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Till Eulenspiegel

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Die 89. Historie sagt, wie Eulenspiegel in einem Spital an einem Tage alle Kranken ohne Arznei gesund machte.

Einmal kam Eulenspiegel nach Nürnberg, schlug große Bekanntmachungen an die Kirchtüren und an das Rathaus an und gab sich als einen guten Arzt für alle Krankheiten aus. Und da war eine große Zahl kranker Menschen in dem neuen Spital, wo der hochwürdige, heilige Speer Christi mit anderen bemerkenswerten Stücken aufbewahrt ist. Der Spitalmeister wäre einen Teil der kranken Menschen gerne losgeworden und hätte ihnen die Gesundheit wohl gegönnt. Deshalb ging er zu Eulenspiegel, dem Arzt, und fragte ihn, ob er nach den Bekanntmachungen, die er angeschlagen habe, seinen Kranken helfen könne. Es solle ihm wohl gelohnt werden. Eulenspiegel sprach, er wolle viele seiner Kranken gesund machen, wenn er 200 Gulden anlegen und ihm die zusagen wolle. Der Spitalmeister sagte ihm das Geld zu, wenn er den Kranken hülfe. Eulenspiegel war damit einverstanden: der Spitalmeister brauche ihm keinen Pfennig zu geben, wenn er die Kranken nicht gesund mache. Das gefiel dem Spitalmeister sehr gut, und er gab ihm 20 Gulden Vorschuß.

Da ging Eulenspiegel ins Spital, nahm zwei Knechte mit sich und fragte einen jeglichen Kranken, welches Gebrechen ihn plage. Und zuletzt, bevor er den Kranken verließ, beschwor er jeden und sprach: »Was ich dir jetzt offenbaren werde, das sollst du als Geheimnis bei dir behalten und niemandem verraten.« Das schworen ihm dann die Siechen mit großer Beteuerung. Darauf sagte er zu jedem einzelnen: »Wenn ich euch Kranken zur Gesundheit verhelfen und euch auf die Füße bringen soll, kann ich das nur so: ich muß einen von euch zu Pulver verbrennen und dies den andere zu trinken geben. Das muß ich tun! Den Kränkesten von euch allen, der nicht gehen kann, werde ich zu Pulver verbrennen, damit ich den anderen damit helfen kann. Um euch alle zu wecken, werde ich den Spitalmeister nehmen, mich in die Tür des Spitals stellen und mit lauter Stimme rufen: ›Wer da nicht krank ist, der komme sogleich heraus! ‹ Das verschlafe nicht! Denn der letzte muß die Zeche bezahlen.« So sprach er zu jedem allein.

Auf diese Rede gab jeglicher wohl acht. Und am angesagten Tage beeilten sie sich mit ihren kranken und lahmen Beinen, weil keiner der letzte sein wollte. Als Eulenspiegel nach seiner Ankündigung rief, begannen sie sofort zu laufen, darunter einige, die in zehn Jahren nicht aus dem Bett gekommen waren. Als das Spital nun ganz leer und die Kranken alle heraus waren, begehrte Eulenspiegel von dem Spitalmeister seinen Lohn und sagte, er müsse eilig in eine andere Gegend reisen. Da gab er ihm das Geld mit großem Dank, und Eulenspiegel ritt hinweg.

Aber nach drei Tagen kamen die Kranken alle wieder und klagten über ihre Krankheit. Da fragte der Spitalmeister: »Wie geht das zu? Ich habe ihnen doch den großen Meister hergebracht! Er hat ihnen geholfen, so daß sie alle selbst davongegangen sind.« Da sagten sie dem Spitalmeister, womit er ihnen gedroht hatte: wer als letzter zur Tür hinauskäme, wenn er zur festgesetzten Zeit riefe, den wolle er zu Pulver verbrennen.

Da merkte der Spitalmeister, daß er von Eulenspiegel betrogen war. Aber der war hinweg, und er konnte ihm nichts mehr antun. Also blieben die Kranken wieder wie zuvor im Spital, und das Geld war verloren.

Die 90. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Mariental die Mönche in der Messe zählte.

