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Der Mensch ist nie allein

Auf unserer Haut leben so viele Mikroorganismen wie Menschen auf der Erde (ca. sieben Milliarden). Unsere Mikroben bilden dabei eine Art Wolke, die uns ständig umgibt und unseren Körpergeruch entstehen lässt. Manche Körperzellen haben zwar Rezeptoren, die Düfte wahrnehmen können, aber keine davon kann selbst Düfte erzeugen, das erledigen unsere mikrobiellen Mitbewohner. So ist bereits einen Tag nach einer Übersiedelung anhand der Mikroben an den Wänden feststellbar, dass Sie und nicht mehr Ihr Vormieter in Ihrer neuen Wohnung leben.

Mehr als 100 Bakterienarten halten das unwirtliche Säuremilieu im Magen aus. Im Verlauf des Verdauungstrakts wird die Anzahl der Bakterien immer höher.

Die Darmschleimhaut ist die größte Kontaktfläche zur Umwelt. Wäre sie ausgefaltet, hätte sie eine Oberfläche von 30 bis 40 Quadratmetern. Sie ist damit nicht ganz so groß, wie lange Zeit geschätzt wurde (vgl. Helander/Frändriks 2014).

Es ist wohl kein Zufall, dass der Darm Hauptsitz unseres Abwehrsystems ist. Der Großteil der Immunzellen befindet sich dort, und 70 Prozent der Immunantworten unseres Körpers finden in den Gedärmen statt. Auf und in uns leben ungefähr so viele Mikroben, wie wir insgesamt Zellen haben. Die größte Anzahl befindet sich im Dickdarm. Sie haben insgesamt ein Gewicht von bis zu zwei Kilogramm. In einem gesunden Darm leben 500 bis 1000 verschiedene Bakterienstämme und bis zu 100 Billionen (also 1010 bis 1012) Bakterien. Ein Gramm Stuhl im Dickdarm enthält 100 bis 1000 Milliarden Mikroorganismen. Bis zu 50 Prozent des Stuhlgewichts bestehen aus Mikrobenmaterie.

GESUNDHEITSFAKTOR MIKROBIELLE VIELFALT

Das Mikrobiom scheint unser integrierter Apotheker im Bauch zu sein, der jene Stoffe produziert, die uns gesund erhalten. Lange Zeit nahm man an, Darmbakterien seien bloße Verdauungshelfer, die als zusätzlichen Nutzen noch ein paar Vitamine produzieren würden. Ohne die Symbiose mit den Mikroben könnten wir wohl nicht überleben. Als Wirt bieten wir unseren mikrobiellen Bewohnern Nahrung, sie dagegen versorgen uns mit wichtigen Stoffen. Die mikrobielle Wohngemeinschaft im Bauch reagiert rasch und elastisch auf Einflüsse. Der britische Epidemiologe Tim Spector zeigte gemeinsam mit seinem Sohn in einem Experiment auf, dass eine einseitige Ernährung mit typischem Fast Food die Vielfalt des Mikrobioms innerhalb von wenigen Tagen reduziert.

Eine kaum mehr zu überblickende Anzahl verschiedener Erkrankungen, darunter viele der sogenannten Zivilisationskrankheiten, wird derzeit im Zusammenhang mit einer mikrobiellen Fehlbesiedelung erforscht und diskutiert. Sie reichen von Autoimmunerkrankungen (von Allergien bis Krebs), Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes Typ II, weiteren Stoffwechselerkrankungen, Übergewicht und Autismus bis hin zu psychischen Erkrankungen. Über sie alle wird dahingehend diskutiert, ob sie möglicherweise Folge einer Dysbiose sein könnten. Die Details der Zusammenhänge sind längst noch nicht wissenschaftlich geklärt. Einig sind sich die Wissenschaftler aber in einem Punkt: Je vielfältiger die mikrobielle Gemeinschaft ist, umso eher bleiben wir gesund. Bei vielen Krankheiten wurden bereits verarmte Mikrobiome festgestellt, also eine deutliche Reduktion der Anzahl verschiedener Keime.

