Tom Jones

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Neuntes Kapitel.

Enthält eine Geschichte von einer schändlichern Art, mit Schwögers und Quadrats Kommentarien darüber.

Ein Mann, der seiner Weisheit wegen weit berühmter war, als ich es bin, hat schon die Bemerkung gemacht, daß ein Unglück selten allein kommt. Ein Beispiel davon kann man, glaube ich, an solchen Herren sehen, welche das Unglück haben, daß eine von ihren Schelmereien entdeckt wird; denn selten steht die Entdeckung eher still, bis sie alle ans Tageslicht gebracht worden. So ging's mit dem armen Tom, dem nicht sobald der Verkauf seines Pferdes verziehen worden, als es ans Licht kam, daß er einige Zeit vorher eine schöne Bibel verkauft hätte, die ihm Herr Alwerth geschenkt, von welchem Schleichhandel er das Geld auf eben die Art verwendet hatte. Diese Bibel hatte der junge Herr Blifil, ob er schon selbst eine ähnliche hatte, teils aus Ehrfurcht für das Buch, teils aus Freundschaft für Tom erstanden, weil er nicht gern wollte, daß die Bibel für den halben Wert aus der Familie kommen sollte. Er erlegte diesen halben Wert also lieber selbst; denn er war ein sehr kluger Knabe, und so sorgsam für sein Geld, daß er fast jeden Pfennig, den er von Herrn Alwerth erhalten, bedächtlich aufgespart hatte. Einige Leute sind dafür berühmt gewesen, daß sie in keinem andern Buche, als ihrem eignen haben lesen können. Der gute Neffe Blifil hingegen brauchte, seitdem er im Besitz dieser Bibel war, niemals eine andere. Ja man sah ihn viel öfter darin lesen, als vorher in seiner eigenen. Da er nun Herrn Schwöger öfters um die Erklärung schwerer Stellen bat, so bemerkte der Herr Informator unglücklicherweise Toms Namen, der hin und wieder in diesem Buche von seiner kindischen Hand gekritzelt war. Dies veranlaßte eine Untersuchung, welches Blifil nötigte, den ganzen Kaufhandel zu entdecken.

Schwöger war fest entschlossen, ein Verbrechen von dieser Art, welches er ein Sakrilegium nannte, sollte nicht ungestraft hingehen. Er schritt also unmittelbar zur Züchtigung, und nicht zufrieden damit, machte er auch Herrn Alwerth das nächste Mal, als er ihn sprach, mit diesem, wie es ihm vorkam, ungeheuern Verbrechen bekannt. Er zog in den bittersten Ausdrücken auf den Tom los, und verglich ihn mit den Käufern und Verkäufern, welche aus dem Tempel hinausgetrieben worden.

Quadrat betrachtete diesen Handel in einem sehr verschiedenen Lichte. Er könne, sagte er, kein strafwürdigeres Verbrechen darin finden, ob man dies Buch verkaufe oder ein anderes. Bibeln zu verkaufen sei, nach allen göttlichen und weltlichen Gesetzen, völlig erlaubt, und folglich wäre damit gegen keine Regel des Rechts verstoßen. Er sagte zu Schwöger, das große Aufheben über diesen Handel brächte ihm die Geschichte einer sehr christlich-frommen Frau ins Gedächtnis, welche aus bloßer heiliger Andacht einer Dame von ihrer Bekanntschaft Tillotsons Predigten gestohlen hätte.

Ueber dieses Geschichtchen stieg dem Theologen eine gewaltige Menge Blut ins Gesicht, welches ohnedem schon das bleichste war, und er stund auf dem Sprunge, mit großer Hitze und Aerger zu antworten, hätte sich nicht Madame Blifil, welche zugegen war, ins Mittel geschlagen und Frieden erhalten. Diese Dame erklärte sich ausdrücklich für Quadrats Meinung. Sie führte dafür in der That sehr gelehrte Gründe an, und schloß damit, daß sie sagte: wenn Tom dabei ja einen Fehler begangen hätte, so müsse sie gestehen, daß ihr Sohn ihr ebenso schuldig vorkäme, denn sie könne keinen Unterschied unter Käufern und Verkäufern finden, weil beide dergleichen aus dem Tempel getrieben worden wären.

