Die letzte Zukunft oder Tränen der Galaxie

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Die letzte Zukunft oder Tränen der Galaxie
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Die letzte Zukunft
oder
Tränen der Galaxie

H. Rutkiewicz

Die letzte Zukunft oder Tränen der Galaxie

Texte: © Copyright by H. Rutkiewicz

Umschlag: © Copyright by H. Rutkiewicz

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

PROLOG

Zeit war noch nie relativ schon gar nicht linear.

Ein Irrtum, welcher bereits seit vielen Millionen von Jahren immer wieder aufs Neue überliefert wird.

Nur weil für „euch" alles endlich und einem Muster zu folgen scheint, muss es dies nicht sein.

Es gibt keinerlei Bestimmungen, Faktoren oder sonstige Definitionen, deren Gültigkeit zutreffend wäre. Vielmehr ist Zeit in allen Räumen ohne jegliche Bedeutung.

Zeit …

In Wirklichkeit ist Zeit vielmehr multidimensional. Ein stets pulsierender Strom abgewandelter Energieformen.

Manchmal aber - kaum erkennbar - gibt es eine Anomalie. Einen fatalen Knotenpunkt in diesem Wandel.

Und so kann es geschehen, dass eine unerwartete Sequenz auftritt. Eine Schleife von Ereignissen nimmt anscheinend erneut bekannte Formen an.

Ihr habt viele Bezeichnungen für dieses Phänomen.

Déjà-vu oder auch REINKARNISATION.

Beinahe richtig.

Aber nein.

Weil fehlinterpretiert.

Auch heute noch rätseln viele unentwegt über das woher oder warum. Dabei liegt es deutlich und klar auf der Hand, doch ganz offensichtlich unsichtbar für beinahe jeden dieser … dieser Spezies. Permanent und gezielt wird stets brutal die eigene Geschichte von euch „hilflos“ verleugnet.

Oder auch oft als Mythos abgetan.

Ich erinnere mich auch heute noch an längst vergessene Millionen von Jahren, als wäre es erst Stunden her. Meine eigenen rastlosen Jahre, gezeichnet durch Übermut, gepaart mit einem deutlichen Anflug von Arroganz!

Ausgerechnet hier musste ich eine noch hilflose, primitive und doch interessante Spezies neu formen müssen … diese dann hilflos ihrem Schicksal zu überlassen, vielleicht sogar zu verurteilen.

So sanft, so geordnet, so warm und noch so jung war dieser Planet.

Ein hell flammendes Blau der Ozeane, eine Fülle von Grüntönen und schlichtes, warmes Rotbraun.

Genau hier war einst der Ort, der mich veranlasste Strukturen zu manipulieren, um meine eigene Spezies retten zu können.

Doch fatal, denn es mündete in einer noch heute andauernden Katastrophe für diesen Planeten.

Nach heutigem Raster eurer Zeit sind bereits

210 gebündelte Tage vergangen, und das, was man Leben nennen durfte, hörte auf zu existieren.

… 210 Tage …

210 Tage, die das damalige Leben und das meinige unwiderruflich veränderten.

Noch heute belächle ich die sogenannten Professoren, wie sie Zeichnungen, Steine, Pyramiden und andere elementare Strukturen analysieren.

Völlig ahnungslos, deren Bedeutung zu definieren, um es dann den Primitiven dieser Spezies als wissenschaftliche Erkenntnis oder einfach als gegeben zu verdeutlichen.

Es geschah im damaligen Bovan, an einem Ort, der heute bereits seit über 400 Millionen Jahren oder länger zu Staub zerfallen ist und von jenen damals Culdarag genannt wurde. Eine gewachsene, blühende Hochkultur weit vor eurer Zeit.

Dies war einst sein stolzer Name. Culdarag.

Mit diesem Ort verbunden „mein“ - unser - deklassierter, beinahe halbherziger Versuch, diesem Planeten erneut verloren gegangenes Leben einzuhauchen.

Aber vergebens, unmöglich, vorbei …

Das heutige Ergebnis? Ein periodischer, zu oft misslungener Neustart.

Jeder Anlauf, der nächsten „NEUEN Zivilisation“ Leben bzw. Geschichte einzuhauchen, war stets zum Scheitern verurteilt. Ohne dass diese je eine wirklich echte Chance gehabt hätte …

Immer ein hoffnungsvolles Aufblühen, eine Neubesiedlung. Dann wieder gefolgt vom Auslöschen aller Arten …

Dann wieder neues Leben. Leben, welches es hier nicht geben sollte … nicht geben dürfte.

