Herzensöffnung (2): Versöhnung

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„Für mich … eine neue Waschmaschine … ihr seid verrückt. Wie könnt ihr nur so viel Geld ausgeben?“

„Aber Mamma. Sie ist aus unserer Firma und im Werksverkauf ist sie wesentlich günstiger“, versicherte Maria.

„Ach so!“, entfuhr es ihrer Mutter.

Nun drängelte Wolfram: „Wo sollen wir die Waschmaschine hinstellen? Sie ist schwer.“

„In den Keller, wo unsere alte steht.“

Olaf und Wolfram trugen sie vorsichtig in den Keller und stellten sie ab. Dann rückten sie die alte zur Seite und schlossen die neue Waschmaschine an. Zum Schluss trugen sie die alte hoch und stellten sie vors Haus. Sven kannte eine Familie im Dorf, deren Waschmaschine schon seit Wochen kaputt war, und für eine neue war kein Geld da. Ihnen wollte er Bescheid sagen, dass sie diese Maschine bekommen konnten.

Wolfram ging wieder ins Wohnzimmer zurück und gab der Mamma die Bedienungsanleitung. Diese war zwar nicht auf Norwegisch, aber das Deutsch stellte in diesem Haus ja kein Problem dar. Marias Mutter saß im Sessel und musste sich erst an den Gedanken gewöhnen, dass sie jetzt eine neue Waschmaschine hatte. Sie blätterte in der Beschreibung und stutzte plötzlich. „Was bedeutet integrierter Trockner?“

Maria sprang ein. „Das heißt, dass diese Waschmaschine die Wäsche auch gleich trocknet. So musst du sie nur kurz aufhängen und dann ist sie bügelfertig. Das ist sicher auch für Andrea interessant.“

„Aber Andrea wohnt doch seit diesem Jahr bei Sven“, sagte ihre Mutter.

„Daran habe ich gar nicht gedacht. Du hast ja recht. Aber ihr Büro muss sie ab und zu besetzen.“

„Das habe ich schon mit Sven abgesprochen“, sagte Andrea. „Er bringt mich früh und nimmt mich abends wieder mit zurück. Sicher werde ich nicht jeden Tag hier sein können, aber öfter. Wenn ein Telefonanruf kommt und ich nicht da bin, gehen Mamma oder Pappa ran und sagen Sven im Hotel Bescheid. Dann komme ich am nächsten Tag. Reicht das so, Wolfram?“, fragte Andrea etwas bange.

Doch dieser nickte nur und lächelte. Natürlich wollten Andrea und Sven nach der Hochzeit zusammenwohnen. Das war doch verständlich.

Annefried blätterte immer noch in der Beschreibung. Vieles von dem, was diese neue Waschmaschine konnte, war neu für sie. Dass Maria und Wolfram ein Spitzenmodell aus ihrer Produktion ausgewählt hatten, wusste hier niemand. Wolfram hatte vor Tagen zu Maria gemeint, dass wäre besser so.

Maria ging mit ihrer Mutter und Andrea noch einmal in den Keller und erklärte anhand der Beschreibung, was die Waschmaschine alles konnte. Andrea war begeistert. Für ihre Mutter war das alles noch etwas befremdlich. Maria selbst hatte in ihrem Haus in Sonnenberg ein ähnliches Modell gehabt, deshalb war ihr vieles vertraut. Nur konnte ihre in Sonnenberg nicht so viel wie diese neue Maschine.

Wolfram fragte inzwischen Pappa, wie er mit dem Videorecorder zurechtkam. „Er macht nicht immer das, was ich will. Doch langsam begreife ich, welche Taste wofür ist“, sagte Kjeld stolz.

Als sich die drei Frauen von der neuen Waschmaschine losgerissen hatten und wieder nach oben kamen, gingen sie gleich in die Küche. Es war inzwischen Mittag und somit bald Essenszeit. Die beiden Töchter halfen ihrer Mutter, so gut sie konnten, und so stand schon bald das Essen auf dem Tisch. Nach dem Essen legte Maria Julia ins Bett, während Eva und Laura wieder zu den Nachbarn gingen, um mit Gerda und Kai zu spielen.

Wolfram fragte: „Wie geht es jetzt bei dir weiter, Andrea? Mit dem Arbeitsvertrag hast du ja auch Pflichten. Das Büro ist hier, aber du kannst doch nicht ein Leben lang immer hin und her fahren?“

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber wir haben keine andere Lösung.“

„Und wenn ihr hierher nach Håp Land zieht?“

Kjeld rief entrüstet: „Das kommt gar nicht infrage. Du gehörst zu deinem Mann. Kauft euch ein Haus. Das von Sörensens steht leer. Dort könnt ihr meinetwegen einziehen. Ich bin froh, dass wir keine kleinen Kinder mehr im Haus haben. Wir werden auch älter und wollen unsere Ruhe.“

Andrea sah Wolfram schulterzuckend an.

