Die Kraft, die aus der Liebe wächst!

Text
0
Kritiken
Leseprobe
Als gelesen kennzeichnen
Wie Sie das Buch nach dem Kauf lesen
Schriftart:Kleiner AaGrößer Aa

Er gibt nicht auf, an das Wahre, an das Gute, das Vortreffliche, das Schöne, das Einzigartige seines Kunstobjektes zu glauben. Er weiß, dass ihm sein Projekt am besten gelingt, wenn er es von Anfang an aus ganzem Herzen liebt, egal wie lange der Schaffensprozess dauern mag und wie viele persönliche Freiräume er diesbezüglich unter Umständen vorübergehend aufzugeben hat. Er weiß, dass er sein Werk bis zum Tage der „Enthüllung“ und sogar noch weit darüber hinaus lieben wird, weil er es mit so viel Aufmerksamkeit, Sorgfalt, Empathie, Hingabe und Liebe begleitet hat, und weil ihm dabei jeder einzelne Arbeitsschritt bewusst und wichtig war.

Mit der Erziehung von Kindern ist es sehr ähnlich. Erziehung kann nur dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sie unter den gleichen wertschätzenden und liebevollen Bedingungen gelebt wird, wie es der Künstler mit seinem Kunstprojekt tut. Auch die Erziehung eines Kindes kann als ein Projekt angesehen werden, bedarf aber in jedem Fall der Zugabe von Liebe, damit sie recht gelingen kann, denn ohne eine grundständige Liebe zum Menschen und zum Kind an sich kann Erziehung nur bedingt gelingen. Dann werden zwar bestimmte Lebensbedingungen „ausgehandelt“, unter denen man ein Miteinander gestalten kann, doch wie glücklich und intensiv sich dieses zeigen wird, ist ungewiss. Egal ob es sich dabei um die Erziehung durch Eltern, Erzieher oder im späteren Alter der Kinder um Lehrer/Pädagogen handelt, die am Erziehungsprozess beteiligt sind.

Das Fundament sowie die Motivation der Erziehung sollte stets die LIEBE sein. Je intensiver, besser und schöner diese zwischen Erwachsenen und Kind fließt, umso schöner kann das Ergebnis für alle Beteiligten sein. Nur ein offenes, wertschätzendes und liebendes Herz vermag das Schönste aus dem Kind „herauszuformen“, was in ihm angelegt ist.

So wie beim Bildhauer kommt es auch in der Beziehung zwischen Eltern und Kind auf den Start in das Leben an. Bereits hier gilt, dass Kinder, die bewusst und mit Liebe gezeugt werden, bessere Startbedingungen haben als Kinder, deren Eltern viel zu wenig auf die Möglichkeit einer Empfängnis und Schwangerschaft vorbereitet sind. Werden Kinder zudem in Lebensumstände hineingeboren, die für Eltern wie Kind stressauslösend sind, wirkt sich auch dies auf die Erziehung aus und legt sich wie ein Schleier über die Beziehung zwischen Eltern und Kind.

Für eine gute Erziehung braucht es immer beide! Eltern und Kind. Damit das Kind als Fundament für Erziehung Vertrauen in sein Gegenüber gewinnen kann, muss der Grundstein für eine gelingende Beziehung die Liebe sein. Mit ihr steht und fällt im Grunde genommen alles. Sie ist es, die es dem Kind erst ermöglicht, sein Herz zu öffnen, Vertrauen ins Leben sowie Vertrauen in die Person des Erziehers zu haben.

Erziehung, Beziehung und Leben gelingen,

wenn wir auf die Kraft der Liebe vertrauen!

Die Natur bzw. Gott hat es schon sehr intelligent eingerichtet, dass der Geburt eines Kindes eine neunmonatige Schwangerschaft vorausgeht, denn so haben die künftigen Eltern Zeit, sich auf die Ankunft des Kindes vorzubereiten. Mit je mehr Liebe und Vorfreude sie hier gemeinsam sämtliche organisatorische Belange angehen, die an die Geburt des Kindes geknüpft sind, umso mehr zeigen sie auch hier dem Kind, wie sehr sich seine Eltern auf den kleinen Erdenbürger freuen. Egal, ob das die Wahl der Möbel, die Einrichtung des Kinderzimmers oder die Erstausstattung des Babys betrifft, ihre Liebe zum Detail, mit der sie das Ganze aussuchen, erreicht das Kind.

