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Till Eulenspiegel

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Die 57. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Helmstedt eine große Tasche machen ließ.

Mit einer Tasche richtete Eulenspiegel eine weitere Schalkheit an. In Helmstedt wohnte ein Taschenmacher. Zu dem kam Eulenspiegel und fragte, ob er ihm eine große, hübsche Tasche machen wolle. Der Taschenmacher sprach: »Ja, wie groß soll sie sein?« Eulenspiegel sagte, er möchte sie groß genug haben. Denn zu der Zeit trug man große Taschen, die breit und weit waren. Der Taschenmacher machte Eulenspiegel eine große Tasche. Als er kam und sich die Tasche ansah, sprach er: »Die Tasche ist nicht groß genug. Das ist ein Täschlein. Macht mir eine, die groß genug ist, ich will sie Euch gut bezahlen.« Der Taschenmacher fertigte ihm eine Tasche von einer ganzen Kuhhaut an und machte sie so groß, daß man wohl ein einjähriges Kalb hätte hineinstecken können, so daß ein Mann daran zu tragen hatte.

Als Eulenspiegel dazukam, gefiel ihm die Tasche wiederum nicht, und er sprach, die Tasche sei nicht groß genug. Wolle er aber eine Tasche machen, die ihm groß genug sei, so wolle er ihm zwei Gulden als Anzahlung geben. Der Taschenmacher nahm die zwei Gulden und machte ihm eine Tasche, zu der er drei Ochsenhäute nahm, so daß drei Mann vollauf zu tun hatten, sie auf einem Tragegestell zu tragen; man hätte wohl einen Scheffel Korn hineinschütten können.

Als Eulenspiegel kam, sprach er: »Meister, diese Tasche ist groß genug; aber die große Tasche, die ich meine, das ist diese Tasche doch nicht. Ich will sie auch nicht haben, sie ist im Grunde noch zu klein. Wenn Ihr mir die große Tasche machen wolltet, aus der ich immer einen Pfennig herausnehmen kann und zwei bleiben stets darin liegen, so daß ich niemals ohne Geld wäre und nie an den Boden der Tasche greifen kann: die würde ich Euch abkaufen und bezahlen. Die Taschen, die Ihr mir gemacht habt, das sind leere Taschen, die nutzen mir nichts. Ich muß volle Taschen haben, anders kann ich nicht zu den Leuten kommen.«

Damit ging er hin, ließ dem Taschenmacher seine Taschen und sprach: »Meine Anzahlung für den Kauf kannst du behalten.« Und er ließ ihm die zwei Gulden; der Taschenmacher hatte aber wohl für zehn Gulden Leder verschnitten.

Die 58. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Erfurt einen Metzger um einen Braten betrog.

Eulenspiegel konnte seine Schalkheit nicht lassen, als er nach Erfurt kam, wo er bald mit Bürgern und Studenten bekannt wurde.

Einmal ging er zu den Fleischbänken, wo das Fleisch feilgeboten wurde. Da sprach ein Metzger ihn an, ob er nicht etwas kaufen wolle, das er mit sich nach Hause trüge. Eulenspiegel sagte zu ihm: »Was soll ich mit mir nehmen?« Der Metzger sprach: »Einen Braten.« Eulenspiegel sagte ja, nahm einen Braten bei einem Ende und ging damit davon. Der Metzger lief ihm nach und sprach zu ihm: »Nein, nicht so! Du mußt den Braten bezahlen!« Eulenspiegel sprach: »Von einer Bezahlung habt Ihr mir nichts gesagt, sondern Ihr sagtet, ob ich nicht etwas mit mir nehmen wolle.« Der Metzger habe auf den Braten gewiesen, damit er den mit sich nach Hause nehmen solle. Das wolle er mit des Metzgers Nachbarn beweisen, die dabeistanden.

