Tom Jones

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Zwölftes Kapitel.





Enthält, was vielleicht der Leser darin zu finden erwartet.



Bei allen Händeln, sei's, um sich zu schlagen oder zu verheiraten oder sonst dergleichen Geschäften, werden wenig vorläufige Zeremonien erfordert, um sie abzuthun, wenn es beiden Parteien damit ein wahrer Ernst ist. Dies war hier gegenwärtig wirklich der Fall und in weniger als einem Monate waren der Kapitän und seine Schöne Mann und Frau.



Nunmehr war der große Punkt, dem Herrn Alwerth die Sache beizubringen, und dies unternahm der Doktor.



Eines Tages also, da Herr Alwerth in seinem Garten spazieren ging, kam der Doktor zu ihm und sagte mit großer Ernsthaftigkeit in den Mienen und mit alle dem Kummer, den er nur in seinem Wesen nachzumachen vermochte: »Ich komme, lieber Herr Alwerth, Ihnen eine Sache von der größten Wichtigkeit vorzubringen; aber wie soll ich Ihnen da mitteilen, was mir fast den Kopf verwirrt, da ich nur dran denke!« Hierauf brach er in die bittersten Schmähungen aus, beides gegen Männer und Weiber; beschuldigte die ersten, ihr Sinnen und Trachten ginge bloß auf ihren Eigennutz, und die letztern, sie wären den verbotenen Neigungen so ergeben, daß man sie niemals mit Sicherheit einer Person des männlichen Geschlechts anvertrauen könnte. »Hätte ich's vermuten können, teuerster Herr Alwert, daß eine Dame von so kluger Vorsichtigkeit, so richtigem Urteile und solcher Gelehrsamkeit einer so unüberlegten Leidenschaft Raum geben würde; oder hätte ich mir einbilden können, daß mein Bruder – doch, was nenn' ich ihn Bruder? er ist mein Bruder nicht mehr –«



»Gewiß aber ist er das,« sagte Alwerth, »und der meinige dazu.« – »Ums Himmelswillen, Herr Alwerth,« sagte der Doktor, »wissen Sie die häßliche Geschichte?« – »Sehen Sie, lieber Doktor,« antwortete der gute Mann, »es ist beständig in meinem Leben hindurch meine Maxime gewesen, alles, was mir begegnet, von der besten Seite zu nehmen. Meine Schwester, ob sie gleich viele Jahre jünger ist als ich, ist dennoch wenigstens alt genug, um ihre eigene Vernunft brauchen zu können. Hätte er ein Kind überlistet, so würde es mir sauer geworden sein, ihm zu verzeihen. Von einem Frauenzimmer aber, die über die dreißig hinaus ist, muß man gewiß vermuten, daß sie unterscheiden könne, was sie am glücklichsten machen werde. Sie hat einen Mann von freiem Stande, obgleich nicht von völliger Gleichheit des Vermögens, geheiratet; und insoferne der in ihren Augen solche Vollkommenheiten besitzt, welche jenen Mangel ersetzen, sehe ich keine Ursach, warum ich gegen ihre eigene Wahl von Glückseligkeit Einwendungen machen sollte; da ich ebenso wenig als sie mir einbilde, daß dieses Glück allein in unermeßlichen Reichtümern bestehe. Ich hätte vielleicht, nach meinen oft wiederholten Erklärungen, daß ich mir fast jede Verbindung gefallen lassen würde, erwarten dürfen, daß man mich bei dieser Gelegenheit zu Rate gezogen hätte; aber diese Art Angelegenheiten sind von sehr delikater Natur, und gewisse jungfräuliche Bedenklichkeiten lassen sich vielleicht nicht überwinden. Was Ihren Bruder betrifft, o habe ich wirklich ganz und gar keinen Widerwillen gegen ihn. Er hat gegen mich keine Verbindlichkeiten; ebensowenig, denke ich, lag es ihm ob, mich um meine Einwilligung zu ersuchen; weil meine Schwester, wie ich schon gesagt habe,

sui juris

 ist und in dem erforderlichen Alter, um nur sich allein von ihrem Betragen Rechenschaft geben zu dürfen.«



Der Doktor wiederholte die vorigen Anklagen gegen seinen Bruder, beschuldigte Herrn Alwerth einer zu großen Nachgiebigkeit, und beteuerte, nichts sollte ihn wieder vermögen, ihn jemals wieder zu sehen oder für seinen Bruder zu erkennen. Er brach darauf in eine Lobrede über die Güte und Menschenliebe des Herrn Alwerth aus, erhob seine Freundschaft mit vielem Dank und Preise, und beschloß damit, daß er sagte: er werde es seinem Bruder niemals vergeben, daß er den Platz, den er in dieser Freundschaft erhalten, so aufs Spiel gesetzt habe.