Und nun?

Ich bin noch immer hier.

Hier. Zusammen mit der letzten von mir kreierten Spezies.

Gefangen an … an diesem … diesem Ort …

Zu viele Ungereimtheiten in dieser Existenzebene.

Und heute?

Ein Leben im Exil, und das seit über 400 Millionen qualvoller Jahre.

Doch was für ein Leben kann das sein? Was hat mich dazu gezwungen oder warum hatte ich mich damals so entschieden?

Ich habe es vergessen …

Zig-Millionen von Jahren, die wie Wasser durch meine Hände rannen. In mir ein Gefühl der Leere, die mir als Einzige geblieben ist.

Ein lebloses Gefühl und die Gewissheit, dass auch ich hier mein Ende erfahren werde.

Doch nun von Beginn an und mit Worten, welche auch die meisten von Euch verstehen sollten …

Kapitel 1
… gefunden…

Die Sonne verliert schleichend ihre unerträgliche Kraft. Endlich verwöhnen wieder Gestalt und Farben des wachsenden Riesen meine Augen. Schluss mit dem mühevollen Replizieren längst verlorener Daten. Ich zwinge mich jedes Mal, die Notwendigkeit und den Verlauf ernsthaft erkennbar und sichtbar zu machen. In meinem Gehirn verblassen langsam die Bilder des Sensorenspiegels, und Kühle umschlingt meinen Kopf, um mich wieder in die reale Welt zurückzudrängen.

Beinahe unmerklich öffnet sich ein Teil des Kraftfeldes, welches meine Station vom Habitat trennt. Drei schlanke Neulinge, die ihre ersten Diensteinheiten für eine lange Zeit antreten möchten, schlüpfen unsicher in die Zentrale.

Die Öffnung ist bereits erneut am Versiegeln, da drängt sich eine große hagere Gestalt in den Raum. Ist sie es wirklich? Dieser Gedanke schleicht plötzlich in meinem Kopf umher.

Ja, es scheint so. Sie muss es sein. „Schermo.“

Ohne einen Gedanken an mich oder die Neulinge zu richten, schmiegt sie sich in die abgelegenste Ecke meiner Station. Ich möchte eben beginnen, den Datentunnel den „Frischlingen“ zugänglich zu machen, als ich eine alte Art der Kommunikation vernehme, die mir nur aus längst vergessenen Tagen in Erinnerung geblieben ist.

Was war das? Töne? Frequenzen, Syntax ähnlich einer gestückelten M e l o d i e? Sprache … ich glaube, sie nannten es Sprache.

Längst in Vergessenheit geratener Austausch von Informationen und Mittel, aufsteigenden Emotionen Nachdruck zu verleihen. Doch heute völlig überflüssig und unangebracht. Unangebracht, weil diese Kommunikationsart von Missverständnissen geprägt und zu energieaufwendig ist.

Ich spüre ihre Blicke, die an mir haften, und ich weiß, diese Worte - ihre Worte - sind für mich bestimmt. Doch warum ich, warum heute?

Seit undenkbaren Zeiten hatte die Familie der Schermo stets nur ihresgleichen diese verschlüsselte Kenntnis von Sammlungen an Manipulationen aufgezwungen. Warum also ich.

„Warum?“, kommt es aus meinem Mund. „Ich gehöre nicht der Familie an. Es wäre kein Geschenk, wohl eher eine Bürde. Warum also?“

Ihre dunkelgrünen, fast schwarzen Augen deuten auf die Neulinge und lassen mich verstummen. Ich befreie meinen Geist, um einen weiten Gedankentunnel zu öffnen, und lasse den Frischlingen, die immer noch verdutzt im Raum stehen, die Flut aller gebündelten Spieglungen zuteil.

Am Ende restlos erschöpft atme ich tief und erleichtert durch. Ich bemerke, dass Schermo die Frischlinge mit einem Keritong (transparente symbiotische Ummantelung) umhüllt und sie sanft durchs Kraftfeld in die angrenzende Nebenstation führt. Schermo gehört einer uralten Zwischenspezies an, welche uns bis heute erhalten geblieben ist.