Die andern Metzger kamen dazu und sagten aus Haß, daß es wahr sei. Denn die andern waren dem Metzger feindlich gesonnen. Wenn jemand nämlich zu ihnen kam und etwas kaufen wollte, rief er die Leute zu sich und zog sie damit von ihnen ab. Darum stimmten sie zu, daß Eulenspiegel den Braten behielte. Während der Metzger also zankte, nahm Eulenspiegel den Braten unter den Rock, ging damit hinweg und ließ sie sich darüber einigen, so gut sie konnten.

Die 59. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Erfurt einen Metzger noch einmal um einen Braten betrog.

Nach acht Tagen kam Eulenspiegel wieder zu den Fleischbänken. Da sprach derselbe Metzger Eulenspiegel mit Spottreden an: »Komm wieder her und hol dir einen Braten!« Eulenspiegel sagte ja und wollte nach dem Braten greifen. Da war der Metzger flink und nahm den Braten schnell an sich. Eulenspiegel sagte: »Warte, laß den Braten liegen, ich will ihn bezahlen.« Der Metzger legte den Braten wieder auf die Bank.

Da sprach Eulenspiegel zu ihm: »Wenn ich dir ein Wort sage, das dir von Nutzen ist, soll dann der Braten mein sein?« Der Metzger sagte: »Du könntest mir solche Worte sagen, die mir nichts nützen. Du könntest mir aber auch Worte sagen, die mir von Nutzen sind, und dabei den Braten hinwegnehmen.« Eulenspiegel sprach: »Ich will den Braten nicht anrühren, wenn dir meine Worte nicht gefallen.« Und er sagte weiter: »Ich spreche jetzt dies: ›Wohlauf, her, mein Säckel, und bezahle die Leute! ‹ Wie gefällt dir das? Gefällt dir das etwa nicht?« Da sagte der Metzger: »Die Worte gefallen mir wohl, sie behagen mir sehr.« Da sprach Eulenspiegel zu denen, die umherstanden: »Liebe Freunde, das hörtet ihr wohl, also ist der Braten mein.«

Eulenspiegel nahm den Braten, ging damit hinweg und sagte spöttisch zu dem Metzger: »Nun habe ich mir wieder einen Braten geholt, wie du mich ansprachst.« Der Metzger stand da und wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Zweimal war er genarrt worden und hatte zu seinem Schaden den Spott seiner Nachbarn, die bei ihm standen und über ihn lachten.

Die 60. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Dresden ein Schreinerknecht wurde und nicht viel Dank verdiente.

Alsbald zog Eulenspiegel aus dem Lande Hessen nach Dresden vor dem Böhmerwald an der Elbe und gab sich als Schreinergeselle aus. Dort nahm ihn ein Schreiner auf, der einen Gesellen zur Aushilfe benötigte. Denn seine Gesellen hatten ausgedient und waren auf Wanderschaft gegangen.

Nun fand in der Stadt eine Hochzeit statt; zu der war der Schreiner eingeladen. Da sprach der Schreiner zu Eulenspiegel: »Lieber Geselle, ich muß zur Hochzeit gehn und werde heute bei Tage nicht mehr wiederkommen. Sei tüchtig, arbeite fleißig und bringe die vier Bretter für den Schreibtisch auf das genaueste zusammen in den Leim.« Eulenspiegel sagte: »ja, welche Bretter gehören zusammen?« Der Meister legte ihm die Bretter aufeinander, die zusammengehörten, und ging mit seiner Frau zur Hochzeit.

Der brave Geselle Eulenspiegel, der sich allezeit mehr befleißigte, seine Arbeit verkehrt zu tun, als richtig, fing an und durchbohrte die schön gemaserten Tischbretter, die ihm sein Meister aufeinandergelegt hatte, an drei oder vier Enden. Dann schlug er Holzpflöcke hindurch und verband sie so miteinander. Danach siedete er Leim in einem großen Kessel und steckte die Bretter da hinein. Schließlich trug er sie oben ins Haus, legte sie dort ans offene Fenster, damit der Leim an der Sonne trocknete, und machte zeitig Feierabend.