„Hier gibt es ein Haus, welches zum Verkauf steht?“, fragte er.

„Ja. Das steht schon vier Jahre leer. Die Sörensens sind gestorben und ihre Kinder wohnen in Bergen“, meinte Andrea.

„Wäre denn das nichts für euch? Eigene vier Wände sind immer besser, als bei den Eltern zu wohnen. Da muss ich deinem Vater recht geben. Bei uns sagt man, Alt und Jung gehören nicht zusammen!“

„Aber das Haus ist doch alt und es müsste vieles gemacht werden. Wovon sollen wir denn das bezahlen?“

Maria kam gerade zur Tür herein, hörte den letzten Satz und fragte Andrea: „Was sollt ihr denn bezahlen?“

„Wolfram meinte, Sven und ich sollten das Haus von den Sörensens kaufen und dort wohnen.“

„Andrea, das ist doch die Lösung! Dann habt ihr etwas Eigenes“, begeisterte sich Maria.

„Ja? Sagst du mir vielleicht auch, wovon wir das bezahlen sollen?“

Maria sah ihren Mann an, welcher prompt reagierte: „Das ist alles kein Problem, wenn ihr euch gleich entschließt, ein Ferienhaus auf das Grundstück zu setzen. Damit erschließt ihr euch einen Kredit, den ihr ganz bequem abarbeiten könnt. Und wenn wir in den Vertrag den Ausbau des Hauses integrieren, dann läuft er vielleicht zwei oder vier Jahre länger, aber ihr habt ein modernes Haus. Ihr solltet darüber nachdenken. Vielleicht sprechen wir heute Abend noch mal darüber, wenn auch Sven da ist.“

„Das ist sicher eine gute Idee“, antwortete Andrea.

„Da fällt mir noch etwas Wichtiges ein, Andrea. Ich denke, dass ich deinen neuen Arbeitgeber überzeugen werden muss, dass du hier einen Firmenwagen brauchst. Du und Olaf, ihr müsst beweglicher sein. Wenn der Bau losgeht, könnt ihr nicht mehr auf den Bus angewiesen sein, wenn Olaf zum Beispiel nach Bergen muss.“

„Aber er kann doch gar nicht Auto fahren“, entgegnete Andrea.

„Stimmt! Deshalb müsst ihr beide den Führerschein machen. Da das für eure Arbeit ist, wird es die Firma schon finanzieren. Ich denke, das bekomme ich durch. Schließlich bin ich der Einzige in unserer Firma, der die Situation hier kennt. Man vertraut mir.“

Maria schmunzelte vor sich hin. So hat er damals auch mich eingewickelt, dachte sie. Dabei war das, was er sagte, nicht einmal gelogen.

Andrea hingegen erwiderte ängstlich: „Ich soll auch Fahrschule machen?“

„Ja, und das so schnell wie möglich. Im achten Monat wird es dir sicher schwerer fallen. Bis dahin solltest du die Fahrschule schon hinter dir haben. Am besten, ich rede morgen noch einmal mit Olaf. Er könnte euch in Bergen anmelden. Übrigens weiß er von diesem Plan auch noch nichts. Da wird er aber ganz schön gucken.“

Sie besprachen diese neue Idee noch lange. Dabei wurden sie nur durch das Kaffeetrinken mit einer herrlichen Torte unterbrochen. Anschließend ging die Debatte weiter. Als Sven am Abend kam, wurde er gleich eingeweiht. Anfangs sträubte er sich gegen diesen Gedanken, doch dann kam er nach und nach dahinter, dass dieses alte Haus hier in Håp Land die beste Lösung für sie wäre.

Wolfram meinte: „Wenn ihr euch dazu entschließt, dann werde ich bei uns im Betrieb durchsetzen, dass das Haus zusätzlich einen Büroanbau und zwei Garagen bekommt. Eine gehört zum Ferienhaus und die zweite ist für den Betriebs-Pkw. Am besten sollte es ein Kombi sein. Vielleicht so einer wie unser jetziger Leihwagen.“

Sven rief erstaunt: „Was denn, so ein großes Auto? Wer weiß, ob Andrea damit überhaupt zurechtkommt?“

„Wenn ich das schaffe, dann schafft das Andrea auch“, sagte Maria voller Stolz.

„Meinst du?“, fragte Andrea ängstlich.