Alwerth antwortete hierauf: »Hätte ich auch einigen Unwillen gegen Ihren Bruder gefaßt gehabt, so hätt' ich solchen doch niemals den Unschuldigen empfinden lassen: allein ich versichere Sie, ich weiß nichts von einem solchen Unwillen. Ich halte Ihren Bruder für einen Mann von Verstand und Ehrliebe. Ich mißbillige den Geschmack meiner Schwester nicht; will auch nicht zweifeln, daß sie gleichermaßen der Gegenstand seiner Neigungen sei. Ich habe immer dafür gehalten, Liebe sei der einzige Grund vom Glück des Ehestandes, weil nur sie diese warme und zärtliche Freundschaft erzeugen kann, welche allemal das Band dieser Vereinigung dauerhaft machen sollte, und nach meiner Meinung sind alle Heiraten, welche aus andern Beweggründen geschlossen werden, nicht wenig sündlich; sind eine Profanation einer sehr heiligen und feierlichen Handlung, und enden gewöhnlich in Kummer und Elend; denn wirklich können wir es eine Profanation nennen, wenn man diese so heilige Einrichtung in ein gottloses Opfer verwandelt, das man dem Geiz oder der Wollust darbringt: und was kann man besseres von solchen Eheverbindungen sagen, zu welchen sich Menschen durch bloße Rücksichten auf eine schöne Person oder auf großes Vermögen verleiten lassen!



Es wäre falsch und thöricht zugleich, zu behaupten, daß Schönheit kein angenehmer Gegenstand fürs Auge und selbst einiger Bewunderung würdig sei. Schön ist ein Beiwort, dessen die heilige Schrift sich öfters bedient und allemal mit Ehren erwähnt. Ich selbst war so glücklich, eine Frau zu heiraten, welche von der Welt für hübsch geachtet wurde; und ich kann mit Wahrheit sagen, sie war mir dadurch desto lieber. Diesen Umstand aber zum einzigen Grunde der ehelichen Vereinigung machen, so heftig darnach gelüsten, daß man deswegen über alle Unvollkommenheit hinwegsieht, oder ihn so unbedingterweise zu verlangen, daß man darüber Religion, Tugend und Vernunft als unbedeutende Dinge achtet (welche doch ihrer Natur nach weit höhere Vollkommenheiten sind), bloß, weil die Person der äußerlichen Schönheit ermangelt; – dies kann sicherlich mit dem Charakter weder eines weisen Mannes noch eines guten Christen bestehen. Und vielleicht übertreibt man die Liebe des Nächsten, wenn man meint, solche Personen suchen durch ihre Verheiratung etwas mehr, als ihre fleischlichen Lüste stillen zu wollen, zu deren einzigen Befriedigung der Ehestand, wie uns gelehrt worden, gar nicht eingesetzt ist.



Was zunächst die Glücksumstände anbelangt, so kann vielleicht die weltliche Klugheit verlangen, solche einigermaßen in Betracht zu ziehen; und das möchte ich nicht so ganz platterdings verdammen. So, wie jetzt die Einrichtung der Welt besteht, erfordern die Bedürfnisse einer ordentlichen Haushaltung nebst der Sorge für Kinder eine kleine Rücksicht auf das, was man Glücksumstände nennt. Diese Vorsorge wird aber insgemein von Thorheit und Eitelkeit, welche unendlich mehr Bedürfnisse schaffen als die Natur, weit weit über die Grenzen des wirklich Notwendigen hinausgetrieben. Kutsche und Pferde für die Ehefrau und einen reichen Nachlaß für die Kinder hat die Gewohnheit auf das Verzeichnis des Unentbehrlichen gesetzt; und um dieses herbeizuschaffen, wird alles Uebrige, was wirklich dauerhaft, angenehm, tugendhaft und christlich ist, übersehen und vernachlässigt.



