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Till Eulenspiegel

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Die 43. Historie sagt, wie Eulenspiegel einem Schuhmacher diente und wie er ihn fragte, welche Formen er zuschneiden solle. Der Meister sprach: »Groß und klein, wie es der Schweinehirt aus dem Tore treibt.« Also schnitt er zu Ochsen, Kühe, Kälber, Böcke usw. und verdarb das Leder.

Einst diente Eulenspiegel bei einem Schuhmacher. Der schlenderte viel lieber auf dem Markt umher, als daß er arbeitete. Er hieß Eulenspiegel, Leder zuzuschneiden. Eulenspiegel fragte, was für eine Form er haben wolle. Der Schuhmacher sagte: »Schneide zu, groß und klein, wie es der Schweinehirt aus dem Dorf treibt.«Eulenspiegel sagte: »ja, Meister, gern.«

Der Schuhmacher ging aus, und Eulenspiegel schnitt zu. Er machte von dem Leder Schweine, Ochsen, Kälber, Schafe, Ziegen, Böcke und allerlei Vieh. Der Meister kam des Abends heim und wollte sehen, was sein Geselle zugeschnitten hatte. Da fand er aus dem Leder diese Tiere geschnitten. Er wurde böse und sprach zu Eulenspiegel: »Was hast du daraus gemacht? Warum hast du mir das Leder so unnütz zerschnitten?« Eulenspiegel sagte: »Lieber Meister, ich habe es gemacht, wie Ihr es gern habt.« Der Meister sprach: »Das lügst du, ich wollte es nicht haben, daß du das Leder verderben solltest. Das habe ich dich nicht geheißen.« Eulenspiegel sagte: »Meister, was ist die Ursache Eures Zornes? Ihr sagtet zu mir, ich solle von dem Leder zuschneiden klein und groß, wie es der Schweinehirt aus dem Tor treibt. Das habe ich getan, wie Ihr seht.« Der Meister sprach: »So meinte ich das nicht. Ich meinte das so, daß es kleine und große Schuhe sein sollten. Die solltest du nähen, einen nach dem andern.« Eulenspiegel sagte: »Hättet Ihr mich das so geheißen, so hätte ich das gern getan und tue es auch noch gern.«

Nun, Eulenspiegel und sein Meister vertrugen sich wieder miteinander. Der Meister vergab ihm das Zuschneiden, denn Eulenspiegel gelobte ihm: er wolle es fortan so machen, wie der Meister es haben wolle und wie er es ihn hieße. Da schnitt der Schuhmacher Sohlenleder zu, legte es vor Eulenspiegel hin und sagte: »Sieh her, nähe die kleinen mit den großen, einen durch den andern.« Eulenspiegel sagte ja und fing an zu nähen. Sein Meister zögerte mit dem Ausgehen, wollte Eulenspiegel beobachten und sehen, wie er das machen wurde. Denn er hatte erkannt: was er ihn geheißen hatte, das würde er hernach tun.

Und Eulenspiegel tat auch nach des Meisters Gebot. Er nahm einen kleinen Schuh und einen großen, steckte den kleinen in den großen und nähte sie zusammen. Da der Meister wieder umherschlendern gehen wollte, war es ihm leid, was Eulenspiegel tun wollte und auch tat: er sah, daß Eulenspiegel einen Schuh durch den andern nähte. Da sprach er: »Du bist mein rechter Geselle, du tust alles, was ich dich heiße.« Eulenspiegel sagte: »Wer tut, was man ihn heißt, der wird nicht geschlagen, was anderenfalls wohl möglich ist.« Der Meister sprach: »ja, mein lieber Geselle, das ist so: meine Worte waren also, nicht aber meine Meinung. Ich meinte, du solltest zuerst ein kleines Paar Schuhe machen und danach ein großes Paar. Oder die großen zuerst und die kleinen danach. Du tust nach den Worten, nicht nach der Meinung.« Und er wurde zornig, nahm ihm das zugeschnittene Leder weg und sagte: »Sei vernünftig, sieh her, da hast du anderes Leder; schneide Schuhe zu über einen Leisten!« Und er dachte nicht mehr weiter darüber nach, denn er mußte ausgehen.