Zu der Zeit, als Eulenspiegel alle Lande durchlaufen hatte und alt und verdrossen geworden war, kam ihn eine Galgenreue an. Er gedachte, in ein Kloster einzutreten, arm wie er war, seine ihm noch verbliebene Zeit geduldig zu ertragen und Gott sein ferneres Leben zu dienen für seine Sünden, damit er nicht verloren sei, wenn Gott über ihn geböte.

So kam er in dieser Absicht zu dem Abt von Mariental und bat ihn, daß er ihn als Mitbruder aufnehme, er wolle dem Kloster all das Seine hinterlassen. Der Abt war Narren wohl gesonnen und sagte: »Du bist noch gut bei Kräften, ich will dich gerne aufnehmen, wie du gebeten hast. Aber du mußt etwas tun und ein Amt übernehmen, denn du siehst, daß meine Brüder und ich alle etwas zu tun haben, und jedem ist etwas befohlen.« Eulenspiegel sprach: »Ja, Herr, gern.« »Wohlan in Gottes Namen«, sagte der Abt, »du arbeitest nicht gern, du sollst unser Pförtner sein. Da bleibst du in deinem Gemach und brauchst dich um nichts weiter zu kümmern, als Kost und Bier aus dem Keller zu holen und die Pforte auf- und zuzuschließen.« Eulenspiegel sagte: »Würdiger Herr, das vergelte Euch Gott, daß Ihr mich alten, kranken Mann so wohl bedenket! Ich will auch alles tun, was Ihr mich heißet, und alles lassen, was Ihr mir verbietet.« Der Abt sprach: »Sieh, hier ist der Schlüssel! Du sollst aber nicht jedermann einlassen, sondern nur jeden dritten oder vierten laß hereinkommen! Denn wenn du zu viele einläßt, so fressen sie das Kloster arm.« Eulenspiegel sagte: »Würdiger Herr, ich will es ihnen recht tun.«

Und von allen, die da kamen, ob sie ins Kloster gehörten oder nicht, ließ er immer nur den vierten ein und nicht mehr. Darüber wurde vor dem Abt Klage geführt. Der sagte zu Eulenspiegel: »Du bist ein auserlesener Schalk! Willst du die nicht hereinlassen, die hier hereingehören?« »Herr«, sagte Eulenspiegel, »jeden vierten habe ich hereingelassen, wie Ihr mich geheißen habt, und nicht mehr. Damit habe ich Euer Gebot vollbracht.« »Du hast gehandelt wie ein Schalk«, sprach der Abt und wäre ihn gern wieder losgeworden. Und er setzte einen anderen Beschließer ein, denn er merkte wohl, daß Eulenspiegel von seiner alten Sinnesart nicht lassen konnte.

Da gab er ihm ein anderes Amt und sagte: »Sieh, du sollst die Mönche nachts in der Messe zählen. Und wenn du einen übersiehst, so mußt du weiterwandern.« Eulenspiegel sprach: »Das ist für mich schwer zu tun, doch wenn es nicht anders sein kann, muß ich es machen, damit das Beste daraus werden mag.« Und des Nachts brach er einige Stufen aus der Treppe. Nun war der Prior ein guter, frommer, alter Mönch und allezeit der erste in der Messe. Der kam still zur Treppe, und als er glaubte, auf die Stufen zu treten, trat er durch und brach sich ein Bein. Er schrie jämmerlich, so daß die anderen Brüder hinzuliefen und sehen wollten, was mit ihm war. Da fiel einer nach dem andern die Treppe herab. Eulenspiegel sprach zu dem Abt: »Würdiger Herr, habe ich nun mein Amt richtig versehen? Ich habe die Mönche alle gezählt.« Und er gab ihm das Kerbholz, in das er sie alle geschnitten hatte, als einer nach dem andern herunterfiel. Der Abt sprach: »Du hast gezählt wie ein verworfener Schalk! Geh mir aus meinem Kloster und lauf zum Teufel, wohin du willst.«

Also kam Eulenspiegel nach Mölln, da wurde er von Krankheit befallen, so daß er kurz danach starb.

Die 91. Historie sagt, wie Eulenspiegel in Mölln krank wurde, dem Apotheker in eine Büchse schiß, wie er in den »Heiligen Geist« gebracht wurde und seiner Mutter ein süßes Wort zusprach.