Wichtig ist außerdem, dass die Partner sich früh genug Gedanken über die Erziehung des Kindes machen, denn ist das Kind erst einmal da, kann im Falle eines Falles zwischen den Eltern nicht erst die Diskussion geführt werden, was jeder Einzelne von ihnen unter Erziehung versteht.

Umso wichtiger ist es, sich bereits in der Zeit der Vorbereitung auf das Kind dahingehend zu besprechen, was die gemeinsame Werte und Ziele als Familie sind. In aller Regel müssen sich hier erst beide Partner über ihre eigenen Wünsche und Erziehungsvorgaben bewusstwerden. Diese dann jeweils mit dem anderen besprechen, um letztlich gemeinsam zu einer guten Kompromisslösung zu finden. Was hier helfen kann, sind Fragen wie:

 Inwiefern wird das Kind mein eigenes Leben verändern?

 Wie steht es um meine Bedürfnisse im Hinblick auf das Kind und die Partnerschaft?

 Inwiefern wird es unser gemeinsames Leben verändern?

 Wie sehr bin ich/sind wir bereit dazu?

 Welcher Kompromiss ist für mich/für uns denkbar?

 Was können wir tun? Wo bedürfen wir der Hilfe anderer? (z. B. finanziell)

 Welche Vorstellung habe ich von den Aufgaben eines Vaters?

 Worin bestehen für mich die Aufgaben der Mutter?

 Was fand ich gut an der Art und Weise, wie ich selbst erzogen wurde? Was lehne ich ab?

 Wie möchte ich mein Kind erziehen?

 Was sind meine Werte? Was ist mir wichtig?

 Welche Wünsche und Vorstellungen haben wir von Familie?

 Was ist uns als Mann und Frau wichtig auch im Hinblick auf unsere Partnerschaft?

 Wo gibt es Überschneidungen? Wo Differenzen? Wie können wir diese lösen?

 Ab wann ist für uns eine Betreuung außer Haus wichtig?

 Was ist unsere Motivation, unser Kind schon relativ früh in die Hände anderer Betreuer (Kindertagesstätten, Tagesmutter o. Ä.) zu geben?

 Welche Alternative gibt es hierzu?

 Was ist für uns der beste Weg?

 Sind wir uns der Konsequenzen dieser Entscheidung bewusst?

 Wie können wir dennoch bestmöglich für unser Kind da sein?

 Was sind unsere Prioritäten? …

Je besser sich die werdenden Eltern mit der Beantwortung dieser und ähnlicher Fragen auf die neue Lebenssituation mit Kind vorbereiten, umso weniger Diskussion wird es im Nachhinein geben, da die meisten Verbindlichkeiten durch diese vorbereitenden Gespräche bereits thematisiert sind. Auch wenn es uns nicht bewusst ist, so öffnen bereits diese gemeinsamen Absprachen dem Kind Tür und Tor, damit es sich im Kreis der Familie wirklich angenommen und wohlfühlen kann. Von Gespräch zu Gespräch wird es quasi „begrüßt“ und im gemeinsamen Leben aller in Liebe willkommen geheißen.

Neben den ganzen organisatorischen Belangen und Gesprächen kann das Kind aber auch durch regelmäßige Rituale von beiden Eltern auf das Freudigste begrüßt werden. Egal ob mit einem Entspannungsbad für Mutter und Kind, einer schönen Bauch- oder Fußmassage, mit Streicheln oder anderen Zärtlichkeiten. Eltern dürfen davon ausgehen, dass diese ganzen herzöffnenden Gesten beim Kind genauso gut ankommen, wie Entspannungsmusik oder Worte, die dem Kind signalisieren, wie wichtig es ist. Worte wie: „Ich weiß, ich kann dich noch nicht wirklich sehen, aber ich kann dich fühlen, erahnen, spüren, wahrnehmen. Mit dir bereits von Herz zu Herz in Verbindung treten. Ich freue mich auf dich. Ich werde mein Bestes geben.“ …

Das für alle Beteiligten Glücklich-Machende ist, wenn sich beide Eltern aus freiem Willen für die Hingabe und Herzöffnung ihrem Kind gegenüber entscheiden.