„Na klar! Das ist gar nicht so schwer. Ich hatte am Anfang auch Angst. Heute bin ich froh, dass Wolfram darauf keine Rücksicht genommen hat.“

„Dann wäre es gut, wenn ihr beide morgen zu der Veranstaltung in der Dorfschenke kommen würdet. Dort werden die ersten Verträge unterschrieben, auch der Bürgermeister wird anwesend sein. Mit ihm könnt ihr gleich die Sache mit dem Haus klären. Wenn es schon so lange leer steht, dann ist es sicher preiswert zu haben.“

Nun wendete sich Wolfram an Kjeld: „Pappa, wie ist das eigentlich mit euch. Werdet ihr euch auch für ein Ferienhaus entscheiden?“

„Ich will das erst mal bei den anderen sehen. Oder muss ich mich unbedingt bis morgen entscheiden?“

„Nein! Es ist jedem seine eigene Entscheidung. Es wäre unfair, jemanden zu bedrängen.“

Kjeld nickte. Er war froh, dass er sich noch nicht entscheiden musste. Besonders geheuer war ihm die ganze Sache nicht. Aber das wollte er gegenüber seinem deutschen Schwiegersohn nicht zugeben.

Als die Kinder vom Spielen zurückkamen, bereitete ihre Oma das Abendbrot zu. Ihre beiden Töchter halfen wieder. Die Männer hingegen hatten nur noch ein Thema: den Hauskauf und wie es dann weiterging. Sven meinte, dass dann auch die vielen Kilometer zwischen Urke und Håp Land wegfielen.

Als sie dann alle beim abendlichen Essen waren, fragte Wolfram Andrea, ob sie Olaf morgen noch vor der Veranstaltung sagen könne, dass er den Führerschein machen müsse. Es sei besser, wenn er das schon vor dem Treffen in der Dorfschenke wissen würde. Andrea versprach es ihm. „Am besten, wir gehen morgen zusammen von hier los. Dann kann ich es ihm unterwegs erzählen. Sven wird heute hierbleiben, sodass er morgen auch mitkommen kann.“

Andreas Mutter freute sich, dass nun auch Andrea und Sven in eine gesicherte Zukunft steuerten. Sie vertraute Wolfram, dass er Sven beim Kauf des Hauses unterstützte. Wolfram hatte erst seit einem knappen Jahr Kontakt zu ihrer Familie, doch wie viel hatte sich seitdem verändert. Sie begriff immer mehr, was er mit den Worten meinte, die Einwohner im Dorf würden umdenken müssen. Keiner sah mehr auf Maria herab. Keiner machte einen Bogen um ihre Familie. Alle waren wie aufgescheuchte Hühner und wussten nicht, wie sie Wolfram einschätzen sollten. Maria war nicht mehr Dorfgespräch. Schon dafür war Annefried Wolfram unendlich dankbar. Seiner offenen Art waren die verschlossenen Dorfbewohner nicht gewachsen. Ja, sie bewunderte ihren Schwiegersohn, auch wenn sie manches an ihm nicht verstand.

 

Am nächsten Morgen traf Maria mit ihrer Familie gegen 9.00 Uhr bei ihren Eltern ein. Andrea meinte: „Ich denke, ich sollte Olaf Bescheid sagen? Jetzt kannst du es doch gleich selbst machen, Wolfram.“

„Stimmt. Gestern wollte ich direkt zur Schenke, aber das geht ja wegen der Kinder nicht. Für einen Moment hatte ich sie vergessen. Ich verspreche, mich zu bessern.“ Dabei lächelte Wolfram.

Kurze Zeit später liefen sie mit Andrea und Sven rüber zu den Jansens. Maria freute sich, dass sie die Kinder wieder bei Ivonne und ihren Kindern lassen konnte. Hier waren sie sehr gut aufgehoben. „Wenn ihr uns einmal besucht, dann werden wir das alles gutmachen. Ihr habt uns die Kinder so oft abgenommen. Ihr seid wahre Freunde.“ Maria war so froh, dass die Kinder zu jeder Zeit hierherdurften.

„Aber das ist doch selbstverständlich“, antwortete Ivonne bescheiden.

„Nein, Ivonne, das ist es sicher nicht“, sagte jetzt Wolfram. „Ihr seid wirklich wertvolle Freunde.“

„Maria weiß doch, dass wir das gern tun“, sagte Olaf.

