauer und seine Frau vielleicht noch hingenommen, schließlich konnte niemand etwas für seine Herkunft. Aber dass er faul war und sich nicht einmal die Mühe machte, sich eine Arbeit zu suchen, machte ihn wütend. Dazu prahlte er mit seinem Halbwissen und führte überall den Ton an. Max hatte eine Gabe, sich über andere lustig zu machen und sich selbst als Intellektuellen darzustellen, der er ganz sicher nicht war. Er war ein Blender, wie er im Buche stand. Es hätte oft nicht viel gefehlt, und Brauer hätte sich diesen Klugscheißer vorgenommen, aber seiner Tochter zuliebe hielt er sich zurück und machte gute Miene zum bösen Spiel. Seine Gaby liebte diesen Mann abgöttisch und unterstützte ihn, wo sie nur konnte – auch finanziell, denn Max besaß nichts und hatte es nicht nötig, daran selbst etwas zu ändern. Dass Gaby ihre Ersparnisse verlor, machte nicht nur Brauer sauer, sondern auch seine Frau. Als Max dann auch noch anfing, seine Tochter zu unterdrücken und sie schlecht zu behandeln, war das für ihn als Vater nur schwer zu ertragen. Wie oft er seiner Gaby ins Gewissen geredet hatte, konnte er nicht mehr zählen. Aber sie wollte nicht hören und verteidigte ihren Freund, wo sie nur konnte. Vor drei Monaten tickte Max dann völlig aus. Brauer konnte sich noch gut an das Telefonat erinnern, das ihn mitten in der Nacht erreichte. Es war die Stationsschwester des Mühldorfer Krankenhauses. Die Frau kannte Gaby und fühlte sich verpflichtet, die Eltern zu informieren, auch wenn seine Tochter das nicht wollte. Gaby schämte sich und schien nicht zu verstehen, was passiert war. Max hatte Gaby nicht nur geschlagen, sondern regelrecht verprügelt. Sie hatte mehrere Hämatome am ganzen Körper, eine Platzwunde an der Augenbraue und eine aufgeplatzte Lippe davongetragen. Dass die heftigen Schläge nicht mehr angerichtet hatten, war reine Glückssache. Gaby war völlig verstört und brach beim Anblick ihrer Eltern zusammen. Brauer konnte seine Tochter zu einer Anzeige drängen, auch wenn das nicht leicht für sie war. Sie liebte diesen Scheißkerl immer noch und versuchte anfangs, sein Verhalten irgendwie zu erklären. Vielleicht war es auch nur die Angst vor ihm. Aber Brauer gab nicht auf und Max bekam das, was er verdiente: Eine Anzeige und ein Kontaktverbot, das noch in derselben Nacht ausgesprochen wurde. Wann und ob überhaupt eine Gerichtsverhandlung stattfand, stand in den Sternen. Brauer war kurz davor, sich den Typen selbst vorzunehmen, aber damit würde auch er sich strafbar machen. Zum Glück war seine Frau besonnen und konnte ihn beruhigen.

Vor einer Woche stand Max plötzlich wieder vor der Tür. Als er das dämliche Gesicht des Mannes sah, der seine Tochter übel zugerichtet hatte, hätte er ihn am liebsten zusammengeschlagen. Stattdessen blieb er ruhig und rief die Polizei. Aber das hielt Max nicht zurück. Seitdem tauchte er immer wieder auf. Und jetzt überschritt Max eine Grenze, worauf Brauer schon lange gewartet hatte. Wenn es stimmte, was seine Frau sagte, würde er sich diesen Mann endlich vornehmen. Jetzt, da dieses Arschloch sein Eigentum beschädigte, fühlte er sich dazu im Recht. Körperlich war er Max überlegen, dieser windige Typ brachte keine siebzig Kilo auf die Waage.

Brauer gab Gas. Als er auf sein Haus zufuhr, konnte er beobachten, wie Max durch das Küchenfenster in sein Haus einstieg. Dass das Max war, daran hatte er keinen Zweifel, auch wenn er ihn nicht erkannte. Die Polizei war noch nicht hier, was ihm sauer aufstieß. Was fiel diesen Polizisten eigentlich ein? Zwei Frauen waren in Not, da war höchste Eile geboten!

 

Brauer stellte den Wagen ab, nahm den Wagenheber aus dem Kofferraum und rannte auf sein Haus zu. Sollte er Max vor dem Eintreffen der Polizei erwischen, hatte der Pech gehabt – denn jetzt, da sich der gewalttätige Mann unrechtmäßig Zugang zu seinem Haus verschafft hatte, hatte dieses Arschloch eine Grenze überschritten, die er nicht hinnehmen wollte. Er war fest entschlossen, Max den Schädel einzuschlagen.