Dadurch, daß Madame Blifil ihre Meinung eröffnet hatte, war dem Streite ein Ende gemacht. Quadrats Triumph hätte fast allein ihm die Worte im Munde erstickt, wenn er welcher bedurft hätte, und Schwöger außerdem, daß er aus bereits erwähnten Ursachen es nicht wagen durfte, etwas der Dame Mißfälliges zu sagen, erstickte fast an seinem Eifer. Was den Herrn Alwerth betrifft, so sagte der, weil der Knabe bereits schon abgestraft worden, so fände er nicht nötig, seine Meinung über die Sache zu sagen, und ob er über den Jüngling böse war oder nicht, das muß ich dem Leser selbst zu erraten überlassen.

Bald nach diesem ward bei dem Junker Western (der Landedelmann, in dessen Gehege das Feldhuhn geschossen worden) eine Klage gegen den verabschiedeten Wildmeister, wegen ähnlicher Verbrechen, eingebracht. Dies war ein höchst unglücklicher Umstand für den Kerl, weil er ihm nicht nur an und für sich selbst mit großem Unglück drohte, sondern dabei auch noch Herrn Alwerth verhinderte, ihn wieder zu Gnaden anzunehmen. Denn als dieser würdige Herr eines Nachmittags mit seinem Neffen Blifil und dem jungen Tom spazieren ging, lenkte ihn der letztere ganz unvermerkterweise nach der Wohnung des schwarzen Jakob, wo die Angehörigen dieses armen Menschen, nämlich seine Frau und Kinder, in aller Not und allem Jammer befunden wurden, die nur Kälte, Hunger und Blöße über menschliche Geschöpfe verbreiten können; denn das Geld, das ihnen aus Toms Hand zugeflossen, war fast gänzlich zur Bezahlung alter Schulden draufgegangen.

Ein solcher Anblick wie dieser konnte nicht verfehlen, auf das Herz des Herrn Alwerth zu wirken. Er gab auf der Stelle der Mutter einige Goldstücke und sagte dabei, sie solle davon ihren Kindern etwas auf den Leib schaffen. Die arme Frau zerfloß bei dieser Gütigkeit in Thränen und konnte bei ihrer Danksagung sich nicht enthalten, auch ihre Erkenntlichkeit gegen Tom auszudrücken, welcher, wie sie sagte, lange schon sie und die ihrigen vom Verhungern errettet hätte. Wir haben, sagte sie, nicht einen Bissen zu essen, noch diese armen Kinder einen Lumpen anzuziehen gehabt, die wir nicht von seiner milden Güte empfangen hätten. In der That hatte Tom noch außer dem Pferde und der Bibel einen Schlafrock und andere dergleichen Sachen der Notdurft dieser notleidenden Familie aufgeopfert.

Als sie wieder nach Hause gekommen, bot Tom alle seine Beredsamkeit auf, um das Elend dieser Leute und die Reue und das Leid des schwarzen Jakob selbst mit den lebhaftesten Farben zu schildern, und hierin glückte es ihm so wohl, daß Herr Alwerth sagte, er glaube, der Mann habe für sein begangenes Versehen schon genug gelitten und er wolle ihm verzeihen und auf eine Versorgung für ihn und die seinigen denken.

Jones war über diese Neuigkeit so voller Freuden, daß er, ob es gleich schon finster war, als sie nach Hause kamen, sich nicht enthalten konnte, in einem starken Regenschauer eine Viertelmeile Weges zurückzulaufen, um der armen Frau die fröhliche Botschaft zu überbringen. Allein gleich andern schnellen Zeitungsverbreitern hatte er sich nur die Mühe verursacht, widerrufen zu müssen, denn das widrige Geschick des schwarzen Jakob bediente sich gerade der Abwesenheit seines Freundes als einer Gelegenheit, alles wieder über den Haufen zu werfen.

Zehntes Kapitel.

In welchem Neffe Blifil und Tom Jones in verschiedenem Licht erscheinen.

