Die Kraft, die aus der Liebe wächst!

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Was für eine Überraschung! – Kaum hatte ich diese drei Worte ausgesprochen, war Gottes Antwort auch schon da. Zunächst war ich ganz baff und staunte nur noch darüber, wie mir gerade geschah. Dann hörte ich:

Lektion 1: „ENDLICH!!! – Lerne bitte endlich um Hilfe zu bitten und diese auch anzunehmen. Du musst nicht immer alles allein machen. Lerne nicht nur zu geben, sondern auch zu empfangen. Du bist nicht mehr im Gleichgewicht. Du hast die Balance in deinem Leben vollkommen verloren, weil du immer mehr gegeben als empfangen hast.“

Lektion 2: „Warum glaubst du überhaupt, immer alles allein machen zu müssen? Spüre nach, was du brauchst und sage es mir. Ich höre dir zu. Du musst nicht den ganzen Weg auf einmal kennen. Es reicht, wenn du jeweils um den nächsten Schritt weißt. Gib die Kontrolle auf. Lass dich stattdessen führen. Alles kommt genau zur rechten Zeit in dein Leben. Du wirst es sehen.“

Lektion 3: „Du glaubst, du hast Fehler gemacht, doch in Wahrheit ist dem nicht so. Das Wort „Fehler“ ist von Menschen gemacht. Ihr verbringt so viel kostbare Zeit damit, kritisch auf andere zu schauen. Erlaubt euch sowohl ihren Wesenskern als auch ihr Handeln zu beurteilen. In spiritueller Hinsicht gibt es keine Fehler. Hast du vergessen, dass du unbedingt zur Erde reisen wolltest, um Erfahrungen zu machen, die du nur als Mensch machen kannst? Erinnere dich!“

Lektion 4: „Nichts ist in Wirklichkeit so, wie es sich dir in diesem Augenblick zeigt. Hinter allem liegt ein viel, viel tieferer Sinn. Um diesen musst du jetzt nicht wissen. Es wird aber eine Zeit kommen, dann verstehst du besser, was ich dir hiermit sagen will. Vertraue mir!“

Lektion 5: „Was zeigt sich dir, wenn du dir die Beziehung zu dir selbst einmal anschaust? Sieh genau hin und lerne daraus, was du anders machen kannst!“

Lektion 6: „Sei mutig genug, trotz allem weiterzugehen. Hab Vertrauen und lerne an Wunder zu glauben. Wenn du dies tust, dann können wahre Wunder auch wirklich geschehen.“

Da saß ich nun – mit einer solchen Antwort hatte ich im Leben nicht gerechnet. Doch heißt es nicht: Gott zeigt sich uns genau dann, wenn wir uns verloren und am Ende glauben, um uns wissen zu lassen „Ich werde dich nie verlassen und dich nicht im Stich lassen“ (Gott in Hebräer 13:5).

In diesem Moment waren Gottes Worte wie eine Umarmung für mich. Und so, wie ich mich in seinen Worten geborgen fühlen durfte und damit wieder etwas an Zuversicht gewann, erinnerte ich mich noch zweier wunderschöner Gedichte, die ich Ihnen nicht vorenthalten will: Das bekanntere von beiden ist wohl das Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke6.

Herbst

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

Als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

Sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

Aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen

Unendlich sanft in seinen Händen hält.

Das zweite Gedicht stammt von dem evangelischen Priester

Arno Pötzsch7. Ich finde es ebenfalls wunderschön!

Unverloren

Du kannst nicht tiefer fallen

als nur in Gottes Hand,

die er zum Heil uns allen

barmherzig ausgespannt.

Es münden alle Pfade

durch Schicksal, Schuld und Tod

doch ein in Gottes Gnade

trotz aller unsrer Not.

Wir sind von Gott umgeben

auch hier in Raum und Zeit

und werden in ihm leben

und sein in Ewigkeit.

„Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand …“ – Was ich mit Gottes Hilfe als Erstes lernen konnte, war, zunächst einmal sowohl seine Hilfe als auch die anderer anzunehmen. In meinem Buch Meine Seele will endlich fliegen. Raus aus der Ohnmacht – rein in die Schöpferkraft! erzähle ich mehr darüber.