Abends kam der Meister von der Hochzeit, hatte viel getrunken und fragte Eulenspiegel, was er den Tag über gearbeitet habe. Eulenspiegel sagte: »Lieber Meister, ich habe die vier Tischbretter auf das genaueste zusammen in den Leim gebracht und zu einer guten Zeit Feierabend gemacht.« Das gefiel dem Meister wohl, und er sagte zu seiner Frau: »Das ist ein rechter Geselle, behandle ihn gut, den will ich lange behalten.« Und damit gingen sie schlafen.

Am nächsten Morgen, als der Meister aufgestanden war, hieß er Eulenspiegel den Tisch bringen, den er fertig gemacht habe. Da kam Eulenspiegel mit seiner Arbeit vom Dachboden herunter. Als der Meister sah, daß ihm der Schalk die Bretter verdorben hatte, sprach er: »Geselle, hast du auch das Schreinerhandwerk gelernt?« Eulenspiegel antwortete, warum er danach frage. »Ich frage darum, weil du mir so gute Bretter verdorben hast.« Eulenspiegel sagte: »Lieber Meister, ich habe getan, wie Ihr mich hießet. Ist es verdorben, dann ist das Eure Schuld.« Der Meister wurde zornig und sprach: »Du bist ein Schalksnarr, darum hebe dich hinweg aus meiner Werkstatt; ich habe von deiner Arbeit keinen Nutzen.« Also schied Eulenspiegel von dannen und verdiente keinen großen Dank, obwohl er alles das tat, was man ihn hieß.

Die 61. Historie sagt, wie sich Eulenspiegel in Braunschweig bei einem Brotbäcker als Bäckergeselle verdingte und wie er Eulen und Meerkatzen backte.

Als Eulenspiegel wieder nach Braunschweig in die Bäckerherberge kam, wohnte nahe dabei ein Bäcker. Der rief ihn in sein Haus und fragte ihn, was er für ein Geselle sei. Er sprach: »Ich bin ein Bäckergeselle.« Der Brotbäcker sagte: »Ich habe eben keinen Gesellen. Willst du mir dienen?« Eulenspiegel sagte: »Ja.«

Als er nun zwei Tage bei ihm gewesen war, hieß ihn der Bäcker, am Abend zu backen, denn er konnte ihm bis zum Morgen nicht helfen. Eulenspiegel sprach: »Ja, was soll ich denn backen?« Der Bäcker war ein leicht erregbarer Mann, er wurde zornig und sagte im Spott: »Bist du ein Bäckergeselle und fragst erst, was du backen sollst? Was pflegt man denn zu backen? Eulen oder Meerkatzen!« Und damit legte er sich schlafen.

Da ging Eulenspiegel in die Backstube und machte aus dem Teig nichts als Eulen und Meerkatzen, die ganze Backstube voll, und backte sie.

Der Meister stand des Morgens auf und wollte ihm helfen. Doch als er in die Backstube kam, fand er weder Wecken noch Semmeln, sondern lauter Eulen und Meerkatzen. Da wurde der Meister zornig und sprach: »Daß dich das jähe Fieber packe! Was hast du da gebacken?« Eulenspiegel sagte: »Was Ihr mich geheißen habt, Eulen und Meerkatzen.« Der Bäcker sprach: »Was soll ich nun mit dem Narrenzeug tun? Solches Brot ist mir zu nichts nütze. Ich kann das nicht zu Geld machen.« Und er ergriff Eulenspiegel beim Hals und sagte: »Bezahl mir meinen Teig!« Eulenspiegel sprach: »Ja, wenn ich Euch den Teig bezahle, soll dann die Ware mein sein, die davon gebacken ist?« Der Meister sagte: »Was frage ich nach solcher Ware! Eulen und Meerkatzen kann ich nicht gebrauchen in meinem Laden.«

Also bezahlte Eulenspiegel dem Bäcker seinen Teig, packte die gebackenen Eulen und Meerkatzen in einen Korb und trug sie aus dem Haus in die Herberge »Zum Wilden Mann«. Und Eulenspiegel dachte bei sich selbst: Du hast oft gehört, man könnte keine so seltsamen Dinge nach Braunschweig bringen, daß man nicht Geld daraus löste. Und es war am Vortage des Sankt-Nikolaus-Abends. Da stellte sich Eulenspiegel mit seiner Ware vor die Kirche, verkaufte alle Eulen und Meerkatzen und löste viel mehr Geld daraus, als er dem Bäcker für den Teig gegeben hatte.