Elend und sehr krank wurde Eulenspiegel, als er von Mariental nach Mölln kam. Da zog er zu dem Apotheker in die Herberge, um der Arznei willen. Nun war der Apotheker dort auch ein wenig schalkhaftig und listig und gab Eulenspiegel ein scharfes Abführmittel. Als es auf den Morgen zuging, begann das Abführmittel zu wirken, und Eulenspiegel stand auf und wollte seines Kotes ledig werden. Das Haus war jedoch allenthalben verschlossen, und ihm wurde angst und bange. Er kam in das Apothekenzimmer, schiß in eine Büchse und sprach: »Hier kam die Arznei heraus, hier muß sie wieder hinein. So verliert auch der Apotheker nichts, ich kann ihm ja doch kein Geld geben.«

Als das der Apotheker merkte, fluchte er Eulenspiegel und wollte ihn nicht länger im Hause haben. Er ließ ihn in das Spital (es hieß »Zum Heiligen Geist«) bringen. Da sagte Eulenspiegel zu den Leuten, die ihn hinbrachten: »Ich habe sehr danach getrachtet und Gott allezeit gebeten, der Heilige Geist möge in mich kommen. Jetzt schickt Gott mir das Gegenteil: ich komme in den Heiligen Geist. Er bleibt außer mir und ich komme in ihn.« Die Leute lachten über seine Worte und gingen fort.

Und wie eines Menschen Leben ist, so ist auch sein Ende. Es wurde seiner Mutter kundgetan, daß er krank sei. Die war bald zur Reise gerüstet, kam zu ihm und glaubte, von ihm Geld zu erhalten, denn sie war eine alte, arme Frau. Als sie zu ihm kam, begann sie zu weinen und sprach: »Mein lieber Sohn, wo bist du krank?« Eulenspiegel sagte: »Hier zwischen der Bettstelle und der Wand!« »Ach, lieber Sohn, sag mir doch ein süßes Wort!« Eulenspiegel sprach: »Liebe Mutter, Honig, das ist ein süßes Wort.« Die Mutter sagte: »Ach, lieber Sohn, gib mir doch noch eine gute Lehre, bei der ich deiner gedenken kann.« Eulenspiegel sprach: »Ja, liebe Mutter, wenn du deine Notdurft verrichten willst, kehre den Arsch von dem Winde weg, dann kommt dir der Gestank nicht in die Nase.«

Die Mutter sagte: »Lieber Sohn, gib mir doch etwas von deinem Gut!« Eulenspiegel sprach: »Liebe Mutter, wer nichts hat, dem soll man geben, und wer etwas hat, dem soll man etwas nehmen. Mein Gut ist verborgen, so daß niemand etwas davon weiß. Findest du etwas, was mir gehört, so magst du es nehmen; ich gebe dir von meiner Habe alles, was krumm und was gerade ist.«

Unterdessen wurde Eulenspiegel sehr krank, so daß die Leute ihm zuredeten, er solle beichten und das Abendmahl nehmen. Eulenspiegel willigte darein, denn er merkte wohl, daß er von diesem Lager nicht mehr aufstehen werde.

Die 92. Historie sagt, wie Eulenspiegel seine Sünden bereuen sollte und wie ihn dreierlei Schalkheit reute, die er nicht getan hatte.

Reue und Leid wegen seiner Sünden sollte Eulenspiegel während seiner Krankheit empfinden, damit ihm das Abendmahl gegeben werden könne und er desto süßer sterben könne – so sagte ihm eine alte Begine. Zu ihr sprach Eulenspiegel: »Dies geschieht nicht, daß ich süß sterbe, denn der Tod ist bitter. Und warum soll ich heimlich beichten? Was ich in meinem Leben getan habe, das ist in vielen Landen vielen Leuten bekannt. Wem ich etwas Gutes getan habe, der wird es mir wohl nachsagen. Habe ich einem etwas Böses getan, der wird das trotz meiner Reue nicht verschweigen. Ich bereue dreierlei, und es tut mir leid, daß ich es nicht getan habe und nicht tun konnte.« Die Begine sprach: »Du lieber Gott! Ist es etwas Böses, das Ihr gelassen habt, so seid doch froh darüber! Laßt Euch Eure Sünden leid tun!« Eulenspiegel sagte: »Frau, mir ist leid, daß ich dreierlei nicht getan habe und auch nicht dazu kam, es zu tun.« Die Begine sprach: »Was sind das für Dinge? Sind sie gut oder böse?«