Nach vielen Generationen paarten sich einige mit denen der Cyrril. Die Cyrril wiederum hatten vor etwa 12 Kamlons (312 Millionen Jahre) wahrscheinlich durch Experimentieren mit wandernden Zeitknoten einen Zugang gefunden, um jeden Punkt im Zeitgeflecht aufsuchen zu können. Streng wurde dieses Geheimnis über alle Kamlons gehütet. Anfänglich verfügten nur zwei Eingeschworene von ihnen über dieses Wissen und nutzten diese Fähigkeit nicht immer zum Vorteil unserer Galaxie. Sie dehnten und manipulierten mehrere Zeitachsen und änderten dadurch womöglich die Geschichte. Für uns schienen diese Wesen jedenfalls unsterblich.

Doch heute gibt es nur noch eine aus der Familie, welche gar nicht oder äußerst selten anzutreffen ist. Es ist Schermo. Sie gehörte von Beginn an zu den „Gemäßigten dieses Bündnisses.“ Man traf sie niemals persönlich im Geflecht der Ereignisse des Universums. Bis auf ein einziges Mal. Dann, vor sehr langer Zeit, unterlief den Cyrril ein verheerender Fehler.

Das Resultat: Die Struktur eines oder sogar mehrere Sonnensysteme hörte innerhalb eines Bruchteils der uns bekannten Zeit auf zu existieren.

Und genau hier war er. Dieser kurze Augenblick. Verschwommen wie durch eine Schicht von Plasmawolken glaubte ich damals, diese eine Schermo, Verbündete der Cyrril, gesehen zu haben. Aber nein, das konnte nicht sein, oder etwa doch?

Ihr Gesicht, ihre Augen - ich fange wieder an mich zu erinnern. Ja, sie muss da gewesen sein.

Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen.

Was soll das? Ich mag es nicht, wenn sie Gedankenfetzen zum Erlöschen bringt.

Mach das nicht noch mal, flute ich meinen Gedankentunnel, welcher an sie gerichtet ist. Doch auch dieser Gedanke wird verstümmelt und verliert sich in den Weiten des gelösten Raums.

Ich warte auf dich in den verborgenden Höhlen.

Heute, wenn alles zur Ruhe gekommen ist.

Wo, wann?

 

Man nennt sie nicht umsonst verborgen, denn niemand weiß eigentlich davon, ging es mir durch den Kopf. Doch da wurde schon die Antwort in mein Bewusstsein geprägt. Wie schon gesagt, ich hasse es, wenn sie das tut.

***

Kühler, feuchter Wind streift durch die dunklen Bergspitzen und fängt sich in der Tiefe des kargen, weiten Tals. Längst sind die letzten Strahlen des sterbenden Riesen verschwunden, und ich suche immer noch den Weg zu den verborgenen Höhlen. Immer öfter und in kürzer werdenden Abständen durchdringt ein frostiger Schauer meinen Körper. Und wieder und wieder. Auf keinen Fall möchte ich mich an diese Art von Treffen gewöhnen wollen.

Ein mich zwanghaft treibender Impuls lässt mich unerwartet zu Boden fallen, während meine Hand unter Schmerzen in einen schroffen Felsspalt hineingleitet. Das Atmen fällt mir schwer. Meine Augen können nur verschwommen meine aufgerissene schlanke Hand erkennen. Die Finger suchen verzweifelt, Halt im scharfkörnigen und gläsernen Untergrund zu finden. Es scheint, als läge die gesamte Last der umliegenden Bergkette auf meinem Körper. Ein Rauschen rast durch meinen Kopf und ich vernehme weit entfernt - wie in einem schlechten Traum - ihre Stimme.

„Steh auf, Cyrril, steh auf! JETZT!“

Das Atmen fällt mir immer noch schwer, doch allmählich erkenne ich ihre immer deutlicher werdende Statur.

„Wo sind wir?“

Nicht wo, sondern wann zischt ihre überhohe Stimme in meinem Kopf.

„Diorosy. Was weißt du darüber?“, vernehme ich nur unwirklich. Warum spricht sie mit mir und spiegelt nicht ihren Gedankentunnel? Immer noch schwingt wie in einem Magnetfeld gefangen mein scheinbar zerrissener Körper.

Sie zerrt mich hinter einen steinigen Vorsprung. „Trink das, es wird dein Gleichgewicht zurück in die benötigte Zeitresonanz verlagern.“

Ihre Hand stützt meinen Kopf, und mit den Fingern führt sie ein zerbrechlich wirkendes Gefäß an meine Lippen.

„Sorymyn. Trink das.“

Ich sträube mich mit aller Kraft, meine Lippen mit diesem stinkenden Zeug zu benetzen.