 

Das wurde dem Bäcker kundgetan. Den verdroß das sehr, und er lief vor die Sankt-Nikolaus-Kirche und wollte von Eulenspiegel auch die Kosten für das Holz und für das Backen verlangen. Aber da war Eulenspiegel gerade hinweg mit seinem Geld, und der Bäcker hatte das Nachsehen.

Die 62. Historie sagt, wie Eulenspiegel im Mondschein das Mehl in den Hof beutelte.

Eulenspiegel wanderte im Land umher, kam in das Dorf Uelzen und wurde dort wieder ein Bäckergeselle. Als er nun im Hause eines Meisters war, da richtete der Meister alles her, um zu backen. Eulenspiegel sollte das Mehl in der Nacht beuteln, damit es am Morgen früh fertig wäre. Eulenspiegel sprach: »Meister, Ihr solltet mir ein Licht geben, damit ich beim Beuteln sehen kann.« Der Bäcker sagte zu ihm: »Ich gebe dir kein Licht. Ich habe meinen Gesellen zu dieser Zeit nie ein Licht gegeben. Sie mußten im Mondschein beuteln; also mußt du es auch tun.« Eulenspiegel sprach: »Haben sie bei Mondschein gebeutelt, so will ich es auch tun.« Der Meister ging zu Bett und wollte ein paar Stunden schlafen.

Derweilen nahm Eulenspiegel den Beutel, hielt ihn zum Fenster hinaus und siebte das Mehl in den Hof, wohin der Mond schien, immer dem Scheine nach. Als der Bäcker des Morgens früh aufstand und backen wollte, stand Eulenspiegel immer noch da und beutelte. Da sah der Bäcker, daß Eulenspiegel das Mehl in den Hof siebte, der vom Mehl auf der Erde ganz weiß war. Da sprach der Meister: »Was, zum Teufel, machst du hier? Hat das Mehl nicht mehr gekostet, als daß du es in den Dreck beutelst?“ Eulenspiegel antwortete: »Habt Ihr es mich nicht geheißen, in dem Mondschein zu sieben ohne Licht? Also habe ich getan.« Der Brotbäcker sprach: »Ich hieß dich, du solltest beuteln bei dem Mondschein.« Eulenspiegel sagte: »Wohlan, Meister, seid nur zufrieden, es ist beides geschehen: in und bei dem Mondschein. Und da ist auch nicht mehr verloren als eine Handvoll. Ich will das bald wieder aufraffen, das schadet dem Mehl nur ganz wenig.“ Der Brotbäcker sprach: »Während du das Mehl aufraffst, kann man keinen Teig machen. So wird es zu spät zum Backen.« Eulenspiegel sagte: »Mein Meister, ich weiß guten Rat. Wir werden so schnell backen wie unser Nachbar. Sein Teig liegt im Backtrog. Wollt Ihr den haben, so will ich ihn sogleich holen und unser Mehl an dieselbe Stelle tragen.«