Nicht übersehen werden darf, dass die Mikrobiomforschung erst in ihren Anfängen steckt, doch haben durch Stuhltransplantationen erfolgte Spontanheilungen von schweren chronischen und teilweise lebensbedrohlichen Darmerkrankungen Aufsehen erregt. Zugebenermaßen ist das keine angenehme Vorstellung: Stuhl von Gesunden wird aufbereitet und in den Darm von Kranken eingeführt. Der Eingriff ähnelt einer Darmspiegelung. Die Erfolgsraten sind außergewöhnlich hoch, häufig stellt sich innerhalb eines Tages völlige und dauerhafte Beschwerdefreiheit ein.

FUNKTIONEN DES DARMMIKROBIOMS

Die Aufgaben des Darms sind eng mit seiner mikrobiellen Bewohnerschaft verknüpft und reichen weit über eine Aufschließung und Aufnahme von Nährstoffen und Flüssigkeit hinaus. Mikroben produzieren nicht nur für die Nährstoffaufnahme wichtige Enzyme, sondern auch Mikronährstoffe wie Vitamin B, Vitamin K und Folsäure.

Das Mikrobiom steht in einer intensiven Wechselbeziehung mit dem Immunsystem. Es stimuliert Immunantworten, zugleich beeinflusst das Abwehrsystem die Zusammensetzung des Mikrobioms, das vor pathogenen Keimen schützt. Besetzen physiologische Bakterien den vorhandenen Platz, haben Krankheitserreger weniger Chance, sich an die Darmwand zu heften. Laktobazillen oder Bifidobakterien produzieren im Darm Milchsäure. Diese hemmt – ähnlich wie in Fermentationsgefäßen – schädliche Keime. Manche Mikroben können Stoffe, sogenannte Lipopeptide, bilden, die schädliche Keime nicht vertragen.

Bakterien spielen eine wichtige Rolle bei der Versorgung und dem Schutz der Darmschleimhaut und fermentieren aus Ballaststoffen kurzkettige Fettsäuren wie Essigsäure, Buttersäure und Propionsäure, die den Schleimhautzellen als hauptsächliche Nahrung dienen. Sie werden über das Blut auch an andere Stellen des Körpers transportiert. Das Salz der Essigsäure soll beispielsweise im Gehirn daran beteiligt sein, ein Sättigungsgefühl auszulösen.

Ein gesunder Darm bildet eine stabile Darmbarriere, die aus zwei unterschiedlich dichten Schleimschichten und der Schleimhaut besteht. Die Zellen der Schleimhaut sind mit einer Art dünner Bänder (sogenannter T-Junctions) verbunden, die den Raum zwischen den Zellen leicht öffnen und dann wieder schließen, damit Nährstoffe ins Blut übertreten können. Das Mikrobiom sorgt dafür, dass diese Grenze dicht genug bleibt und Schadstoffe oder Erreger nicht passieren können. Ist diese Schließfunktion gestört, wird dies als durchlässiger oder löchriger Darm oder »Leaky Gut« bezeichnet, durch den Schadstoffe in den Körper eintreten können und dann die Leber, unsere »Stoffwechselfabrik« mit deren Abbau belasten. Der Darm ist ein Hort für Entzündungsprozesse, dabei bilden schädliche Bakterien jene Stoffe und Toxine, die Entzündungen auslösen. Nehmen sie überhand, kann es zu chronischen Entzündungszuständen kommen, die schädigend auf den Darm selbst, aber auch auf zahlreiche andere Stoffwechselprozesse einwirken. Bei Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer wurden ähnliche Schäden an den Nervenzellen im Gehirn wie auch rund um den Darm entdeckt. Hier wird darauf gehofft, Erkrankungen dieser Art frühzeitig erkennen zu können.


Das Konzept des Leaky Gut macht viele Zusammenhänge im Körper aus einer ganzheitsmedizinischen Sicht nachvollziehbar, insbesondere zwischen Darm und Leber. Wissenschaftlich ist es bislang nicht anerkannt, einige Ärzte arbeiten dennoch damit.