„Überwinde die Abwehrhaltung deines Körpers, denn es wird wirklich tödlich schmecken.“

Eine schwarze, kristalline und faserig klebende Flüssigkeit kriecht meine Kehle entlang. Wie ein schwerer modriger Stein versucht diese Masse, Platz in meinem Körper zu finden. Ich weiß nicht, was mich mehr zerreißen will, dieses laute, dumpf schwingende Rauschen in meinem Kopf oder das Sorymyn.

„Diorosy, was weißt du.“

Wieder dringen diese Worte nur undeutlich zu mir durch. Mit bebender Stimme höre ich mich selbst stammeln: „Es ist mir gleich, wie du die Masse in der nächsten Phiole nennen wirst, ich werde sie auf keinen Fall zu mir nehmen.“

Meine Augen fallen wie blind seitwärts. In meinem Kopf tobt immer noch ein Plasmasturm, und ich vernehme nur noch Fetzen ihrer Worte.

Eine Ewigkeit ist vergangen, da erkenne ich in ihren großen grünschwarzen Augen mein Spiegelbild.

„Ist es vorbei, kannst du mir nun deine volle Aufmerksamkeit schenken?“

„Weiß nicht. Ich denke schon. Aber warum nur benutzt du diese Form der Kommunikation? Es kostet Kraft, mit dir zu sprechen. Außerdem kenne ich nicht mehr alle diese gesprochenen Worte. Dazu noch diese Emotionen, die ich nicht zu greifen vermag. Und nenne mich nicht Cyrril, ich gehöre nicht zu dieser verachteten Zwischenspezies.“

So hat es keinen Sinn, ich kann mit dir nichts anfangen. Du bist schwerer und tiefer in diese Ebene des Universums eingetaucht, als es überhaupt notwendig gewesen wäre.

Wir müssen noch warten.

Diesen fremden Gedankenimpuls lässt sie in meinem Kopf aufblitzen.

„Ich bin durch eine Vielzahl von Strömungen gesprungen, um dich zu finden …“

„Dann spring doch einfach wieder weiter …“ stammele ich.

Die Syntax ihrer Stimme verändert sich abrupt. „Du hast dich vielleicht 5 Kamlons oder mehr nach deinem Strom der Zeit mit irrsinnigem Erfassen von gesammelten Anomalien und Fragmenten von zerfallenen Atomen beschäftigt. Zerfallene Atome und verbrannte Partikel, die scheinbar zufällig und unkontrolliert durch etliche Galaxien schweben. Staub, welcher wegen deiner Gleichgültigkeit durch eine Vielzahl von Universen rast und den milliardenfachen Tod in sich trägt.

Währenddessen habe ich in derselben Spanne unzählige Paralleluniversen durchstreift, um dich zu finden.

Für dich waren es vielleicht einige fragmentierte Zeitabschnitte. 826.000 aufreibende Kamlons dagegen für mich. Nein, du wirst mit mir diesen Bruch im Zeitgefüge und die damit einhergehende Welle des sinnlosen Sterbens beenden.

Auch geht mir langsam das Sorymyn aus. Und ohne das Sorymyn zerfällt mein Körper seit einiger Zeit zunehmend, denn ich gehöre weder in dieses Universum noch in diese Zeit“.

„Na dann mische dir doch einfach erneut das modrig schmeckende Zeug zusammen.“

„Das ist nicht möglich. Es fehlt mir in dieser Ebene ein so dringend dafür benötigtes Element dieser Zusammensetzung.“

In meinem Kopf zischt und wütet es immer noch. Nur allmählich verliert sich dieser Zustand, und ich versuche, mich wieder zu fassen. Meine Knie rutschen kraftlos unter meinen Oberkörper. Mit zittrigen Bewegungen versuche ich erneut mich aufzurichten.

„Ich höre deine Worte, doch ich verstehe sie immer noch nicht. Warum bist du hier. Und warum ich. Was meinst du mit ‘gefallen … tiefere Ebene‘?“

„Ich hatte schon mehrmals alles für diesen Punkt im Zeitgeflecht vorbereitet. Aber so bist du genauso nutzbringend wie die Asche von Kambal. Hier, wir müssen in diese Richtung.“

Sie umschlingt mit ihren langen schlanken Fingern meinen Arm. In meinem Kopf blitzt ein Gedanke auf: Atme noch nicht so tief.

Diese Weiche im Zeitenwandel ist mit fadem, gelblichem Licht gesättigt.