Neffe Blifil stand wirklich in Ansehung der liebenswürdigen Eigenschaft des Erbarmens mit Anderer Not in ziemlicher Entfernung hinter seinem Schulkameraden; aber einen desto größern Vorsprung hatte er vor ihm in einer viel wichtigern Eigenschaft, nämlich in der Gerechtigkeitsliebe, in welcher er sowohl den Lehren als Beispielen beider, des Herrn Schwöger und Quadrat, folgte; denn ob diese gleich alle beide das Wort Erbarmen oder auch Barmherzigkeit zum öftern gebrauchten, so war es doch deutlich, daß Quadrat solche Worte wirklich mit der Regel des Rechts für unvereinbar hielt, und Schwöger war für die Ausübung der Gerechtigkeit und der Meinung, daß man die Barmherzigkeit dem Himmel allein überlassen müsse. Diese beiden Gelehrten waren in der That in ihren Meinungen über den eigentlichen Gegenstand dieser erhabenen Tugend etwas verschieden, und diese Verschiedenheit wäre vielleicht schuld gewesen, daß Schwögers Meinung die eine Hälfte und Quadrats seine die andere Hälfte der Welt zu Grunde gerichtet hätte.

Ob also gleich Neffe Blifil, so lange Jones zugegen gewesen war, stille geschwiegen hatte, so war er doch nach reiflicherer Ueberlegung der Sache nicht im stande den Gedanken auszuhalten, daß seines Oheims Wohlthaten auf einen Unwürdigen fallen sollten. Kurz und gut entschloß er sich also, ihn mit der Thatsache bekannt zu machen, welche wir oben dem Leser so ganz im Vorbeigehen zu verstehen gegeben haben, deren wirkliche Beschaffenheit folgende war.

Als einstens der vorige Wildmeister, ungefähr ein Jahr nachdem er aus Herrn Alwerths Diensten gekommen, und bevor noch Thomas das Pferd verkauft hatte, sich in großem Brodmangel befand und so wenig für sich selbst als für die Seinigen einen Bissen aufzutreiben wußte, und in dieser Not eben durch ein dem Junker Western zuständiges Feld ging, spürte er einen Hasen in seinem Lager. Diesen Hasen hatte er niederträchtiger- und schändlicherweise gegen alle löblichen Gesetze der Weidmannschaft, noch mehr aber gegen die Gesetze des Landes hinter die Löffel geschlagen.

Der Wildhehler, dem der Hase verkauft worden, wurde unglücklicherweise einige Monate nachher mit einer ziemlichen Ladung dieser Ware beim Kopf genommen und dadurch genötigt, wofern er sich sonst einigermaßen beim Junker Western aus der Patsche ziehen wollte, ein Angeber der Wilddiebe zu werden. Nun fiel er auf den schwarzen Jakob, als auf einen Kerl, der Herrn Western ohnedem schon mehr als verdächtig und von nichts weniger als gutem Rufe in der Nachbarschaft war. Ueberdem war er das beste Opfer, das der Wildhehler wählen konnte, weil er ihm seitdem nichts weiter zum Kauf gebracht hatte, auch hatte der Angeber durch dieses Mittel eine gute Gelegenheit, seine besseren Kunden hintern Schirm zu stellen; denn der jagdlustige Junker, dem das Herz darüber hüpfte, daß er den schwarzen Jakob in die Kluppe bekommen, welchen auf den Anstand zu bringen es nur einer einzigen Feldjagd bedürfte, stellte alles Suchen nach weitern Uebertretern ein.

 

Wäre dieses Faktum dem Herrn Alwerth nach seiner reinen Wahrheit vorgelegt worden, so ist es wahrscheinlich, daß es dem Wildmeister wenig geschadet haben würde. Aber kein Eifer ist blinder als der, welchen Liebe zur Gerechtigkeit gegen Uebertreter einflößt. Neffe Blifil hatte die Zeit der That vergessen; so war er auch nicht ganz genau in Anführung der Umstände, und dadurch, daß er das einzige zweisilbige Wort Einen ausließ, gewann die Erzählung ein ganz anderes Ansehen, denn so hieß es: der schwarze Jakob hätte Hasen, statt Einen Hasen hinter die Löffel geschlagen. Jedoch wäre diese Auslassung wahrscheinlicherweise wohl wiederhergestellt worden, wäre nicht Neffe Blifil so unglücklicherweise bei Herrn Alwerth, ehe er ihm die Sache entdeckte, darauf bestanden, er solle ihm Verschwiegenheit versprechen. Hierdurch aber ward der arme Jäger verdammt, ohne eine Gelegenheit zu haben sich zu verteidigen; denn da das Faktum des gemausten Hasen und der Anklage, in puncto Wilddieberei betreffend, ihre Richtigkeit hatte, so hegte Herr Alwerth in Ansehung des übrigen weiter keinen Zweifel.