Zusammenhänge zwischen Darmgesundheit und psychischer Gesundheit werden unter dem Begriff »Darm-Hirn-Achse« diskutiert. Der Darm wird von einem eigenen, dem enterischen Nervensystem (ENS) gesteuert. Von diesem Bauchhirn gehen wesentlich mehr, nämlich 90 Prozent der Signale an das Gehirn, also an das zentrale Nervensystem (ZNS). Nur zehn Prozent der Signale gehen in die andere Richtung. Das Darmhirn ist über einen Nervenstrang, den Vagus, direkt mit dem Emotionszentrum im Gehirn verbunden, dem Limbischen System. Darm- und Kopfhirn kommunizieren über Botenstoffe, die sogenannten Neurotransmitter, wie beispielsweise das Serotonin, bekannt auch als Glückshormon. Der überwiegende Anteil des Serotonins wird nicht im Gehirn, sondern unter Beteiligung von Mikroben im Darm gebildet. Der Darm spielt für unser Wohl- oder Unbehagen also eine zentrale Rolle.

NEGATIVE EINFLUSSFAKTOREN AUF DAS MIKROBIOM

Antibiotika töten nicht nur krankmachende Keime, sondern auch viele physiologische Bakterien. Nach Einnahme folgen oft Blähungen, weicher Stuhlgang oder sogar Durchfall. Es mehren sich Hinweise, dass viele weitere Medikamente, künstliche Lebensmittelzusatzstoffe und Unkrautvernichtungsmittel wie Glyphosat einschränkend auf die mikrobielle Vielfalt wirken.

Einseitige und ballaststoffarme Ernährung: Bestandteile unserer Nahrung sind die wesentlichen Wachstumstreiber für Darmbakterien. Eine typisch westliche Ernährungsweise mit hohem Anteil an Fertigprodukten, Fast Food, Zucker und Fleisch und geringen Anteilen an Ballaststoffen lässt das Darmmikrobiom innerhalb kurzer Zeit verarmen.

Toxinbelastungen beispielsweise durch Schwermetalle, Alkohol- oder Nikotinmissbrauch wirken ebenfalls schädigend auf das Mikrobiom.

Zu geringer Austausch mit »guten« Bakterien aus der Umgebung durch Kaiserschnittgeburt, Fläschchennahrung statt Stillen, übertriebene Hygiene, wenig Kontakt mit anderen mikrobiellen Ökosystemen wie Erdboden, Pflanzen und Tieren etc.

•Bei Stress leiht sich das Gehirn Energie vom Darm, damit wird die Energieversorgung des Verdauungstrakts reduziert. In entspannten Zeiten überleben bestimmte Bakterienstämme besser als in Stressphasen.

Selbsttest zu Ihrer Darmgesundheit

Wollen Sie wissen, wie es um Ihre Darmgesundheit steht? Für eine erste Einschätzung gibt es einfache Wege. Anzeichen eines gestörten intestinalen Mikrobioms können Sie anhand der folgenden Fragen und Ihrer Stuhlqualität selbst einschätzen. Das Ergebnis kann Grundlage für weiterführende medizinische Abklärungen sein:

 

•Spüren Sie wiederkehrend Bauchschmerzen oder Völlegefühl nach dem Essen?

•Haben Sie wiederholt unangenehme Blähungen oder einen Blähbauch?

•Stellen Sie Durchfall oder Verstopfung fest? Oder schwankt Ihr Stuhl zwischen Verstopfung und Durchfall?

•Ist Ihr Stuhl schmierig oder übelriechend?

•Überfällt Sie manchmal starker Heißhunger auf Süßes?

•Leiden Sie unter übermäßiger Müdigkeit?

•Kennen Sie Melancholie oder Stimmungstiefs, vielleicht gepaart mit Vergesslichkeit?

•Vertragen Sie bestimmte Nahrungsmittel nicht oder nur schlecht?

Beantworten Sie mehrere Fragen mit Ja, weist das auf eine eingeschränkte Darmfunktion hin. Gar nicht so wenige Menschen haben sich an Dysfunktionen ihres Darms gewöhnt. Ein Blick auf die »Bristol-Stool-Form-Scale« (Bristol-Stuhlformen-Skala) gibt Ihnen Anhaltspunkte, wie gesunder Stuhl geformt sein soll. Sie wurde von Ärzten der Universitätsklinik Bristol als einfaches diagnostisches Mittel entwickelt.