Die Übernahme der Aufgaben der Erziehung bedeuten für die Eltern aber auch ein Bewusstwerden darüber, dass ihre Entscheidung für ein Kind auch entsprechende Konsequenzen und Verpflichtungen für sie selbst haben wird. Dessen sollte sich jeder bereits möglichst früh bewusst werden und sein Handeln danach ausrichten bzw. auch darüber ganz offen mit dem Partner sprechen. Es ist keinem von beiden gedient, wenn der eine im romantisierenden Idealismus von einer eigenen Familie träumt, während der andere für sich eher die Schwere der Verpflichtung auf seinen Schultern abgeladen fühlt. Bevor die Entscheidung für ein Kind fällt, sollten sich beide Partner bewusst darüber sein, dass ein Kind keine „Ware“ ist, mit der man für gewisse Zeit „spielt“. Dass man sie je nach Lust und Laune dann wieder beiseitelegt, weil einem die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse wichtiger erscheint als sich für das Kind und die gemeinsame Familie verantwortlich zu fühlen.

Es muss beiden Partnern klar sein, dass die Entscheidung für ein Kind bedeutet, dass man für mindestens die nächsten 15 bis 18 Jahre die Verpflichtung eingegangen ist, sich um den jungen Erdenbürger zu kümmern und bestmöglich für ihn zu sorgen.

So gesehen liegt es auch in der Verantwortung der Eltern, sich regelmäßig und immer wieder aufs Neue in Liebe für das Kind zu entscheiden. Auch dann, wenn von Anfang an vielleicht nicht immer alles gleich so glatt und stressfrei läuft, wie man es sich vielleicht gedacht und erträumt hat.

Wie in jeder Beziehung wird es auch in der Erziehung eines jungen Menschen immer wieder einmal Konflikte geben. Das liegt einfach in der Natur der Sache. Lassen wir uns von einem solchen Sturm jedoch verunsichern und beginnen gar an uns selbst als Erzieher oder am Kind zu zweifeln, droht unser gemeinsames Schiff der Beziehung unterzugehen. Haben wir als Erwachsene jedoch unser Bestes gegeben, dürfen wir sehr wohl darauf vertrauen, dass selbst noch nach ein paar Tagen mit Sturm, Hagel und Gewitter der andere auf uns genauso liebevoll wieder zugehen wird, wie dies auch für uns wieder möglich ist, weil unsere Beziehung aus einem Fundament der Liebe besteht.

Ist der Ärger wieder verflogen und hat sich die überhitzte Luft (die Wut) geklärt, ist es dringend anzuraten, mit dem Kind in aller Ruhe ein Gespräch sowohl über die Angelegenheit selbst als auch über die Gefühle, die durch den Streit entstanden sind, zu führen, denn wie sollte ein Kind sonst jemals lernen, dass zum Leben sowohl die Liebe als auch hin und wieder einmal die Auseinandersetzung mit dem anderen dazugehört.

 

Wird die Situation für alle Beteiligten im positiven Sinne geklärt, haben sowohl das Kind als auch der Erwachsene die besten Chancen, um voneinander zu lernen. Sowohl was die Bedürfnisse und Wünsche des einen wie des anderen angeht, als auch darüber, wie man Konfliktgespräche führt und dabei dennoch respektvoll, wertschätzend, liebevoll und lösungsorientiert miteinander umzugehen vermag.

Findet zwischen Erziehern und zu Erziehendem ein solches Gespräch trotz Diskussion des Sachverhalts zudem auf gleicher Augenhöhe statt, fühlt sich das Kind wahrgenommen, gesehen und gehört. Zugleich vermittelt ihm die wertschätzende und liebevolle Gesprächsführung des anderen, dass die Sache selbst vielleicht einer Korrektur bedarf, dass die Person des Kindes aber weiterhin dennoch immer und jederzeit geliebt wird. Was das Kind damit lernt, ist, dass Erziehung zwar notwendig ist, weil sie einen bestimmten Rahmen innerhalb eines Miteinanders vorgibt, doch die Kinder spüren auch, dass die Liebe der Eltern/der Erzieher immer gewährleistet ist und somit frei von irgendwelchen Bedingungen ist.

Eltern wie Erzieher müssen sich zudem der Tatsache bewusst sein, dass es in der Entwicklung des Kindes verschiedene Phasen gibt, die ausschlaggebend dafür sind, dass die Beziehung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind je nach Alter immer wieder einmal neue Formen annehmen muss.