Der Meister ging seinem Gewerbe nach und war beinahe eine Stunde fort. Dann erst dachte er daran, daß er seinen Gesellen geheißen hatte, die Schuhe über einen Leisten zu schneiden. Er ließ alle seine Geschäfte stehn und liegen und lief eilig nach Hause. Eulenspiegel hatte derweilen gesessen, das Leder genommen und alles über den kleinen Leisten geschnitten. Als der Meister kam, sah er, daß Eulenspiegel alle Schuhe über den kleinen Leisten geschnitten hatte. Da sagte er zu ihm: »Wie gehört der große Schuh zu dem kleinen Leisten?“ Eulenspiegel sprach: »Ja, wollt Ihr das auch noch haben, so will ich das noch hernach machen und den größeren noch nachschneiden.« Der Meister sagte: »Besser könnte ich einen kleineren Schuh aus dem größeren zuschneiden, als einen größeren aus dem kleinen. Du nimmst nur einen Leisten und der andere Leisten wird nicht benutzt.« Eulenspiegel sagte: »Wahrhaftig, Meister, Ihr hießet mich, die Schuhe über einen Leisten zuzuschneiden.«

Der Meister sprach: »Ich heiße dich wohl so lange etwas, bis ich mit dir an den Galgen laufen muß.« Und er sprach weiter, er solle ihm das Leder bezahlen, das er ihm verdorben habe; wo solle er anderes Leder hernehmen? Eulenspiegel sagte: »Der Gerber kann des Leders wohl mehr machen.« Dann stand er auf, ging zur Tür, kehrte sich auf der Schwelle noch einmal um und sprach: »Komm ich auch in dieses Haus nicht wieder, so bin ich doch hier gewesen.« Damit ging er zur Stadt hinaus.

Die 44. Historie sagt, wie Eulenspiegel einem Schuhmacher in Wismar Dreck, der gefroren war, als Talg verkaufte.

Eulenspiegel hatte einmal einem Schuhmacher in Wismar beim Zuschneiden viel Leder verdorben und ihm damit großen Schaden angetan, so daß der gute Mann ganz traurig war. Das vernahm Eulenspiegel, und als er abermals nach Wismar kam, sprach er denselben Schuhmacher, dem er den Schaden zugefügt hatte, wieder an: er würde eine Ladung Leder und Schmalz bekommen, die wolle er ihm zu einem vorteilhaften Kauf anbieten, damit ihm sein Schaden wieder ersetzt würde. Der Schuhmacher sagte: »Ja, das tust du zu Recht, denn du hast mich zu einem armen Mann gemacht. Wenn du die Ware bekommst, so zeige mir das an.« Damit schieden sie voneinander.

Nun war es in der Winterszeit, und die Abdecker reinigten die heimlichen Gemächer. Zu denen kam Eulenspiegel und versprach ihnen bares Geld, wenn sie ihm zwölf Tonnen mit der Materie füllten, die sie sonst ins Wasser zu fahren pflegten. Die Abdecker taten dies, füllten ihm die Tonnen bis vier Finger unter den Rand und ließen sie so lange stehn, bis sie hart gefroren waren. Dann holte Eulenspiegel sie ab. Sechs Tonnen begoß er oben dick mit Talg und schlug sie fest zu; die anderen sechs Tonnen begoß er mit Schmer und schlug auch sie fest zu. Er ließ sie alle zum »Güldnen Stern«, seiner Herberge, fahren und gab dem Schuhmacher Nachricht. Als dieser kam, schlugen sie das Gut oben auf, und es gefiel dem Schuhmacher wohl. Sie einigten sich über den Kauf dahin, daß der Schuhmacher Eulenspiegel für die Ladung 24 Gulden geben solle, davon 12 Gulden sogleich in bar, den Rest in einem Jahr.

Eulenspiegel nahm das Geld und wanderte davon, denn er fürchtete das Ende. Der Schuhmacher empfing sein Gut und war fröhlich wie einer, der für einen Verlust entschädigt worden ist. Und er suchte Hilfe, weil er am anderen Tag Leder schmieren wollte. Viele Schuhmacherknechte kamen zu ihm, weil sie gutes Essen und Trinken erwarteten, gingen ans Werk und begannen laut zu singen, wie es ihre Art ist.