Typ 1: Einzelne, feste Kügelchen, schwer auszuscheiden

Typ 2: Wurstartig, klumpig

Typ 3: Wurstartig mit rissiger Oberfläche

Typ 4: Wurstartig mit glatter Oberfläche

Typ 5: Einzelne weiche, glattrandige Klümpchen, leicht auszuscheiden

Typ 6: Einzelne weiche Klümpchen mit unregelmäßigem Rand

Typ 7: Flüssig, ohne feste Bestandteile

Die Typen 1 und 2 weisen auf eine Verstopfung hin, die Typen 5 bis 7 auf Durchfall. Die Typen 3 und 4 gelten als »Idealstuhl«, der leicht auszuscheiden ist und auf keine Erkrankungen hinweist.

Für Durchfall, Verstopfung und Blähbauch gibt es zahlreiche Ursachen. Klären Sie bitte alle Auffälligkeiten mit einem fachlich kompetenten Arzt oder Heilpraktiker ab.

Mikrobiomanalysen sind übrigens bei ärztlichen Routineuntersuchungen bisher nicht vorgesehen. Am freien Markt und über das Internet werden sie seit Kurzem angeboten. Ihre Sinnhaftigkeit wird unterschiedlich bewertet. Wägen Sie gut ab, was Sie sich vom Ergebnis erwarten können und inwiefern Ihnen das Ergebnis helfen kann.


»DIE MIKROBE IST NICHTS, DAS MILIEU IST ALLES«

Antibiotika haben sicherlich sehr viele Leben gerettet. Doch deren Schattenseite kommt nun deutlich ans Licht: Die Folgen eines zu hohen Einsatzes dieser Wirkstoffe zeigen sich heute in Antibiotikaresistenzen. Gegen manche Krankheitserreger helfen nur mehr sehr wenige, deshalb wertvolle Reserve-Antibiotika. Bedauerlicherweise werden gerade diese oft präventiv und hochdosiert in der industrialisierten Tierzucht eingesetzt. Ärzte fordern mittlerweile eine radikale Eindämmung des Gebrauchs in der Tierzucht, um einen bedrohlichen Wirksamkeitsrückgang auch dieser Präparate zu vermeiden. Ob darauf ausreichend reagiert wird, steht noch aus und darf bezweifelt werden. Es scheint so zu sein, dass die Menschheit offensichtlich in eine Sackgasse läuft, oder das antibiotische Zeitalter neigt sich einfach seinem Ende zu. Das wissenschaftlich-medizinische Menschenbild fußt bisher auf Annahmen, die bis zu den Anfängen der modernen Mikrobiologie zurückreichen. Damals setzte sich die von Louis Pasteur geprägte Erregertheorie durch, die Mikroben vor allem als Krankheitsverursacher betrachtete, die bekämpft werden müssen, da sie scheinbar ohne Grund Mensch und Tier befallen. Vor dem Hintergrund des Mikrobioms erscheint der Gedanke an Keimfreiheit und totale Erregerbekämpfung weder möglich noch sinnvoll.

Über 15 Jahre lang habe ich erleben müssen, wie Antibiotika bei chronischen Entzündungen nur kurzfristige Symptomlinderung und schleichend Verschlimmerungen mit sich brachten. Laufend kamen dafür neue Allergien dazu. Ich habe aber auch schon vor mehr als 20 Jahren erleben dürfen, wie ganzheitsmedizinische Maßnahmen nicht nur die chronischen Entzündungen ausheilen ließen, sondern als Nebeneffekt meine Allergien zum Abklingen brachten. Damals wurde bereits bei der Gesundung meines Darms angesetzt.