Mit fester werdenden Schritten durchpflügen wir den dunklen, gläsernen Sand, welcher uns an diesen Ort fesseln möchte. Vorspringende Felsformationen scheinen mit jedem getakteten Augenblick ihre Struktur zu wandeln. Befinden wir uns immer noch im Sprung? Meine eigene Realität ist nicht greifbar. Auch vermag ich nicht die Zusammenhänge des körperlich-geistigen Gleichgewichts herzustellen.

„Hier, dieser Gang, duck dich, halte dir die Augen zu … warum fällt es dir so schwer …“ höre ich noch ihre Stimme dumpf in meinem Kopf, und wieder springen wir. Doch dieses Mal ist es anders. Es scheint mir vertraut, beängstigend vertraut. Wieder dieser scharf-gläserne Sand und dieses Blitzen in meinem Gedankengeflecht.

„Geh aus meinem Kopf und diesmal kein Sorymyn,“ stammele ich.

„Nur noch fünf Mal.“

„Nein, auch nicht zwei- oder einmal. Du sagst mir endlich, was los ist!“, kommt es überlaut aus meinem Mund.

„Oh, ich sehe, deine Lippen und deine Stimme erinnern sich an ihr früheres Dasein. Aber gut, es mag so sein. Schließlich gehorcht uns endlich dieser Tunnel der Zeit, denn wir gehören zu ihm. Wo fange ich für dich an, oder besser: Was möchtest du, nein, willst du davon glauben?“

Wieder scheinen ihre großen Augen mich verschlingen zu wollen. Auch ist mir ihr Geruch vertraut. Ich fühle mich, als wäre ich bereits seit Zeiten in diesem dumpf-gelblichen Zwielicht gefangen.

Mir wird kalt, dieser Zustand der Phasenverschiebung lässt mich beinahe erstarren. Viele verwirrende Gedanken schweben durch meinen Kopf und lassen mich ermüden.

Ruhe, ich benötige nur Schlaf. Ich mag meine Augen einfach nicht öffnen. Auch gehorchen meine Gliedmaßen mir nicht mehr.

Kapitel 2
… ein letztes Mal …

„Tribolt! Bankari! Eure Mutter ist bald zu Hause! Kommt, beendet noch eure Aufgaben von heute Morgen.“

Kotani ist ein liebevoller, aber doch resoluter Vater. Auch wenn seine Sprösslinge kurz vor ihrer zweiten Schlussprüfung stehen und auch das Elternhaus eigentlich bereits verlassen könnten, genießt ihr Vater das bedingungslose Vertrauen, welches ihm entgegengebracht wird. Kotani ist seit vielen Jahren wissenschaftlicher Berater für Analysen und Nachweisen pol-gebündelter Gold-Ionen in der Ionosphäre.

Seit einigen Monaten schon ist Kotani beinahe wie besessen in seine Arbeit vertieft. Seine Kinder vermissen immer häufiger das Rumalbern und Necken mit ihrem Vater.

Viele Tage und Monate waren nun bereits vergangen, als Bankari überaus erfreut von ihrer ersten Arbeitsstelle nach Hause kam. „Ich arbeite ab heute mit einem merkwürdigen Gelehrten zusammen. Nett, aber doch merkwürdig. Als ich fragte, wo er denn studiert habe, meinte er in Soruno. Ich kenne Soruno weder als Ort noch als Fakultät. Und als ich ihn ungläubig ansah, schien es ihm irgendwie unangenehm zu sein.“

„Du musst, dich verhört habe. Na, und wenn du jemanden ansiehst, ist es schon irgendwie unangenehm,“ stichelte Kotani verschmitzt.

„Sein Fachwissen ist für mich einfach nicht greifbar oder gar logisch. Er hatte mich heute flüchtig mit der These konfrontiert: Welcher Zusammenhang bestünde wohl zwischen dem Raumzeitgefüge und den sich schnell bewegenden schwarzen Löchern im Universum. Der Aabe‘ …

„Er ist ein Aabe‘?“, unterbrach Kotani.