Sehr viele Eltern sind heillos damit überfordert, dass sich ihre Beziehung zu Tochter oder Sohn ab dem 12./13. Lebensjahr graduell zu verändern beginnt. Wissen dann oft nicht mehr, worin diese Veränderung begründet liegt. Nehmen jede Andersartigkeit sowie jeden Wutanfall des Kindes nur allzu persönlich, weil sie Perfektionisten sind, die alles perfekt machen wollen. Doch wird hier die Rechnung ohne das Kind gemacht, das seinen eigenen Kopf und Willen hat, und diesen auch bis zu einem gewissen Grad ausleben muss, um sich selbst zu finden und in eine gesunde Abgrenzung zur Person des Erziehers zu gehen.

Was hier beide zu lernen haben, ist, dass ihre Liebe zueinander durch diverse Auseinandersetzungen zwar gerade einer Art von Prüfung unterzogen wird, dass jedoch beide die besten Voraussetzungen für ein weiterhin gelingendes Miteinander haben, wenn sie lernen ihre Beziehung und Liebe zueinander auf eine neue Basis zu stellen. Das soll nicht heißen, dass die ursprüngliche Liebe schwindet, sondern dass sie einfach nur einem ganz natürlichen Reifungsprozess vom Kind zum jungen Erwachsenen unterliegt. Dazu gehört auch, dass der Jugendliche das, was ist, immer wieder einmal kritisch in Frage stellt. Schließlich will er verschiedene Möglichkeiten des Handelns kennenlernen, um sich später eine eigene Meinung bilden zu können was die bessere Alternative ist. Letztendlich will er sowohl sein eigenes Verhalten als auch das des anderen mit allen Konsequenzen daraus kennenlernen, um später einmal selbstbestimmt durchs Leben gehen zu können und Verantwortung für sich und sein Leben übernehmen zu können.

War für die gesunde Entwicklung des Kindes nicht zuträglich ist, ist, wenn für die Eltern das Kind das alleinig verbindende Glied ist, das ihre Partnerschaft zusammenhält. Manche Kinder, die unter diesen Bedingungen aufwachsen, leiden sehr. Sie sehen sich mitunter häufig vielen Differenzen mit Mutter oder Vater gegenüber, die ihre persönliche Erwartungshaltung allzu sehr auf das Kind übertragen. Zum Problem wird hier, dass man in diesem Falle nicht mehr von liebevoller Hingabe an das Kind sprechen kann. Hier klingt unter Umständen oft ein ganz anderer Ton an im Sinne von: „Wie undankbar du doch bist. Ich habe dir so viel gegeben und du? Was machst du? Siehst du denn nicht, dass ich dich brauche, dass …“ – Erziehung und Beziehung können jedoch im Sinne von „Ich gebe dir und dafür erwarte ich mir von dir“ definitiv nicht gedeihen, sondern trennen das Band, das irgendwann einmal auf der Liebe zueinander begründet war.

Dass wir als Erwachsene wie als Kind je nach Lebensalter verschiedensten Herausforderungen ausgesetzt sind und diesbezüglich mitunter auch mit gravierenden Veränderungen sowohl in gesundheitlicher als auch sozialer Art zu rechnen haben, ist nur normal. Die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Haben wir jemals gelernt, uns je nach Situation lösungsorientiert zu verhalten, oder reagieren wir vielmehr einer alten Gewohnheit gemäß noch immer nach den alten Mustern des deprimierten, verletzten, des wütenden, des orientierungslosen, mitunter sogar des ohnmächtigen Kindes, das wir einmal waren?

Das Leben bietet uns immer und immer wieder jede nur denkbare Gelegenheit dazu, nicht nur an Jahren, sondern auch im Hinblick auf unsere Lebenserfahrungen und entsprechenden Verhaltensweisen zu reifen. Unser Leben sieht für uns alle persönliche Entwicklung, Wachstum und individuelle Reifungsprozesse vor. Als soziale Wesen ist es uns in die Wiege gelegt, diese Entwicklungsschritte gemeinsam mit Familie, Freunden, Partner etc. zu gehen. Es liegt an uns, ob wir uns für diese gemeinsame Reise durch unser Leben füreinander als Team entscheiden, zueinander in Konkurrenzsituation gehen oder ganz allein leben. Egal, wie wir uns entscheiden, die Konsequenzen und die Verantwortung daraus hat jeder Einzelne selbst zu tragen. Gott sagte mir einmal, dass die einzige Frage, die er uns stellen wird, wenn wir unsere Lebenszeit auf der Erde beenden und wieder zu ihm nach Hause kommen, sein wird: „Wie sehr hast du geliebt?“