Der Meister wurde zornig und sprach: »Du wirst den Teufel holen! Geh an den Galgen, du Schalk, und hole den Dieb herein, aber laß mir des Nachbarn Teig liegen!« »Ja«, sprach Eulenspiegel und ging aus dem Haus an den Galgen. Da lag der Leichnam von einem Diebe, der war herabgefallen. Er nahm ihn auf die Schulter, trug ihn in seines Meisters Haus und sagte: »Hier bringe ich, was am Galgen lag. Wozu wollt Ihr das haben? Ich wüßte nicht, wozu es gut wäre.« Der Bäcker sprach: »Bringst du sonst nichts mehr?« Eulenspiegel antwortete: »Wäre mehr dagewesen, hätte ich Euch mehr gebracht. Aber es war nicht mehr da.« Der Bäcker wurde böse und sprach voller Zorn: »Du hast das Gericht des Rats bestohlen und seinen Galgen beraubt. Ich werde das vor den Bürgermeister bringen, das sollst du sehen!« Und der Bäcker ging aus dem Hause auf den Markt, und Eulenspiegel ging ihm nach. Der Bäcker hatte es so eilig, daß er sich nicht umsah und auch nicht wußte, daß Eulenspiegel ihm nachging. Der Bürgermeister stand auf dem Markt. Da ging der Bäcker zu ihm und fing an, sich zu beschweren. Eulenspiegel war behende: sobald sein Meister, der Bäcker, anfing zu reden, stand Eulenspiegel dicht neben ihm und riß seine beiden Augen weit auf. Als der Bäcker Eulenspiegel sah, wurde er so wütend, daß er vergaß, worüber er sich beklagen wollte, und sprach ergrimmt zu Eulenspiegel: »Was willst du?« Eulenspiegel antwortete: »Ich will nur Eure Worte erfüllen: Ihr sagtet, ich sollte sehen, daß Ihr mich vor dem Bürgermeister verklagen würdet. Wenn ich das nun sehen soll, so muß ich die Augen nahe heranbringen, damit ich es auch sehen kann.« Der Bäcker sprach zu ihm: »Geh mir aus den Augen, du bist ein Schalk!« Eulenspiegel sagte: »So wurde ich schon oft genannt. Aber säße ich Euch in den Augen, so müßte ich Euch aus den Nasenlöchern kriechen, wenn Ihr die Augen zumacht.«

Da ging der Bürgermeister von ihnen fort und ließ sie beide stehen. Denn er hörte wohl, daß es alles Torheit war. Als Eulenspiegel das sah, lief er zurück und sprach: »Meister, wann wollen wir backen? Die Sonne scheint nicht mehr.« Und er ging hinweg und ließ den Bäcker stehn.

Die 63. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Wismar ein Pferdehändler wurde, und ein Kaufmann Eulenspiegels Pferd den Schwanz auszog.

Eine listige Schalkheit tat Eulenspiegel in Wismar an der See einem Pferdekaufmann an. Denn dahin kam allezeit ein Pferdehändler, der kaufte kein Pferd, ohne daß er darum feilschte und dann das Pferd beim Schwanz zog. Das tat er auch bei den Pferden, die er nicht kaufte. Beim Ziehen wollte er merken, ob das Roß lange leben würde, und er merkte es angeblich daran: stand dem Pferd das lange Haar locker im Schweif, so kaufte er es nicht, weil er glaubte, daß es nicht lange leben würde; stand dem Pferd aber das Haar fest im Schwanz, so kaufte er es, denn er hatte den gewissen Glauben, daß es lange leben und von harter Natur sein würde. Dies war in der ganzen Stadt Wismar allgemeine Meinung, so daß sich jedermann danach richtete.