Als sie nun die Tonnen zum Feuer brachten und diese anfingen, warm zu werden, gewannen sie ihren natürlichen Geruch zurück. Da sagte jeweils einer zum andern: »Ich glaube, du hast in die Hosen geschissen.« Der Meister sprach: »Einer von Euch hat in den Dreck getreten. Wischt die Schuhe ab, es riecht über alle Maßen übel.« Sie suchten alle umher, aber sie fanden nichts. Da begannen sie, das Schmalz in einen Kessel zu tun und wollten das Leder schmieren. Je tiefer sie kamen, um so übler stank es. Zuletzt wurde ihnen alles klar, und sie ließen die Arbeit stehn.

Der Meister und die Gesellen liefen, um Eulenspiegel zu suchen und ihn für den Schaden haftbar zu machen. Aber er war mit dem Geld hinweg und soll noch wiederkommen nach den andern 12 Gulden. Also mußte der Schuhmacher seine Tonnen mit dem Talg zur Abfallgrube fahren und war so zu zweifachem Schaden gekommen.

Die 45. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Einbeck ein Brauergeselle wurde und einen Hund, der Hopf hieß, anstelle von Hopfen sott.

Eifrig machte sich Eulenspiegel wieder an seine Arbeit. Zu einer Zeit, als in Einbeck sein Streich mit den Pflaumen, die er beschissen hatte, vergessen war, kam er wieder nach Einbeck und verdingte sich bei einem Bierbrauer. Da begab es sich, daß der Brauer zu einer Hochzeit gehen wollte. Er befahl Eulenspiegel, derweilen mit der Magd Bier zu brauen, so gut er könne. Später wolle er ihm zu Hilfe kommen. Vor allen Dingen solle er mit besonderem Eifer darauf achten, den Hopfen wohl zu sieden, damit das Bier davon einen kräftigen Geschmack bekomme, so daß er es gut verkaufen könne. Eulenspiegel sagte: »Ja, gern«, er wolle sein Bestes tun. Damit ging der Brauer zusammen mit seiner Frau zur Tür hinaus.

Eulenspiegel begann, tüchtig zu sieden. Die Magd unterwies ihn, denn sie verstand mehr davon als er. Als es nun soweit war, daß man den Hopfen sieden sollte, sprach die Magd: »Ach, Lieber, den Hopfen siedest du wohl allein. Vergönne mir, daß ich für eine Stunde weggehe und beim Tanzen zuschaue.« Eulenspiegel sagte ja und dachte: Geht die Magd auch weg, so hast du Gelegenheit zu einem Streich; was willst du nun diesem Brauer für eine Schalkheit antun?

Nun hatte der Brauer einen großen Hund, der hieß Hopf. Den nahm er, als das Wasser heiß war, warf ihn hinein und ließ ihn tüchtig darin sieden, daß ihm Haut und Haar abgingen und das ganze Fleisch von den Knochen fiel. Als die Magd dachte, daß es Zeit sei, heimzugehen und der Hopfen genug gekocht sei, kam sie und wollte Eulenspiegel helfen. Sie sagte: »Sieh, mein lieber Bruder, der Hopfen hat genug gesiedet, laß ablaufen!« Als sie nun das Sieb versetzten und mit einer großen Kelle zu schöpfen begannen, da sagte die Magd: »Hast du auch Hopfen hinein getan? Ich merke noch nichts davon in meiner Kelle!« Eulenspiegel sprach: »Auf dem Grund wirst du ihn finden.« Die Magd fischte danach, bekam das Gerippe auf die Kelle und begann laut zu schreien: »Ei, behüte mich Gott, was hast du darein getan? Der Henker trinke das Bier!« Eulenspiegel sagte: »Wie mich unser Brauer geheißen hat, Hopf, unsern Hund.«

 