1 Sehnsucht „Liebe“

Die Sehnsucht, die mich durch mein Leben trägt, heißt LIEBE. Sehnsuchtsvoll verzehre ich mich nach ihr. Und das nicht erst als Teenager und später als erwachsene Frau. Nein, die große Sehnsucht nach der Liebe wurde mir schon in die Wiege gelegt. Bereits hier beginnt ein eigenartiges „Spiel“, das sich mir im Verlauf meines Lebens immer wieder einmal zeigte. Ganz so, als wollte die Liebe mir damit sagen: „Je mehr du dich nach mir sehnst, umso mehr entziehe ich mich dir!“ – Doch warum ist das so? – Haben wir die Liebe auf unserer Reise LEBEN nicht dazu gebucht?

Wer mein erstes Buch gelesen hat, der weiß, dass ich in diesem Leben im Hinblick auf die Liebe bereits mit einer ersten Hürde (Herausforderung) gestartet bin, die eine Situation beschreibt, die der vieler Frühgeborenen sehr ähnlich ist. Zwar kam ich nicht als Frühchen zur Welt, doch musste ich bereits am zweiten Tag nach der Geburt für mehrere Wochen in eine andere Klinik verlegt werden und war somit für längere Zeit sowohl von meiner Mutter als auch von meinem Zwillingsbruder getrennt.

Das Erste, was mir somit in diesem Leben widerfuhr, war für mich ein unerträgliches Gefühl von „mutterseelenallein“. Ein Gefühl des Alleinseins und Getrenntseins gepaart mit dem Schmerz um den Verlust von Sicherheit, Geborgenheit und Liebe sowie meinem ängstlichen Blick auf dieses Leben verbunden mit der Frage: „Kann ich diesem Leben denn überhaupt vertrauen?“

„Mutterseelenallein!“ – Ein Gefühl, das sich wie ein roter Faden mal mehr, mal weniger stark durch mein Leben zieht. – Was mir blieb, waren Fragen. Fragen wie „Warum geschieht mir dies? Was soll ich daraus lernen? Habe ich mir das wirklich selbst so ausgesucht? Wollte ich das wirklich so?“ …

Statt mit den Gefühlen von Liebe, Vertrautheit und Sicherheit in den Armen meiner Mutter zu liegen und statt der Nähe zu meinem Zwillingsbruder, mit dem ich in den letzten neun Monaten so intensiv verbunden war, war es für mich als Neugeborenes innerhalb kürzester Zeit aus mit Kuscheln und Geborgenheit. Stattdessen erlebte ich gleich für mehrere Wochen die Gefühle von Getrenntsein und Einsamkeit. Erlebte von Anfang an sehr starke Gefühle von Angst, Frustration und Panik in einer Welt, die mir ohne die Nähe und Verbundenheit mit Mama und Bruder so extrem kalt, abweisend und unfreundlich erschien.

Unbewusst startete ich mit diesen für mich sehr einschneidenden Erfahrungen, sozusagen von Anfang an, ein Programm, das in mir im Hinblick auf Vertrautsein mit anderen und mich in der Liebe der Mutter geborgen fühlen Gedanken und Gefühle provozierte, dass ich – aus welchen Gründen auch immer – Liebe und Zuneigung scheinbar nicht verdiene. Dass ich es nicht wert bin, von der Liebe und dem Glück, das diese mit sich bringt, erfüllt zu sein. Dass ich erst lernen muss, ein besserer Mensch zu werden, um Liebe überhaupt zu verdienen. Dass das Leben schwer ist. Kein Honigschlecken, sondern Kampf, Mühsal und Plackerei …

Aus heutiger Sicht kann ich zwar rückblickend sagen, dass mir in meinem Leben die Liebe nicht gänzlich fehlte, doch sie war mir nie wirklich so nah, als dass ich sie mir hätte erhalten können. Was stattdessen in meinem Leben präsent war, war dieses extrem starke Bedürfnis nach Liebe.

Jedoch nicht nach körperlicher Liebe, sondern nach einer reineren Form von Liebe. Einer Liebe, die tiefer geht. Einer Liebe, die wirklich nährt. Einer Liebe, die Balsam für das Herz und die Seele ist. Die ein so starkes Fundament für die Beziehung zwischen Menschen ist, dass sie diese stärkt und trägt.