Auch über die Lektion 5 (Selbstliebe!), die mir Gott als Aufgabe dringend ans Herz gelegt hatte, schreibe ich bereits in diesem ersten Buch. Doch was ich im Hinblick auf die Thematik der Beziehung zu mir selbst erkennen musste, war alles andere als schön. Bestätigte es mir doch: Ich habe ja tatsächlich keine wirkliche Beziehung zu mir. Ich funktioniere. Ja – aber was mich wirklich ausmacht, was mich begeistert, was mich motiviert, worin meine Fähigkeiten liegen, was ich mir von mir selbst und von meinem Leben wünsche, ich wusste es nicht.

Nun, aufgrund all der Vorkommnisse der letzten Jahre (2008–2016) war ich nicht gerade wirklich gut auf mich selbst zu sprechen. Ganz im Gegenteil. Da hagelte es so richtig Vorwürfe, die ich Ihnen lieber nicht erzähle. Doch wie bitte sollte ich denn überhaupt eine gute Beziehung mit anderen Menschen führen, wenn ich mich selbst nicht zu achten und wertzuschätzen weiß, geschweige denn zu lieben verstehe? Eine äußerst interessante Frage, über die nachzudenken durchaus lohnenswert ist, vor allem dann, wenn wir uns selbst besser kennenlernen wollen.

In Summe war ich fürs Erste über all meine Erfahrungen und Erkenntnisse nur noch entsetzt. Brach immer und immer wieder nur noch in Tränen darüber aus, dass ich mich für so vieles interessieren konnte, aber nicht wirklich für mich. Trotz Schule, Studium, Beruf und sozialer Kontakte (Familie, Freunde, Partner, Kollegen) lernte ich es nicht, in einer wirklich guten Beziehung zu mir selbst zu sein. Ich wusste einfach nicht, woran ich mich hätte orientieren können. War mir selbst mehr als fremd.

Schon damals wie auch heute frage ich mich: Warum wird uns in der Schule eigentlich nicht beigebracht, wie das Leben wirklich funktioniert? Stattdessen gilt es jede Menge zu lernen, was ich später einmal so nie mehr gebrauchen werde. Warum ist das so? Was beabsichtigt man damit? Wem dient es, dass wir im Hinblick auf das wahre Leben in die Unmündigkeit, die Naivität und Unselbstständigkeit hinein erzogen werden? Warum werden wir nur geliebt, wenn wir ganz im Interesse unserer Eltern, Lehrer und der Gesellschaft funktionieren und brav sind? Warum droht uns von klein an ansonsten dieser Liebesentzug?

Insgeheim hatte ich mir mein Leben lang erhofft, neben den Antworten auf meine bislang unbeantworteten Fragen sowie auch durch Ausbildung, Beruf und das Miteinander mit anderen die Wertschätzung, den Respekt und die Liebe zu erhalten, die ich mir als Kind so sehr erhofft hatte, die ich mir selbst aber nicht zu geben vermochte. Heute weiß ich, dass mir die anderen niemals das geben können, was ich mir selbst zu geben habe. Ich kann und darf die anderen für nichts verantwortlich machen. Weder dass es mir gutgeht, noch dass ich glücklich bin, noch dass ich in einer guten Beziehung sowohl zu mir selbst als auch zu anderen bin. Heute weiß ich, dass ich für alles, was ich mir erwarte, erhoffe und erträume selbst die Verantwortung habe. Meine Erwartungshaltung an das Leben kann ich nicht anderen in die Schuhe schieben. Wenn ich etwas will, dann liegt es an mir, mein Bestes zu geben, um mir selbst diesen Wunsch zu erfüllen.

Was ich in den letzten Jahren sonst noch zu lernen hatte, war, mir endlich darüber bewusst zu werden, was denn eigentlich meine Wünsche, Bedürfnisse und Ziele sowohl für mich selbst als auch an mein Leben sind. Und was für mich eine ziemlich große Herausforderung war, war, mich selbst mit all meinen Gefühlen, Stimmungen etc. aushalten zu lernen. Dafür war es sehr wichtig für mich, mich von der Welt im Außen gänzlich loszusagen. Mir keine Ablenkung mehr zu suchen, sondern nur noch für mich selbst zu sein. Ganz und gar nur noch meinem Wohlergehen verpflichtet zu sein und dabei zu lernen, bestmöglich für mich selbst zu sorgen, anstatt darauf zu warten, dass es irgendwann in meinem Leben wieder einmal ein freundliches und liebevolles Gegenüber gibt.