Das bekam Eulenspiegel zu wissen, und er dachte: dem mußt du eine Schalkheit tun, sei es, was es wolle, damit der Irrtum aus dem Volk kommt. Nun verstand Eulenspiegel ein wenig von der schwarzen Kunst. Er nahm ein Pferd und richtete es mit der schwarzen Kunst so her, wie er es haben wollte. Damit zog er zu Markte und bot das Pferd den Leuten teuer an, damit sie es ihm nicht abkauften. Das tat er so lange, bis der Kaufmann kam, der die Pferde beim Schwanz zog. Dem bot er das Pferd billig an. Der Kaufmann sah wohl, daß das Pferd schön und das Geld wert war, und er ging hinzu und wollte es fest am Schwanz ziehen. Aber Eulenspiegel hatte das so hergerichtet: sobald der Kaufmann das Roß am Schweif zog, behielt er ihn in der Hand; das sah dann so aus, als ob er dem Pferd den Schwanz ausgezogen habe. Der Pferdehändler stand und wurde kleinlaut, aber Eulenspiegel rief: »Schande über diesen Bösewicht! Seht, liebe Bürger, wie er mir mein Pferd verunstaltet und verdorben hat!« Die Bürger kamen hinzu und sahen, daß der Kaufmann den Pferdeschweif in der Hand hatte. Das Pferd hatte keinen Schwanz mehr, und der Kaufmann fürchtete sich sehr.

Da mischten sich die Bürger ein und erreichten, daß der Pferdehändler Eulenspiegel zehn Gulden gab und dieser sein Pferd behielt. Und Eulenspiegel zog mit seinem Roß hinweg und setzte ihm den Schweif wieder an.

Der Kaufmann aber zog von dieser Zeit an kein Pferd mehr beim Schwanze.

Die 64. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Lüneburg einem Pfeifendreher eine große Schalkheit antat.

In Lüneburg wohnte ein Pfeifendreher, der ein Landfahrer gewesen und mit dem Zauberstab umhergezogen war. Er saß beim Bier mit zahlreicher Gesellschaft, als Eulenspiegel zu dem Gelage kam.

Da lud der Pfeifendreher Eulenspiegel zu Gast in der Absicht, ihn zum besten zu haben, und sagte zu ihm: »Komm morgen zu Mittag und iß mit mir, wenn du kannst!« Eulenspiegel sagte ja und dachte sich nichts bei dem Wort. Er kam am andern Tage und wollte als Gast zu dem Pfeifenmacher gehen. Als er vor die Tür kam, war sie oben und unten zugesperrt, und auch alle Fenster waren geschlossen. Eulenspiegel ging vor der Tür zwei- oder dreimal hin und her, so lange, bis es Nachmittag wurde, aber das Haus blieb zu. Da merkte er wohl, daß er betrogen worden war. Er ließ die Sache auf sich beruhen und schwieg still bis zum nächsten Tag.

Da kam Eulenspiegel zu dem Pfeifendreher auf den Markt und sprach zu ihm: »Seht, lieber Mann, wenn Ihr Gäste ladet, pflegt Ihr dann selber auszugehen und die Tür oben und unten zu schließen?« Der Pfeifenmacher sprach: »Hörtest du nicht, wie ich dich bat? Ich sagte: komm morgen zu Mittag und iß mit mir, wenn du kannst! Nun fandest du die Tür zugesperrt, da konntest du nicht hineinkommen.« Eulenspiegel sagte: »Habt Dank dafür, das wußte ich noch nicht, ich lerne noch alle Tage.«

Der Pfeifenmacher lachte und sprach: »Ich will es mit dir nicht übertreiben. Geh nun hin, meine Tür steht offen! Du findest Gesottenes und Gebratenes beim Feuer. Geh schon vor, ich komme dir nach! Du sollst allein sein, ich will keinen Gast außer dir haben.«

Eulenspiegel dachte: Das wird gut. Und er ging schnell zu des Pfeifenmachers Haus und fand es so, wie dieser ihm gesagt hatte. Die Magd wendete den Braten, und die Frau ging umher und richtete an. Als Eulenspiegel ins Haus kam, sagte er zu der Frau, sie solle eilends mit ihrer Magd zu ihrem Mann kommen. Dem sei ein großer Fisch geschenkt worden, ein Stör, den sollten sie ihm heimtragen helfen. Er wolle solange den Braten wenden. Die Frau sagte: »Ja, lieber Eulenspiegel, tut das, ich will mit der Magd gehen und schnell wiederkommen.« Eulenspiegel sprach: »Geht nur rasch!«