„Ja. Der Aabe‘ meinte beiläufig, dass die Kraft, welche von einer unendlichen Vielzahl dieser dunklen Massen ausginge, verantwortlich dafür sei, dass unser Universum in den dafür bestimmten Bahnen zusammengehalten wird. Ein fließender Magnet, deren Eigenschaften genauso manipulierbar wäre wie eine Flüssigkeit. Oder auch feste Elemente, welche sich in einen oder mehreren Zuständen wandeln ließen. Idealerweise Cekanium oder auch Gold. Das Element sollte die Anzahl von Protonen stabil halten, obgleich durch Veränderung der natürlichen Nuklide deren Charaktere wandelbar werden könne.“

„Gold? Hat er Gold gesagt? Wo kam er noch gleich her, Soruno?“ Kotani rieb nachdenklich seine Stirn. „Und was sagtest du, wie sein Name sei?“

„Hm, den habe ich nicht wirklich gehört. Nur, dass er Aabe‘ sei.“

Nochmals folgte Kotani in Gedanken den soeben gehörten Worten und murmelte leise…“Cekanium oder Gold.“

Kann es sein, dass sich die Lösung zum Greifen nah direkt vor mir befindet? Unser eigener Planet -Uribijen- hat allenfalls 250, bestenfalls jedoch noch 300 Zyklen vor sich. Niemand ahnt etwas von dieser sich anbahnenden Katastrophe. Nur eine Handvoll Eingeweihter oder besser Eingeschworener, der fähigsten, die dieser Planet je hervorbrachte. Bestehend aus den klügsten Wissenschaftlern und Querdenkern, welche hilflos, permanent bereits seit einigen Zyklen nach Lösungen suchen.

Noch wenige Zyklen, und dieser Planet wird seiner Atmosphäre beraubt sein. Viel zu spät wurde bemerkt, dass sich die natürliche Umlaufbahn des Heimatplaneten allmählich in eine Exzentrische veränderte. Völlig unverhofft entartete die Galaxie, in der sich Uribijen befand, zu einer durch Raumwellen gebrochenen Liner-Opfergalaxie.

Niemand ahnt, dass diese Raumwellen experimentell und beinahe dem Größenwahn ähnelnd, künstlich erzeugt wurden. Seit einigen Kamlons jagen diese nun zeitversetzt durch Universen und entzünden auf ihrem Weg der Vernichtung jede Galaxie, die ihnen keine Kompatibilität entgegenbringen kann.

Viel zu schnell würde sich nun die Heimatgalaxie zu einer Transformer-Galaxie verändern und schließlich letztendlich zum Quasar wandeln. Das Einzige, was von allen bliebe, wäre ein grelles Aufleuchten, welches über einer unendlichen Entfernung noch zu sehen ist.

… Ich kann und mag mir die kommenden Szenarien nicht vorstellen wollen …

Eine gigantische Menge von kristallinen Cekanium- oder auch Goldnanopartikeln in der Ionosphäre könnte unter Umständen tatsächlich die Lösung bedeuten. Wie aber machbar und woher so eine gigantische Menge beschaffen? Es scheint ein Teufelskreis zu bleiben. Und Zeit ist das, was wir nicht haben.

So in Gedanken versunken wippte Kotani auf seinem Stuhl, als plötzlich eine Übertragung ihn aufschrecken ließ.

„Hast du mich vergessen? Wir wollten uns heute bei meiner Mutter treffen. Wo bleibst du denn?“ Kotanis Partnerin schien ein wenig genervt, denn immer öfter kam es vor, dass er sich mehr der Arbeit verbunden schien als mit der Familie.

„Natürlich habe ich es nicht vergessen, bin bereits unterwegs.“

Anrid, Kotanis Partnerin, war Spezialistin für Linguistik, Morphologie und Syntax an der hiesigen Universität. Selbst sie wurde von Kotani nicht eingeweiht. Gerade als er aus dem Haus ging, schnellte ein Gedanke durch seinen Kopf. Zum Fassen nah und doch wieder fort. Er sah sich um. Für einen unbedeutenden Augenblick schien er sich gegenwärtig in Trance zu befinden. Er glaubte, noch eben eine Gestalt neben sich zu spüren, aber nein, da war niemand.

 

Viel Zeit war vergangen, doch noch immer war man einer Lösung nicht nähergekommen, um den Planeten zu retten. Stattdessen immer öfter diese Ohnmacht, diese verzerrten Gedankenwelten in Kotanis Kopf.

Er hielt plötzlich eine Dissertation in den Händen und starrte auf Formeln, welche jedoch keinen Sinn ergaben. Was soll das? ging ihm durch den Kopf. Auf der letzten Seite des Dossiers las er Aabe‘ und … Soruno. Hatte nicht vor geraumer Zeit Bankari von einem Aabe‘ aus Soruno gesprochen? Was soll das hier alles, mir platzt der Schädel, und uns läuft die Zeit davon …

Doch das Schlimmste war, Anrid in Unwissenheit lassen zu müssen.