Heute weiß ich, wie wichtig es ist, dass wir lernen, nicht als der nach Liebe bedürftige Mensch in eine Beziehung hineinzugehen, denn das Risiko ist viel zu groß, dass wir uns mit unserer eigenen Bedürftigkeit genau den Partner erwählen, der das gleiche Thema wie wir selbst hat. Was letztlich dann aber wieder zu einer ungünstigen Form von Abhängigkeit vom anderen führt, die mit der wahren Liebe nichts zu tun hat, sondern bestenfalls einem Handel gleicht im Sinne von: Gibst du mir, gebe ich dir! – Dieses Spiel mag eine Zeitlang ganz abwechslungsreich und interessant sein, „ernährt“ im Hinblick auf die Liebe aber beide Partner nicht, sondern führt nur in die Co-Abhängigkeit.

Was mir half, die ganzen Dinge, die im Außen geschehen waren, so zu sortieren, dass ich verstehen lernte, warum ich mich überhaupt in dieser ganzen Thematik von Beziehungslosigkeit zu mir selbst und zu den anderen verloren hatte, war das Schreiben. Es ermöglichte mir in die Auseinandersetzung mit meiner Diagnose und hier vor allem mit der posttraumatischen Belastungsstörung zu gehen. Zwar habe ich mich lange gefragt, warum ich ein Trauma haben sollte. Es hat seine Zeit gedauert, bis ich verstanden habe, dass meine Hochsensibilität wie auch meine extreme Bedürftigkeit nach Liebe unter anderem in meinem frühkindlichen Trauma begründet lagen. Erst nach und nach zeigte sich mir, wie dieses Symbiosetrauma von klein auf mein Wegbegleiter war.

Dank der Hilfe Gottes, zu dem ich über die letzten Jahre hinweg ein sehr inniges väterliches Verhältnis aufbauen konnte, konnte ich mir Schritt für Schritt meine Geschichten des Verletztseins, der Aggression und Wut anschauen, bis hin zu meiner sehr eigenen Art von Selbstzerstörung. Und auch wenn diese Geschichten alles andere als rühmlich sind, sollten sie mich allesamt lehren, dass ich mich bereits von frühester Kindheit an jeweils um die schönste Sache der Welt, die Liebe, betrogen sah.

Warum ich mir letztlich dann noch diesen finanziellen Betrug quasi als i-Tüpferl auf den eh schon vorhandenen ganzen Schmerz oben draufsetzen sollte, hat – ich erwähne es nur kurz – karmischen Ursprung. Also eine alte Geschichte, die ich in diesem Leben aufzulösen hatte.

 

Wenn ich mir insgesamt die Geschichte des Betruges in meinem Leben anschaue und sie in ihre einzelnen Bausteine zerlege, dann gibt es dieses frühkindliche Trauma, durch das ich mich gleich in doppelter Hinsicht betrogen fühlte, weil ich damit sowohl den Kontakt zu meiner Mutter und zu meinem Bruder verlor. Und aufgrund der Tatsache, dass ich für mich als Baby wie auch später als Kind keine Alternative sah, als auf diesen frühkindlichen Verlust mit dem Gefühl des Betrogenwordenseins zu reagieren, vermochte ich es nicht wirklich in den Schoß meiner Mutter zurückzufinden, um mich dort geborgen und geliebt zu fühlen.

Auch wenn ich heute davon überzeugt bin, dass sie mir alles an Liebe gegeben hat, was sie mir zu geben vermochte, so hatte sich diese frühkindliche „Wunde“ bereits so in meinem Geist und meiner Seele eingebrannt, dass sie mein weiteres Leben bestimmen sollte. Vor allem im Hinblick auf meine Gedanken und Gefühle. Und genau mit ihnen erschuf ich mir so meine kleine von so viel Angst besetzte Welt, die mehr von den Gefühlen des Verlassenseins, der Einsamkeit, des Nicht-wirklich-Dazugehörens, des nicht wirklich Geliebtwerdens überschwemmt war als von den Gefühlen der Leichtigkeit und Freude.

Das änderte sich erst im Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren mit meinem ersten Freund. Jetzt durfte auch ich die Liebe in ihrer Schönheit und Vielseitigkeit erfahren.