„Gerade deshalb seid ihr ja so wertvoll“, erwiderte Wolfram. „Und für die Firma sind Sie auch sehr rührig. Ich denke, Sie werden in nächster Zeit viel unterwegs sein. Schade, dass Sie kein Auto haben. Das würde Ihnen jetzt viel Zeit ersparen.“

„Wozu ein Auto? Ich kann doch gar nicht Auto fahren.“

„Hatten Sie noch nie den Wunsch, ein Auto zu fahren?“

„Als Kind habe ich es mir oft gewünscht, aber dann kamen der Beruf und die ständige Arbeitslosigkeit im Winter, die Familie und das Haus. Nein, Wolfram, so weit werden wir es wohl nie bringen.“

„Dann muss ich Sie mal aufklären. In Deutschland ist der Führerschein fast eine Bedingung für jede Arbeit. Da hier andere Bedingungen herrschen, denke ich, dass die Firma Ihnen und Andrea die Fahrschule finanzieren sollte. Sie können hier ohne Auto gar nicht richtig Ihre Aufgaben erfüllen. Bitte versprechen Sie mir, dass Sie am Montag eine Fahrschule aufsuchen und Andrea und sich dort anmelden. Lassen Sie sich die Telefonnummer und die Bankverbindung geben, damit unsere Firma den Betrag überweisen kann. Andrea wird mir am Montag alles über das Internet zukommen lassen. Glauben Sie mir, es ist Eile geboten. Ab März soll hier der Bau losgehen und bis dahin müssen Sie den Firmenwagen fahren können. Ich denke, dass die Firma bis Ende Februar einen Pkw stellen wird.“

„Ja, aber wieso? Wir sind doch erst ein paar Tage in Ihrer Firma.“

„Vielleicht ist das hier anders. In Deutschland ist es bei großen Firmen nichts Ungewöhnliches, einen Firmenwagen zu bekommen, wenn man dienstlich unterwegs sein muss. Bei uns ist das jedenfalls so geregelt. Deshalb müsst ihr so schnell wie möglich den Führerschein machen.“

„Wolfram, wie kann ich Ihnen nur danken?“

„Nicht mir! Ich bin doch nur der Vermittler. Außerdem müssen wir Ihnen danken wegen der Kinder. So, jetzt müssen wir aber los, wenn wir pünktlich in der Dorfschenke sein wollen.“

Ivonne blieb bei den Kindern und war überglücklich. Ihr Olaf würde den Führerschein machen. Sie wusste, dass er sich das schon so lange gewünscht hatte. Vielleicht würden sie es dann irgendwann zu einem kleinen Auto schaffen. Damit würde sich für Olaf ein unendlich großer Traum erfüllen. Ivonne wusste das und sie wollte alles dafür tun, dass er wahr würde.

Währenddessen besuchten die anderen den Wirt in seinen Räumlichkeiten. Es war noch nicht 10.00 Uhr und so waren auch die meisten noch nicht da. Wolfram suchte sich einen Platz mit dem Rücken zur Wand, damit er immer nach vorn sprechen konnte. Beim Wirt bestellte er ein Mineralwasser.

Pünktlich 10.00 Uhr begann Wolfram mit der nächsten Informationsveranstaltung. Außer dem Bürgermeister waren alle da. Einige hatten ihre Frauen mitgebracht, andere kamen allein. Andrea flüsterte Wolfram zu, dass diese Frauen auf die Kinder aufpassten, wie auch Ivonne. Wolfram nickte und begann.

„Liebe Freunde. Wir sind heute nochmals hier zusammengekommen, um Genaueres über unser Projekt zu besprechen. Ich werde Ihnen erst einmal beschreiben, was man Ihnen da aufs Grundstück setzen wird. Das Ferienhaus wird ein Holzhaus mit zwei Etagen werden. Unten wird es einen großen Wohnraum mit einer kleinen Kochmöglichkeit und einem ebenfalls kleinen Kühlschrank geben. Bei uns nennt man das Miniküche. Ansonsten wird es dort einen Esstisch mit vier Stühlen geben und eine Sitzecke mit Couch, Tisch, zwei Polsterhockern und zwei Stühlen. Ein Fernseher wird auch in diesem Raum sein. Ebenfalls wird es im Untergeschoss ein Bad mit Wanne, Dusche, Waschbecken und Toilette geben. Das Obergeschoss wird zusätzlich mit einer kleinen Toilette und einem Waschbecken ausgestattet. Das erste Zimmer wird ein Schlafzimmer mit Ehebett, zwei Schränken, zwei Nachttischen, drei Hockern und einem flachen Schränkchen sein. Das zweite Zimmer oben wird das Kinderzimmer sein. Darin werden zwei Doppelstockbetten stehen, bei denen man die unteren Betten hochklappen kann, um Platz zum Spielen zu gewinnen. So werden nur so viele Betten genutzt, wie Kinder angemeldet sind. Die unteren Betten werden nur heruntergeklappt, wenn es mehr als zwei Kinder sind. Es wird auch eine Möglichkeit geben, dieses Kinderzimmer auf bis zu sechs Betten zu erweitern. Wie das geht, wird man Ihnen zeigen, wenn alles fertig ist. Zum Ferienhaus gehört immer eine Garage. Es wird Urlauber geben, die mit dem Schiff kommen und ihre Autos mitbringen.