Währenddessen kam der Brauer betrunken nach Hause und sprach: »Was macht ihr, meine lieben Kinder, seid ihr guter Dinge?« Die Magd sagte: »Ich weiß nicht, was den Teufel wir tun. Ich ging eine halbe Stunde, dem Tanz zuzusehen, und hieß unsern neuen Knecht, den Hopfen derweilen gar zu sieden. Da hat er unseren Hund gesotten, hier könnt Ihr noch sein Rückgrat sehen.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, Ihr habt mich das so geheißen. Ist das nicht eine große Plage? Ich tue alles, was man mich heißet, aber ich kann keinen Dank verdienen. Welche Brauer man auch nehmen will: wenn ihr Gesinde nur die Hälfte von dem tut, was man es heißt, sind sie damit zufrieden.«

Also nahm Eulenspiegel seine Entlassung, ging davon und verdiente nirgends großen Dank.

Die 46. Historie sagt, wie Eulenspiegel sich bei einem Schneider verdingte und unter einer Bütte nähte.

Eulenspiegel kam nach Berlin und verdingte sich als Schneidergeselle. Als er in der Werkstatt saß, sagte der Meister zu ihm: »Geselle, wenn du nähst, so nähe gut und nähe so, daß man es nicht sieht.« Eulenspiegel sagte ja, stand auf, nahm Nadel und Gewand und kroch damit unter eine Bütte. Er steppte eine Naht übers Knie und begann, darüber zu nähen. Der Schneider stand, sah das an und sprach zu ihm: »Was willst du tun? Das ist ein seltsames Nähwerk.« Eulenspiegel sprach: »Meister, Ihr sagtet, ich sollte nähen, daß man es nicht sieht; so sieht es niemand.« Der Schneider sprach: »Nein, mein lieber Geselle, höre auf und nähe nicht mehr also! Beginne so zu nähen, daß man es sehen kann!«

Das währte etwa drei Tage. Da geschah es am späten Abend, daß der Schneider müde wurde und zu Bett gehen wollte. Ein grauer Bauernrock lag noch halb ungenäht da. Den warf er Eulenspiegel zu und sagte: »Sieh her, mach den Wolf fertig und geh danach auch zu Bett.« Eulenspiegel sprach: »Ja, geht nur, ich will es schon recht tun.« Der Meister ging zu Bett und dachte an nichts Böses. Eulenspiegel nahm den grauen Rock, schnitt ihn auf und machte daraus einen Kopf wie von einem Wolf, dazu Leib und Beine und spreizte alles mit Stecken auseinander, daß es wie ein Wolf aussah. Dann ging er zu Bett.

Des Morgens stand der Meister auf, weckte Eulenspiegel und fand den Wolf im Zimmer stehen. Der Schneider war bestürzt, doch sah er wohl, daß es ein nachgemachter Wolf war. Unterdessen kam Eulenspiegel dazu. Da sprach der Schneider: »Was, zum Teufel, hast du daraus gemacht?« Er sagte: »Einen Wolf, wie Ihr mich geheißen habt.« Der Schneider sprach: »Solchen Wolf meinte ich nicht. Ich nannte nur den grauen Bauernrock einen Wolf.« Eulenspiegel sagte: »Lieber Meister, das wußte ich nicht. Hätte ich aber gewußt, daß so Eure Meinung war, ich hätte lieber den Rock gemacht als den Wolf.« Der Schneider gab sich damit zufrieden, denn es war einmal geschehen.

Nun ergab es sich nach vier Tagen, daß der Meister wieder abends müde war und gerne zeitig geschlafen hätte. Ihm dünkte jedoch, es sei noch zu früh, daß auch der Geselle zu Bett ging. Und es lag da ein Rock, der war fertig bis auf die Ärmel. Der Schneider nahm den Rock und die losen Ärmel, warf sie Eulenspiegel zu und sagte: »Wirf noch die Ärmel an den Rock und geh danach zu Bett.« Eulenspiegel sagte ja. Der Meister ging zu Bett, und Eulenspiegel hing den Rock an den Haken. Dann zündete er zwei Lichter an, auf jeder Seite des Rockes ein Licht, nahm einen Ärmel und warf ihn an den Rock, ging dann auf die andere Seite und warf den zweiten auch daran. Und wenn zwei Lichter heruntergebrannt waren, so zündete er zwei andere an und warf die Ärmel an den Rock die ganze Nacht bis an den Morgen.