Zwar war es uns nicht möglich, diese Liebe auf Dauer zu bewahren. Doch heute weiß ich dafür umso mehr, dass ich mir sowohl bereits mit ihm wie auch später mit meinem Mann genau die Themen in unser gemeinsames Leben zog, wie ich sie im Ansatz bereits im Symbiosetrauma mit meiner Mutter erfahren hatte. Warum dies so war?

Keiner von uns war sich dessen bewusst, dass wir hier auf Erden inkarniert sind, um unsere „Seelen-Hausaufgaben“ zu machen. Es war vielmehr so, dass wir neben Alltag und Beruf zwar größtenteils glücklich und zufrieden vor uns hinlebten. Doch war uns nicht klar, dass die Art und Weise, wie wir unser Leben gestalteten, zwar schön, vielseitig und abwechslungsreich war, dass wir es aber vor lauter Leben im Außen vergessen hatten, zu schauen, wo wir in der Beziehung zu uns selber und zum jeweils anderen wirklich stehen.

Mit der Zeit trifteten so unsere Wünsche und Bedürfnisse immer mehr auseinander, was wiederum dazu führte, dass sowohl die Beziehung mit meinem ersten Freund wie auch die Ehe mit meinem Mann genau an den Problemen zerbrach, wo wir es aus Angst vermieden hatten, klärende Gespräche mit dem anderen zu führen.

Inzwischen weiß ich, dass ich mir – wenn auch unbewusst – mit beiden Männern genau das im Leben re-inszenierte, was ich bereits aus meiner Beziehung mit meiner Mutter kannte. Wie ein solches Symbiosetrauma unser Leben bis in die Partnerschaft hinein zu bestimmen vermag, können Sie ebenfalls in meinem ersten Buch lesen.

Wieder war das Thema, das ich zu lernen hatte, dass unsere Beziehungen genau dann zerbrechen, wenn wir uns aufgrund unserer Harmoniesucht und der Angst davor, dass wir durch ein Gespräch die Liebe des anderen verlieren könnten, lieber in die Wortlosigkeit flüchten, als zu uns selbst und unseren wahren Wünschen und Bedürfnissen zu stehen. Dass es für eine gute Beziehung nicht zuträglich ist, wenn wir JA sagen, obwohl wir NEIN meinen bzw. wenn wir dem anderen keine Grenzen setzen. Wenn wir uns lieber brav und angepasst verhalten, anstatt für uns einzustehen, auch wenn das bedeuten kann, dass mich der andere mit meiner Art sowie mit meinem Anliegen nicht versteht.

Wenn uns die Beziehung zu uns selbst fehlt und wir nicht selbst-bewusst leben, dann hat es nur den Anschein, als hätten wir durch die Dinge im Außen einen Betrug erlitten. In Wirklichkeit ist es vielmehr so, dass wir uns durch unsere eigene Art wie wir unserem Leben und seinen Herausforderungen begegnen mehr schaden als dienen. Es hat seine Zeit gedauert, bis mir klar wurde, dass mich weniger die anderen als vielmehr ich mich selbst in vielfacher Hinsicht bereits belogen und betrogen hatte.

So hart die Wahrheit ist: Der Betrug im Außen ist nur mein Spiegel für einen jahrzehntelangen Selbstbetrug sowie den fehlenden Mut, mich durch klärende Gespräche jeweils meiner eigenen Haut zu wehren, indem ich mich aktiv für mich selbst, meine Interessen und Belange einsetze, um das Leben zu führen, das meinen persönlichen Neigungen und Bedürfnissen am besten entspricht, anstatt mehr das Leben zu leben, das den anderen gefällt.

Was mir in meinem Leben fehlte, war der Mut zu einem bedingungslosen JA zum Leben. Sowie auch der Mut zu einem bedingungslosen JA zu mir selbst und damit zu allem, was mich als Person genauso liebevoll und wertvoll macht wie jeden Einzelnen von uns.

Erziehung und Gefühle

Bei aller Erziehung und Sozialisation darf nicht vergessen werden, auf die Bedürfnisse und Gefühle des Kindes einzugehen, damit es letztlich in eine gute Beziehung zu sich selbst und zum Erzieher treten kann. Gerade im Hinblick auf den richtigen Umgang mit den Gefühlen ist das Gespräch mit einem Erwachsenen für den jungen Menschen extrem wichtig. Wie sollte es sonst jemals lernen, Verständnis für die eigenen Gefühle zu haben und ihre Botschaft zu verstehen?