Da das Ferienhaus fast das ganze Jahr über geheizt werden muss, empfehle ich Ihnen, in Ihr Haus eine Ölheizung einbauen zu lassen. Ebenso sollten Sie das Angebot einer zuverlässigen Waschmaschine aus unserer Produktion annehmen. Sie werden durch die Urlauber viel Bettwäsche und Handtücher zu waschen haben. Das sollten Sie nicht unterschätzen.“

Inzwischen kam auch der Bürgermeister und setzte sich.

„Bürgermeister Björn Nansen, ich begrüße Sie. Es ist gut, dass Sie gekommen sind, denn jetzt wird es auch für Sie interessant. Wir suchen weiterhin Fischer hier im Dorf. Ich habe gehört, dass es noch einige gibt. Denen möchte ich empfehlen, Fjord-Rundfahrten anzubieten oder auch Hochseeangeln. Ebenso könnten Sie jeweils vier Personen mit zum Fischfang nehmen. Bei einem Preis von 250,- Kronen pro Person können sie damit ein gutes zusätzliches Einkommen haben.“

So viel bezahlt doch niemand“, rief einer der Bewohner.

„Sie irren sich. Das ist ein Preis, den sicher viele bezahlen werden. Urlaub kostet immer Geld. Die Urlauber, die hierherkommen, wissen das.

Auch wäre es vorteilhaft, wenn es bei Ihnen hier im Dorf einen Bäcker gäbe. Der könnte das Dorf und das Hotel mit frischen Backwaren beliefern. Davon kann man bestimmt gut leben. Die Finanzierung wäre dann allerdings anders. Eine Bäckerei und ein kleiner Laden, der vielleicht früh drei Stunden und nachmittags zwei Stunden offen hat. Das würde sicher reichen. Außerdem könnte ich mir eine Fahrrad-Ausleihstation vorstellen. Wer sich dazu entschließt, sollte aber Schlosserfähigkeiten haben, damit er auch eine kleine Fahrradwerkstatt betreiben kann. Die Finanzierung könnte man auch über das Ferienhaus abwickeln. Sehr empfehlenswert wäre auch ein Souvenirladen, der gestrickte Mützen und Pullover mit Norwegermuster anbietet, ebenso Sweatshirts und T-Shirts, Postkarten und Briefmarken. Sicher gibt es auch noch andere interessante Souvenirs, die man da anbieten kann. Der Laden sollte immer am oder im Haus des Betreibers sein.

Für all diese Dinge müssten Sie in Deutschland ein Gewerbe anmelden. Ich weiß nicht, wie hier die gesetzlichen Bestimmungen sind. Aber Ihr Bürgermeister kann Ihnen da sicher helfen. Auch sollte er einen Fotografen engagieren, der Postkarten kreieren kann. Sie brauchen unbedingt Postkarten vom Dorf und vom Hotel. Auch sollten Ansichten vom Fjord, vom Wald mit einem Elch und von einem Ferienhaus angeboten werden. Den Fotografen wird das Hotel bezahlen.“

Wolfram wandte sich Sven zu: „Bitte kläre das mit der Hotelleitung. Sie müsste wissen, dass sie auf diese Art Werbung nicht verzichten kann. Ihr habt an der Rezeption nicht eine Postkarte vom Hotel noch von der Umgebung.“

Sven nickte.

„Dem Wirt habe ich den Vorschlag gemacht, dass er statt eines Ferienhauses seine Gästezimmer modernisiert. Dazu habe ich ihm empfohlen, einen Saal für etwa hundert Leute anzubauen und dort Tanzveranstaltungen für das Dorf und die Urlauber anzubieten. Ebenso könnte er hier Kinovorstellungen geben. Wenn er dafür eine Genehmigung benötigt, wird ihm der Bürgermeister sicher weiterhelfen.

Sie sehen, ich habe mir viele Gedanken gemacht, damit Ihr Dorf aus dem Dornröschenschlaf erwacht. Es sind aber alles nur Vorschläge und Ideen. Verwirklichen müssen Sie diese Ideen selbst. Ich kann Ihnen nur bei der Finanzierung helfen. Das war es, was ich Ihnen noch mitteilen wollte, eh Sie den Vertrag unterschreiben. Ich habe für alle, die sich bei Olaf gemeldet haben, einen Vertrag mit.“

Damit setzte sich Wolfram und wartete auf die Reaktionen der Zuhörer. Erst herrschte ein paar Minuten Stille. Dann kamen die ersten Fragen.