Und das in mancherlei Graden, wovon der letzte und höchste sich kaum von Wut und Unsinn zu unterscheiden scheint. Ich meine nämlich, wenn Frauenzimmer von unermeßlichem Reichtum mit solchen Personen unauflösliche Kontrakte eingehen, die ihnen zuwider sind und sein müssen; mit Narren und Taugenichtsen, um ihr jährliches Einkommen zu vermehren, das ohnedem schon größer ist, als selbst ihre Begierden zu befriedigen erfordert wird. Wirklich, wenn solche Menschen nicht für wahnsinnig geachtet sein wollen, so müssen sie bekennen, daß sie sich nicht fähig fühlen, die Freuden der zärtlichsten Freundschaft zu schmecken, oder daß sie die größte Glückseligkeit, dafür sie freilich keinen Sinn haben, den eiteln, unsichern und unvernünftigen Gesetzen der Meinung des dummen Pöbels aufopfern, Gesetze, deren Kraft sowohl als Ursprung auf Thorheit beruht.«



Hier endigte Alwerth seinen Sermon, auf welchen Doktor Blifil mit der tiefsten Aufmerksamkeit gehorcht hatte; wiewohl es ihm einige Anstrengung kostete, von Zeit zu Zeit ein kleines unfreiwilliges Entfalten seiner Muskeln zu verhüten. Nun preisete er jede Periode von all dem, was er gehört hatte, mit der Wärme eines angehenden Kandidaten der heiligen Gottesgelahrtheit, dem die Ehre widerfährt, an eben dem Tage bei dem Herrn Generalsuperintendenten zu speisen, an welchem Se. Magnifizenz die Kanzel bestiegen haben.





Dreizehntes Kapitel.





Welches das erste Buch beschließet; daneben ein Beispiel von Undankbarkeit, welches, wie wir hoffen, unnatürlich scheinen soll.



Aus dem, was wir beigebracht haben, wird der Leser schon einsehen, daß die Aussöhnung (wenn man's einmal so nennen kann) bloß der Form nach stattfand; wir wollen sie also überschlagen und zu etwas Anderem eilen, das man gewiß für sehr wesentlich achten wird.



Der Doktor hatte seinen Bruder mit dem, was zwischen ihm und Herrn Alwerth vorgefallen war, bekannt gemacht und setzte mit einem schmunzelnden Lachen hinzu: »Ich meine nur, ich hatte dir die volle Ladung gegeben! Ja, ich verlangte ausdrücklich, der ehrliche Junker sollt's dir nicht verzeihen, denn du weißt, nachdem er sich einmal dir zu gunsten erklärt hatte, konnte ich bei einem Menschen von seiner Gemütsart ein solches Begehren mit aller Sicherheit wagen; und es war mir daran gelegen, sowohl deinet-als meinetwegen, der geringsten Möglichkeit eines Verdachts vorzubeugen.«

 



Kapitän Blifil schien damals gar nicht acht hierauf zu geben, in der Folge aber machte er davon einen höchst wichtigen Gebrauch.



Eine von den Maximen, welche der Satan bei seinem letzten Umherzug auf Erden seinen Jüngern hinterließ, heißt: Wirf den Stuhl mit dem Fuße um, wenn du nicht selbst mehr sitzen magst; oder deutlicher: Wenn du durch Beihilfe eines Freundes dein Glück gemacht hast, so laß dir raten, und setz' ihn beiseite, sobald du kannst.



Ob der Kapitän sich diese Maxime deutlich dachte, mag ich nicht gewiß bestimmen; so viel aber läßt sich mit Zuversicht sagen, daß seine Handlungen ohne alle List und Gefährde von diesem satanischen Grundsatze hergeleitet werden können, und in Wahrheit möchte es schwer halten, irgend einen andern Bestimmungsgrund dafür aufzufinden; denn kaum war er im Besitz seiner teuren Brigitta und ausgesöhnt mit Alwerth, als er begann, seinem Bruder eine ziemlich kalte Miene zu zeigen, die dann täglich zunahm, bis sie zuletzt Grobheit und jedermann sehr sichtbar wurde.