Ein Kind ist noch nicht geübt mit all dem, was auf es einwirkt, entsprechend gut umzugehen. Vor allem dann nicht, wenn es an manchen Tagen von bestimmten Herausforderungen durch Elternhaus und Schule geradezu überwältigt wird. In solchen Situationen braucht es ein verständnisvolles Gegenüber, das sich die Zeit nimmt und ihm hilft, zu erkennen, dass die Wut, die es gerade gegenüber einem Lehrer oder einem Mitschüler hat, sich im Grunde genommen gar nicht auf diese Person bezieht, sondern in vielen Fällen ihren Ursprung in einer ganz anderen Ausgangssituation hat. Vielleicht ist ja bereits zu Hause oder auf dem Weg in die Schule irgendetwas vorgefallen, was den jungen Menschen jetzt durch einen Kommentar vonseiten des Lehrers oder Mitschülers derart in Rage versetzt, dass er seine Wut nicht mehr bändigen kann, sondern sie 1:1 so lebt, wie er sie spürt. Zwar trifft seine Wut die falsche Person, doch ist sich der Schüler dessen nicht bewusst. Erst ein klärendes Gespräch, in dem er sich trotz seines Fehlverhaltens gehört und als Person angenommen und wertgeschätzt fühlt, ermöglicht es ihm, sich dessen bewusst zu werden, dass sein Verhalten alles andere als gut war.

Nehmen wir uns die Zeit und reflektieren wir gemeinsam mit ihm die Situation, fragen nach, warum er so wütend ist, geben wir ihm die Möglichkeit, darüber zu reden, was heute noch so alles vorgefallen ist. Bringen wir auf diese Art Verständnis für ihn und seine Wut auf, wird er am ehesten erkennen, dass die Ursache für seinen Ärger mitunter in einem ganz anderen Sachverhalt zu finden ist. Das gibt ihm wiederum die Möglichkeit, sich für sein Fehlverhalten zu entschuldigen und seinen Beitrag zu leisten, damit der ganze Ärger wieder befriedet wird. Zudem wird ihm klar, dass sein Gefühl der Wut einen ganz anderen Auslöser hat. Jetzt kann er über die ursprüngliche Situation nachdenken, seinen Gesprächspartner vielleicht sogar um Hilfe oder Rat bitten und sich überlegen, wie er sich im Hinblick auf diese Geschichte verhalten will. Nach und nach wird ihm immer mehr bewusst, dass er das Gefühl der Wut auch auf eine ganz andere Art ausleben kann und erkennt mit der Zeit, dass es besser ist, für seine Gefühle entsprechende Worte zu finden, um sich dem anderen mitzuteilen. Worte, die sein Gegenüber wiederum annehmen kann, damit sich letztlich der ganze Sachverhalt für alle beteiligten Personen auf eine positive Art und Weise klären kann.

Dieser Weg mag sich fürs Erste vielleicht sehr zeitaufwändig anhören, doch im Grunde genommen ist er das nicht. Haben wir eine vertrauensvolle Beziehung mit dem Kind, wird es sich sehr schnell öffnen und erzählen, was ihm wirklich unter den Nägeln brennt. Zudem bleibt bei ihm dieses Gespräch in positiver Erinnerung. Auch wenn es fürs Erste nicht den Anschein hat, dass es sofort lernt, sein Temperament zu zügeln, bedarf es bei manchen Kindern oft schon keines weiteren Gesprächs mehr. Die Zeit, das Interesse für seine Person, mein Mitgefühl, das ich in das erste Gespräch investiert habe, wird auch in Zukunft Früchte tragen. Wiederholt sich dennoch eine ähnliche Situation, reicht es oft schon aus, wenn wir nur noch sagen: „Erinnere dich bitte an unser Gespräch von damals! Denk daran, ich glaub an dich und weiß, dass du das anders kannst.“ Dieser Vertrauensvorschub meinerseits wirkt sich positiv aus, ganz egal, ob dies dem Kind bewusst ist oder nicht. In den meisten Fällen können wir uns weitere lange Gespräche sparen. Manchmal reicht dann schon ein ernster Blick, ein Kopfschütteln etc.