„Wer garantiert uns denn, dass das alles funktioniert? Nicht, dass wir auf den Ferienhäusern sitzen und dann kommt keiner.“

„Solange die Finanzierung läuft, wird Ihr Kredit automatisch Monat für Monat abgeschrieben, auch wenn keine Urlauber kommen. Das ist das Risiko unserer Firma. So steht es übrigens im Vertrag.“

„Und warum setzen Sie sich so dafür ein? Was verdienen Sie dabei?“

„Ich? Sie werden es nicht glauben. Ich verdiene nichts dabei. Aber das ist für mich nicht so wichtig. Ich habe in Deutschland eine gute Arbeit und verdiene dort ausreichend. Als ich vor fast einem Jahr das erste Mal in Håp Land war, habe ich gesehen, dass es hier viele Menschen schwer haben, weil es zu wenig Arbeit gibt. Deshalb habe ich monatelang überlegt, wie ich Ihnen helfen kann. Ich glaube einfach, dass Sie viel Potenzial haben, wenn man Sie unterstützt. Tun müssen Sie es selbst. Aber ohne Hilfe ist das eben fast nicht möglich.“

„Werden Sie die Arbeiten selbst überwachen?“

„Nein. Ich muss morgen wieder zurück nach Deutschland. Dort wartet meine Arbeit. Aber es wird ein Bauingenieur aus Deutschland kommen. Ansonsten ist Olaf für die Organisation zuständig und Ihr direkter Ansprechpartner. Baubeginn wird voraussichtlich im März sein. Der Bau für ein Ferienhaus sollte nicht länger als acht Wochen dauern. Wenn sich nach dem heutigen Tag weitere entschließen, dieses Angebot anzunehmen, dann wäre eine zweite Bauphase im September möglich. Im Sommer ist Saison und da sollte kein Baulärm sein.“

Wolfram erklärte anschließend Einzelheiten, die den Bau betrafen.

„Gibt es weitere Fragen? Nein? Dann können wir mit dem Unterschreiben beginnen. Olaf hat für jede angemeldete Familie den Vertrag. Lesen Sie ihn sich gründlich durch und geben Sie ihn unterschrieben zurück, wenn Sie einverstanden sind. Er wird am Montag in der Firma gegengezeichnet und Sie bekommen dann Ihr Exemplar per Post zugeschickt. Sollten Sie in zwei Wochen noch keinen Vertrag zugeschickt bekommen haben, melden Sie sich bei Andrea. Sie wird dann alles Nötige klären.“

Die Dorfbewohner holten sich ihre Verträge und begannen zu lesen. Wolfram rief den Bürgermeister zu sich und fragte nach dem Haus der Sörensens.

Björn Nansen lachte: „Wollen Sie das auch kaufen?“

„Nein. Ich nicht. Aber Sven Aglund interessiert sich dafür. Er sucht etwas für seine neue Familie.“

„Das ist etwas anderes. An Ausländer wäre das Haus nicht zu verkaufen.“

„Glauben Sie mir, ich habe ein schönes Haus in Deutschland. Das reicht mir vollkommen. Es ist wirklich für die beiden. Ich bin hier nur der Vermittler. Sven! Jetzt bist du dran.“

Sven verhandelte eine Weile mit Björn Nansen. Dann waren sie sich einig. Der Bürgermeister würde mit den Erben Kontakt aufnehmen und den Kauf vermitteln. Schließlich war er ja auch daran interessiert, dass dieses Haus wieder bewohnt wurde. So unterschrieb Sven auch seinen Ferienhausvertrag mit dem Vorbehalt, dass er ungültig wird, wenn es nicht zu dem Hauskauf kommen sollte. Wolfram akzeptierte diesen Vorbehalt.

 

Zum Schluss sammelte Olaf die Verträge wieder ein. Alle hatten unterschrieben. So konnten sie die Schenke verlassen und nach Hause gehen. Mamma wartete bestimmt schon mit dem Essen.

Natürlich war die Sache mit dem Haus für Sven und Andrea Thema beim Essen. Sven hätte nicht gedacht, dass der Bürgermeister sich so dafür einsetzte.