Die Frau und die Magd eilten zum Markt. Der Pfeifendreher traf sie unterwegs und fragte sie, was sie zu laufen hätten. Sie sprachen, Eulenspiegel sei in das Haus gekommen und habe gesagt, dem Hausherrn sei ein großer Stör geschenkt worden, den sollten sie heimtragen helfen. Der Pfeifenmacher wurde zornig und sprach zu der Frau: »Konntest du nicht im Hause bleiben? Er hat das nicht umsonst getan, dahinter steckt eine Schalkheit.«

Inzwischen hatte Eulenspiegel das Haus oben und unten zugeschlossen, ebenso alle Fenster. Als der Pfeifendreher mit seiner Frau und der Magd vor das Haus kamen, fanden sie die Türe zu. Da sprach er zu seiner Frau: »Nun siehst du wohl, was für einen Stör du holen solltest!« Und sie klopften an die Tür. Eulenspiegel ging an die Tür und sagte: »Lasset Euer Klopfen, ich lasse niemanden ein! Der Hausherr hat mir befohlen und zugesagt, ich solle allein hierinnen sein, er wolle keinen andern Gast haben als mich. Geht nur weg und kommt nach dem Essen wieder!« Der Pfeifenmacher sprach: »Das ist wahr, ich sagte es, aber ich meinte es nicht so. Nun laßt ihn essen, ich will es ihm mit einer anderen Schalkheit vergelten.« Und er ging mit der Frau und der Magd in das Haus des Nachbarn und wartete so lange, bis Eulenspiegel fertig war.

Eulenspiegel kochte das Essen gar, setzte es auf den Tisch, aß kräftig und füllte sich wieder nach, solange es ihm gut dünkte. Dann machte er die Tür auf und ließ sie offen stehen. Der Pfeifendreher kam mit seiner Frau und seiner Magd und sprach: »Das pflegen keine redlichen Leute zu tun, daß ein Gast vor dem Wirt die Tür abschließt, der ihn eingeladen hat.« Da sagte Eulenspiegel: »Sollte ich das zu zweit tun, was ich allein machen sollte? Würde ich allein zu Gast gebeten und brächte ich dann noch mehr Gäste mit, das würde dem Hauswirt nicht gefallen.« Mit diesen Worten ging er aus dem Haus. Der Pfeifenmacher sah ihm nach: »Nun, ich zahle es dir wieder heim, wie schalkhaftig du auch bist.« Eulenspiegel sprach: »Wer es am besten kann, der sei der Meister.«

Da ging der Pfeifendreher alsbald zum Abdecker und sagte, in der Herberge sei ein redlicher Mann, der heiße Eulenspiegel. Dem sei ein Pferd gestorben, das solle er abholen; und er zeigte ihm das Haus. Der Abdecker sah, daß es der ihm bekannte Pfeifenmacher war, und er sagte ja, er wolle das tun. Er fuhr mit dem Schinderkarren vor die Herberge, die ihm der Pfeifendreher gezeigt hatte, und fragte nach Eulenspiegel. Dieser kam vor die Tür und fragte, was er wolle. Der Abdecker antwortete, der Pfeifenmacher sei bei ihm gewesen und habe ihm gesagt, daß Eulenspiegel ein Pferd gestorben sei; das solle er abholen. Und ob er Eulenspiegel heiße und ob sich das also verhalte?

Eulenspiegel kehrte sich um, zog seine Hosen herunter und riß den Arsch auf: »Sieh her und sag dem Pfeifendreher: wenn Eulenspiegel nicht in dieser Gasse sitzt, so weiß ich nicht, in welcher Straße er sonst ist.« Der Abdecker wurde zornig, fluchte und fuhr mit dem Schinderkarren vor des Pfeifenmachers Haus. Da ließ er den Karren stehn und verklagte ihn vor dem Rat, so daß der Pfeifendreher dem Abdecker zehn Gulden geben mußte.

Eulenspiegel aber sattelte sein Pferd und ritt aus der Stadt.