Das Gespräch kann aber auch noch einen ganz anderen Verlauf nehmen. Lassen Sie mich auch hierzu ein Beispiel geben: Vielleicht hat sich im Gespräch mit dem aufgebrachten Schüler gezeigt: „Ich bin wütend, weil ich verzweifelt bin, weil ich diese Mathematikaufgabe nicht lösen kann und Angst vor der nächsten Schulaufgabe habe, weil es dabei um meine Versetzung in das nächste Schuljahr geht.“ Wird ihm durch das Gespräch bewusst, dass es zwar diesen nachvollziehbaren Grund für sein Verhalten gibt, aber noch lange nicht die Berechtigung, seine Angst auf diese Art auszuleben, kann er lernen, mit seinem Gefühl der Angst und Wut sinnvoller umzugehen.

Er muss seine Wut nicht länger auf den Lehrer oder Mitschüler projizieren, sondern ihm wird klar, dass ihn die anstehende Prüfung ganz schön stresst. Dass es ihm nicht hilft, seine Frust- bzw. Angst-Energie diesbezüglich an anderen Personen auszulassen. Auch in diesem Fall kann ihm sein Gesprächspartner helfen und beide können zusammen überlegen, was der Schüler konkret tun kann, um sich entsprechend gut auf die Mathe-Prüfung vorzubereiten, damit das Ganze ein positives Ende nehmen kann. So lernt der Schüler Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und seine ursprünglich destruktive Energie (Wut) in ein konstruktives Verhalten (optimale Prüfungsvorbereitung) umzulenken. Seine Angst blockiert ihn nicht länger und lebt sich auch nicht mehr unangemessen aus.

Wenn es um die Wahrnehmung und den Ausdruck unserer Gefühle geht, haben wir wohl alle noch so einiges zu lernen, denn in aller Regel wurde uns nicht beigebracht, diese zu äußern. Geschweige denn sie überhaupt zuzulassen. Meist hieß es: „Halt dich mal a bisserl zurück!“ – „Jetzt reiß dich aber zusammen!“ – „Da gibt es nichts, um wütend zu sein!“ – „Geh auf dein Zimmer. Wenn du dich wieder beruhigt hast, dann können wir ja darüber sprechen.“ Bloß, dass wir in den meisten Fällen heute noch auf dieses klärende Gespräch warten.

Warum haben wir eine solche Angst, uns dem anderen mit unseren Gefühlen zuzumuten? Immerhin sind unsere Gefühle die Sprache unserer Seele. Jede Verletzung, jede Enttäuschung, jede Verbitterung, die wir – egal in welchem Lebensalter – erfahren, hinterlässt in unserer Seele eine Wunde, die immer und immer wieder aufbricht, wenn wir uns ihrer nicht annehmen. Selbst wenn es noch so sehr als anstrengend empfunden wird und des Mutes bedarf, sollten wir alle lernen, unsere Gefühle den anderen mitzuteilen. Denn nur so werden wir für den anderen authentisch und greifbar und können unsere Beziehungen klären. Egal ob mit Eltern, Geschwistern, Partner, Freunden oder Kollegen. Doch das Allerwichtigste dabei ist: Nicht nur die Beziehung nach außen hin wird geklärt, sondern vor allem die Beziehung zu uns selbst. Sobald wir uns dafür entscheiden, unsere Gefühle nicht länger aus unserem Leben zu verdrängen, sondern sie bewusst zu leben, werden wir erkennen, dass gerade sie „die Würze unseres Lebens“ sind. Entscheidend ist nur, dass wir früh genug damit beginnen, uns darin zu üben, wie wir sie angemessen und sozialverträglich kommunizieren.

Verstehen wir, dass wir unsere Gefühle be-fragen können, um zu erkennen, was ihr Auslöser ist, können wir viel besser mit ihnen umgehen. Dann überwältigen sie uns nicht, sondern wir können sie nutzen, um unsere jeweilige Situation zu klären. Haben wir zum Beispiel gerade Ärger mit den Eltern oder dem Partner, reicht es für den Anfang meist schon zu sagen: „Ich fühle mich gerade nicht richtig verstanden/gesehen/gehört. Können wir bitte darüber sprechen?“ – „Dass wir uns gestern nicht mehr ausgesprochen haben, hat mich zutiefst verletzt. Bitte lass uns heute noch darüber reden.“ – „Ich habe eine Wut im Bauch, weil mir heute Morgen ,…‘ passiert ist. Kannst du mir mal bitte helfen, indem wir darüber reden?“ etc.