Da stand sein Meister auf und kam in das Zimmer, aber Eulenspiegel kümmerte sich nicht um den Meister und warf weiter mit den Ärmeln nach dem Rock. Der Schneider stand, sah das an und sprach: »Was, zum Teufel, machst du jetzt für ein Gaukelspiel?« Eulenspiegel sagte ganz ernst: »Das ist für mich kein Gaukelspiel, ich habe diese ganze Nacht gestanden und die widerspenstigen Ärmel an diesen Rock geworfen, aber sie wollen daran nicht kleben. Es wäre wohl besser gewesen, daß Ihr mich hättet schlafen gehen heißen, als daß Ihr mich hießet, sie anzuwerfen. Ihr wußtet doch, daß es verlorene Arbeit war.« Der Schneider sprach: »Ist das nun meine Schuld? Wußte ich, daß du das so verstehen wurdest? Ich meinte das nicht so, ich meinte, du solltest die Ärmel an den Rock nähen.« Da sagte Eulenspiegel: »Das soll Euch der Teufel lohnen! Pflegt Ihr ein Ding anders zu nennen, als Ihr es meint, wie könnt Ihr das zusammenreimen? Hätte ich Eure Meinung gewußt, so wollte ich die Ärmel gut angenäht haben und hätte auch noch ein paar Stunden geschlafen. So mögt Ihr nun den Tag sitzen und nähen, ich will gehen und mich hinlegen und schlafen.« Der Meister sprach: »Nein, nicht also, ich will dich nicht als einen Schläfer unterhalten.«

So zankten sie miteinander. Und der Schneider sprach im Streit Eulenspiegel wegen der Lichter an: er solle ihm die Lichter bezahlen, die er ihm verbrannt hätte. Da raffte Eulenspiegel seine Sachen zusammen und wanderte davon.

Die 47. Historie sagt, wie Eulenspiegel drei Schneiderknechte von einem Fensterladen fallen ließ und den Leuten sagte, der Wind habe sie herabgeweht.

Während eines Marktes in Bernburg war Eulenspiegel wohl 14 Tage in einer Herberge. Dicht daneben wohnte ein Schneider, der hatte drei Knechte auf einem Laden sitzen, die dort saßen und nähten. Und wenn Eulenspiegel bei ihnen vorbeiging, spotteten sie über ihn oder warfen ihm Fetzen nach. Eulenspiegel schwieg still und wartete auf einen Markttag, an dem der Markt voller Leute war. In der Nacht davor sägte Eulenspiegel die Ladenpfosten unten ab, ließ sie aber auf den untersten Steinen stehn. Des Morgens legten die Schneiderknechte den Laden auf die Pfosten, setzten sich darauf und nähten.

Als nun der Schweinehirt blies, damit jedermann seine Schweine austreiben lasse, da kamen auch des Schneiders Schweine aus seinem Hause, liefen unter das Fenster und begannen, sich an den Ladenpfosten zu reiben. Die Pfosten unter dem Fenster wurden von dem Reiben herausgedrückt, so daß die drei Knechte von dem Fensterladen auf die Gasse purzelten. Eulenspiegel sah sie, und als sie fielen, begann er laut zu rufen: »Seht, seht! Der Wind weht drei Schneider vom Fenster!«

Und er rief so laut, daß man es über den ganzen Markt hörte. Die Leute liefen herzu, lachten und spotteten. Die Knechte schämten sich und wußten nicht, wie sie von dem Fensterladen heruntergekommen waren. Zuletzt wurden sie gewahr, daß die Ladenpfosten angesägt waren, und merkten wohl, daß Eulenspiegel ihnen das angetan hatte. Sie schlugen andere Pfähle ein und wagten nicht mehr, seiner zu spotten.

Die 48. Historie sagt, wie Eulenspiegel die Schneider im ganzen Sachsenlande zusammenrief; er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle.