Die Ganzheitsmedizin hat umfassende Erfahrungen im Einsatz von Therapieansätzen zur Regulierung der Darmgesundheit. Sie folgt mehr den Annahmen von Claude Bernard, einem Gegenspieler Pasteurs, der da meinte: »Die Mikrobe ist nichts, das Milieu ist alles«. Dabei geht es darum, den Nährboden in Geweben so zu beeinflussen, dass Erreger vom Immunsystem selbstregulativ bewältigt werden können. Es berücksichtigt, dass genügend andere hilfreiche Kräfte unterstützt werden, dieser Abwehr nachzukommen. Was aber lang von der akademischen Medizin nicht ernst genommen wurde, rückt langsam in den Fokus der wissenschaftlichen Aufmerksamkeit: Auf Kürbissen identifizierte man Bakterien, die eine antimikrobielle Substanz, das Pyrazin, produzieren, welche Kürbisse zur Gänze vor Fäulnis schützt. Pyrazin wird derzeit für den Einsatz in der Lebensmittelbranche entwickelt und getestet. Beim Abtöten von Keimen auf Eiern zeigt sich eine hohe Wirksamkeit und die Substanz könnte das dabei bisher eingesetzte, bedenkliche Formaldehyd ablösen.

Die Suche nach Alternativen zu Antibiotika wird wohl noch viele Jahre Forschung für wissenschaftlich gesichertes, sogenanntes evidenzbasiertes Wissen benötigen.

PROBIOTIKA NÄHREN DAS MIKROBIOM

Sauerkraut zählte vor langer Zeit schon zu den Heilmitteln. Vor dem Hintergrund über das steigende Wissen des Mikrobioms mehren sich die Empfehlungen, milchsaures Gemüse und weitere fermentierte Lebensmittel auf den Speiseplan zu setzen. Bleibt fermentiertes Gemüse und Obst ungekocht, werden viele lebende Mikroorganismen in den Verdauungstrakt eingebracht. In zwei Esslöffeln selbstgemachtes Sauerkraut sind selbst nach monatelanger Lagerung noch so viele Lebendkeime vorhanden, wie sie in den USA für Probiotika vorgeschrieben werden (vgl. Oregon/Corbin/ Scott 2016).

Viele Produkte im Handel jedoch werden pasteurisiert, da die Produktqualität so stabiler und der Vertrieb leichter zu bewerkstelligen ist. Wollen Sie Fermentiertes kaufen, vergewissern Sie sich also, ob das Produkt unpasteurisiert geblieben ist. Das ist manchmal gar nicht so leicht, weil die Kennzeichnung noch häufig nicht ausreichend darüber informiert. Genauso wichtig ist es darauf zu achten, dass Produkte traditionell und ohne Zusatzstoffe hergestellt worden sind.

Wein und Bier sind zwar fermentiert, können aber aufgrund des Alkoholgehalts nicht unbedingt empfohlen werden. Wasserkefir, Milchkefir und Kombucha bilden häufig einen geringen Alkoholgehalt und scheiden für all jene aus, die strikt auch auf nur sehr leicht Alkoholisches verzichten müssen. Sauerteigbrote haben durch den Backvorgang so gut wie keine Lebendkeime. Ihr Vorteil liegt in der längeren Gärdauer als bei Hefe- oder nur kurz gegangenen Industriebroten, die sie leichter verdaulich werden lassen.

Eingelegt oder fermentiert

Manche Omas sprechen noch davon, Salzgurken oder Sauerkraut »eingelegt« zu haben. Worin besteht nun eigentlich der Unterschied zwischen Einlegen und Fermentieren? Woran ist überhaupt erkennbar, ob etwas fermentiert ist?

»Einlegen« oder »Pickeln« ist sozusagen der Überbegriff und bezeichnet den Umstand, dass ein Ausgangsprodukt zur besseren Haltbarkeit in Öl, Alkohol, Fett, Essigwasser, Salz oder Salzwasser eingetaucht wurde. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es fermentiert ist. Für aktuelle Zwecke wäre eine klarere sprachliche Trennung hilfreich. In den USA setzen sich die Begriffe »fermented food« oder »cultured food« durch, um den Unterschied zwischen Eingelegtem und Fermentiertem deutlicher zu machen. In der deutschen Sprache wäre Ähnliches wünschenswert, um Interessierten die Übersicht etwas leichter zu machen.