Ein Viertel Zyklus verging, und Kotani war nicht in der Lage, Formeln und die immer wiederkehrenden Gedankenblitze miteinander verknüpfen zu können.

Stattdessen verfiel er zunehmend in eine Hilflosigkeit, die ihn erstarren ließ.

An diesem Nachmittag kam Anrid etwas früher nach Hause, als es sonst üblich war. Aufgedreht und beinahe beschwingt sprach sie mit überlauter und hoher Stimme über den neuen Kollegen in ihrer Universität.

Kotani hörte unkonzentriert und unaufmerksam ihrem beinahe singenden Wortfluss zu. Bis zu dem Augenblick, als er zwei Wortfetzen vernahm: Aabe‘ … und Soruno …

„Entschuldige, ich war nicht ganz bei dir. Was war das mit Soruno und diesem Aabe‘?“

Für einen Moment hielt Anrid inne. „Ein Sprachgenie, und irgendwie scheint er die Fragen zu erahnen, die man ihm stellen möchte, denn die Antwort erfolgt in einer abgewandelten Satzstellung. Der Tag verging heute neben ihm einfach wie im Flug.“

Aufgedreht lief sie durch alle Räume und schien sich nicht beruhigen zu können.

„Was sagtest du noch, wie sein Name sei?“ fragte Kotani begierig.

„Er kommt aus oder von Soruno und ist ein Aabe‘, wirklich, so ein zuvorkommender und intelligenter Gelehrter hat uns immer gefehlt und ist eine echte Bereicherung für unser Institut. Nur schade, dass sein Aufenthalt von kurzer Dauer sein wird.“

Kotani war nun doch etwas genervt, rieb sich erneut die Stirn und sagte unüberhörbar: „Soruno gibt es nicht.“ Da war er auch schon verschwunden, und seine Frau sah ihm nur fragend nach.

Fast ein ganzer Zyklus war bereits vergangen, als die Schleuse von Kotanis Labor unverhofft geöffnet wurde. Zwei Männer wollten gerade eben den Raum betreten und wurden ad hoc gestoppt.

„Nicht jetzt!“, rief Kotani überlaut, während er sein Experiment auf dem Bildschirm verfolgte und sich übermüdet über seine Augen wischte.

Die beiden Herren sahen etwas nervös zu Kotani, und einer von ihnen sagte mit fester Stimme: „Ich stelle Ihnen ab heute diesen neuen Kollegen an die Seite. Zur Unterstützung sozusagen.“

Kotani nickte flüchtig und starrte immer noch auf sein Experiment. Er bemerkte nicht einmal, dass sein Vorgesetzter das Labor bereits verlassen hatte.

Der Neue stand dicht neben ihm und lugte ihm über die Schulter. „Hallo … das wird nicht funktionieren, mein Freund.“

Kotani wurde erst heiß, dann kalt und fiel dann in sich zusammen, so sehr hatte er sich erschrocken. „Wer sind … was machen Sie in meinem Labor?“, stammelte er immer noch ein wenig zitternd.

„Doran, Ihr Vorgesetzter, hatte mich Ihnen doch eben vorgestellt. Ich darf Sie demnach mit all meinen Kräften unterstützen, um unser gemeinsames Ziel zu verwirklichen.“

Alle Hoffnungen lagen seit mehreren Zyklen auf dem Team von Doran, dem obersten Leiter dieses Centers. Wieder und wieder wurden akribisch und beinahe verzweifelt sämtliche Daten gefiltert und scheinbar sinnlose Experimente durchgeführt. Doch das Ende von Uribijen schien unaufhaltsam.

Meere verbrennen, alles Leben zu Partikeln verkommen… nicht vorzustellen.

Die Sonne hatte bereits ihren Zenit erreicht, als sich die Wissenschaftler im Gemeinschaftssaal körperlich stärkten. Nur so war es möglich, dem überdurchschnittlichen Druck standhalten zu können. Während Kotani in seinem Essen stocherte, bemerkte er, dass beinahe jeder um ihn herum auf den Neuen blickte, der ihm gegenübersaß.

„So, so, meine Unterstützung. Das stärkt mein Selbstwertgefühl ja ungemein.“ Gerade wollte er noch ein wenig sarkastischer werden, als ihm vom Nachbartisch ein kaum hörbares tuscheln zu Ohren kam.