Von sehr kurzer Dauer war also die Freude dieser armen Leute; denn schon den nächsten Morgen erklärte Herr Alwerth, er habe ganz neue Gründe (jedoch ohne sie anzuführen) für seinen Unwillen und verbot Tom aufs strengste, den Jakob nicht weiter vor ihm zu nennen; obgleich in Ansehung seiner Familie er, wie er sagte, suchen wolle, sie vor'm Hungerleiden zu bewahren; was aber den Kerl selbst beträfe, wolle er ihn den Gesetzen überlassen, in welche einen Eingriff zu thun ihn nichts bewegen könnte.

Tom konnte auf keine Art begreifen, was den Herrn Alwerth so in Harnisch gejagt hätte; denn auf seinen Spielgesellen Blifil den geringsten Argwohn zu werfen, fiel ihm nicht ein; gleichwohl, da seine Freundschaft durch ein oder den andern vergeblichen Versuch nicht gleich den Atem verlor, so entschloß er sich nunmehr, einen andern Weg einzuschlagen, um den armen Wildmeister vom äußersten Verderben zu retten.

Jones war seit kurzem mit Junker Gestern sehr genau bekannt geworden. Er hatte sich bei diesem Landjunker durch sein Uebersetzen über hohe Schlagbäume und durch andere einen kühnen Weidmann zierende Handlungen dergestalt eingeschossen, daß der Junker erklärt hatte, aus dem Tom würde einst gewiß noch ein großer Mann werden, wenn ihm gehörig unter die Arme gegriffen würde. Er wünschte, daß er selbst einen Sohn von solchen hohen Gaben haben möchte, und eines Tages beteuerte er zwischen Flasche und Becher, Tom sollte um eintausend Pfund von seinem eignen Gelde mit einer Kuppel Hunde mit jedem Parforce-Jäger in der Nachbarschaft in die Wette jagen.

Durch dergleichen Talente war er dem Junker so lieb und wert, daß er ein sehr willkommener Gast bei seinem Tische und ein gar lieber Geselle bei seinen Jagden geworden war. Alles was der Junker am teuersten hielt, das heißt: seine Büchsen, Hunde und Jagdklepper standen jetzt unserm Jones ebensogut zu Befehl, als wären sie sein Eigentum gewesen. Daher faßte er den Entschluß, diese Gunst zum Besten seines Freundes anzuwenden und den schwarzen Jakob, nach seiner Hoffnung, bei Herrn Western in eben dem Dienst anzubringen, welchen er ehedem bei Herrn Alwerth versehen hatte.

Der Leser, wenn er bedenkt, daß dieser Kerl bei Herrn Western bereits in einem sehr schlechten Geruche stand, und ferner die Wichtigkeit des Verbrechens überlegt, wodurch dieser Herr zur Ungnade bewogen war, verurteilt vielleicht Toms Vorsatz als ein thörichtes und verzweifeltes Unternehmen. Wenn er indes den jungen Menschen deswegen nicht gänzlich verdammt, so wird er ihn darüber nicht wenig loben, daß er bei einem so kühnen Vorhaben alle ersinnliche Hilfe und Beistand aufsuchte.

Zu dem Ende nun wendete sich Tom an Junker Westerns Tochter, ein Fräulein von ungefähr fünfzehn Jahren, welche ihr Vater, nächst den vorherbenannten Gerätschaften der Jagd, über alle Dinge in der Welt lieb hatte. So aber, wie nun diese einigen Einfluß bei dem Junker hatte, so hatte auch Tom einigen Einfluß bei ihr selbst. Doch da dies die bestimmte Heldin unserer Geschichte und ein Mädchen ist, in welches wir selbst nicht wenig verliebt sind und in welches sich wahrscheinlicherweise mancher von unsern Lesern verlieben wird, ehe wir noch aus einander gehen, so ist es auf keine Weise schicklich, daß wir sie gerade am Ende eines Buchs zum erstenmale auftreten lassen sollten.

Viertes Buch.
Erstes Kapitel.

Enthält zehn Seiten beschriebenes Papier.