„Er wäre ein schlechter Bürgermeister, wenn er sich nicht um sein Dorf kümmern würde“, warf Wolfram ein. „Deshalb habe ich ihn auch immer eingeladen. Er sollte sich nicht übergangen fühlen.“

„Danke!“, sagte Andrea. „Ich kann es noch gar nicht glauben. Wir werden ein eigenes Haus haben und du musst nicht mehr jeden Tag diese Strecke fahren.“

„Es sieht so aus, als ob dieses Jahr ein Jahr der Überraschungen wird“, bemerkte Wolfram. „Das Haus, das Baby und wer weiß, was noch alles Neues auf uns einstürmt. An dieser Stelle möchten wir euch für den Juni dieses Jahres einladen. Ich meine euch, Pappa und Mamma, und auch euch, Sven und Andrea. Bis es so weit ist, werden wir auch geklärt haben, wie die Reise mit eurem Sohn am besten zu bewältigen ist.“

„Sohn?“, fragte Sven und schaute Andrea fragend an.

„Nein, Sven. Von mir hat er das nicht. Ich würde selbst gern wissen, was es wird.“

Wolfram schüttelte lachend den Kopf. „Es ist mehr so ein Gefühl. Ich habe mal gehört, dass kleine Jungs ihre werdende Mutter hübscher aussehen lassen. Hingegen machen kleine Mädchen die werdende Mutter nicht hässlich, aber sie sehen abgespannt und müde aus.“

Annefried nickte zustimmend und Wolfram sprach weiter: „Nun seht euch mal Andrea an. Sieht sie nicht aus wie das blühende Leben? Die Schwangerschaft bekommt ihr doch hervorragend. Von abgespannt und müde kann bei ihrem Aussehen weiß Gott keine Rede sein. Aber was soll’s. Im April zu Marias Geburtstag werden wir vermutlich mehr wissen.“

„Du weißt viel über Frauen. Das ist hier nicht üblich“, meinte Marias Mutter verwundert.

„Wie will man eine Frau verstehen“, sagte Wolfram, „wenn man über Frauen nur das weiß, was sich Männer am Stammtisch erzählen. Nur wenn man das Wesen einer Frau versteht, kann man auch sie selbst verstehen. Das wiederum, so meine ich, ist die gesunde Basis für eine Beziehung.“

„Aha“, sagte Kjeld. „Und jetzt verstehst du die Frauen?“

„Schön wäre es“, meinte Wolfram darauf lachend. „Ich bin immer noch beim Lernen.“

„Du willst uns auch einladen?“, fragte Kjeld jetzt etwas vorsichtig.

„Ja. So können wir alle zusammen Evas, Svens, meinen, Lauras und Andreas Geburtstag feiern. Das sind fünf Geburtstage, die ich gern mit euch zusammen feiern würde. Bitte macht es möglich. Ihr bereut es ganz sicher nicht. Oder hast du Angst vor den Deutschen?“

„Ich? Angst? Das Wort kenne ich gar nicht!“, entgegnete Kjeld entrüstet.

„Dann ist ja alles in Ordnung!“, konterte Wolfram.

„Habt ihr denn so viel Platz in eurem Haus oder müssten wir wie ihr jetzt im Hotel schlafen?“, fragte Marias Mutter.

Da meinte Andrea: „Sie haben zwei Gästezimmer im Haus. Ich glaube, das reicht für uns alle.“

Maria sah Wolfram gespannt an. Doch dieser sagte: „Ihr werdet auf jeden Fall bei uns zu Hause schlafen. So ist es doch viel schöner, oder nicht?“

Man konnte Maria ansehen, wie sie langsam die Luft herausließ. Wolfram hatte wieder mal die Kurve gekriegt, ohne alles sagen zu müssen. Annefried hingegen nickte erleichtert. Sie wollte so nah wie möglich bei ihren Kindern und Enkeln sein.

Am Nachmittag besuchten Wolfram und Maria ein letztes Mal Olaf und Ivonne im Nachbarhaus. Sie bedauerten, dass sie sich nun längere Zeit nicht sehen würden.

„Vielleicht klappt es, dass Olaf von der Firma eingeladen wird. Dann sehen wir uns in Deutschland wieder“, sagte Maria. „Wir bleiben über Andreas Telefon auf jeden Fall in Verbindung.“

Olaf antwortete: „Ja, das werden wir. Wenn es mit Deutschland nicht klappt, dann werdet ihr sicher wieder einmal nach Håp Land kommen. Ihr seid bei uns immer gern gesehen.“