 

Mit dem Wissen, dass unsere Gefühle die Sprache unserer Seele sind, können wir uns ihnen gegenüber positiver, dankbarer und aufgeschlossener zeigen. Können ihnen neutral begegnen und müssen nicht länger unbewusst unangemessene Gefühle in uns tragen. Wir wissen jetzt vielmehr, dass unsere Emotionen und Gefühle Botschaften unseres Unterbewusstseins an uns sind, die uns wissen lassen: Hier gibt es etwas zu heilen.

Bereits mit jungen Menschen kann man sehr gut über all diese Dinge sprechen und ihnen vermitteln, dass jede Situation und jedes Gefühl, das wir irgendwann einmal sowohl im Positiven als auch im Negativen erlebt haben, in unserem Unterbewusstsein abgespeichert wird. Und dass es die Absicht der Seele ist, die ganzen negativen Erfahrungen, die sie irgendwann einmal gemacht hat, auch wieder zu heilen. Damit sie dies tun kann, bringt uns unser Unterbewusstsein immer wieder mal in eine Situation mit Person X, die ein bestimmtes Gefühl in uns auslöst (triggert). Schauen wir uns dieses Gefühl genauer an und fragen nach, wann in unserem Leben wir schon einmal einen ähnlichen Sachverhalt erlebt haben, so lernen wir auf diese Art entweder eine vergleichbare Situation jüngerer Zeit oder gar die Ursprungssituation kennen, die wir in aller Regel bereits in den ersten zehn Lebensjahren erfahren haben.

Haben wir den Mut, uns diese ursprüngliche Situation mit dem Gefühl dahinter noch einmal anzuschauen, dabei das Gefühl aber auch zuzulassen, sodass es noch einmal kurz aufleben kann, und sind wir bereit im Anschluss daran die Geschichte von damals zu akzeptieren und uns bewusst darüber zu werden, warum wir damals so und nicht anders gehandelt haben, können wir die negative Energie, die sich in dieser Ursprungssituation verfangen hat, auflösen und transformieren. Was dann geschieht, ist sehr heilsam für alle Beteiligten. Dieser Transformationsprozess macht es uns möglich, sowohl der Person von damals als auch uns selbst zu vergeben, dass wir schon so lange an dieser Geschichte festgehalten haben. Damals waren wir – aus welchen Gründen auch immer – vielleicht nicht fähig, anders zu handeln, doch heute können wir diesbezüglich zum Glück jederzeit die Verantwortung übernehmen und die alten Muster lösen.

Tun wir dies nicht, dann halten wir mitunter sogar jahrzehntelang diese ganzen negativen Energien in uns zurück, was letztlich dazu führt, dass sich uns mit der Zeit dieser ganze negative Ballast in Form irgendeines körperlichen Symptoms zeigt. In diesem Zusammenhang sprechen die Psychologen und Ärzte dann von psychosomatischen Erkrankungen, von Autoimmun- bzw. von Autoaggressionserkrankungen. Doch soweit muss es nicht kommen.

Damit sowohl unsere Seele wie auch unser Körper und Geist von diesen negativen Emotionen und dem damit verbundenen Schmerz frei wird und wieder gesunden kann, ist es notwendig, dass wir lernen zu verstehen, dass es selbst unsere negativsten Gefühle (Aggression und Hass) nur gut mit uns meinen. Sie zeigen sich uns, weil sie wollen, dass wir sie annehmen und akzeptieren. Dass wir ihnen eine Daseinsberechtigung geben. Sagen wir letztlich auch zu diesen Gefühlen „Ja“, erkennen an, dass sie da sind und übernehmen die Verantwortung dafür, lassen auch sie sich wieder transformieren. Vielleicht nicht gleich beim ersten Mal, aber nach und nach kann auch hier immer mehr an Heilung geschehen.