So wurde der Motor meines Denkens und Handelns schon von klein auf diese Suche nach der wahren Liebe. Zeit meines Lebens war dieser Hunger nach Liebe so groß, die Sehnsucht danach so stark, dass mir ständig im Kopf rumspukte: „Ich will auch dazugehören. Ich will mich auch angenommen, wertgeschätzt, gesehen und gehört fühlen.“ Doch stattdessen war mein Begleiter durch all diese Jahre stets ein Gefühl von viel zu kurz gekommen zu sein und der wahren Liebe entbehren zu müssen.

Ich weiß, das hört sich jetzt so an, als hätten mir meine Eltern, speziell meine Mutter Zuwendung und Liebe nicht gegeben. Als hätte mir die Familie, in die ich hineingeboren bin, diese versagt. Das hat sie definitiv nicht, doch aus irgendeinem Grund konnte ich ihre Liebe nicht wahrnehmen, nicht spüren. Es war, als läge über all dem ein einzig großer und dunkler Schatten. Ein Nebel, der mir den Zugang zu dieser Liebe verwehren sollte.

Warum ich Ihnen von meiner Situation als Neugeborenes und Kind erzähle? Meine Absicht ist es, damit zu verdeutlichen, dass Kinder ihre Gefühle noch nicht wirklich begreifen und erst recht nicht artikulieren können. Manifestieren sich diese frühkindlichen Emotionen jedoch im Kind, weil sie unberücksichtigt bleiben und es somit zwischen Eltern und Kind zu keiner Klärung kommt, dann beeinflusst dies auf eine mitunter sehr ungünstige Art und Weise die Beziehung ein Leben lang. Indem ich von meiner Situation erzähle, wünsche ich mir, dass es mir damit gelingt, zu einem besseren Verständnis zwischen Eltern (vor allem der Mutter) und dem Kind beizutragen.

Mit meiner Geschichte will ich ein Beispiel dafür geben, wie viel anders Kinder (egal, welchen Alters) die Ereignisse ihres Lebens wahrnehmen und fühlen. Will verständlich machen, wie sehr Kinder aufgrund ihrer Gefühle mitunter ganz anders denken und Sachverhalte vollkommen anders interpretieren als die Erwachsenen. Will thematisieren, dass dieses Denken mitunter ganz und gar nicht zu ihrem Vorteil ist, weil es zum Beispiel wie in meinem Fall die Beziehungsfähigkeit zu anderen Menschen erschwert. Will bewusstmachen, wie wichtig es ist, die Dinge nicht nur aus der Perspektive des Erwachsenen zu sehen, sondern dass es notwendig, ja sogar unerlässlich ist, sich alles, was geschieht, auch immer aus der Perspektive des Kindes anzusehen. Selbst dann, wenn das Ereignis für uns als Erwachsene nicht so sehr von Bedeutung ist wie für das Kind. Will außerdem auf die Notwendigkeit eines regelmäßigen Gesprächs zur Klärung bestimmter Themen hinweisen, statt die Kinder mit dem Erlebten allein zu lassen. Was mir zusätzlich am Herzen liegt, ist damit verständlich zu machen, wie wichtig es ist, regelmäßig Gespräche zu führen, bei denen es nicht nur um irgendwelche organisatorischen Belange des Alltags geht, sondern vielmehr um das seelische Wohlbefinden aller.

Wie soll das Kind sonst lernen, dass zu einem wirklich gesunden Leben immer alle drei Komponenten zählen. Die Gesundheit von Körper (Wie geht es dir? Was brauchst du?), die Gesundheit des Geistes (Was beschäftigt dich gerade? Worüber denkst du nach? Wenn du willst, erzähle mir davon, damit ich dir unter Umständen helfen kann!) sowie um die Gesundheit der Seele (Fühlst du dich gut? Was liegt dir am Herzen bzw. auf der Seele? Gibt es zwischen dir und mir irgendetwas, was der Klärung bedarf?)

Was ich anhand meiner Geschichte gelernt habe, ist, dass unsere Gefühle das Sprachorgan unserer Seele sind, so, wie uns unser Körper widerspiegelt, was unsere Gedanken sind. Und dass wir, wenn wir uns das Er-leben unserer Gefühle aus welchen Gründen auch immer verbieten, Gefahr laufen, nicht mehr in Beziehung mit uns selbst zu sein.