Obgleich unser Werk durch den Stempel der Wahrheit vor allen jenen schalen Romanen kennbar sein soll, in welchen es von solchen Mißgeburten wimmelt, die keineswegs Geschöpfe der Natur, sondern eines leeren Gehirns sind und deswegen von einem vortrefflichen Kunstrichter zum alleinigen Gebrauch der Pastetenbäcker und Pfefferkrämer empfohlen sind, so möchten wir doch auch auf der andern Seite die mindeste Aehnlichkeit mit jener Gattung von Geschichte vermeiden, welche, wie ein berühmter Poet dafür hält, nur zum Nutzen der Bierbrauer geschrieben worden, weil ein jeder, der sie lesen will, allemal eine Kanne starkes Bier zur Hand haben sollte:

While – History with her comrade Ale

Sooths the sad series of her serious tale.

Würgt an der Mähr', die ihr Kamrad, der Gerstensaft,

So trocken, dürr sie ist, ihm schlingbar macht.

Denn da dies (wenn wir dem verstorbenen Butler trauen können, welcher in dem englischen Bier, Ale genannt, die Inspiration findet,) der neuern Geschichtschreiber Getränke, ja vielleicht gar ihre Muse ist: so muß es auch der Labetrunk der Leser sein, weil jedes Buch in eben dem Geiste und eben der Stimmung gelesen werden muß, worin es geschrieben ward. Deswegen sagte der berühmte Autor des Hurlotrumbo einem gelehrten Bischof, die Ursache, warum Seine Magnifizenz der Vortrefflichkeit seines Werkes keinen Geschmack abgewinnen könne, wäre, daß Dieselben es nicht mit einer Geige in der Hand gelesen hätten, welches Instrument er beständig in der seinigen gehabt, so lang er an dessen Komposition gearbeitet hätte.

Damit also unsre Schrift in keine Gefahr geraten möge, mit den Tagewerken jener Historiker eine Aehnlichkeit zu gewinnen, so haben wir jede Gelegenheit wahrgenommen, durch das Ganze hindurch Gleichnisse, Malereien und andere dergleichen Arten von poetischen Zieraten einzuweben. Diese Dinge sind dann in vollem Ernste bestimmt, die Stelle des besagten Weizen- und Gerstensaftes zu ersetzen und das Gemüt des Lesers wacker zu erhalten, wenn der Schlummer, dem bei einem langen Werke sowohl der Leser als der Verfasser ausgesetzt sind, sich herankriecht und ihn beschleichen will. Ohne diese Arten von Unterbrechung würde die beste Erzählung simpler Thatsachen den Leser überwältigen; denn ich wüßte nichts in der Welt – das ewige Wachen ausgenommen, welches Homer dem mächtigen Zeus zuschreibt – das nicht unter einer Zeitung von einigen Heften dahinsinken müßte.

Mag der Leser bestimmen, mit wie viel Kunstsinn wir die verschiedenen Gelegenheiten erhascht haben, jene Zieraten in unserem Werke anzubringen. So viel wird man wenigstens einräumen, daß keine schicklicher sein kann als die gegenwärtige, da wir im Begriff stehen, eine wichtige Person auf unserer Bühne auftreten zu lassen; und zwar keine geringere als die Hauptheldin dieses heroischen, historischen, reim-und versefreien Gedichts. Wir haben also für diensam erachtet, hier den Geist des Lesers auf ihren Empfang dadurch vorzubereiten, daß wir ihn mit allen den lieblichen Bildern anfüllen, die wir dem Angesicht der Natur nachzeichnen können. Und diese Methode können wir mit manchem Beispiele rechtfertigen. Erstlich ist es eine ganz bekannte und auch geläufige Kunst bei unsern tragischen Dichtern, welche selten ermangeln, ihre Zuschauer auf den Empfang ihrer Hauptpersonen vorzubereiten.

Deswegen machen allemal, wenn der Held auftritt, die Pauken und Trompeten einen Lärmschlag, um in der Versammlung einen martialischen Geist zu erregen und ihre Ohren an den hohlen Klang der, gleich einer Götterstimme ertönenden Reden zu gewöhnen, welche Lockens blinder Mann, ohne eben gröblich zu irren, mit dem schmetternden Schalle einer Trompete verglichen haben würde. Ferner, wenn Liebende auftreten, werden sie oft von sanfter Musik begleitet, entweder um die Zuhörer mit allem Wonnegefühl der zärtlichen Minne zu sanfter Milde zu stimmen, oder sie in den Schlummer einzuwiegen und zu säuseln, in welchen sie höchst wahrscheinlicherweise der folgende Auftritt versenken wird.