Erziehung und Resilienz

Wir werden von unseren Eltern erzogen, besuchen Schulen, ergreifen einen Beruf oder entscheiden uns für ein Studium plus Beruf, um uns bestens auf das Leben vorzubereiten, um nach und nach immer mehr Fuß zu fassen in einem Leben mit Familie, Partner, Freunden und Kollegen. Sind bestrebt, bei alledem stets unser Bestes zu geben und unser Miteinander auf das Schönste zu gestalten. Doch was wir trotz der guten Vorbereitung auf unser Leben viel zu wenig lernen, ist, wie wir auf die schicksalhaften Ereignisse unseres Lebens reagieren. Auf all die kleinen oder auch großen Krisen, vor die uns das Leben immer wieder einmal stellt. Wissen nicht wirklich gut umzugehen mit all den Konflikten, Reibereien, Trennungen, Krankheiten bis hin zum Tod – warum ist das so? Ist das gut so, dass wir so unvorbereitet mit all diesen Dingen konfrontiert werden? Was, wenn das anders wäre?

Nach allem, was ich in den letzten vier Jahren lernen sollte, bin ich heute der Meinung, dass sich für uns alle hier etwas ändern sollte, damit wir gar nicht erst so tief in die entsprechende Krise hineinfallen müssen. Ja ich bin sogar davon überzeugt, dass es wichtig ist, bereits Kinder darauf vorzubereiten, dass es im Leben nicht nur Sonnentage geben wird, sondern auch Tage mit Sturm und Gewitter. Tage, an denen wir vergleichbar einem Regenschirm bzw. anderer Regenschutzkleidung über Techniken und Verhaltensweisen verfügen sollten, um auch diese Zeiten in unserem Leben bestmöglich zu überdauern.

Durch die ganzen Jahre des Wirtschaftswunders und Wachstums sind wir von den guten Tagen des Lebens bereits so verwöhnt, dass wir gänzlich überfordert reagieren, wenn sich uns unangenehme Situationen und Herausforderungen im Leben zeigen, denen wir so unvorbereitet gegenüberstehen. Dann können und wollen wir nicht verstehen, warum sich uns das Leben auf einmal auch von einer ganz anderen Seite zeigt.

Ich bin davon überzeugt, dass wir wesentlich besser durch die verschiedensten Sinn- und Lebenskrisen kämen, wenn wir nachhaltiger darauf vorbereitet wären, dass sowohl Krankheit als auch Krise, ja sogar jeder Konflikt und Streit nur zu unserem Besten sind. Wüssten wir bereits von klein auf, dass es diese Phasen immer wieder einmal geben wird, könnten wir versöhnlicher mit ihnen umgehen. Wüssten, dass sie nichts Außergewöhnliches sind, das nur uns passiert, sondern dass sie unserem persönlichen Wachstum dienen. Und das, egal wie sich die Krise nennt.

Dann wäre nicht die Ohnmacht unser Begleiter. Dann müssten wir nicht ins Drama gehen, sondern könnten uns besser erklären, warum diese Dinge geschehen. Dann hätten wir fürs Erste zumindest eine Erklärung parat, die uns im Hinblick auf die Situation versöhnlicher stimmen kann, damit wir akzeptieren können, dass es ist, wie es ist.

Wir müssten dann nicht immer gleich alles schwarzsehen, sondern könnten mit einem optimistischeren Blick auf das Ganze sehen. Könnten, je nachdem, was wir an Lösungsstrategien in uns haben, insgesamt viel handlungsorientierter Denken. Andere um Hilfe bitten. Uns Unterstützung holen. Müssten uns nicht dafür schämen, dass wir uns gerade verletzlich zeigen. Könnten mit anderen unsere Probleme klären. Könnten lernen, mit unseren Ängsten bewusster umzugehen. Unseren Gefühlen besser zu vertrauen. Und letztlich sogar mit uns selbst wie auch mit anderen mitfühlender, achtsamer, wertschätzender, versöhnlicher, friedvoller und liebevoller umgehen. – Wäre das nicht erstrebenswert?

Ich glaube, dass das Problem an unserer Dramenkultur ist, dass wir uns – was unser Leben betrifft – viel zu lange nur auf die eine Seite der Medaille konzentriert haben, die uns die schönen Seiten des Lebens offerierte. Doch was, wenn das Leben die Münze einmal umdreht und sagt: „Jetzt, mein Lieber/meine Liebe, ist es an der Zeit, dass du dir endlich die Hausaufgaben ansiehst, die du bis heute noch nicht gemacht hast. Dabei ist es dahingestellt, ob dir dies gefällt oder nicht. Damit es in deinem Leben weitergeht, hast du dir erst die Lektionen anzusehen, vor die dich das Leben stellt. Also vergiss alles andere und kümmere dich erst einmal ausschließlich um sie.“ – Wie reagieren wir darauf?

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