„Danke, Olaf!“, sagte jetzt Wolfram. „Auch ich werde die Zeit hier bei euch nicht vergessen. Ihr seid mir zu wirklichen Freunden geworden und ich hoffe, dass wir uns in Deutschland wiedersehen. Aber das hängt eben nicht nur von mir ab. Warten wir es einfach ab. Jetzt ist erst einmal wichtig, dass der Bau nach dem Winter ohne Verzögerung abläuft. Ich glaube, dass Sie, Olaf, genau der Richtige sind, der diesen Bau beaufsichtigt. Sie haben jetzt schon mehr geleistet, als ich mir vorgestellt hatte. Vielleicht kann ich mal mit der deutschen Bauaufsicht mitkommen, wenn die ersten Ferienhäuser fertig sind. Noch ein Tipp: Versuchen Sie den Kontakt zu Sven zu halten. Ich denke, es kann nicht schaden, wenn Sie mit dem Hotel im ständigen Kontakt sind. Wenn das Dorf das Hotel in das Dorfleben integriert, ist es allen zum Vorteil. Sie sollten nicht gegeneinander, sondern miteinander leben.“

„Ich werde Ihren Rat beherzigen“, sagte Olaf, „da ich sowieso öfter mit Andrea zu tun haben werde.“

„Sven organisiert fast alles im Hotel drüben und Sie tun Ähnliches hier. Das sollte für eine Zusammenarbeit eine gute Basis sein. Und wenn der Bau losgeht und Sven das Sörensen-Haus bekommen hat, dann beginnen Sie bitte dort zuerst. Dieses Haus muss schnell fertig werden, schon wegen des Kindes, das Ende März zur Welt kommen will. Als Zweites sollte Ihr Ferienhaus fertig werden, damit wir etwas vorzeigen können. Wenn sich bis März noch welche entschließen, sollten sie auch gleich mit berücksichtigt werden. Wer sich erst entscheidet, wenn die Baggerarbeiten abgeschlossen sind, der muss bis September warten. Auch dann geht der Bau nur weiter, wenn es mindestens fünf Interessenten sind. Wegen ein oder zwei Ferienhäusern lohnt sich der Aufwand nicht.“

Olaf nickte. „Ich werde alles so machen, wie Sie es sagen.“ Dann fragte er: „Wann werde ich das erste Mal Geld bekommen?“

„Gehaltszahlung ist in unserer Firma immer am Monatsende. Ich denke, dass es in der letzten Woche im Januar sein wird. Kommen Sie bis dahin aus?“ Wolfram fühlte plötzlich wieder, wie wenig Geld sie zur Verfügung hatten.

Olaf aber meinte: „Wir werden bis dahin auskommen müssen. Das wird schon irgendwie gehen.“ Dabei versuchte er so locker wie möglich zu sein.

Wolframs Blick zu Ivonne sagte ihm, dass diese Lockerheit nur gespielt war und Jansens wirklich am Existenzminimum lebten. Deshalb sagte er: „Vielleicht kann ich erreichen, dass man Ihnen einen Vorschuss zahlt, da Sie in der kurzen Zeit schon einiges geleistet haben. Dann brauchen Sie auch Geld, wenn Sie zu persönlichen Absprachen nach Bergen müssen. Heben Sie auf jeden Fall alle Quittungen und Belege auf, wenn Sie für die Firma Geld ausgeben. Ich denke da an Busfahrten und Ähnliches. Diese Ausgaben bekommen Sie von der Firma natürlich zurück, wenn Sie sie mit Belegen nachweisen können.“

Kurz darauf verabschiedeten sie sich. Wolfram umarmte Ivonne und danach auch Olaf. Der Abschied fiel allen nicht leicht.

Als sie alle wieder am Tisch in Kjelds Wohnzimmer saßen, meinte Wolfram: „Sven, ich könnte mir vorstellen, dass ein engerer Kontakt mit Olaf Jansen günstig für euer Vorhaben mit dem Haus sein könnte. Jansens sind sehr einfache, aber von Grund auf ehrliche Leute. Dann könntest du auch manches im Hotel besser organisieren, wenn du diesen Kontakt pflegst. Olaf wird hier im Dorf der Organisator des Baus und auch manch anderer Dinge sein. Ich glaube, dass eine Zusammenarbeit mit ihm auch dem Hotel nützen könnte. Nimm einfach mal an, hier im Dorf findet sich jemand für diese Bäckerei-Idee oder für den Souvenirladen. Beides würde auch das Hotel attraktiver machen. Ihr solltet überhaupt mehr zusammenarbeiten. Bis jetzt habt ihr eher in Konkurrenz gestanden. Tauscht euch aus und bietet nie das Gleiche an. Sprecht euch ab. Teilt euch so den Service für die Urlauber. Ich denke, dass es eine gute Idee ist, wenn Dorf und Hotel zusammenwachsen. Einigkeit macht stark! Das ist ein altes deutsches Sprichwort.“