 

Eulenspiegel sprach: »Es sind drei Dinge, und das erste ist das: Wenn ich in meinen jungen Tagen sah, daß ein Mann auf der Straße ging, dem der Rock lang unter dem Mantel heraushing, ging ich ihm nach. Ich meinte, der Rock werde ihm herunterfallen, so daß ich ihn aufheben könnte. Wenn ich dann näher zu ihm kam, sah ich, daß ihm der Rock nur zu lang war. Darüber wurde ich zornig und hätte ihm gern den Rock so weit abgeschnitten, wie er unter dem Mantel hervorhing. Daß ich das nicht konnte, das ist mir leid.

Das zweite ist dies: Wenn ich jemanden sitzen oder gehen sah, der mit einem Messer in seinen Zähnen stocherte: daß ich ihm nicht das Messer in den Hals schlagen konnte. Auch das tut mir leid.

Das dritte ist: daß ich nicht allen alten Weibern, die über ihre Jahre hinaus sind, ihre Ärsche zuflicken konnte, auch das ist mir leid. Denn diese Frauen sind zu nichts nütze mehr auf Erden, als daß sie das Erdreich bescheißen, worauf die Frucht steht.«

Die Begine sprach: »Ei, behüte uns Gott! Was sagt Ihr da? Ich höre wohl: wenn Ihr gesund genug wäret und die Möglichkeit hättet, Ihr würdet mir mein Loch auch zunähen, denn ich bin eine Frau wohl von 60 Jahren.« Eulenspiegel sagte: »Es tut mir leid, daß es noch nicht geschehen ist.« Da sprach die Begine: »So behüte Euch der Teufel!«, ging von ihm fort und ließ ihn liegen.

Und Eulenspiegel sagte: »Es ist keine Begine so fromm, daß sie nicht, wenn sie zornig wird, ärger ist als der Teufel.«

Die 93. Historie sagt, wie Eulenspiegel sein Testament machte und ein Pfaffe dabei seine Hände besudelte.

Merkt euch, geistliche und weltliche Personen, daß ihr eure Hände nicht an Testamenten verunreinigt, wie es bei Eulenspiegels Testament geschah!

Ein Pfaffe wurde zu Eulenspiegel gebracht, damit er ihm beichten solle. Als er nun zu Eulenspiegel kam, da dachte der Pfaffe bei sich: er ist ein abenteuerlicher Mensch gewesen und hat damit viel Geld zusammengebracht; es kann nicht fehlen, er muß eine bedeutende Summe Geldes haben; die solltest du ihm abnehmen, da es mit ihm zu Ende geht, vielleicht bekommst du auch etwas davon.

Als nun Eulenspiegel dem Pfaffen zu beichten begann und sie ins Gespräch kamen, sagte unter anderem der Pfaffe zu ihm: »Eulenspiegel, mein lieber Sohn, bedenkt Eurer Seele Seligkeit bei Eurem Ende! Ihr seid ein abenteuerlicher Gesell gewesen und habt viele Sünden begangen. Die bereuet jetzt! Und habt Ihr etwas Geld: ich würde das zur Ehre Gottes geben und auch armen Priestern, wie ich einer bin. Das rate ich Euch, denn es ist nicht immer ehrlich gewonnen. Und wenn Ihr solches tun wollt, mir das offenbart und mir dieses Geld gebt: ich will es dann einrichten, daß Ihr damit in die Ehre Gottes kommt. Und wollt Ihr mir selbst auch etwas geben, so werde ich Euer all mein Lebtag gedenken und für Euch Totengebete und Seelenmessen lesen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, mein Lieber, ich will Euer gedenken. Kommt nachmittags wieder, ich will Euch selbst ein Stück Gold in die Hand geben. Dessen könnt Ihr gewiß sein.«