Der Doktor machte ihm insgeheim über dies Benehmen Vorstellung, konnte aber keine andere Genugthuung erlangen, als die folgende trockene Erklärung: »Wenn dir in meines Schwagers Hause irgend etwas nicht nach dem Kopfe ist, Bruder, so weißt du, daß dir's frei steht, es zu meiden.« Diese unerhörte, grausame und fast unbegreifliche Undankbarkeit des Kapitäns ward dem Doktor ordentlich ein Nagel zu seinem Sarge. Denn Undank durchbohrt das menschliche Herz niemals tiefer, als wenn er von solchen Personen erwiesen wird, welchen zu Gefallen man über die Grenzen der Redlichkeit hinausgeschritten ist. Große und edle Handlungen mögen von denen, zu deren Besten man sie gethan hat, aufgenommen und vergolten werden wie sie wollen, ihr Bewußtsein gibt uns immer einigen Trost; was für Beruhigung aber können wir in einem so stechenden Jammer finden, welchen die undankbare Begegnung unsres Freundes verursacht, wenn unser verletztes Gewissen zu gleicher Zeit sich gegen uns empört und uns darüber schilt, daß wir es im Dienste eines so Unwürdigen befleckt haben?



Herr Alwerth sprach selbst mit dem Kapitän zum Besten seines Bruders und verlangte zu erfahren, was für ein Versehen der Doktor begangen habe? Da beging denn der hartherzige Bösewicht die Niederträchtigkeit, zu sagen, daß er ihm niemals die Anschwärzung vergeben würde, wodurch er ihn aus Herrn Alwerths Gunst zu setzen getrachtet habe; welche er, wie er vorgab, aus ihm herausgelockt hätte, und eine solche Grausamkeit wäre, die keine Verzeihung stattfinden ließe.



Alwerth sprach in sehr scharfen Ausdrücken über diese Erklärung, welche, wie er sagte, keinem menschlichen Geschöpfe geziemte. Er zeigte wirklich einen so ernstlichen Unwillen gegen ein unversöhnliches Gemüt, daß sich der Kapitän endlich stellte, als hätten ihn seine Gründe überzeugt, und äußerlich that, als wäre er versöhnt.



Was die neue Ehegattin anbelangt, so schwebte die jetzt in ihren Flitterwochen, und war so inniglich in ihren Gemahl verliebt, daß er ihr nie Unrecht haben zu können schien und sein Mißvergnügen über irgend eine Person war für sie ein hinreichender Grund, ihm völlig beizutreten.



Der Kapitän war auf Alwerths Vorstellung, wie wir gesagt haben, dem äußern Ansehen nach mit seinem Bruder ausgesöhnt; aber der alte Groll steckte ihm im Herzen; und er fand so manche Gelegenheit, ihm hievon insgeheim Winke zu geben, daß dem armen Doktor zuletzt das Haus ganz unerträglich ward, und er sich lieber allen Unbequemlichkeiten, die ihn in der Welt betreffen möchten, preisgeben, als noch länger diese grausamen und undankbaren Beleidigungen von einem Bruder erdulden wollte, für den er so viel gethan hatte.



Einst war er willens, Herrn Alwerth die ganze Beschaffenheit der Sache zu entdecken; allein er konnte es nicht über sich gewinnen, ein Geständnis zu thun, wodurch er einen so großen Teil des Vergehens auf sich selbst laden mußte. Dazu kam, daß je schwärzer er Herrn Alwerth seinen Bruder abmalte, solchem sein eigenes Verschulden um so viel größer erscheinen müsse und sein Zorn, wie er Ursache hatte sich einzubilden, um so heftiger sein würde.



Er gab also Geschäfte vor als eine Entschuldigung seiner Abreise und versprach, bald wieder zu kommen, und nahm mit so viel verstellter Freundlichkeit von seinem Bruder Abschied, daß, weil der Kapitän seine Rolle ebenso meisterhaft spielte, Alwerth an der Aufrichtigkeit ihrer Versöhnung nicht im geringsten zweifelte.



Der Doktor reiste geradenwegs nach London, woselbst er bald darauf an heimlichem Kummer starb; eine Krankheit, welche weit mehr Menschen wegrafft, als man insgemein glaubt, und einen gegründeten Anspruch auf eine Rubrik in den Sterbelisten hätte, wenn sie sich nicht durch einen Umstand von allen andern Krankheiten unterschiede, dadurch nämlich, daß kein Arzt sie heilen kann.