 

Zudem ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass für alle an Familie oder Partnerschaft Beteiligten Gespräche niemals eine Zeitvergeudung, sondern immer eine sehr gut investierte Zeit sind. Denn sind wir mittels regelmäßiger Gespräche miteinander auch wirklich in Kontakt, dann fühlt sich jeder innerhalb der Beziehung willkommen, gesehen und gehört. Die Botschaft, die unsere Gesprächsbereitschaft dem anderen indirekt signalisiert, heißt so viel wie: „Du bist mir wichtig. Ich höre dir zu. Ich wertschätze dich und freue mich über unser Gespräch. Ich liebe dich!“

Sie sehen, es liegt mir am Herzen, die Aufmerksamkeit vermehrt darauf zu lenken, dass wir uns die verschiedensten Ereignisse unseres Lebens nicht nur aus der Perspektive des Erwachsenen ansehen, sondern dass wir vermehrt versuchen, sie uns immer auch aus der Perspektive des Kindes bzw. allgemein unseres Gegenübers zu sehen. Und das ganz egal, wie bedeutend oder unbedeutend die Vorkommnisse für uns selbst sind.

Wie sich mein frühkindlicher Klinikaufenthalt im Zusammenspiel mit anderen Ereignissen auf mein Leben insgesamt auswirken sollte, war mir ehrlich gesagt fünfundfünfzig Jahre lang so nicht bewusst. Dennoch lag bereits in diesem ersten nachgeburtlichen Ereignis ein sehr nachhaltiges energetisches Muster verborgen, das mein ganzes Beziehungsleben bestimmen sollte.

Zwar kehrte ich – körperlich gesund – in den Kreis der Familie zurück, doch hatte bei mir diese lange Zeit der Trennung in der Psyche bereits ihre tiefen Spuren hinterlassen. Spuren von Einsamkeit und den Gefühlen, die ich Ihnen zuvor beschrieben habe. Was bei mir zusätzlich im Kern des Schmerzes haften blieb, war das untrügliche Gefühl, dass ich von den Menschen, die ich liebe, niemals so geliebt werde, wie ich es glaube, zu verdienen.

Mein Trauma bestand darin, von heute auf morgen einfach alles verloren zu haben. Auf so viel Trennungsschmerz, der sich zudem noch über einen so langen Zeitraum hinziehen sollte, war ich nicht vorbereitet. Ich hatte die Ressourcen nicht, um einem Schmerz dieses Ausmaßes entsprechend zu begegnen. Für mich war es nicht nur der Schmerz durch den Verlust der Verbundenheit mit meiner Mutter durch die physische Geburt, sondern da kam noch so vieles andere obenauf. Und … Für mich war es nicht nur der Fall heraus aus der Geborgenheit und Fürsorge, die im Mutterleib noch war, sondern für mich war es vergleichbar mit dem Fall aus dem Paradies der Geborgenheit des Mutterleibs.

Warum halten wir so lange an den Dramen der Kindheit fest? – Es sind diese Gefühle, die durch eine Ursprungssituation ausgelöst wurden und die uns jetzt so lange in diesen „Gefühlswelten“ gefangen halten, bis wir gelernt haben, mit ihnen auf eine andere Art und Weise umzugehen, als es unser erlerntes Muster ist. Die meisten von uns reagieren auf das Gefühl von Benachteiligung meist mit Aggression und Wut. Doch warum? Was werfe ich bewusst wie unbewusst meiner Mutter vor, ungeachtet dessen, ob dieser Vorwurf berechtigt ist oder nicht? Was kommt mir in Bezug auf diese Frage in den Sinn?

Selbst wenn wir etwas scheinbar Erlittenes vergeben wollen, gilt es sich anzuschauen was sich hinter diesen Gefühlen von Aggression und Wut, Verbitterung und Groll noch so alles verbirgt. Das kann von Mal zu Mal mitunter eine ganz andere Ursache haben. Von daher ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein, dass die Wut sowie auch all die anderen Gefühle definitiv nicht mit einem einzigen Vergebungsritual aufgelöst sind. Es gilt sich diese Themen immer und immer wieder aufs Neue anzuschauen. Immer wieder aus dem Ist-Zustand des heutigen Tages heraus darüber zu reflektieren, was es gerade mit uns macht. Dabei lernen wir jedes Mal wieder etwas Neues über uns dazu. Lernen nach und nach uns selbst und unsere Art zu denken, zu handeln, zu sein, immer besser zu verstehen, und wachsen so letztlich in einen tieferen Prozess der Vergebung (sowohl der Selbstvergebung als auch dem anderen zu vergeben) hinein.