Eine Zusammenkunft und eine Versammlung der Schneider schrieb Eulenspiegel aus in den wendischen Städten und im Lande Sachsen und besonders in den Ländern Holstein, Pommern, Stettin und Mecklenburg, auch in Lübeck, Hamburg, Stralsund und Wismar. Er entbot ihnen in dem Brief große Gunst. Sie sollten zu ihm kommen, er sei in der Stadt Rostock. Er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle für ewige Zeiten, solange die Welt stünde. Die Schneider in den Städten, Flecken und Dörfern schrieben einander, was ihre Meinung dazu sei. Alle schrieben, sie wollten zu einer bestimmten Zeit in die Stadt kommen. Als sie dort versammelt waren, verlangte jeder zu wissen, was das wohl sein möchte, das Eulenspiegel ihnen sagen und welche Kunst er sie lehren wolle, nachdem er sie so eindringlich angeschrieben hatte.

Nach ihrer Vereinbarung kamen sie alle zur bestimmten Zeit in Rostock zusammen. Viele Leute wunderten sich, was die Schneider da tun wollten. Als Eulenspiegel hörte, daß ihm die Schneider Folge geleistet hatten, ließ er sie zusammen kommen, bis sie alle beieinander waren. Da sprachen die Schneider Eulenspiegel an: sie seien seinem Schreiben zufolge hergekommen. Darin habe er erwähnt, er wolle sie eine Kunst lehren, die ihnen und ihren Kindern zugute kommen solle, solange die Welt stünde. Sie bäten ihn, daß er sie fördere und die Kunst offenbare und verkünde; sie wollten ihm auch ein Geschenk machen. Eulenspiegel sagte: »Ja, kommt alle zusammen auf eine Wiese, daß ein jeder das von mir hören kann.«

Sie kamen denn auch alle zusammen auf einem weiten Plan. Eulenspiegel stieg in ein Haus, sah da zum Fenster hinaus und sprach: »Ehrbare Männer des Handwerks der Schneider! Ihr sollt merken und verstehn: wenn ihr habt eine Schere, eine Elle, einen Faden und einen Fingerhut, dazu eine Nadel, so habt ihr Werkzeug genug zu euerm Handwerk. Das zu erlangen, ist euch keine Kunst, sondern es fügt sich von selbst, wenn ihr euer Handwerk ausübt. Aber diese Kunst lernt von mir und gedenket meiner dabei: Wenn ihr die Nadel eingefädelt habt, so vergeßt nicht, an das andere Ende des Fadens einen Knoten zu machen, sonst macht ihr manchen Stich umsonst. So aber hat der Faden keine Gelegenheit, aus der Nadel zu entwischen.«

Ein Schneider sah den andern an, und sie sprachen zueinander: »Diese Kunst wußten wir schon vorher und auch alle die andern Sachen, die er uns gesagt hat.« Und sie fragten Eulenspiegel, ob er nicht etwas mehr zu sagen habe. Denn solcher Faselei wollten sie nicht 10 oder 12 Meilen lang nachgezogen sein und zueinander Boten geschickt haben. Diese Kunst hätten die Schneider lange gewußt, schon vor mehr als tausend Jahren. Darauf antwortete ihnen Eulenspiegel: »Was vor tausend Jahren geschehen ist, daran kann sich heute niemand mehr erinnern.« Auch sagte er: sei es ihnen nicht zu Willen und zu Dank, dann sollten sie es mit Unwillen und mit Undank aufnehmen; und jeder möge nur wieder dahingehen, woher er gekommen sei.

Da wurden die Schneider, die von weither gekommen waren, zornig auf ihn und wären ihm gern zu Leibe gerückt, aber sie konnten nicht an ihn herankommen. Also gingen die Schneider wieder auseinander. Teilweise waren sie wütend und fluchten und waren ganz unwillig, weil sie den weiten Weg umsonst gegangen waren und sich nichts als müde Beine geholt hatten. Die aber dort zu Hause waren, lachten und spotteten der anderen, daß sie sich so hatten äffen lassen. Sie sagten, es sei ihre eigene Schuld, daß sie dem Landtoren und Narren geglaubt hätten und ihm gefolgt seien. Denn sie hätten doch seit langem gewußt, was Eulenspiegel für ein Vogel sei.