Der Pfaffe war froh und kam nach dem Mittag wieder gelaufen. Und während er fort war, nahm Eulenspiegel eine Kanne, die füllte er halbvoll mit Menschendreck. Darauf legte er ein wenig Geld, so daß das Geld den Dreck bedeckte. Als der Pfaffe wiederkam, sprach er: »Mein lieber Eulenspiegel, ich bin hier. Wollt ihr mir nun etwas geben, wie Ihr es mir versprochen habt, so will ich es in Empfang nehmen.« Eulenspiegel sagte: »Ja, lieber Herr, wenn Ihr bescheiden zugreift und nicht gierig sein wollt, so will ich Euch einen Griff aus dieser Kanne gestatten, damit Ihr meiner gedenken sollt.« Der Pfaffe sprach: »Ich will es nach Euerem Willen tun und hineingreifen, so wenig ich kann.« Da machte Eulenspiegel die Kanne auf und sagte: »Seht hin, lieber Herr, die Kanne ist ganz voll Geld. Tastet hinein und nehmt Euch daraus eine Handvoll, aber greifet nicht zu tief!« Der Pfaffe sagte ja, und ihm wurde ganz feierlich zumute. Die Habgier verführte ihn, er griff mit der Hand in die Kanne und wollte eine gute Handvoll greifen. Als er mit der Hand in die Kanne fuhr, merkte er, daß es naß und weich unter dem Gelde war. Schnell zog er die Hand wieder zurück, aber die war schon bis zu den Knöcheln mit Dreck besudelt.

Da sprach der Pfaffe zu Eulenspiegel: »O, was bist du für ein hinterhältiger Schalk! Du betrügst mich noch in deinen letzten Stunden, da du schon auf deinem Totenbette liegst! Da dürfen sich diejenigen nicht beklagen, die du in deinen jungen Tagen betrogen hast.« Eulenspiegel sagte: »Lieber Herr, ich warnte Euch, Ihr solltet nicht zu tief greifen! Verführte Euch nun Eure Gier und beachtetet Ihr meine Warnung nicht, so ist das nicht meine Schuld.« Der Pfaffe sprach: »Du bist ein Schalk, auserlesen aus allen Schälken! Du konntest dich in Lübeck vom Galgen reden, so antwortest du wohl jetzt auch mir.« Und er ging und ließ Eulenspiegel liegen.

Eulenspiegel rief ihm nach, er möge warten und das Geld mit sich nehmen. Aber der Pfaffe wollte nicht hören.

Die 94. Historie sagt, wie Eulenspiegel sein Gut in drei Teilen vergab: einen Teil seinen Freunden, einen Teil dem Rat von Mölln, einen Teil dem Pfarrer daselbst.

Als Eulenspiegel immer kränker wurde, setzte er sein Testament auf und vergab sein Gut in drei Teilen: einen Teil seinen Freunden, einen Teil dem Rat von Mölln und einen Teil dem Kirchherrn von Mölln. Er gab dazu jedoch folgende Weisung: Wenn Gott der Herr über ihn geböte und er stürbe, so solle man seinen Leichnam in geweihter Erde begraben und für seine Seele sorgen mit vielen Totengebeten und Seelenmessen nach christlicher Ordnung und Gewohnheit. Und nach vier Wochen sollten sie einhellig den Inhalt der schönen Kiste, die er ihnen zeigte, wohl verwahrt mit kostbaren Schlüsseln – und sie sei noch erst aufzuschließen —, untereinander teilen und sich gütlich darüber einigen. Das nahmen die drei Parteien an, und Eulenspiegel starb.

Als nun alle Dinge nach dem Wortlaut des Testaments vollbracht und die vier Wochen abgelaufen waren, kamen der Rat, der Kirchherr und Eulenspiegels Freunde und öffneten die Kiste, um den hinterlassenen Schatz zu teilen. Als sie geöffnet war, fand man nichts anderes darin als Steine. Einer sah den andern an, und alle wurden zornig. Der Pfarrer meinte: da der Rat die Kiste in Verwahrung genommen habe, habe er den Schatz heimlich herausgenommen und die Kiste wieder zugeschlossen. Der Rat meinte: die Freunde hätten den Schatz während seiner Krankheit herausgenommen und die Kiste mit Steinen wieder gefüllt. Und die Freunde meinten: die Pfaffen hätten den Schatz heimlich davongetragen, als Eulenspiegel beichtete und jedermann hinausgegangen war. Also schieden sie in Unfrieden voneinander.