Sobald eine Welle an Wut über uns kommt, ist es wichtig, uns dahingehend zu beobachten, wie wir mit diesem Gefühl gelernt haben, umzugehen. Gehe ich in die Wut hinein, lasse ich mein Verhalten von ihr diktieren? Gebe ich ihr Raum und begehre gegen die Person, der meine Wut gilt, auf?

Was, wenn ich mich stattdessen einfach mal so ganz anders verhalte, als ich es bisher getan habe? Was, wenn ich mir nicht von der Wut mein Handeln diktieren lasse, sondern ich selbst die Regie übernehme und mein Drehbuch auf die Wut einfach einmal umschreibe und ganz anders lebe? Was, wenn ich der Wut einfach mal aus einer ganz anderen Perspektive heraus begegne? Wenn ich ihr mit Besonnenheit und Verständnis begegne? Wenn ich sie mir anschaue? Ihr Fragen stelle? Fragen wie: Wut, was genau hast du mir zu sagen? Worum geht es eigentlich? Was genau liegt unter dieser Wut? Warum ist diese Wut so stark? Woran willst du mich erinnern, damit ich es mir anschauen kann?

In diesem Zusammenhang ist es auch sehr interessant einmal zu schauen, wer denn unser Vorbild im Erlernen der Muster war, wie wir mit unseren Gefühlen umzugehen haben. Passt die Art und Weise, wie mein Rollenvorbild seine Gefühle gelebt hat, denn überhaupt zu mir? Zu meinem Temperament? Zu meiner Wesensart? Ist dieses Verhalten gut? Wie stehe ich selbst dazu? Hat es mir denn geholfen, meine Interessen, Bedürfnisse, Wünsche auf diese Art durchzusetzen? Wie erfolgreich war ich damit? Welche Alternativen fallen mir hinsichtlich dieses Verhaltens ein? Was kann ich tun, um mir bewusst darüber zu werden, wie sich das Thema „XY“ unbewusst auf meine derzeitige Lebenssituation auswirkt? Was zeigt sich mir?

Fürs Erste ist es wichtig, sich dessen bewusst zu sein: Ich bin NICHT diese Wut. Ich fühle nur, dass ich gerade eine richtige Wut auf „…“ habe, und dass hinter alledem ein Thema liegt, das sich mir gerade zeigt. In diesem Sinne gilt es, der Wut an sich nicht länger Energie und „Nahrung“ zu geben, sondern sich vielmehr die Ursache dahinter anzuschauen, um sich der ganzen Zusammenhänge bewusst zu werden. Ihnen in irgendeiner sozialverträglichen Art und Weise, die zu uns als Individuum passt, Ausdruck zu geben: Zum Beispiel, indem wir den Gefühlen durch Schreiben, Malen, Tanzen, Joggen etc. Raum geben. Der eigenen Kreativität sind hierbei keine Grenzen gesetzt.

Es gilt einzig und allein diese Energie, die in dem Gefühl von Wut, Verbitterung, Groll, Aggression etc. gebündelt ist, in eine andere Ausdrucksform zu bringen. Ihr damit ihre negative, explosive Kraft zu nehmen und diese destruktive Energie stattdessen in eine konstruktive Kraft zu verwandeln. Ihr vorübergehend ganz bewusst Raum zu geben, damit sich diese Energie in der Form, wie sie sich mir gerade zeigt, entladen kann. Tun wir dies nicht, halten wir diese negative Energie in uns zurück, um zwar den schönen Schein des Friedens zu wahren, doch sie bleibt in unserem Feld. Hält uns von positiven Gedanken ab und schmälert vor allem unsere Beziehung zu der Person, die in uns diese Gefühle mitverursacht hat.

Das, was unausgesprochen und ungeklärt in unserem Energiefeld bleibt, läuft Gefahr, sich im Laufe der Zeit dort sogar noch zu potenzieren. Letztendlich ist keinem damit gedient. Weder dem Verursacher noch dem Träger dieser Energie. Was bleibt, ist, dass sich das Problem mit dem Gegenüber so lange wiederholt, bis wir den Mut finden, es auf eine konstruktive Art und Weise mit dem anderen zu lösen. Es bedarf diesbezüglich nicht vieler Worte. Es ist einfach nur wichtig, für sich selbst zu erkennen: „Ich verspüre gerade eine Wut (oder ein ähnliches Gefühl) in mir. Es macht mich traurig, dass ich gerade so fühle. Können wir bitte darüber reden?“