Jetzt, nachdem ich das vorherige Leben beider Brüder aufs fleißigste erforscht habe, finde ich, außer der oben angezeigten verdammten und höllischen Maxime der Politik, noch eine andere Ursache für die Aufführung des Kapitäns. Der Kapitän war neben dem, was wir vorher von ihm sagten, ein Mann von großem Stolz und Trotze, und hatte seinem Bruder, der von einer entgegengesetzten Gemütsart war und dem es sehr an jenen beiden Eigenschaften fehlte, beständig mit einem gebieterischen Wesen begegnet. Der Doktor besaß indessen weit mehr Gelehrsamkeit und stand bei vielen im Rufe eines bessern Verstandes. Dies wußte der Kapitän und konnte es nicht ausstehen. Denn obgleich der Neid an sich selbst schon eine sehr nagende Leidenschaft ist, so wird doch seine Bitterkeit um gar vieles geschärft, wenn sich noch Verachtung gegen den beneideten Gegenstand dazu mischt; und ich fürchte, kommt noch gar zu diesen beiden eine empfangene Wohlthat hinzu, so wird Haß und nicht Dankbarkeit das Produkt von allen dreien sein.





Zweites Buch.





Erstes Kapitel.





Stellt dar, was für eine Art von Geschichte die gegenwärtige ist: womit man sie vergleichen kann und womit nicht.



Obwohl wir dieses unser Werk mit geziemender Zierlichkeit Geschichte betitelt haben und nicht Leben und Thaten, oder Leben und Meinungen, wiewohl mehr die Mode ist: so sind wir dennoch gesonnen, vielmehr der Weise jener Schriftsteller zu folgen, welcher Thun es ist, die großen Begebenheiten von Ländern und Reichen zu beschreiben, als es dem mühseligen und bändereichen Annalisten nachzumachen, welcher, um die regelmäßige Länge und Breite seiner Chronika beizubehalten, sich notgedrungen glaubt, ebensoviel Papier mit den geringfügigen Kleinigkeiten von Monaten und Tagen zu beschreiben, in welchen nichts Merkwürdiges vorgefallen ist, als er zu jenen wichtigen Zeitläufen braucht, in welchen die größesten Auftritte auf dem Tummelplatze des menschlichen Lebens vorgefallen sind.



Solche Geschichten sind nach ihrem Wesen sehr gut mit einer Zeitung zu vergleichen, welche so ungefähr allemal dieselbe Anzahl Worte enthält, es mag etwas darin stehen oder nicht. Man kann sie auch ebenfalls mit einem Postwagen ins Gleichnis setzen, welcher beständig den Weg her macht und wieder hin, er sei leer oder beladen. Der Geschichtschreiber scheint freilich zu denken, er müsse gleichen Schritt halten mit der Zeit, deren Amanuensis er ist, und so schleicht er ebenso leise, wie seine Herrschaft, durch die Centurien von Mönchsstumpfheit, da die Welt im Schlafe zu liegen schien, als durch jenes glänzende thatenschwangere Zeitalter, welches der vortreffliche lateinische Dichter auf eine so edle Weise auszeichnet, wenn er davon sagt:





»Ad confligendum venientibus undique Poenis;



Omnia cum belli trepido concussa tumultu



Horrida contremuere sub altis aetheris aures



In dubioque fuit sub utrorum regna cadendum



Omnibus humanis esset, terraque marique.«





Von welchen Versen ich dem Leser eine bessere Uebersetzung zu geben wünschte, als die folgende:





Als er herannahte der fürchterliche Kampf



Um die Herrschaft über die Meer' und die Erde;



Die Welt erbebt' und zittert' ob dem Getös' und Getümmel



Des unglückschwangeren Kriegs: Jedes Herz schneller pochte



Vor ängstlichem Erharren der furchtbaren Entscheidung:



Welches Reich steigen würd' und welches hinstürzen.





Nun ist unsere Willensmeinung, in den folgenden Blättern einer jener ganz entgegenstehenden Methode zu folgen. Wenn sich ein außerordentlicher Auftritt darbietet (und wir verlassen uns darauf, solche Fälle sollen nicht selten vorkommen), so werden wir weder Mühe noch Papier sparen, um solchen unserem Leser mit Anfang und Ende vor die Augen zu bringen: sollten aber ganze Jahre hingehen, ohne daß solche etwas hervorbrächten, was seiner Aufmerksamkeit wert wäre, so soll uns eine Lücke in unserer Geschichte keinen Kummer machen, sondern wir werden forteilen zu Dingen von Wichtigkeit, und solche Zeitperioden ganz unbemerkt vorbeistreichen lassen.



Diese kann man wirklich als Nieten in der großen Zeitlotterie ansehen. Also wollen wir, als wohlbestallte Buchhalter bei dieser Lotterie, jenen klugen Männern nachahmen, welche ihr Wesen mit jenen haben, die in großen Städten auf