„Er ist Aabe‘ und arbeitet nur mit Kotani …“

„Ich hatte mir Ihnen im Labor gegenüber wohl einen kleinen Fehltritt geleistet. Entschuldigung. Ich bin Kotani und Sie sind?“

„Ich komme aus Soruno…“

Doch weiter kam der Neue nicht, als Kotani ihn bereits unterbrach. Ihre Blicke trafen sich, und für einen Augenblick schien die Zeit eingefroren zu sein.

„Ein Aabe‘ an meiner Seite. Oder sollte ich besser sagen, ich an der Seite eines Aabe‘. Wer also sind Sie?“

„Wer ich bin, mein Freund? Ich bin Cyrril, und Soruno kannst du nicht kennen. Nicht mehr und das ist auch besser so.“

Niemand im Raum vernahm auch nur einen Laut. Keiner bemerkte die geringste Geste. Wie denn auch. Ich hatte die Antwort im selbigen Augenblick per Spiegeltunnel platziert.

Kotani wurde blass und brach nun endgültig in sich zusammen.

„Zu lange am Bildschirm gearbeitet, ich bringe ihn an die frische Luft“ rief ich in den Raum.

Es dauerte einige Zeit, bis meinem Wissenschaftler der gewohnte Glanz in seine Augen zurückkehrte.

„Wer, oder sollte ich besser fragen, was bist du? Deine Gestalt, deine Stimme, diese Aura. Alles kommt mir bekannt vor. Aber ich weiß nicht, warum oder woher.“

„Ich sag es dir, mein Freund. Soruno.“

„Es gibt weder eine Universität noch einen Ort, von dem ich gehört hätte, welche diese Namen tragen.“

„Ich weiß, nicht in deinem Universum und auch nicht in diesem Leben, das du hier führst. Es existieren parallele Welten, deren Schicksal auch mit deinem Planeten enger verbunden sind, als du dir es vorstellen magst. Deine eigene Seele ist aus einer nicht mehr existierenden Ebene verdrängt worden. Es war also notwendig, dich hier und jetzt aufzusuchen, mein Freund."

„Du sagst es schon wieder. ‚Mein Freund‘. Wir sind Freunde?“

„Ja. Wir waren und sind Freunde, beinahe wie Brüder. Das Einzige, was uns unterscheidet, war unsere Spezies, die nicht unterschiedlicher hätte sein können. Doch trotz aller meiner Fähigkeiten und meinem Wissen blieb mir nur der Schmerz. Ein Schmerz, sehen zu müssen, dich wieder und wieder nicht retten zu können. Die Asche deines Körpers streifte bereits zu oft durch meine Fühler. Beinahe wie ein kühler Abendwind über die Bergspitzen.“

„Ich verstehe nicht. Warum wieder? Was meinst du mit ‚wieder‘?“

„Ich habe dir bereits zu oft beim Sterben zusehen müssen. Aber dieses Mal wird alles anders werden. Ich habe nach vielen Sprüngen und schier unendlichem Suchen einen stabilen Planeten gefunden. Es war nie einfach, meine Spuren vor den meinigen zu verbergen. Einmal hatte mich sogar eine von diesen Schermo an sich gebunden. Doch es gelang mir, einen verdeckt gedehnten Sprung in dieses Universum zu platzieren. Ich vernahm dann nur noch wie durch einen Nebelfetzen gestückelte zusammenhangslose Worte, die sie in meinem Tunnel spiegelte. Lass … helfen, finde … durch … und Sorymyn.“

„Sie. Du sagst „sie“. Wer oder was ist Schermo - sie? Was wenn - sie- uns wirklich helfen kann. Ich kann wirklich jede Hilfe gebrauchen, denn unserem Planeten gehen die Kamlons aus. Ich weiß gar nichts von dir, du aber anscheinend alles über mich. Ich kenne dich nicht, wir sind uns erst vor wenigen Augenblicken vorgestellt worden. Doch verlangst du, dass ich dir unseren Planeten und unsere Spezies anvertraue. Warum sollte ich?“

„Ganz einfach, ich habe etwas gut zu machen, und du hast keine andere Wahl. Was möchtest du denn noch wissen, was ich dir nicht schon bereits in anderen Welten viele Male erzählt habe. Soll ich wieder dein Entsetzen und die Abscheu mir gegenüber in deinen Augen sehen? Warum?! Dieses Mal wird alles ANDERS, Kotani!“

„Mag sein, dass du recht hast. Ich will es aber wissen.“

„Ein letztes Mal werde ich mir die Zeit dafür nehmen. Ein letztes Mal, denn dich zu finden war mehr als ein glücklicher Umstand. Es muss ein Geschenk an mich sein.

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