EMPFEHLUNGEN ZUM VERZEHR VON MILCHSAUER FERMENTIERTEM

Regelmäßiger Genuss von Fermentiertem ist ausschlaggebender als die Menge. So zeigt uns die traditionelle Esskultur des Fernen Ostens, wie einfach eine Integration in den Speiseplan ist: Bei jedem Mahl werden mehrere kleine Schüsseln mit fermentiertem Gemüse gereicht.

•Eine probiotische Wirkung erzielen Sie bereits mit einem Verzehr von zwei Esslöffeln fermentiertes Gemüse pro Tag. Vertragen Sie Milchsaures gut, können Sie auf 150 bis 200 Gramm pro Tag steigern. Haben Sie größere Vorräte von fermentiertem Gemüse, spricht darüber hinaus nichts dagegen, sie auch beim Kochen von Speisen einzusetzen, am schonendsten durch Zugabe am Ende des Kochprozesses. Zählen Sie das dann aber bitte nicht zu Ihrer täglichen probiotischen Portion dazu.

•Haben Sie ein empfindliches Verdauungssystem, dann starten Sie am besten mit weniger als zwei Esslöffel und steigern Sie die Menge langsam hoch. Lassen Sie Ihrem Körper für die Umstellung Zeit, die manche auch für die Gewöhnung an den sauren Geschmack brauchen. Zählen Sie zu jenen Menschen, die bisher keine oder nur mehr wenig saure Lebensmittel essen? Egal, ob Sauerkraut, Oliven oder Essiggurkerl? Sie mögen Sie einfach nicht und Ihre Salatmarinade braucht unbedingt Zucker, damit der saure Geschmack milder wird? Denken Sie daran, der Gaumen wächst mit seinen Herausforderungen. Starten Sie mit milderen Säurenoten und geben Sie Ihren Geschmacksknospen Zeit zum Umgewöhnen und steigen Sie erst schrittweise auf stärker Saures um.

•Wollen Sie Ihr Mikrobiom tatkräftig unterstützen, können Sie auf eine Mischstrategie setzen, mit der Sie verschiedene fermentierte Lebensmittel über die Ernährung zuführen. Neben einer möglichst bunten Mischung von Laktogemüse und -früchten bieten sich dazu Milchkefir, Wasserkefir, Kombucha oder Tempeh an, die sich ebenfalls mit einfachen Mitteln zu Hause herstellen lassen und jeweils andere Mikrobenstämme enthalten.

NICHT ALLE SUPERFOOD-VERSPRECHEN HALTEN

Fermentiertes Gemüse wird derzeit an vielen Orten als Superfood und toller Nährstofflieferant angepriesen. Nicht alles, was versprochen wird, lässt sich bei einer genaueren Prüfung aufrecht halten. Die häufig vertretene Ansicht, dass Veganer und Vegetarier fermentiertes Gemüse als Quelle für Vitamin B12 nutzen könnten, ist als Mythos zu verabschieden. Oft heißt es, Sauerkraut wäre eine Quelle für Vitamin A, B12, C und K2, da diese durch die Gärung gebildet würden. Annette Sabersky zeigt jedoch auf, dass die Vitamine C und B12 lediglich in Spuren in Sauerkraut enthalten sind. Der erste Laborbefund von Sauerkraut und fermentierten Roten Rüben aus dem »Blubbergarten« hat dies bestätigt: Nur minimale Spuren der Vitamine B12 und K2 und keine auffallend hohen Vitamin-C-Werte waren hier nachzuweisen.

In der aktuellen Diskussion dürfte so allerhand vermischt werden. Am Vitamin K2 wird dies besonders deutlich. Es spielt bei der Fermentation von Bohnen eine Rolle, so z.B. bei »Natto«, einer sehr speziellen Speise aus Sojabohnen. Das Vitamin K1 von Kimchi stammt allerdings aus den grünen Anteilen des Chinakohls und der Frühlingszwiebeln selbst (vgl. Eu-Soon u.a. 2013)

Es ist zu hoffen, dass fermentiertes Gemüse noch besser untersucht wird. Denn bisher ist es bei Weitem nicht so gut erforscht wie fermentierte Milchprodukte, allen voran Joghurt. Die Forschung zu laktofermentiertem Obst scheint überhaupt noch vor dem Anfang zu stehen.

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