Und nicht nur die dramatischen Dichter, sondern auch die Lohn- und Brodherren dieser Dichter, die Theaterprinzipale, scheinen um das Geheimnis zu wissen; denn außer den vorbesagten Heerpauken u.s.w., welche die Ankunft des Helden verkünden, wird dieser auch die meiste Zeit noch von einem prächtigen Aufzuge eines halben Dutzends Theatertischler und Schneider begleitet. Und wie nötig diese bei seiner Erscheinung erachtet werden, mag man aus folgender Theateranekdote schließen.

König Pyrrhus saß in einem Bierhause, das ans Theater stieß, und verzehrte seine Vesperkost, als man ihm ansagte, sein Auftritt käme. Der Held, welcher seine Hammelskeule nicht gerne aufgeben und doch auch nicht gerne den Unwillen des Herrn Wilks (seines Bruder Co-Prinzipals) auf sich laden wollte, wenn er das Auditorium harren ließe, hatte diese Paradeurs bestochen, sich nicht bei der Hand finden zu lassen. Derweil also Herr Wilks herumdonnerte: »wo stecken die vermaledeiten Gesellen, die vorm König Pyrrhus paradieren sollen?«, verzehrte dieser Monarch ganz ruhig seinen Schöpsenbraten und das Auditorium war bei aller seiner Ungeduld genötigt, sich, bis er kam, die Zeit mit Musik vertreiben zu lassen.

Gerade herauszugehen, so gestehe ich meinen großen Argwohn, daß die Politiker, welche gewöhnlich eine feine Nase haben, etwas von dem Nutzen dieses Kunstgriffs gewittert haben mögen. Nach meiner Ueberzeugung zieht die erhabene obrigkeitliche Person, Mylord Mair von London, einen großen Theil des hohen Ansehens, welches ihm das Jahr seiner Regierung hindurch anklebt, aus dem mancherlei Gepränge, welches seinem Pomp vorausgeht. Ja, ich muß gestehen, daß ich selbst, ob ich gleich eben nicht gar zu leicht durch leeren Schauprunk zu fangen bin, mich eines ziemlichen Eindrucks von großem vorgehenden Staate nicht habe erwehren können. Wenn ich einen Mann in einer Prozession daherstolzieren sah, hinter andern her, deren Geschäft bloß darin bestand, vor ihm her zu schreiten, so habe ich eine höhere Meinung von seiner Würde bekommen, als ich von ihm hatte, wenn ich ihn in gewöhnlichen Lagen und Um ständen sah. Allein noch eins kann ich anführen, das sich ganz genau auf mein Vorhaben paßt. Dies ist die Gewohnheit, ein Sträußermädchen zu bestellen, welches die prächtige Feier des Krönungstages eröffnen und den Weg mit Blumen bestreuen muß, bevor die Großen des Reichs ihre Prozession beginnen. Die Alten hätten gewiß die Göttin Flora beschworen, das Geschäft zu verrichten, und ihren Priestern und Politikern würde es keine Schwierigkeit gemacht haben, das Volk von der wirklichen Gegenwart der Göttin zu überreden, obgleich eine bloße Sterbliche ihre Person vorgestellt und ihr Geschäft verrichtet hätte. Wir aber haben keine solche Absicht unsern Lesern etwas auf den Aermel zu heften, und deswegen mögen diejenigen, welche mit der heidnischen Theologie nichts zu thun haben wollen, unsere Göttin nach Belieben in obbesagtes Sträußermädchen verwandeln. Unsere Absicht mit kurzen Worten ist, unsre Heldin mit der größesten Feierlichkeit, die in unsern Kräften steht, mit einer Erhabenheit des Stils und mit allen Umständen einzuführen, welche dazu beitragen können, die Ehrerbietung des Lesers zu erhöhen. In der That möchten wir, aus gewissen Ursachen, unsrem Leser, wenn er sich eines Herzens bewußt ist, raten, nicht weiter fort zu lesen, wären wir nicht versichert, so liebenswürdig auch das Porträt unsrer Heldin erscheinen wird, weil es wirklich nach der Natur gemalt ist, werden trotz dem manche unsrer schönen Landsmänninen würdig erfunden werden, die edelsten Leidenschaften einzuflößen, und jeder Idee von weiblicher Vollkommenheit entsprechen, deren unser Pinsel fähig ist.

 

Und nun gehen wir ohne weitere Vorrede über zu unserem nächsten Kapitel.