Da wollten der Kirchherr und der Rat Eulenspiegel wieder ausgraben lassen. Als sie zu graben begannen, war er schon so verwest, daß niemand bei ihm bleiben wollte. Da machten sie das Grab wieder zu, und Eulenspiegel blieb in seinem Grab liegen. Und zu seinem Gedächtnis wurde ein Stein auf sein Grab gesetzt, den man noch heute sieht.

Die 95. Historie sagt, wie Eulenspiegel starb und die Schweine während der Totenfeier seine Bahre umwarfen, so daß er herunterfiel.

Nachdem Eulenspiegel seinen Geist aufgegeben hatte, kamen die Leute in das Spital, beweinten ihn und legten seinen Sarg in die Diele auf eine Bahre. Die Pfaffen kamen, wollten ihm Totengebete singen und fingen damit an. Da kam die Sau des Spitals mit ihren Ferkeln, ging unter die Bahre und begann, sich daran zu kratzen, so daß Eulenspiegel von der Bahre fiel. Die Frauen und die Pfaffen wollten die Sau mit den Ferkeln wieder zur Tür hinausjagen, aber die Sau war störrisch und wollte sich nicht vertreiben lassen. Die Sau und die jungen Ferkel liefen kreuz und quer im Spital umher, sie sprangen und rannten über die Pfaffen hinweg, über die Beginen, über die Kranken und Gesunden und über den Sarg, in dem Eulenspiegel lag. Davon erhob sich ein Gerufe und Geschrei von den alten Beginen, so daß die Pfaffen die Geräte für die Totenfeier stehen ließen und zur Tür hinausliefen. Die anderen verjagten zuletzt die Sau mit ihren Ferkeln.

Da kamen die Beginen und legten den Sarg wieder auf die Bahre. Aber dabei kam Eulenspiegel umgekehrt zu liegen, so daß er den Bauch gegen die Erde und den Rücken nach oben kehrte. Als die Pfaffen weggingen, sprachen sie: wenn die Beginen ihn begraben wollten, so hätten sie nichts dagegen; sie aber würden nicht wiederkommen. Also nahmen die Beginen Eulenspiegel und trugen ihn auf den Kirchhof – verkehrt herum, da er auf dem Bauch lag, weil der Sarg umgedreht war. So setzten sie ihn am Grabe nieder.

Da kamen die Pfaffen doch zurück und sprachen, welchen Rat sie auch dazu geben würden, wie man ihn begraben solle: er würde doch nicht wie die anderen Christenmenschen im Grabe liegen wollen. Dabei wurden sie gewahr, daß der Sarg umgedreht war und daß Eulenspiegel auf dem Bauche lag. Da begannen sie zu lachen und sagten: »Er zeigt selber, daß er verkehrt liegen will. Danach wollen wir handeln.«

Die 96. Historie sagt, wie Eulenspiegel von Beginen begraben wurde; denn er wollte weder von Geistlichen noch von Weltlichen begraben werden.

Bei Eulenspiegels Begräbnis ging es wunderlich zu. Denn als sie alle auf dem Kirchhof um den Sarg standen, in dem Eulenspiegel lag, legten sie ihn auf die beiden Seile und wollten ihn in das Grab senken. Da riß das Seil, das am Fußende war, und der Sarg schoß in das Grab, so daß Eulenspiegel in dem Sarg auf die Füße zu stehen kam. Da sprachen alle, die dabeistanden: »Laßt ihn stehen! Wunderlich ist er gewesen in seinem Leben, wunderlich will er auch sein in seinem Tod.« Also warfen sie das Grab zu und ließen ihn aufrecht auf den Füßen stehn.

Und sie setzten ihm einen Stein oben auf das Grab. Auf die eine Hälfte hieben sie eine Eule und einen Spiegel, den die Eule in ihren Klauen hält, und schrieben oben auf den Stein:

»Disen Stein sol nieman erhaben. Hie stat Ulenspiegel begraben. Anno domini MCCCL jar.«